Beiträge von Kalle66 im Thema „Warum rotiert Mars“

    Martin,
    das mit Spin durch Akkretion gilt nur für die Gasplaneten, die quasi in Konkurrenz um die Sonne Gas einsammelten.
    Für Gesteinsplaneten gilt das aber definitiv nicht.

    Armin,
    für die Gezeitenreibung und den Drehimpulsaustausch zwischen zwei sich umkreisenden Himmelskörpern gibt es eigentlich eine einfache Herangehensweise. Der jeweils umkreisende Himmelskörper übt auf den anderen eine Kraft aus, die im Ergebnis zu einer sogenannten gebundenen Rotation führt. Die Frage bleibt dann nur noch, ob dabei die Eigenrotation des anderen abgebremst werden muss (wie aus Sicht des Mondes hinsichtlich der Erdrotation) oder ob die Rotation beschleunigt werden muss. Im ersten Fall wandert der Drehimpuls von der Eigenrotation der Erde in die Umlaufbahn des Mondes, der Mond entfernt sich (gewinnt dadurch an Bahn-Drehimpuls). Im anderen Falle würde Drehimpuls aus der Umlaufbahn in die Eigenrotation wandern. Das wäre der hypothetische Fall, wenn es einen Mond unterhalb der geostationären Umlaufbahn (ca. 36.000 Entfernung) gäbe; drunter dauert der Monat dann weniger als 24h. Solche Monde würden sich langfristig annähern und abstürzen (Die Rochegrenze lässt in vorher sogar auseinander platzen).


    Es geht nicht um pro- oder retrograd. Allerdings kannst Du Dir ja selbst ausrechnen, was es bedeutet, wenn die Erde andersherum rotiert als der Mond uns umkreist. Dann würde der Mond zuerst eine Kraft entwickeln, die die Erdrotation abbremst. Falls er dann immer noch die Erde umkreist (und sich nicht zu weit entfernt hat), dann würde er die Kraft weiter ausüben, bis die Erde anfängt andersrum zu kreisen. Wobei das dem Mond egal ist, er sieht darin kein "Stillstehen", denn letztlich will er nur eine gebundene Rotation erzwingen, erst dann steht die Erde zum ihm "still". Wie schnell das geht, ob das Massenverhältnis das überhaupt zulässt .. all das ist simple Mathematik. Man addiert die 4 Drehimpulse zu Anfang (2x Bahndrehimpuls der beiden Körper um ihren gemeinsamen Schwerpunkt sowie 2x ihren Drehimpuls aus Eigenrotation) und schaut mit Hilfe der Keplerschen Gesetze, ob eine Verteilung möglich ist, bei der eine doppelt gebundene Rotation möglich ist.


    Denke dabei immer daran, dass Drehimpuls eine "richtungsabhängige Größe" ist.
    Die größtmögliche Umlaufbahn eines Mondes um einen Planeten, die langfristig so stabil ist, dass der Mond nicht durch Sonne, Jupiter und andere Planeten gestört wird und ganz weg fliegt, wird "Hill-Sphäre" genannt.

    Jo,
    Gasriesen bilden sich nicht über das Zwischenstadium von Planetesimale. Die gibt es nur, um Staub zu verkleben. Bei Gas funktioniert das nicht. Planetesimale erklären Brocken bis 10km. Darüber hinaus muss man die Schwerkraft bemühen. Dafür sind die Simale eigentlich noch zu klein. Das Zeitfenster für das Anwachsen der Gesteinsplaneten ist recht klein (bis die Sonne mit ihrem Sonnenwind den Staub wegbläst). So ganz befriedigend können die Physiker die Phase des Anwachsen jenseits der 10km Grenze bis hin zu 1/100 der Erdmasse nicht erklären. Da sind noch etliche Fragen offen.


    Gasriesen kann man als Konkurrenz zur Sonne betrachten. So entstehen schließlich auch Doppelsternsysteme. Letzlich entsteht die Sonne ja auch nicht allein, sondern in einem Sternentstehungsgebiet zusammen mit hunderten anderen Sonnen.


    Geht man aber über Planetesimale und Embrios (1/100 - 1/10 Erdmasse) ein hierarchies Wachstumsverfahren der inneren Planeten durch, dann spielen die Eigenrotationen der jeweiligen Stufe davor keine Rolle. Bei Impacts unter Gleichgesinnten kommt es nur auf Auftreffwinkel und, obs ein Volltreffer ist oder nicht, an. Denn da überwiegt der Bahnimpuls (mit dem solche Körper aufeinander prallen) um mehrere Zehnerpotenzen den Eigenrotations-Drehimpuls vor dem jeweiligen Impact.


    Und selbst, wenn man sich da entstehungstechnisch festlegt, bleibt völlig offen, was anschließend noch an Änderungen passieren konnte. Immerhin gibt es Theorien, die Jupiter bis auf 1,5 AE an die Sonne angenähert wissen wollen (heutige Marsbahn), bevor er wieder nach außen wegdriftete. Wenn dem so ist, hat er alles im Inneren kräftig durchgeschüttelt und gerührt.

    Jo,
    bei Zusammenstößen zweier gleich großer Embrios, deren elliptische Bahnen sich kreuzen, wird aus eigentlichem Bahnimpuls der beiden Körper ganz schnell Drehimpuls für die Eigenrotation. Die dürfen sich gerade nicht volltreffen. Da der Bahndrehimpuls um Größenordnungen größer ist**, ändert sich an der Bahn dabei fast nichts, wohl aber an der Rotation.



    **
    Drehimpuls ermittelt sich aus Masse und Abstand zur Drehachse und Geschwindigkeit. Das gilt für den Bahndrehimpuls wie für den Eigenrotationsimpuls. Die Massen sind die Gleichen, der Bahnradius ist um Größenordnungen größer als der Planetendurchmesser. Die Umlaufgeschwindigkeit um die Sonne ist ebenfalls größer als die Umlaufgeschwindigkeit der Eigenrotation an der Oberfläche eines Planeten. Fazit: Zwischen Bahnimpuls und Eigenrotation eines Himmelskörpers liegen betragsmäßig Welten.


    Bildhaft kann man sich das vorstellen, als wenn zwei Fahrzeuge sich beim Überholen tuschieren, der hintere quasi mit dem Vorderrad den Vordermann am Hinterrad seitlich tuschiert und ihn in eine Drehung versetzt. Ergebnis: Der Vordermann verliert die Kontrolle, rotiert und überschlägt.

    Jo,
    ein Drehsinn für Planetesimale lässt sich nur per Simulation ermitteln und ist im Ergebnis mehr Zufall. Die Physik hat schließlich noch ganz andere Probleme in petto. Zuerst müsste mal geklärt werden, ob bei der Planetesimalbildung die einzelnen Simale überhaupt auf konstanten Bahnen unterwegs sind oder aufgrund der Akkretion einen Zug nach innen entwickeln**. Für den vereinfachten Fall einer Kreisbahn hätte so ein Zug ach innen zur Folge, dass vorzugsweise Partikel, welche schneller sind (die innen überholen) eine Seite des Simals treffen. Das Simal hobelt quasi auf der Innenkante entlang der anfänglichen Staubscheibe. In der eigenen Bahn passiert nicht viel, da da alles gleich schnell ist oder schon weggeräumt wurde. Ergebnis: Retrograde Tendenz


    Aber ganz so einfach ist das nicht. Nachbarteilchen werden auf Ellipsenbahnen abgelenkt, es entstehen Wirbelschleppen an der "Hobelkante". Je nach Druckverhältnissen in der protosolaren Staubscheibe diffundieren ständig Teilchen in die bestehende Bahn etc. Also alles, was man sich dynamisch vorstellen kann.


    Vermutlich resultiert der Drehsinn aus den letzten Zusammenstößen, nach der Planetesimalphase, wenn die beteiligten Massen der Planeten-Embrios am größten sind. Ich behaupte mal, dass das mehr Zufall ist als irgendeine Systematik. Ein ganz besonderer Zufall ist eine Eigenrotation von "null".


    Die Situation ist bei den Gasplaneten schon wieder anders. Die haben anschließend selbst Akkretionsscheiben ausgebildet, nachdem sie eine kritische Masse angesammelt haben.


    Auch ist die Bahnentwicklung des Jupiters und anderer äußerer Gasplaneten noch nicht endgültig geklärt, inwieweit die mal näher zur Sonne waren und als Störquelle gewirkt haben. Auch eine Passage einer anderen Sonne ist nicht ausgeschlossen. Wenn man Glück hat, kann man ex-post für einzelne Planeten herausfinden, was dazu geführt hat, dass er so ist und nicht anders. Aber das endet spätestens beim letzten Großereignis, im Fall der Erde also bei der Impacttheorie zur Mondentstehung. Was mit der Erde davor war, bleibt Spekulation.


    Und bei dem ganzen dynamischen Chaos erinnere ich mich immer an den Spruch eines befreundeten Arzts: Man kann Läuse haben und trotzdem Flöhe.



    **Eine unter Druck stehende Gas- und Staubscheibe dreht sich unterhalb der Keplergeschwindigkeit der jeweils einzeln Teilchen. Damit wird der Druck überhaupt aufgebaut. Ein größerer Körper ist dann auf seiner Keplerbahn schneller unterwegs, als das ihn umgebendes Gas und der Staub. Bei der Akkretion wird er dadurch tendenziell abgebremst und wandert nach innen.

    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">*Klugscheiß* Der retrograde Phobos nähert sich auch Mars.*/Klugscheiß*<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Seine Umlaufbahn ist übrigens immer noch prograd und nicht retrograd. Der Unterschied zum Erdmond ist, dass er den Mars schneller umkreist, als ein Marstag währt, während unser Mond da aufgrund seiner Entfernung langsamer als ein Erdtag ist. Für den Marsbewohner geht er daher im Westen auf und im Osten unter.
    Folge ist, dass Phobos Drehimpuls an Mars abgibt, ihn schneller rotieren lassen will; sozusagen auf sein Tempo bringen will (darum geht's doch bei den Gezeitenkräften immer, das jeder Körper den anderen in eine gebundene Rotation bringen will). Folge davon ist, dass er an Höhe verliert. Da er zudem an der kritischen Rochegrenze ist, läuft das darauf hinaus, dass er früher oder später auseinander bricht, bevor die Trümmer ganz abstürzen.

    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Nun, die Astrophysiker sagen, unsere Erde würde OHNE Mond einfach nur rumtaumeln, mehr oder weniger völlig unkontrolliert.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Was heißt drehen? Wenn der Mond uns immer das gleiche Gesicht zeigt, dann dreht sich der Mond binnen eines Monats
    a) einmal um die Erde (Mondbahn)
    b) einmal um sich selbst (Eigenrotation, hier eine sog. gebundene Rotation)


    Aus Sicht der Erde dreht sich der Mond nicht um sich selbst. Aus Sicht der Sonne sehr wohl. Aus Sicht der Milchstraße sogar um 1/365 anders als aus Sicht der Sonne.


    Der Drehimpuls eines Planeten (Eigenrotation) entstand während der Planetenbildungsphase durch Chaos und Zufall. Es ist ein Sonderfall, wenn er genau "null" wäre. Der Drehimpuls wird aber danach durch Gezeitenkräfte (nicht mehr ganz so zufällig) aller anderen Himmelskörper im Sonnensystem (Erde-Mond ist aufgrund des Massenverhältnisses im Grunde ein Sonderfall) beeinflusst. Auch gibt es statische Gesetze zur Stabilität einer Drehachse eines Körpers im Raum. Die können eine Verkippung (ähnlich dem Eiern eines Kinderreisels) bewirken, wenn Schwerpunkt und geometrischer Mittelpunkt nicht übereinstimmen. (Z.B. durch gewissene Ungleichverteilungen, durch Strömungen in Flüssigkeiten/Gasen (sofern ein Himmelskörper nicht vollständig erstarrt ist).


    Kurzum: Die beiden Minimonde des Marses haben praktisch keinen Gezeiteneinfluss auf den Mars (wohl aber umgekehrt). Die Stabilität der Drehachse des Marses ist über Zeiträume von +100.000 Jahren nicht stabil, sie eiert. Wie genau, dazu fehlt eine entsprechend lange Beobachtungsreihe.


    Wenn Astrophysiker von "Leben" sprechen, dann meinen die mehr oder weniger komplexe Moleküle aus der organischen Chemie. Für die fängt "Leben" nicht erst mit einer kompletten Zelle oder Mehrzellern an. Je nach Intention schreien die schon "Leben", nur weil Wasser in flüssiger Form vorlag, in dem sich diverse Mineralstoffe gelöst hatten. Das Problem dabei: Es reicht, wenn EIN Astrophysiker das Zauberwort "Leben" in den Mund nimmt. Da stürzt sich die Presse auf ihn und vergisst alle anderen, die das Zauberwort gerade nicht benutzen. Hinsichtlich medialer Verbreitung ist es quasi ein "Sesam Öffne Dich", wenn man von Leben auf fremden Planeten spricht. Ich finde das äußerst unglücklich.