Wer erinnert sich noch an meinen letzten Bericht vom VLT? Fast drei Jahre ist es nun her, daß ich eine Woche bei den Großteleskopen des Very Large Telescope in der chilenischen Atacama-Wüste verbringen durfte, um dort zu beobachten und die wissenschaftlichen Daten mit nach Hause zu bringen, die der Schwerpunkt meiner Doktorarbeit werden sollten. Drei Jahre, da wird es Zeit, an den Ort des Geschehens zurückzukehren.[8D] Dem vorausgegangen waren zwei Beobachtungsanträge (der erste davon wurde abgelehnt, der zweite war erfolgreich und eine mehr als einjährige Wartezeit.
Und dann habe ich mich gestern nun auf den Weg gemacht. Zuerst nach Paris, und von dort aus dann weiter nach Santiago de Chile, dem ersten kurzen Zwischenstop meiner Reise. Im Gegensatz du meiner Anreise vor drei Jahren verlief diesmal alles glatt und ich konnte mich nach dem 14-stündigen Interkontinentalflug heute morgen Ortszeit (hier ist es gerade 15:15) für einen Tag im Guesthouse der ESO einquartieren.
Verändert hat sich hier nicht viel in den vergangenen Jahren, das zauberhafte Ambiente mit Nobelflair ist geblieben. Eine eingeschossige Villa römischen Stils mit Atrium und Brunnen im Innenhof, dazu ein Rasen der aussieht als würde er täglich mit der Nagelschere geschnitten, dazu passend ein Schwarm von Dienstpersonal vom Gärtner über Zimmermädchen und Koch bis hin zur Hausherrin. Die Krönung des Ganzen: ein Swimming-Pool. Ob ich den heute noch teste?
Angesichts von Außentemperaturen im Bereich von 30° im Schatten bei strahlend blauem Himmel übrigens auch durchaus eine Option für den Zeitvertreib. Die meisten der anwesenden Kollegen, von denen mich der Großteil morgen zum Paranal begleiten wird, sitzen allerdings jetzt hier mit mir auf der Terasse im Schatten, einige besprechen ihre anstehenden Beobachtungen. In Chile (Südhalbkugel!) sollte sich langsam der Herbst ankündigen, viel ist davon aber noch nicht zu merken.
Das ESO-Guesthause gibt es schon seit den 60er Jahren - seit die ESO auf dem Berg La Silla ihr erstes Observatorium einrichtete. Einst nur eines von vielen ähnlichen Häusern, ist die hübsche Villa in Santiagos "besserem" Stadtteil Las Condes heute eingerahmt von Hochhausbauten aus neurerer Zeit, mit gar nicht mal günstigen Wohnungen; sozusagen eine Insel der Ruhe aus der Vergangenheit im Häusermeer der Großstadt. Und daß Santiago auch eine andere Seite hat, zeigt der Blick aus dem Fenster meines kleines Reiches für diese Nacht: Die Fenstervergitterung kommt nicht von ungefähr, sondern soll vor noch heute marodierenden Räuberbanden schützen. Die kommen aus den Slums, an denen man auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt vorbeikommt, ganze Viertel mit einfachen Bretterbauten inmitten von Bergen von Abfall, deren Bewohnern man es eigentlich nicht verdenken kann, daß sie ihren Teil vom Kuchen abhaben wollen.
Morgen gehts weiter,
Caro