Transporttaschen? Einfach selber nähen!

  • Liebe Selbermacher,


    warum liest man eigentlich so wenig über das Schneiderhandwerk in der Astronomie [?]


    Versteh ich gar nicht... wo passgenaue Transporttaschen für die Ausrüstung doch sowas Praktisches sind.


    Leider passen die handelsüblichen Taschenerzeugnisse in den wenigsten Fällen zum eigenen Gepäck. Entsprechend frustriert hab ich mich vor ein paar Monaten ans Werk gemacht, in der Hoffnung dass eine Nähmaschine ja wohl kein Teufelswerk sein kann, mit dem nur die Damen der Schöpfung erfolgreich tätig sein können.


    Nach ein paar Designskizzen und groben Vorstellungen von der Nähkunst schlappte ich in die lokale Quelle-Filiale, deren 79 Euro-Nähmaschine im Schaufenster mich spontan begeistert hat.


    Selten kam ich mir in einem Laden so deplaziert vor. Wirklich verstanden hat mich die Verkäuferin eher nicht. Cordura-Nylon nähen? Gurtband? PE-Schaum? Den Begriff Reißverschluss hat sie dann wieder gekannt. Ok, mit vollem Risiko hab ich die Maschine einfach mal mitgenommen.


    Dann musste ich lernen, dass die Damen das Nähen heutzutage wohl nicht mehr als Kernkompetenz vorweisen können. Also in einem Handarbeitsforum angemeldet. Da war noch so ein Spinner, der Kunstlederteile für sein Auto genäht hat. Kurzum, das Internet hat mir verraten wie man mit einer Nähmaschine umgeht.


    Nun gut, mit den neu erworbenen Wissen ging es dann an die Detaillierung des Designs, Materialbeschaffung (über Internet, um mir peinliche Besuche in der Kurzwarenabteilung zu ersparen), Zuschnitte festlegen, und schließlich das eigentliche Nähen. Es hat erstaunlicherweise alles ziemlich gut geklappt. Die Billigmaschine (Thailand) hat sogar anstandslos mehrere Lagen dickes Gewebe und Gurtbänder vernäht.


    Ich habe 2 Taschen genäht: eine für den 8" Newton, und eine für das Stativ meiner Monti. Eine dritte geplante Tasche, für das Achsenkreuz, wird durch einen maß"geschneiderten" Koffer ersetzt. Die Taschen bestehen außen aus "1000den" Cordura-Gewebe (das ist das feste Gewebe aus dem z.B. Laptop-Taschen, Koffer oder Outdoor-Artikel sind).
    Innen ist ein Futter aus einem Nylon/Baumwoll-Mischgewebe drin. Dazwischen befinden sich feste PE-Schaumplatten, um das Ganze in Form zu halten.


    Noch schnell einen Reißverschluss, Tragebänder, und ein paar Klettis für die Befestigung des Innenfutters, und "im Prinzip" war's das schon.


    Für die beiden Taschen hab ich ca. 5 Tage gebraucht. Das war wie gesagt meine erste Begegnung mit einer Nähe, von daher bin ich sowohl mit Zeitaufwand wie auch dem Ergebnis zufrieden.


    Hier ein paar Bilder, von der eigentlichen Arbeit hab ich leider keine gemacht.








    cs
    Martin

  • Hallo Martin,


    das sieht ja richtig gut aus [:)]. Nicht schlecht, vor allem fürs erste mal.
    Was ist das für ein Newton? Den kann ich keinem Hersteller zuordnen. Ist der Tubus im Bereich des OAZ rotierbar?


    Gruss Heinz

  • Beim "Bund" lernt man das aber nicht[:D]!
    Respekt!!!


    Ich war auch lange Zeit auf der Suche nach einer passenden Tasche für meinen 120/600er. Hab ihn nun letztendlich in einer alten, ausgedienten Sporttasche untergebracht, die mit Schaumstoff ausgelegt ist. Zusätzlich hab ich den Tubus noch mit einer alten ISO-Matte umwickelt. Transport und Lagerung seitdem kein Problem mehr!


    CS, Michael

  • Hallo Martin!


    Respekt, das schaut echt sauber aus!


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">warum liest man eigentlich so wenig über das Schneiderhandwerk in der Astronomie
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ich habe auch schon einiges genäht (und auch darüber berichtet) meist ging es um Socken für Gittertubi oder um Transporttaschen (ich schwöre auf Frottee, mehrlagig abgesteppt)


    Und dann hab'ich auch schon sowas genäht:
    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=46649

  • Hallo zusammen,


    und danke für die lobenden Worte!


    Stefan, die Materialkosten lagen so bei 100 Euro. Also nicht unbedingt billig. Am teuersten war das Cordura-Gewebe mit 24 Eur pro 1,5qm, und das spezielle reißfeste Garn in den passenden Farben kostet auch ein paar Euro pro Röllchen.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Was ist das für ein Newton? Den kann ich keinem Hersteller zuordnen.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Hallo Heinz, danke für das Kompliment [:D]
    Ist ein SB http://www.astroselbstbau.homepage.t-online.de/newton.htm


    Und ja, der Tubus ist vorne rotierbar. Das Beobachten soll ja auch bequem sein...


    Hi Silvio, du bist also ein Freund des breit angelegten Zickzackstiches... [:D] Schöne Konstruktion!


    cs
    Martin

  • Hallo Martin,


    ich bewundere deine "fachübergreifenden" Fähigkeiten! Daß du perfekte Teleskope und Montierungen baust, wußte ich schon.


    Aber daß du auch "Handarbeiten" beherrschst, noch nicht...[:D]


    Nur weiter so...[^]

  • Hallo Martin,


    ich habe gerade mit grossem Interesse deine Page überflogen. Respekt!
    Das ist ja super, was du alles gebaut hast. Der Newton entspricht weitgehend dem, was ich mir schon mal für mein Traumteleskop überlegt hatte. Und das Finish, was du deinen Teilen verpasst hast, ist ja auch vom Feinsten. Über den Spiegel braucht man wirklich nichts sagen, 10 nm PV, besser geht es wohl kaum.

  • cordura von der rolle gefallen, reissfester garn, schaumstoffplatten, nähmaschine lagen so herum. näht reissverschlüsse an cordura, gurte auch, alles ohne zu schlingern oder sich aufzurollen. bin sprachlos. das wird aber am cordura liegen, sonst hätte man das vermutlich vornähen müssen *g*

  • Servus Martin,


    ich bin sehr begeistert. Wie cool ist das denn.


    Das Ergebnis macht auch echt Mut, scheinbar ist naehen erlernbar! Auch wenn ich grad keine Teleskoptasche brauche vielleicht gut zu wissen...[;)]


    Aber Deine Taschen sehen super aus!


    Gruesse, Henning

  • Hi Martin,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Dann musste ich lernen, dass die Damen das Nähen heutzutage wohl nicht mehr als Kernkompetenz vorweisen können.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Du hast hiermit erfolgreich eine neue "Kernkompetenz" erworben. Die Tschen sehen richtig gut aus.
    Gruß


    PS:
    Wusste allerdings nicht, dass Nähen und Schneidern eine reine weibliche Angelegenheit ist. Mir fällt da u.a. das tapfere Schneiderlein ein.

  • Hallo Martin.



    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Silvio, du bist also ein Freund des breit angelegten Zickzackstiches...[:D]<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">



    Ja, bei mir gibt es mittlerweile 2 Arten von Nähen: schnell oder schön. Bei der "MoObs" stand die Funktion im Fordergrund...[:o)]


    (Sind ausserdem ganz andere Strecken zu nähen; wenn Du da langsam & jeden Stich beobachtest/kontrollierst, dann wirste alt und grau neben der Maschine...[;)])



    Aber Deine Tasche - muss ich nochmals sagen - Respekt!
    Der sieht man wirklich nicht an, dass sie ein "Erstlingswerk" ist!


    Zeig'mal Details, z.B. einige Nähte wenn die Tasche umgestülpt ist.



    Hast Du das Cordura heiss(*) geschnitten, oder mit der Schere?


    (* ich habe dafür eine schmal gesfeilte Spitze für den Lötkolben, das geht auch prima beim Gurtband)


    Falls letzteres, dann hoffe ich, Du hast beim Zusammennähen genügend Überstand gelassen und/oder die Nähte mehrfach vernäht. Cordura hat nämlich manchmal die schlechte Angewohnheit, sich an stark beanspruchten Nähten zu "entweben" (Querfäden von der ausreissenden Naht quasi von den Kettfäden runtergekämmt).



    Cordura ist aber "dankbar" zu nähen: weil es so fest ist, hat es unter der Maschine kaum diagonalen Verzug. (Näh'mal einen Flugdrachen aus Seide, da lernste das Fluchen neu...[B)])


    Aber sobald das Cordura dann mehrlagig wird (z.b. mehrere Saumkanten aufeinander oder generell in den Ecken) wird es dann gerne etwas zäh... Hätte nicht gedacht, dass eine "Billigmaschine" (soll keine Beleidigung sein) das so gut packt!


    Mir geht es übrigens auch so, dass ich im Nähladen eigentlich der einzige Mann bin. (Abgesehen von "Lasteseln" oder "Babysittern", die zum Einkauf mit müssen...[:D])


    Unlängst hab'ich mal Nadeln für meine(*) Maschine kaufen wollen und habe zur Verkäuferin gesagt "ich hätte gerne ein Päckli 90er Nadeln, System 134-R". (* Industriemaschinen haben keinen abgeflachten Schaft)


    Da hat sie mich schräg angeguckt und gemeint: "Fragen Sie ihre Frau nochmals, das ist garkein übliches System, das kann kaum stimmen". Ihr Misstrauen ging in extrem-Erstaunen über, als sie dann von mir höhrte: "doch doch, das stimmt schon, <i>meine</i> Industrie-Bernina hat System 134-R."


    Ja, und wenn man dann nähen kann, dann näht man plötzlich die genialsten Sachen:
    z.B. Teleskop-Abdecktuch (bei Lagerung in aufgebautem Zustand)
    oder eine Socke für den Gitterdobs
    oder eine "Beobachtungskapuze" für Sonnenbeobachtung oder Nachtbeobachtung mit direktem Fremdlicht
    oder eine Abdeckhaube für den Laptop (Lüftung beachten!) für Sonnen-Webcam
    oder wenn nachts neben dem Guiding-Laptop gespechtelt wird
    Oder oder oder....


    Ich habe mir auch schon überlegt, für'n Winter einen schlafsackmässig Daunen-gefütterten "Spechtel Overall" selber zu schneidern - vielleicht nächsten Winter...[;)]



    P.s. Wenn Du nächstes mal im Textilladen bist, schau'Dir mal mattschwarzen Samt an mit etwa 3mm Faserlänge. (bei und ist das "2. Qualität"; die 1. ist stark glänzend.)
    Ich habe jetzt schon 2 Teleskope damit ausgekleidet - eines davon (mein 12"er) hatte vorher etwa n'Jahr lang Velours drin. Der Unterschied von Samt zu Velours ist weniger drastisch wie der von Velours zu GSO-Standard...[^]
    Ausserdem fusselt Samt nicht (wirklich nicht), wenn man ihn 1x sauber entfusselt. Mit Sprüh-Kontaktkleber in'n Tubus geklebt hällt das bei mir seit einigen Jahren.




    P.p.s. Näherwitz: In der Fadenschachtel fragt der Königsblau den Rubinrot: "Hey, ich habe den Zitronengelb lange nicht mehr gesehen. Weisst Du, was mit dem los ist?" Darauf der Rubinrot: "Der hängt an der Nadel!" [:D]

  • Hallo zusammen,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">das wird aber am cordura liegen, sonst hätte man das vermutlich vornähen müssen *g*<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    ... ich hab vorgenäht... mit der Kombizange. Also einfache Heftnähte von Hand, ohne hat das ganze Maschinennähen überhaupt nicht funktioniert. Wobei 2x oder 3x Cordura echt auf die Finger geht, deshalb besagte Kombizange als "Nadelhalter" [:D]
    Spezielles doppelseitig klebendes Nahtband hat nicht gehalten, zu steif das Cordura.



    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">scheinbar ist naehen erlernbar!<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    In der Tat, die eigentliche Näherei ist weniger das Problem. Die Vorab-Planung, was die Zuschnitte und vor allem Reihenfolge der einzelnen Bearbeitungsschritte angeht ist viel schwieriger als man denkt. Dazu kommt wenn man die Teile "auf links" näht damit die Nähte später außen nicht sichtbar sind, ein ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen. DAS ist eher die Kunst beim Nähen.

    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Hast Du das Cordura heiss(*) geschnitten, oder mit der Schere?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Mit der Schere, und dann die Kanten mit dem Lötkolben bearbeitet. Stinkt aber ziemlich. Später hab ich dann ersatzweise mit Klebstoff gearbeitet.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Cordura ist aber "dankbar" zu nähen: weil es so fest ist, hat es unter der Maschine kaum diagonalen Verzug. <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ja, mit Verzug hatte ich keinen Ärger. Für das Futter hatte ich deshalb ebenfalls ein nicht-elastisches Material genommen. Das viel größere Problem (im wahrsten Sinne des Wortes) war das Führen des immerhin 1,25m langen Gebildes unter der Maschine. Man steht im Prinzip breitbeinig vor'm Tisch, und versucht mit langen Armen ein widerspenstiges Etwas millimetergenau unter der Nadel durchzuziehen. Und das Etwas verhakt sich dauernd irgendwo. Am schwierigsten war das beim Annähen des fertigen Deckels an den fertigen Unterbau, da musste ich auch noch durch 4 Lagen Cordura.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Hätte nicht gedacht, dass eine "Billigmaschine" (soll keine Beleidigung sein) das so gut packt!<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ich auch nicht! Das hat sogar der Cordura-Händler (Outdoor-Equipment Selbstbau) angezweifelt. Ging aber wunderbar, und nicht eine einzige Nadel ist auf der Strecke geblieben.
    So richtig gut sind die Nähte aber nicht: die Fadenspannung reicht nicht aus um die Umschlingung von Ober- und Unterfaden mittig im Gewebe zu haben. Diese liegt generell zu tief. Die Nähte halten aber trotzdem, dank dem guten Nylbond Faden.



    Und hier noch ein paar Detail-Ansichten:


    Folgende 3 Bilder: Innen Unterseite, wo der Boden an die Seitenwände genäht ist. An der Nahtstelle ist noch ein Klettband aufgenäht, mit dem dann das graue Futter unten ringsum befestigt wird. Oben ist es mit versteckter Naht mit dem Cordura vernäht, wie man auf den Foto der offenen Stativtasche sehen kann. Zwischen Futter und Außenwand sind die rosa PE-Schaumplatten eingelegt.


    Auf dem Boden liegt übrigens innen eine Sperrholzplatte mit ca. 2/3 der Taschenlänge, damit sich die Tasche beim Anheben nicht verformt. Auf diesem Brett dann hellgrünes Isomattenmaterial (ist auch PE Schaum).






    Nähte von Gurtband und Reißverschluss:





    Es gibt natürlich ein paar unschöne Stellen, z.B. mit Fehlstichen oder nicht ganz gerader Naht. Zufällig hab ich die nicht fotografiert [;)]


    cs
    Martin

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