ESPRESSO - Planetenjäger der nächsten Generation

  • <b>Der Echelle SPectrograph for Rocky Exoplanet and Stable Spectroscopic Observations (ESPRESSO) hat erfolgreich seine ersten Beobachtungen absolviert. Das Instrument ist am Very Large Telescope (VLT) der ESO in Chile installiert und soll mit noch nie dagewesener Präzision nach Exoplaneten suchen, indem es nach winzigen Veränderungen im Licht der Muttersterne sucht. Zum ersten Mal überhaupt wird ein Instrument in der Lage sein, das Licht aus allen vier VLT-Teleskopen zusammenzuführen und damit die Lichtsammelleistung eines 16-Meter-Teleskops zu erreichen.</b>


    ESPRESSO hat am Very Large Telescope der ESO am Paranal-Observatorium im Norden Chiles erstes Licht gesehen [1]. Der neue Echelle-Spektrograf der dritten Generation ist der Nachfolger des äußerst erfolgreichen HARPS-Instruments der ESO am La Silla-Observatorium. HARPS kann bei Geschwindigkeitsmessungen eine Genauigkeit von etwa einem Meter pro Sekunde erreichen, wohingegen ESPRESSO aufgrund der Fortschritte in der Technologie und seiner Installation an einem viel größeren Teleskop eine Genauigkeit von nur wenigen Zentimetern pro Sekunde anstrebt.


    Der leitende Wissenschaftler von ESPRESSO, Francesco Pepe von der Universität Genf in der Schweiz, erklärt die Bedeutung des neuen Instruments: „Dieser Erfolg ist das Ergebnis der Bemühungen vieler Menschen, die 10 Jahre lang daran gearbeitet haben. ESPRESSO ist nicht nur die Weiterentwicklung unserer bisherigen Instrumente wie HARPS, sondern wird mit seiner höheren Auflösung und höheren Präzision vielfältig einsetzbar sein. Und im Gegensatz zu früheren Instrumenten kann es die volle Lichtsammelleistung des VLT ausnutzen – es kann mit allen vier VLT-Hauptteleskopen gleichzeitig genutzt werden, um ein 16-Meter-Teleskop zu simulieren. ESPRESSO wird für mindestens ein Jahrzehnt lang unübertroffen sein – jetzt kann ich es kaum noch erwarten, bis wir unseren ersten Gesteinsplaneten finden werden!“


    ESPRESSO kann im Spektrum eines Sterns, der von einem Planeten umkreist wird, winzige Verschiebungen nachweisen. Diese sogenannte Radialgeschwindigkeitsmethode basiert darauf, dass die Anziehungskraft des Planeten einen Einfluss auf seinen Mutterstern hat, wodurch er leicht „wackelt“. Je weniger Masse der Planet hat, desto kleiner fällt diese Ausgleichsbewegung des Sterns aus, weshalb für die Entdeckung von Gesteinsplaneten, auf denen unter Umständen Leben möglich ist, ein Instrument mit sehr hoher Genauigkeit vonnöten ist. Mit dieser Methode wird ESPRESSO in der Lage sein, einige der leichtesten Planeten zu finden, die je entdeckt wurden [2].



    Daten der ersten Beobachtungen von ESPRESSO. Bild: ESO/ESPRESSO-Team


    Die Testbeobachtungen umfassten Beobachtungen von Sternen und bekannten Planetensystemen. Vergleiche mit vorhandenen HARPS-Daten zeigen, dass ESPRESSO eine ähnliche Datenqualität bei deutlich geringerer Belichtungszeit erreichen kann.


    Der Instrumentenwissenschaftler Gaspare Lo Curto von der ESO ist begeistert: „ESPRESSO so weit zu bringen, war eine großartige Leistung. Dazu hat nicht nur das internationale Konsortium beigetragen, sondern auch viele verschiedenen Gruppen innerhalb der ESO: Ingenieure, Astronomen und die auch die Verwaltung. Sie mussten nicht nur den Spektrografen selbst installieren, sondern auch die komplexe Optik, die das Licht der vier VLT-Hauptteleskope zusammenbringt.“


    Obwohl das Hauptziel von ESPRESSO darin besteht, die Jagd nach Planeten auf die nächste Stufe zu bringen und weniger massereiche Planeten zu finden sowie deren Atmosphären zu charakterisieren, hat es auch viele andere Anwendungsmöglichkeiten. Es wird zum Beispiel das weltweit leistungsfähigste Werkzeug sein, um zu testen, ob sich die Naturkonstanten seit den frühen Phasen des Universums verändert haben. Solche winzigen Veränderungen werden von einigen Theorien der Grundlagenphysik vorhergesagt, konnten aber nie in überzeugender Weise beobachtet werden.


    Sobald das Extremely Large Telescope der ESO in Betrieb geht, kann das Instrument HIRES, das sich derzeit in Planung befindet, die Entdeckung und Charakterisierung noch kleinerer und leichterer Exoplaneten bis hinunter zu erdähnlichen Planeten sowie die Untersuchung von Exoplanetenatmosphären mit der Aussicht auf den Nachweis von Signaturen des Lebens auf Gesteinsplaneten möglich machen.


    Endnoten
    [1] ESPRESSO wurde von einem Konsortium entworfen und gebaut, zu dem folgende Einrichtungen gehören: das astronomische Observatorium der Universität Genf und der Universität Bern; INAF–Osservatorio Astronomico di Trieste und INAF–Osservatorio Astronomico di Brera, Italien; Instituto de Astrofísica de Canarias, Spanien; Instituto de Astrofisica e Ciências do Espaço, Universität Porto und Lissabon, Portugal; und die ESO. Die wissenschaftlichen Projektleiter sind Francesco Pepe (Universität Genf), Stefano Cristiani (INAF–Osservatorio Astronomico di Trieste, Italien), Rafael Rebolo (IAC, Tenerife, Spanien) und Nuno Santos (Instituto de Astrofisica e Ciencias do Espaco, Universidade do Porto, Portugal).
    [2] Die Radialgeschwindigkeitsmethode erlaubt es Astronomen, die Masse und Umlaufbahn des Planeten zu ermitteln. In Kombination mit anderen Methoden wie der Transit-Methode, können weitere Informationen abgeleitet werden – wie beispielsweise die Größe und Dichte des Exoplaneten. Der Next-Generation Transit Survey (NGTS) am Paranal-Observatorium der ESO sucht auf diese Weise nach Exoplaneten.


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten der ESO unter http://www.eso.org/public/germany/news/eso1739/

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Caro</i>
    <br />wohingegen ESPRESSO aufgrund der Fortschritte in der Technologie und seiner Installation an einem viel größeren Teleskop eine Genauigkeit von nur wenigen Zentimetern pro Sekunde anstrebt.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Hallo Caro,


    ich fand ja schon die bisherige Genauigkeit von einem m/s kaum vorstellbar, das ist langsames Fussgängertempo. Irre dass da noch mehr geht.
    Welche Radialgeschwindigkeitschwankungen bewirkt (aus der Ferne betrachtet) die Erde an unserem Heimatstern?


    Gruss Heinz

  • Hallo Heinz,


    rechne es aus: Nimm das dritte Keplersche Gesetz und vereinfache auf Kreisbahn mit M_Sonne &gt;&gt; m_Erde, dann landest du in erster Näherung bei v = 2*pi/1Jahr * m_Erde/M_Sonne * 1AE = 0.09 m/s. Das wäre also schon die richtige Hausnummer (mit Ellipsenbahnen und ohne Vernachlässigen der Erdmasse in der Massensumme wirds etwas weniger, macht aber keinen großen unterschied).


    Wichtig ist letztlich: In dem Bereich sind diverse andere Effekte bei der Sonne ein einziger Störfaktor. Jeder Sonnenfleck, der durch die Rotation der Sonne an einem Sonnenrand auftaucht und damit an nur z.B an der Seite die Lichtmenge verringert, die sich durch die Rotation ebenfalls auf dich zubewegt, verschiebt den Wellenlängenschwerpunkt der gemessenen Spektrallinie in ähnlichem Ausmaß. Effekte wie die Aktivität der Sterne sind es also, die diese Messungen stören, gar nicht mal mehr die vom Meßgerät erreichte Präzision.


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo Caro,


    dann bedeutet dass, das die zu messenden Abweichungen vermuteter Planeten letztlich nur durch ihre Periodizität aus den sonstigen Effekten der "Muttersonne" herauszufiltern wären?


    CS
    Jörg

  • Hallo Jörg,


    ja, das macht man häufig jetzt sogar schon so. Nimm beispielsweise die mit der Transitmethode entdeckten erdgroßen Planeten. Die einzelnen Taransits kannst du da kaum bis gar nicht mehr erkennen, nur das Falten in den Frequenzraum und Mitteln über viele Periodendauern führt da noch zum Erfolg. Problem: Was machst du mit Sternflecken, die mehrere Rotationen des Sterns ohne signifikante Änderungen überstehen? Wir kennen aus Doppler-Imaging-Messungen eine ganze Reihe von Sternen, wo große Flecken sehr lange Lebensdauern haben. Es gibt erstmal keinen Grund anzunehmen, daß kleinere Flecken unbedingt wie bei unserer Sonne nach einer oder spätestens zwei Rotationen wieder weg sind, gerade wenn die Magnetfelder ganz anders sind als bei der Sonne...


    Viele Grüße
    Caro

  • Hallo Caro,


    immerhin trotzdem ein Hammer, wie weit die Messtechnik inzwischen ist, denn der Spektrograph in La Silla war ja auch "nicht von schlechten Eltern". Immerhin ein Privileg, solche Fortschritte quasi live miterleben zu können. Ich bin ehrlich gespannt, was uns noch erwartet, wenn die nächste Generation von Teleskopen ins Rennen geht. Man überlegt sich zwangsläufig welche Flut an neuen Fragen dann aufkommt, es ist ja nicht nur die Challenge, in der ersten Frontlinie die Neuigkeiten aufzunehmen, man muss sie ja auch untermauern.


    CS
    Jörg

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Caro</i>
    <br />rechne es aus: Nimm das dritte Keplersche Gesetz und vereinfache auf Kreisbahn mit M_Sonne &gt;&gt; m_Erde, dann landest du in erster Näherung bei v = 2*pi/1Jahr * m_Erde/M_Sonne * 1AE = 0.09 m/s. Das wäre also schon die richtige Hausnummer (mit Ellipsenbahnen und ohne Vernachlässigen der Erdmasse in der Massensumme wirds etwas weniger, macht aber keinen großen unterschied).<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Danke für die Antwort. Bei solchen Berechnungen ist für mich als Amateur der Unsicherheitsfaktor doch schon sehr gross, da verlasse ich mich lieber auf die Profis. Hätte nicht ein so kleines Ergebnis erwartet und arge Zweifel an meiner Rechnerei gehabt, wenn ich selber darauf gekommen wäre [:I][;)].
    Dass solche kleinen Schwankungen in der Dynamik einer Sternenoberfläche erst mal untergehen und nur über längere Zeit zu verifizieren sind, war mir schon klar.

  • Caro,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"> .... Nimm das dritte Keplersche Gesetz ...<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">hmm, also das 3. Keplersche Gesetz finde ich in Deiner Formel nirgendwo. ...


    Vermutlich waren da Deine Gedanken dem Text schon voraus, denn die Keplergesetze braucht man bei extrasolaren Planeten, um etwa die Umlaufdauer (also dessen Planetenjahr) im Verhältnis zu dessen Sternabstand herzuleiten (bzw. umgekehrt, wenn man die Periode kennt).


    Das was Du da berechnest hast ist einfach der Abstand des gemeinsamen Schwerpunkts des Systems Erde-Sonne vom Sonnenmittelpunkt (Baryzentrum, ca. 450km vom Sonnenmittelpunkt entfernt). Um diesen Punkt (im Innern der Sonne) kreist die Sonne quasi als Gegengewicht zur Erde. Der Umfang des Kreises geteilt durch die Dauer ergibt die 9 cm/s (0,3km/h) Radialgeschwindigkeit.

  • Moin,


    was mir bei der Thematik "Genauigkeit" noch durch den Kopf ging - wenn die Messung solch minimale Verschiebungen in den Spektren erfassen kann - kann sie dann auch eine entsprechende quantitative Auswertung leisten? Wenn z.B. ein solcher Planet nicht nur durch seine gravitativen Einflüsse tätig wird sondern auch noch durch eine Atmosphäre die Zusammensetzung des Sternspektrums durch partielle Absorption, ausgelöst durch die in der Atmosphäre vorhandenen Elemente, verändert - wäre das auch aus den Daten extrahierbar? Ist das ein Ziel des Instruments oder kommt das erst in einer weiteren Phase? Die Frage nach der Analyse potenzieller Atmosphären bei Exoplaneten ist ja auch eine der Herausforderungen, die einer tragfähigen Lösung bedürfen.


    CS
    Jörg

  • Jörg,
    ich sehe das so: Die Spektralverschiebung besteht aus zwei Teilkomponenten, die man für die Radialgeschwindigkeitsbestimmung braucht. Zum einen verschieben sich die Linien entsprechend dem Dopplergesetz, zum anderen verbreitern oder verschmälern sich die Linien, weil die gravitativen Einflüsse sich nicht auf jedem Punkt der Sonnenoberfläche gleichermaßen auswirken, wir aber von der Erde aus die Oberfläche meist nur als Punktquelle wahrnehmen und nicht weiter unterteilt auflösen können.


    Ob man zusätzlich Linien durch eine Hinterleuchtung der Planeten-Atmosphäre herausfiltern kann?


    Das ist sicherlich ein Nebenziel. Und jede Steigerung der Messgenauigkeit hilft da natürlich. Es gibt Konstellationen, bei denen man atmosphärische Absorptionslinien hofft isolieren zu können. Dazu muss man aber zuerst mal die Existenz des extrasolaren Planeten erkennen und Angaben zu dessen Bahnlage ermitteln. Der Traum ist ein Nachweis von Sauerstoff in der Atmosphäre als Indiz für "Leben".


    Die Unterschiede der Radialgeschwindigkeiten des Planetenspektrums sind um Zehnerpotenzen größer. Zum Vergleich, die Erde selbst bewegt sich mit knapp 30.000 m/s auf seiner Bahn um die Sonne, die Verschiebung der Spektrallinien im Jahresrythmus sind um ein Vielfaches größer, als die 0,09 m/s der Sonne selbst. Das Problem: Die Helligkeit dieser Linien sind um ein Vielfaches kleiner und werden in der Regel von Unregelmäßigkeiten im Sonnenspektrum glatt verschluckt. Könnte man das fremde Sonnensystem mit dem Teleskop flächig auflösen, könnte man den Stern selbst wegblenden und nur das Licht des Planeten spektroskopisch anaylsieren, wenn er links oder rechts seitab von seinem Zentralstern steht.

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