Was machen Astronomen?

  • Hallo zusammen


    ich bin noch Schüler und habe auch noch ein paar Jährchen in der Schule vor mir.
    Ich möchte einfach mal gerne wissen, was die Berufsastronomen bzw.
    Astrophysiker den ganzen Tag so machen.
    Habe auch vor, später etwas in der Richtung zu machen.
    Sitzen diese wirklich nur die ganze Zeit vorm PC und berechnen,
    was ich auf diversen Internetseiten schon gelesen habe?


    Grüße
    Manuel

  • naja, den ganzen TAG über vielleicht schlafen :)


    kleiner scherz.. ich mach bald eine Diplomarbeit auf dem Gebiet, was genau weiss ich noch nicht. Aber ich denke mal zum Großen Teil ist es wirklich so das die Leute Bilder von teleskopen bekommen, oder welche machen, und anhand dieser Bilder irgendwelche Daten ablesen, um dann zu sehen ob ihre Theorie stimmt, oder nicht stimmt. Theoretische Physiker sitzen aber dann den ganzen Tag in ihrem Büro und rechnen m unter an der Tafel rum, oder warten dann eben ab ob die "experimentellen" Astronomen eine Bestätigung gefunden haben :)
    Und wenn man Glück hat kommt man als Astronom dann in eine Sternwarte welche man vielleicht sogar noch selber Aufbauen darf, wenns denn eine neue wird, und man dann da die nötigen Umbauten und Fotos machen darf. Das wär dann mein Traumjob :)

  • Hi Manuel,


    das kommt drauf an, in welche Sparte der Astronomie Du gehen moechtest.


    Erstmal generell: Um Astronom zu werden, musst Du ein Diplom in Physik machen, da es keine Ausbildung zum Diplomastronomen gibt. Erst am Ende der Dissertation (Doktorarbeit), mit der Promotion, bist Du Astronom.


    Ich habe diesen Weg selbst hinter mir. Ich kann nur dazu ermuntern, denn falls es mit dem Astronomen nicht klappt, bekommst Du durchs Physikstudium eine hochqualifizierende Ausbildung, die sich in vielen technischen Branchen einsetzen laesst.


    Zur Arbeit des Astronomen moechte ich einmal ein paar Kategorien aufzeigen:


    - Der beobachtende Astronom: Spezialisiert auf bestimmte Objektklassen werden diese nach erfolgreichen Beobachtungsantraegen beobachtet, wobei Du entweder selbst an ein Observatorium reist oder aber die Daten im "Service-Mode" aufgenommen werden. An ein paar Naechte am Grossteleskop schliessen sich wochenlange Auswertungen an, und die erhaltenen Ergebnisse werden als "Paper" veroeffentlicht und dienen als Grundlage fuer neue Beobachtungskampagnen. Die meiste Zeit verbringen die beobachtenden Astronomen bei der Datenreduktion am Computer.


    - Der theoretische Astronom: Arbeitsmethoden eher wie in der theoretischen Physik. Sehr viel Numerik, Theorien werden am Rechner simuliert und ggfs. mit Beobachtungen verglichen.


    - Der Instrumentierungsastronom ("Instrument Scientist") beschaeftigt sich mit der Entwicklung neuer Beobachtungsverfahren und neuer Instrumente. Ein (aus eigener Erfahrung) vielseitiger Job aus (wieder mal) Computerarbeit, Laborexperimenten und gelegentlicher Beobachtungen die dem Test neuer Instrumente dienen ("commissioning run"). Eher mit Experimentalphysik zu vergleichen.


    - Der Oeffentlichkeitsarbeiter: Astronomen gibt es auch in grossen Planetarien und Museen, wo sie sich der allgemeinbildenden Verbreitung astronomischen Wissens widmen. Meist sind diese Astronomen urspruenglich aus der Forschung. Es lohnt sich nicht, auf diese Sparte zu zielen, da solche Jobs selten sind, aber es ist auch eine Moeglichkeit, als Astronom in der Astronomie zu arbeiten.



    Allen Gattungen gemein ist, dass ein Grossteil der Arbeit am Computer stattfindet, da die Rohdaten moderner Detektoren digital sind. Die Zeiten von Blinkkomparator und Kreuztisch sind vorbei und diese Ausruestung wird hoechstens noch zur gelegentlichen Vermessung historischer Datensaetze benutzt, um z.B. astrometrische Eigenbewegungen ueber 100 Jahre hinweg zu erfassen. Eine andere Gemeinsamkeit ist die hohe internationale Verknuepfung. Die Teilnahme an internationalen Fachtagungen ist extrem wichtig, und so kommt man auch ohne Beobachtungsruns ganz schoen in der Welt herum ...

  • Hi Arpad,


    ich arbeite am "Centre for Advanced Instrumentation" der Universitaet Durham in Nordostengland, unweit Newcastle. Diese Gruppe beschaeftigt sich mit astronomischem Instrumentenbau, wobei wir aber auch neue Bereiche erschliessen, in denen die gewonnenen Erkenntnisse ausserhalb der Astronomie eingesetzt werden koennen. So haben wir eine Gruppe, die sich mit der Anwendung von Bildrekonstruktionsalgorithmen der adaptiven Optik im Bereich der Augenheilkunde beschaeftigt.


    Die Arbeit in der Instrumentierung ist ziemlich interdisziplinaer, man braucht Grundkenntnisse der Experimentalphysik, z.B. in Mechanik, Optik, Elektronik, Vakuum- und Kryotechnik. Aber keine Angst, den Hintergrund bekommt man nach und nach beispielsweise im Fortgeschrittenenpraktikum waehrend des Studiums ...


    NB: Ich bin mir sicher, dass sich in diesem Thread auch noch eine beobachtende Astronomin zu Wort melden wird - nicht wahr, Caro ?


    [8D]

  • Das klingt interessant!


    Ich werde nächstes Jahr die Diplomarbeit an der Uni Bochum anfangen, ich weiss allerdings noch nicht in welche Richtung die gehen wird. Mal schauen :)
    Aber erst muss die Diplomprüfung in der theoretischen Physik überstanden werden... da graust es mir wenn ich dran denke :)

  • Hi Arpad,


    ja dann mal viel Glueck. Ich kenne Bochum ein bisschen, wollte dort urspruenglich meinen Doktor machen am Optikzentrum NRW. Hatte sich dann zerschlagen - zum Glueck, denn das Optikzentrum ging spaeter pleite. So machte ich meinen Doktor in Potsdam am AIP.


    Ach ja, Diplomarbeit war an der Uni Bonn, auch Instrumentierung. Ein optischer Testaufbau zur Qualitaetskontrolle von Komponenten fuer BUSCA, einer Vierfarbsimultankamera, die auf dem Calar Alto am 2.2m ihren Dienst tut.

  • Hi Manuel,


    meine Infos sind mir Vorsicht zu geniessen, da ich mein Studium 1991 begann. Damals gab es keine NC, einfach weil es nicht viele Studenten der Physik gab. Wir fingen in Bonn mit (aus der Erinnerung) 350 Studenten an. Halbwertszeit war im 3. Semester, weil das Studium sehr stressig ist - vor allem die ersten Semester, da wird tuechtig gesiebt. Aber deswegen nicht die Flinte ins Korn werfen !


    NCs werden ja nur in Faechern installiert, wo die Nachfrage das Angebot uebersteigt. Das ist in Physik meines Wissens nirgendwo der Fall.


    Ich habe damals zwecks Auswahl einer Universitaet Briefe an ca. 15 Unis deutschlandweit verschickt. Keine dieser Unis hatte einen NC in Physik.

  • Ich hab im Oktober 2003 angefangen, und da gab es auch noch keinen NC. (Ich hatte übrigens eine Abinote von 3,1... :)) Soweit ich weiss gibts bei den heutigen Bachelor Studiengängen immernoch keinen NC für Physik.

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: JSchmoll</i>
    Ich bin mir sicher, dass sich in diesem Thread auch noch eine beobachtende Astronomin zu Wort melden wird - nicht wahr, Caro ?
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Na dann mach ich mal [:)] Also, was tun Astronomen? Ich denke mal, daß man sein Geld nicht damit verdienen kann, die Nacht über durch ein Teleskop zu schauen oder einfach nur hübsche Bildchen vom Himmel zu machen, sollten die Schilderungen von Jürgen schon gezeigt haben.


    Ich hätte die Berufsastronomen n dieselben vier Kategorien eingeordnet, die Jürgen auch schon aufgestellt hat. Alle vier gibt es bei uns an der Hamburger Sternwarte, also erzähle ich mal ein wenig.


    Fangen wir vielleicht mit dem Öffentlichkeitsarbeiter an. Das ist bei uns am Institut ein ehrenamtlicher Posten (den ich mit ein paar anderen ausfülle). Wie Jürgen schon angedeutet hat, sind richtige hauptberufliche Jobs an Planetarien oder in der PR-Abteilung von wissenschaftlichen Instituten in Deutschland rar gesäht. In anderen Ländern, besonders in den USA, sieht das teilweise anders aus, Astronomie und Raumfahrt sind dauerhaft in den Medien präsent und der "Science Communicator" ist das Verbindungsstück zwischen den Forschern und der Öffentlichkeit. Dort sind das meistens Leute die ihr naturwissenschaftliches Studium nach dem Bachelor abgeschlossen haben, während hier, wie Jürgen schon erwähnte, viele Leute mit Doktortitel diese Jobs ausfüllen, gerade in den Führungspositionen (z.B. Planetariumsleiter).


    Der Instrumentenbauer unter den Profiastronomen braucht nicht nur die Fähigkeiten eines Physikers, sondern eigentlich auch die eines Ingenieurs. Schließlich muß er konstruieren, entwickeln, planen, und dann soll das neue Gerät hinterher auch noch funktionieren[;)] Unsere Instrumentenbauer (bei uns werden Komponenten für Infrarotspektrographen entwickelt) sind sozusagen das Führungspersonal für unsere Werkstatt, es wird viel Zeit an den Meßaufbauten zum Testen oder eben beim Dranrumschrauben verbracht. Der Instrumentenbauer wird, sollte er irgendwann den schlecht bezahlten Forschungsbetrieb verlassen, von den Entwicklungsabteilungen der Wirtschfatsunternehmen vom Fleck weg eingestellt.


    Der Beobachter ist dann derjenige, der mit der schon fertiggestellten Instrumentengeneration arbeitet, also Daten nimmt und diese Daten auswertet. Das muß nicht notwenidigerweise heißen, daß man dazu dann jemals ein Teleskop von weitem sieht. Die großen Observatorien haben Internetarchive, die die bereits genommenen Daten frei zur Verfügung stellen, und ein Großteil, gerade der studentischen Arbeiten, besteht aus Archivarbeit, denn hier kann man sich sicher sein, daß wenigstens die Daten schon vorhanden sind und es keine Probleme mehr mit der Datennahme gibt, wenn man schon nicht im Voraus wissen kann, was die Auswertung ergeben wird. Die Tendenz ist übrigens klar, der ANteil an Archivarbeiten wird sich weiter vergrößern, das sogenannte Data Mining und Grid-Technologien, die große Datenmengen bewältigen können sollen, sind auf dem Vormarsch. Wie Jürgen schon erwähnte, ist, selbst wenn man mal selber mal an die Teleskope darf, der Anteil an echtem Beobachten an der Arbeitszeit sehr klein. Am Beispiel meiner Arbeit: Drei halbe Nächte an einem der vier Großteleskoe in Chile, zusammen mit zeitgleichen Röntgenbeobachtungen mit dem XMM-Satelliten halten mich und eine Kollegin nun seit 3 1/2 Jahren was die Auswertung und das Verfassen der folgenden Veröffentlichungen angeht auf Trab. Auswerten, das heißt erst Datenreduktion, dann neue Analysemethoden entwickeln und selbst programmieren, und sie schließlich anwenden. Das bedeutet, ich habe einen Bürojob, bei dem ich den Großteil meiner Zeit vor dem Computer sitze.


    Das gilt normalerweise noch viel extremer für den Theoretiker. Die Generation der Theoretischen Astrophysiker, die wie der klassische Mathematiker mit jährlich einem dicken Schreibblock und neuen Bleistiften zufriedenzustellen sind, ist am Aussterben. Das Werkzeug des Theoretikers ist der wiederum der Computer, im Extremfall eine ganze Großrechenanlage, die monatelang mit der Berechnung bestimmter Simulationen beschäftigt sein kann. Bei uns werden mithilfe des mehrere 100000 Zeilen Programmiercode langen Atmosphärensimulators PHOENIX die physikalischen Bedingungen und die daraus resultierenden zu beobachteten Spektren von allen möglichen Himmelskörpern berechnet. Dazu nutzen die Mitglieder der Theoriegruppe die hauseigenen Parallelcomputer und Großrechenanlagen die über den ganzen Globus verteilt sind. Viel Zeit wird auch mit der Entwicklung neuen Programmcodes verbracht.


    Vielleicht zum Abschluß noch ein Wort zum Physikstudium, das die Grundlage des Astrophysikerberufs ist. Physik hat nicht umsonst den Ruf, kein leichtes Studienfach zu sein. Nach dem Ende des ersten Semesters hat sich die Zahl der Studenten im Vergleich zum Beginn halbiert, die Ansprüche gerade im theoretischen Bereich sind hoch. Uni-Mathematik ist etwas, das auch für mich, der ich Mathe in der Schule sehr gerne mochte, nur sehr schwer bis gar nicht verdaulich war. Vieles aus dem Studium wird später nicht mehr gebraucht, trotzdem wäre der Astrophysiker ohne die im Studium erlernte Methodik verloren. Sie ist es auch, die den Physiker auf dem Arbeitsmarkt so begehrt machen, daß die Arbeitslosenquote für sie derzeit in Deutschland unter 2% liegt.


    Gruß,
    Caro

  • Hi,


    "Sie ist es auch, die den Physiker auf dem Arbeitsmarkt so begehrt machen, daß die Arbeitslosenquote für sie derzeit in Deutschland unter 2% liegt"


    Hmmh, durchaus erwähnenswert ist hierbei die Tatsache daß so mancher hochqualifizierte Astronom/Physiker in der Kartei von Zeitarbeitsfirmen steht und von bestimmten Instituten oder Firmen "mal eben" abgerufen wird wenns irgendwo kurzfristig "brennt".
    In der Zwischenzeit kann er dann unter Umständen auch "durch die Röhre gucken"...
    Die erwähnte 2% Arbeitslosenquote sollte man also näher "beäugen" ...


    Was der Astronom so macht...
    Was man auf dem Gebiet machen kann oder will hängt auch von der eigenen Psyche ab.
    Der eine ist froh wenn er auf dem Berg weitab der "Zivilisation" seiner astronomischen Arbeit nachgehen kann. Für den anderen ist die Vision der "Arbeit in der Abgeschiedenheit" ein Graus.
    Wer den intensiven Kontakt zu Menschen braucht ist bestimmt bei der "der astronomischen Öffentlichkeitsarbeit" besser aufgehoben als bei der Programmierung mathematischer Simulationen an einem Supercomputer.
    Gott sei Dank ist die Astronomie eine interdisziplinäre Wissenschaft bei dem auch der Ein oder andere "Quereinsteiger" eine Chance hat...



    Gruß Alex (VSU)

  • Wie schaut es eigentlich mit einem Astronomie Studium im Alter aus??


    Mein großer Traum ist es, wenn ich mal in Rente ( in 15-20 Jahren ) bin, mit dem einem Studium anzufangen. Hier steht gaz oben Astronomie.


    wie seht ihr das, ist man da im Alter noch fit genug um das zu Schaffen?



    Gruß Jürgen

  • Hi,


    hmmh, wenn Du mit 67 in die Rente gehst bist Du mit 75 Astronom ;)
    Unmöglich ist das nicht und eigentlich nur eine Frage der geistigen Fitness.
    Aber die Vorstellung von den Studienkollegen als "Astro-Opi" angesehen zu werden ...
    Immerhin einen Vorteil hätte das Alter &lt;zynik an&gt;du wärst dem Himmel näher als alle anderen &lt;zynik aus&gt; ;)


    Gruß Alex (VSU)

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Varyonyx</i>
    <br />Hi,


    hmmh, wenn Du mit 67 in die Rente gehst bist Du mit 75 Astronom ;)


    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Naja, ich bin Selbständig, und habe eigentlich vor mit 60 in Rente zu gehen, oder zumindestens nicht mehr 60-70 Stunden in der Woche zu arbeiten, sondern nur meinen Nachfolger zur Seite zu stehen.


    Somit wäre ich dann schon mit 68 Fertig[:D]


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Varyonyx</i>


    Aber die Vorstellung von den Studienkollegen als "Astro-Opi" angesehen zu werden ...


    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Na dann sag ich einfach "Astro-Babys", oder "Astro-Hosenscheißer" zu Ihnen [:D]



    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Varyonyx</i>




    Immerhin einen Vorteil hätte das Alter &lt;zynik an&gt;du wärst dem Himmel näher als alle anderen &lt;zynik aus&gt; ;)



    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Der war jetzt gemein, [V] Aber gut[:D][:D]


    Gruß Jürgen

  • Also ich kenne keinen Physiker, der bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt ist, dafür umso mehr, deren Einstiegsgehalt direkt nach Studienabschluß doppelt so hoch war wie das eines festangestellten Wissenschaftlers. Eine Kollegin hier ging nach der Promotion zu Bosch - sogar ihr Prof mußte neidlos anerkennen, daß sie da mehr verdient als er...


    Physikstudium (Astronomie direkt geht ja nicht) im Alter, wieso nicht? Bei uns in den Vorlesungen belegte die ersten zwei Reihen des Hörsaals immer die "Rentnergang". Das waren allerdings größtenteils Ruheständler, die keinen ernsthaften Studienabschluß angestrebt haben, sondern jedes Semester einfach nur ein paar Vorlesungen mitangehört haben. Wir hatten aber auch mal einen ehemaligen Chemiker am Institut, der sich im Alter noch ein Physikdiplom dazugeholt hat. Ich würde sagen, für ältere Studenten gilt genau dasselbe wie für die Leute direkt nach dem Schulabschluß. Physik muß einem liegen, und wer ein Problem mit Mathematik, Englisch (abgesehen vom Grundstudium ist die gesamte Fachliteratur auf englisch) oder dem Umgang mit Computern, der über das Tippen eines Worddokuments hinausgeht, hat, der hat nicht so gute Karten.


    Caro

  • Hallo!


    Ich moechte ergaenzend zu Caro auch dazu ermutigen, in dem
    Bereich Diplom- und Doktorarbeit zu machen, der einem Spass
    macht. Mit leidlich guten Noten und Physik als Unterbau kann
    ich mir bei Astronomie kaum einen Bereich vorstellen, wo
    die gelernten Arbeitstechniken (Software entwickeln, in
    groesseren Gruppen fachlich kommunizieren, Numerik, Hardware bauen, ...)
    nicht auf andere Bereiche anwendbar ist und man eine
    Stelle finden kann, die auch einen wissenschaftlichen
    Bezug hat. Da es sicher auch in Physik Absolventen gibt,
    die Ihr Studium nur mit ach und Krach geschafft haben
    und dann auch notenbedingt nicht so schnell einen Job
    finden, ist eine Arbeitslosenquote von 2% verstaendlich.
    So 1998 als ich noch am promovieren war, gabs eine
    ziemlich ueble Einstellungssituation sowohl fuer uns
    Chemiker als auch die Physiker, aber da hatten die
    auf direkte Anwendbarkeit ihrer Arbeit schielenden
    Kollegen die gleichen Probleme ...


    Viele Gruesse,
    Jens

  • Hallo Manuel,
    Du hast im Grunde verschiedene Varianten:


    Technische Studiengänge (Ingenieurwissenschaften), um dann eine Stelle an einem der einschlägigen Institute zu bekommen und mit Schwerpunkt Instrumentenbau tätig zu werden. Dazu als Variante: Tätigkeit in ähnlicher Sache bei Privatfirmen, die im Auftrag Instrumente (Detektoren, Satelliten etc.) bauen.
    Hier gibt es noch die Variante mit einer klassischen Lehre um dann vor allem handwerklich tätig zu werden.


    Mathematik-/Physik-Studium um Astronomie/Astrophysik als Wissenschaft zu betreiben.


    Zu Guter letzt: Vor Ort in den Instituten braucht man noch Hausmeister, Service-Techniker, Netzwerkadministratoren, Programmierer, Sekretäre etc... (Mit einer gewissen Affinität geht das natürlich leichter vonstatten.)


    Die Studiengänge Mathe und Physik sind sehr sehr theoretisch und abstrakt. Im Zweifel stellst Du Dir den schlimmsten Mathelehrer vor und quadrierst ihn [:D]


    Die praktische Arbeit eines Astronom ist überwiegend an der PC-Tastatur und nennt sich "Daten auswerten". Daneben heißt es ständig neueste Forschungsberichte lesen und selbst verfassen. Und ganz wichtig: praktisch alles in ENGLISCH.
    Ich überlege da, ob es da noch einen Unterschied zu einem Controller in einem der großen Konzerne gibt. Die machen im Grunde das Gleiche (Unternehmensdaten auswerten), müssen allerdings ihre Ergebnisse monatlich pünklich abliefern. [:D] meist auch in Englisch [:D][:D]


    Die Ingenieure für's Schwere sitzen dann auch am PC und werten Daten aus. Ihr Gestaltungsspielraum ist aber größer, denn sie generieren die Daten in Tests selbst. Die Daten werden in CAD/CAM-Systeme eingespielt, damit studierte Handwerker daraus Geräte bauen, indem sie die Daten computergesteuert als Maschinenanweisungen in die Fertigung geben.


    Zwischendurch treffen sich aber alle mit ihren "Leidensgenossen" (sorry, richtig heißt es Berufskollegen) in der Büroküche und trinken ab und zu gemeinsam einen Kaffee oder nach Feierabend mal ein Glas Bier/Wein und halten ein Schwätzchen über das, was so alles gerade passiert ist, ärgen sich dabei über den einen oder anderen Kollegen oder Chef oder fluchen, weil der Rechner/Netzwerk mal wieder einen Aussetzer hatte. Oder schwärmen vom letzten oder nächsten Urlaub.[:)]


    Was Physiker im Ergebnis so begehrt macht: Die studieren nicht, weil das von Papa gewollt wurde, und schon gar so ein Fach, sondern weil sie Interesse dazu haben und beweisen, falls diplomiert, dass sie auch eine schwierige Sache zu Ende bringen können. Mit anderen Worten: Bei der Bewerbung bestehen sie den ersten Charaktertest. Englische wissenschaftliche Literatur lesen können sie dann obendrein.

  • Nochmal zur Einstellungssituation aus der Sicht eines Instrumentenbauers. Ingenieure werden haenderingend gesucht. Gerade als Uni hat man hier ein Problem, weil man nicht so gut zahlen kann wie die Industrie. In unserer Gruppe suchen wir haenderingend einen mechanischen Ingenieur mit Erfahrungen in CAD (Inventor), wir hatten schon Bewerbungsgespraeche, aber wir finden einfach keinen geeigneten Kandidaten. Der Ingenieur, den wir ersetzen wollen, kommt als Rentner zweimal die Woche vorbei, um die Projekte zu stemmen, die wir sonst nicht schaffen wuerden.


    Wie Caro schrieb, ist die Taetigkeit des "Instrument Scientist" sehr stark ingenieursartig. So werde ich auch auf manchen internen Berichten als "Optical Engineer" bezeichnet obwohl ich einen Doktor in Astrophysik habe und nicht in den Ingenieurswissenschaften. Aber das ist gerade eine Faehigkeit, die man als Physiker erlernt: Sich in Neues einarbeiten und in neue Rollen schluepfen. Wenn ich etwas nennen soll, was ich an meinem Job nicht mag: Zu wenig Astronomie - denn dafuer bleibt keine Zeit. Meine letzte Beobachtung technischer Art hatte ich 2004 in Las Campanas am 6.5m MagellanI (das nach Walter Baade benannt ist). Wir hatten auch Zeit fuer Wissenschaft, aber Wolken (ja, die gibts auch dort!) und dann ein technisches Problem. Schliesslich blieb 1 (eine!) Stunde Zeit fuer ein Objekt, und ich ueberliess diese Zeit unserem Doktoranden, da er haenderingend Daten fuer seine Dissertation brauchte. Die planetarischen Nebel in den Magellanschen Wolken, die ich mir ausgeguckt hatte, blieben mit Nichtbeachtung bestraft. [}:)] Dafuer bekamen wir schoene Daten einer aktiven Galaxie. [:)]


    So, jetzt aber genug - Arbeit ruft, ab ins Labor. [:p]

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Caro</i>
    Physik muß einem liegen, und wer ein Problem mit Mathematik, Englisch (abgesehen vom Grundstudium ist die gesamte Fachliteratur auf englisch) oder dem Umgang mit Computern, der über das Tippen eines Worddokuments hinausgeht, hat, der hat nicht so gute Karten.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo Caro,


    da ich in einigen Monaten mein Abi mache, kommt für mich die Entscheidung für ein Studium immer näher. Ich ziehe nun schon seit längerem in Betracht Physik an der Fakultät für Physik und Astronomie in Heidelberg zu studieren und mich später weiter in Richtung Astronomie zu spezialisieren. Meine Frage wäre welche Grundkenntnisse man in Fächern wie Mathe und Physik mitbringen sollte und welche Computerkenntnisse man beherrschen sollte um im Studium nicht irgendwann verloren zu sein.


    Gruß Thomas

  • Hallo Thomas,


    wieviele Vorkenntnisse wovon man unbedingt mitbringen sollte, das hängt natürlich in gewisser Weise von jedem persönlich ab, also wieviel Stoff man sich selber pro Semester aneignen kann.


    Zu sagen, daß man ohne Vorkenntnisse anfangen kann, wäre sicherlich übertrieben, aber ich würde sagen, gerade in Physik selber ist es gar nicht mal so wild. Zwar ist der Stoff in den ersten Semestern Experimentalphysik doch recht stark komprimiert, aber es wird praktisch alles nochmal abgearbeitet, was ab der 11. Klasse so drankam: Im ersten Semester Mechanik, dazu kommt dann Wärmelehre (ich möchte es noch nicht Thermodynamik nennen) und Strömungslehre. Im zweiten gibts dann Elektromagnetismus, im dritten Quantenmechanik und Atomphysik. Trotzdem kann hier auch noch jemand mitkommen, der Pysik nur Grundkurs oder wenn er gut ist, sogar gar nicht mehr hatte.


    Anders sieht's in Mathe aus. Uni-Mathematik ist ein Fall für sich. Zwar wird auch hier in den ersten zwei Semestern vom Thema her eigentlich gar nichts Neues gemacht, nur ist es jetzt reine Mathematik nach dem Schema Definition-Satz-Beweis. Das ist mehr als nur sehr theoretisch und kann schon recht übel werden, denn es ist mit Schulmathematik in keinster Weise vergleichbar. Geh mal in einen Buchladen und lies die ersten Seiten von Fischer, "Lineare Algebra" und Forster oder Königsberger, "Analysis 1", und du weißt was ich meine.
    Zur Anwendung in der Physik braucht man von Anfang an eine solide Matheausbildung. Diffential- und Integralrechnung, Komplexe Zahlen, Statistik. Die meisten Unis bieten vor dem Semesterbeginn nochmal einen kurzen Mathe-Vorkurs an, in dem die Schulmathematik nochmal durchgegangen wird. Jemand mit Mathe-LK ist eindeutig im Vorteil, denn schnell wird im Semester darauf aufgebaut mehr erwartet, Integrale und Differentiale werden mehrdimensional etc., und das alles mehr oder weniger so nebenbei.


    Mit den Computerkenntnissen ist das so eine Sache. Man kommt eigentlich nicht mehr ohne Rechner durch das Studium, aber die notwendigen Kenntnisse kann man sich nebenbei aneignen. Natürlich ist es besser, je mehr man von vornherein mitbringt. Am Anfang stehen da grundsätzliche Bedienung, Windows, Word und Excel, so kommt man schonmal durch das erste Praktikum mit Versuchsauswertung und Protokollschreiben. Irgendwann fängt man automatisch an, spezielle Software, besonders Matheprogramme wie Maple, Mupad, Mathematica etc. kennenzulernen und einzusetzen. Spätestens zu Diplomarbeit landet man bei Linux und dem Satzsystem LaTeX. Programmiersprachen sind nie verkehrt, dummerweise sind die, die man in der Schule beigebracht bekommt, nicht die, die gefragt sind. BASIC und Pascal oder ihre grafischen Varianten Visual Basic und Delphi sind aus dem Rennen. Mit Java steht man besser da, und skriptsprachen wie Perl, php und Python sind nicht verkehrt. Für viele Spezialbereiche wird noch heute auf das in der IT schon lange eingemottete FORTRAN zurückgegriffen. Die jüngere Physikergeneration nimmt C (C++ oder andere Derivate tun's auch). Wirklich brauchen tut man das Programmieren meistens nicht vor der Diplomarbeit, wer also die Möglichkeit hat, vorher schon den einen oder anderen Einführungskurs im Rechenzentrum zu belegen, der sollte sie auch ergreifen.


    Caro

  • Hallo Caro,


    dann muss ich mit mit Mathe ja richtig ranhalten, denn ich hab nur Mathe Grundkurs und damit wohl den Kürzeren gezogen. Solch ein Mathe Vorkurs wird aber zum Glück an der Heidelberger Fakultät angeboten. Natürlich werde ich diesen dann auch besuchen, um meine Defizite etwas zu beseitigen. Glaubst du, dass so ein Mathe Vorkurs vor dem Studium ausreicht, oder ist es sinnvoll sich vor dem Studium nochmal eingehend mit der Mathematik zu beschäftigen?


    Gruß Thomas

  • Hallo Thomas,


    das ist auch eine Frage dessen wie stark du dich in Mathe einschätzt und wie das Niveau in eurem Grundkurs ist. Fakt ist, je mehr Mathe desto besser. Die Mathe-Vorkurse der Uni dauern meistens nicht länger als zwei Wochen und sollen hauptsächlich den Schulstoff wiederholen. Neu lernen ist da so eine Sache. Das ganze ist sehr komprimiert und man ist in der Zeit eigentlich schon gut damit beschäftigt, die Kommilitonen und das Uni-Leben als solches kennenzulernen. Vielleicht besprichst du die Angelegenheit mal mit deinem Mathelehrer/deiner Mathelehrerin. Wenn du da erzählst, daß du Physik studieren möchtest, sollte er/sie eigentlich ganz gut abschätzen können, ob du dafür gut gerüstet bist, und sonst kann er/sie dir immer noch am besten sagen wo du selber noch nacharbeiten kannst, wenn du möchtest.


    Gruß,
    Caro

  • Oh ja... bin im elften Semester... und hab stellenweise immernoch meine Probleme mit der Allgegewärtigen und bösartigen Mathematik :)


    was noch zu erwähnen sei, ist das Englischkentisse sehr vorteilhaft sind, da man später im Studium auch öfter mal englische Fachliteratur lesen muss.

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