Hi!
Um mal auf das Ursprungsthema zurückzukommen: Ja, Teleskop auf dem Balkon geht, kann sinnvoll sein und hat seine Einschränkungen.
Hier ist mein Aufbau für die Sonnenbeobachtung:
Ein 80/900 Vixen-Refraktor auf der bereits erwähnten Vixen GP-DX; in dem iCap-Zelt links ist der Computer für Teleskop- und Kamerasteuerung.
Das ganze steht auf einem Holzklotz und einer Halbsäule, damit ich einerseits näher an die Brüstung komme und nicht so viel Himmel durch Dach und Markise verliere, und mir andererseits den Aufbau des großen Stativs spare. Ich habe ein Berlebach Uni 28, das nur ein ausziehbares Beinsegment hat – damit ist es stabil, aber auch sperrig: Etwa eine Kofferraumbreite vom Ford Focus, und damit ist es nicht ganz einfach, es durch die Wohnzimmer- und Balkontüre zu bugsieren und auf dem Balkon auszuziehen und aufzustellen. Das hatte mich mehr genervt als ich gedacht hatte...
Als Größenvergleich: Auf dem Acker sieht das dann so aus (mit einem ED80/600-Refraktor und bequemem Einblick im Stehen):
Ein Refraktor will halt ein hohes Stativ, weil der Einblick hinten und unten ist. Damit ist es auch breitbeinig.
Vorteil vom Balkon: Die Hemmschwelle, kurz was aufzubauen, ist nicht besonders hoch, und man hat alles in Reichweite.
Nachteil vom Balkon: Eingeschränktes Sichtfeld - wobei ich zuhause meist Sonne mache, die ist dann nur Nachmittags sowie im Hochsommer zur Mittagszeit unsichtbar, wenn sie entweder hinter dem Hauseck oder zu hoch am Himmel steht. Ich komme halt nicht in den Zenit.
Und die Montierung einnorden ist auf dem Balkon nicht ganz trivial, weil ich einerseits den Polarstern nicht sehe und andererseits nicht immer genug Sterne sehe, um mit den üblichen Software-Helferlein die Montierung einzunorden. So eine parallaktische Montierung muss mit einer Achse auf den Himmelspol zeigen. Mit der festen, einmal eingenordeten Säule funktioniert das ganz gut, ich muss die Montierung nur draufsetzen und bin für visuell genau genug aufgestellt.
Mit einer voll-manuellen azimutalen Montierung (wie beim Dobson, oder auf einem Stativ) hast du das Problem nicht, die funktioniert wie ein Videoneiger oder Kugelkopf. Wenn sie zusätzlich Goto (automatische Objektpositionierung und Nachführung) haben soll, musst du Referenzsterne einstellen und hoffen, dass du genug vom Balkon aus siehst.
Vorteil von Refraktor und Schmidt-Cassegrain/Maksutow: Heckeinblick. Ich kann mit der Säule so nah wie möglich ans Geländer und habe das Okular noch auf meiner Seite vom Geländer.
Der Refraktor liefert ein schönes und knackscharfes, sehr ästhetisches Bild. Jupiter und Saturn sind bei 150x, was so etwa meine Maximalvergrößerung mit 80mm Öffnung ist, wunderschön. Aber man sieht halt nicht so viele Details wie in einem größeren Teleskop, das höher vergrößern kann. Size matters...
Vorteil vom Newton: Du siehst für das selbe Geld einfach mehr, weil mehr Öffnung da ist.
Zum Maksutow als Planetenspezialist: Der hat halt eine sehr lange Brennweite, damit bleiben (überspitzt gesagt) eigentlich nur Mond und Planeten als schöne Beobachtungsziele. Für ausgedehnte Galaxien und Nebel vergrößert er zu hoch bzw. hat ein zu dunkles Bild, und der Sekundärspiegel ist größer als beim gleich großen Newton. Damit hat er einen schlechteren Kontrast als ein gleich großer Newton – aber der Newton hat Spikes (diese Strahlen um Sterne), die einige schön finden und die andere völlig nerven. Im Vergleich zum Refraktor ist ein sagen wir 127mm-Mak einem gleichgroßen, guten und langbrennweitigen 125mm Refraktor gnadenlos unterlegen – aber der Refraktor ist dann schon sehr lang und schwer und unhandlich, während der Mak klein und kompakt ist, keine so massive Montierung braucht und öfter eingesetzt wird. Und es ist ja nicht so, dass man damit keine Sternhaufen und Doppelsterne anschauen könnte. Letztlich hat jedes Teleskop seine Vor- und Nachteile und seine Berechtigung, die eierlegende Wollmilchsau gibt's nicht. Spaß machen sie alle, wenn die optische Qualität was taugt und Stativ + Montierung stabil genug sind, dass nichts zu sehr wackelt.
Aber ein Punkt wurde noch gar nicht angesprochen: Kennst du dich am Himmel aus?
Falls ja, langt dir ein guter Sucher plus Sternkarte und ein Dobson ist ideal, falls nein, stellt Goto auf dem Balkon neue Herausforderungen. Einerseits musst du wissen, was du überhaupt anfahren kannst, und andererseits musst du passende Referenzsterne für die Goto-Initialisierung finden. Mit eingeschränktem Bildfeld und hellem Stadt/Dorfhimmel kann das anspruchsvoll bis frustrierend sein. Für einen Leuchtpunktsucher gibt es eventuell zu wenige Orientierungssterne, und die üblichen 6x30 Winzig-Sucher taugen eh nichts.
Ich nutze dafür mittlerweile sehr gerne die StarSense-Technik von Celestron: Da setzt du dein Handy ans Teleskop, die Handykamera analysiert den Himmel und zeigt dir auf dem Display, wohin das Teleskop gerade zeigt und wohin du es schubsen musst, damit du was interessantes siehst. Im Nachbarforum gibt's einen Monsterthread dazu:
Du hast nicht so das Erfolgserlebnis wie beim Arbeiten mit einer Sternkarte, wenn du was gefunden hast, aber dafür findest du die Ziele schnell. Und ob das Handy die Dunkeladaption stört, ist auf dem Balkon eh egal.
Celestron lässt sich die Technik natürlich ganz gut bezahlen... Wobei das aktuelle Sortiment so aussieht, dass es relativ günstige Geräte gibt (die klassischen Einsteigerteleskope auf Stativ), die gerne ausgeschlachtet werden, um StarSense dann an vorhandenen Teleskopen zu nutzen. Ihr Nachteil ist das gerne unterdimensionierte Stativ/Montierung:
Celestron StarSense Einsteigermodelle
Ich habe mir da auch ein billiges Set als Messeangebot geholt und nutze davon nur die App:
Das Handy hängt rechts am Teleskop in einer selbstgebauten Halterung mit Umlenkprisma. Links ein klassischer Leuchtpunktsucher, in der Mitte noch ein Sonnensucher.
Zum Glück gibt es mittlerweile auch eine ganze Reihe von Dobsons, mit denen man ernsthaft beobachten kann:
Celestron StarSense Dobsons
Der 150/750 Tabletop-Dobson auf optionalem Stativ wäre vielleicht der sinnvollste Kompromiss (wenn das Stativ stabil genug ist und du noch vernünftige Okulare dazukaufst): Kompakt genug für den Balkon oder um doch mal schnell mal rauszufahren auf den Acker, und du findest die Ziele schnell und einfach. Nachteil ist der Preis und die Verfügbarkeit – Fernrohr kommt wohl nächsten Monat, das Stativ nächstes Jahr. Aber das geht natürlich auch auf einem Tisch, oder man bastelt selber was.
Wenn du dich am Himmel schon auskennst oder selbst zurechtfinden willst, kannst du auch was günstigeres nehmen und musst dir über den Aufpreis für StarSense keine Gedanken machen. Aber für den Plan, einfach hinstellen, Objekt auswählen und sich zeigen lassen, wie man es findet (ohne genau zu wissen, wo es ist), passt das schon ziemlich gut.
Beste Grüße,
Alex