Beiträge von Lucifugus im Thema „ESO Day in Germany – 60 Jahre ESO – Kurzbericht von der Jubiläumsveranstaltung in Garching“

    Servus Peter,


    don't worry, ich empfinde das nicht als ätzend ;). Im Gegenteil – du rennst damit bei mir offene Türen ein. Ich kenne diese Problematik, die sich nicht nur die Astrophysik betrifft. Ich bin selber (in einer anderen Fachrichtung) betroffen gewesen und bin aus der Wissenschaftslandschaft als Quereinsteiger in das Lehramt gewechselt. Ich kenne die Pyramide nur zu gut: Dipom haben sehr viele, Promotion immer noch einige, Postdoc machen davon auch noch viele, danach wechseln die meisten in andere Berufsfelder, weil es kaum Dauerstellen gibt.


    Inwiefern das gesellschaftlich positiv oder negativ ist, möchte ich jetzt und hier in dem Thread nicht entscheiden. Innovative Forschung stammt oft von Jungforschern und -forscherinnen. Wenige werden später Forschungsmanager (C4-Professoren, die ihren "Stall" von Doktoranden/-innen managen). Für den Staat ist vermutlich der Output wichtig, also die Forschungsleistungen der Jungforscher/-innen. Ob die dan später dauerhaft davon leben können, dürfte für den Staat senkundär wichtig sein, solange sie überhaupt einen Job bekommen.


    Diese Diskussion ist aber eine komplett wissenschaftsgesellschaftliche. Ich kann es nur retrospektiv für mich selber so ausdrücken: Ich würde den Weg, wenn ich die Zeit zurückschrauben könnte, wieder so gehen. Ich habe meine Neugierde als Antrieb genutzt, um Wissenschaftler zu werden. Ich habe, wie so viele, keine Dauerstelle ergattern können und musste dann einen neuen Weg gehen. Der erste Weg hat für mich persönlich so viel gebracht, dass ich den nicht missen will. Und ich habe es zumindest versucht und trauere keinen vergebenen Möglichkeiten hinterher. Jetzt bin ich in meinem neuen Zweig als Lehrer sehr glücklich, fühle mich wohl und kann den Nachwuchs fördern, soweit ich dazu fähig bin. Ich versuche es zumindest. Aber ich kann auch realitätsnah davon berichten, wie es in der Forschungslandschaft aussieht.


    Dann sehen wir uns ja eh bald (beim DSM). Wenn's dort im Schwäbsichen a g'scheids Weißbier gibt, dann gerne.


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Servus beinand,


    mit wurde die Ehre zuteil, zu der Festveranstaltung 60 Jahre ESO am 20.2.2013 (Rosenmontag) nach Garching an das Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik eingeladen zu werden. Die ESO wurde ja 1962 gegründet, wurde also leztes Jahr 60 Jahre alt. Zu diesem Anlass gab es in den verschiedenen Staaten, die der ESO angehören, jeweils Festveranstaltungen. Zu guter Letzt war also die ESO-Zentrale in Garching an der Reihe. Anwesend waren Vertreter aus der Politik, der Industrie, der Astronomie/Astrophysik sowie geladene Journalisten. Dass ich als Physiklehrkraft eines bayerischen Gymnasiums teilnehmen durfte (zusammen mit einem Kollegen), hatte mich natürlich sehr gefreut.


    Eröffnet haben die Veranstaltung Prof. Dr. Michael Kramer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie Bonn (als Rheinländer am Rosenmontag!) und Prof. Dr. Paola Caselli, Direktorin des MPE in Garching. Anschließend wurden Fachvorträge von Xavier Barcons Jáuregui, dem ESO-Genraldirektor, Prof. Dr. Reinhard Genzel (Physiknobelpreisträger), Dr. Dominka Wylezalek und Prof. Dr. Thomas Westerhoff (Schott, Mainz) gehalten. So wurde z.B. erklärt, wie durch das Überlagern des Lichts aller Einzelteleskope des Very Large Telescopes (VLT) ein Teleskop mit 130 Metern Durchmesser virtuell erzeugt wird (nur nicht mit der Lichtmenge eines 130-Meter-Spiegels). Prof. Dr. Genzel berichtete natürlich von seinen Forschungsergebnissen über das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße und der Technik, wie es zu den Ergebnissen kam (z.B. Überlagerung der Daten aus unterschiedlichsten Wellenlängenbereichen). Prof. Dr. Thomas Westerhoff zeigte, wie Grundlagenforschung und Industrie sich gegenseitig bereichern und anregen, indem er die Geschichte des Zerodur(R) aufzeigte. Dieses Spezialglas ändert das Volumen auch bei starken Tempreaturveränderungen nicht und wurde zunächst von der ESO für das erste Teleskop auf La Silla bestellt. Aufgrund der Nachfrage von Seiten der ESO wurde das Zerodur(R) weiterentwickelt und stand nach Fertigstellung der ersten Teleskope kurz vor dem Aus, wäre nicht rechtzeitig wieder zur Nachfrage von Seiten der ESO für weitere, größere Teleskope gekommen. Heute wird Zerodur(R) für vielfältigste Anwendungen (vom Handydisplay über Backofentüren oder bei der Chipproduktion) verwendet und ist für die Firma Schott sehr erfolgreich und bringt der Firma regelmäßige Aufträge und Gewinne ein. Ohne die Grundlagenforschung der ESO hätte Schott dieses Marktsegment nicht bedienen können. Solche Beispiele sind immer wieder wichtig, wenn die Frage aufkommt, was einem Staat die Unterstützung von Grundlagenforschung wie der der ESO denn bringe. Dass die Industire teils sogar kurfristig davon profitieren kann, ist vielen vermutlich nicht bewusst.


    Für mich persönlich ist allein die mögliche Langfristperspektive ausreichend als Argument, warum Grundlagenforschung wichtig und unterstützenswert ist. Und wenn es 100 Jahre und länger dauert. Wer weiß, viellicht können wir ja eines Tages die Dunkle Energie für uns nutzbar machen... (dieses natürlich völlig hypothetische Beispiel kommt nicht von mir, sondern wurde im Laufe einer Diskussion mit einem Augenzwinkern genannt). Und natürlich der Erkenntnisgewinn für uns als Menschheit an sich ist ein großer Wert. Wenn es aber um mehr als eine Milliarden Euro wie beim Extremely Large Telescope (ELT) geht, dann ist ein pekuniärer Mitnutzen für Wirtschaft und Industrie nicht unerheblich als Argument.


    Vor der Mittagspause mit kleinem Buffet gab es noch eine Liveschalte zum Very Large Telecope (VLT) nach Chile.


    Nach der Mittagspause ging es zunächst von Seiten des BMBF genau darum, warum solche Grundlagenforschung vom Staat finanziell unterstützt wird. Anschließend wurde uns vorgestellt, was das sich im Bau befindlich ELT an Auflösung erbringen wird – nämlich auch dank modernster Detektortechnik eine 6mal so hohe Winkelauflösung als es das James Webb Space Telescope erbringen kann. Schließlich kam es zu einem von Prof. Dr. Matthias Steinmetz (Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam) moderierten Gespräch (Podiumsgespräch) zwischen Dr. Rolf-Dieter Jungk (Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, München), Prof. Dr. Jochen Liske (Universität Hamburg), Dr. Wolfgang Vieser (ESO, Garching) und Dr. Fritz Merkle (OHB System AG, München) zum Thema Grundlagenforschung, Inovation und Gesellschaft. Letzten Endes waren alle vier Vertreter der gleichen Meinung und setzen sich für die Grundlagenforschung ein, aber jeder aus einem anderen Blickwinkel. Für die anwesenden Journalisten war das sicherlich (bzw. hoffentlich) interessant, sodass auch von dort dir Grundlagenforschung Akzeptanz erhält.


    Zum Abschluss gab es Führungen in verschiedene Labore des MPE. Ich wählte die Infrarotastronomie aus und konnte mit jungen Forschern über die Weiterentwicklung der Detektoren und die aktuellsten Projekte zum Thema Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße diskutieren.


    Hauptsprache des ESO Days war natürlich Englisch, da die Rednerliste international besetzt war, einzelne Teile, wie z.B. das moderierte Gespräch, fanden auch auf Deutsch statt.


    Es war ein interessanter und sehr schöner Tag. Ich kann nur versuchen, in meiner Schule als Multiplikator für Projekte wie das ELT zu werben und die Begeisterung dafür bei meinen Schülerinnen und Schülern zu wecken. Solche Veranstaltungen sollten daher, finde ich zumindest, einem breiteren Publikum eröffnet werden (z.B. online für Interessierte – es waren auch an dem Tag Wissenschaftler online mit dabei). Für mich persönlich war insbesondere der Vortrag von Prof. Dr. Genzel spannend. Wie oft lernt man einen Nobelpreisträger für Physik live kennen. Ich habe aber davon abgesehen, ihn in der Mittagspause um ein gemeinsames Selfie zu bitten ;-).


    Ich bedanke mich herzlichst bei der ESO für die Einladung und hoffe, euch auf diesem Weg hier alle ein Bisserl mit dorthin zu nehmen,

    Christoph