ESO Day in Germany – 60 Jahre ESO – Kurzbericht von der Jubiläumsveranstaltung in Garching

  • Servus beinand,


    mit wurde die Ehre zuteil, zu der Festveranstaltung 60 Jahre ESO am 20.2.2013 (Rosenmontag) nach Garching an das Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik eingeladen zu werden. Die ESO wurde ja 1962 gegründet, wurde also leztes Jahr 60 Jahre alt. Zu diesem Anlass gab es in den verschiedenen Staaten, die der ESO angehören, jeweils Festveranstaltungen. Zu guter Letzt war also die ESO-Zentrale in Garching an der Reihe. Anwesend waren Vertreter aus der Politik, der Industrie, der Astronomie/Astrophysik sowie geladene Journalisten. Dass ich als Physiklehrkraft eines bayerischen Gymnasiums teilnehmen durfte (zusammen mit einem Kollegen), hatte mich natürlich sehr gefreut.


    Eröffnet haben die Veranstaltung Prof. Dr. Michael Kramer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie Bonn (als Rheinländer am Rosenmontag!) und Prof. Dr. Paola Caselli, Direktorin des MPE in Garching. Anschließend wurden Fachvorträge von Xavier Barcons Jáuregui, dem ESO-Genraldirektor, Prof. Dr. Reinhard Genzel (Physiknobelpreisträger), Dr. Dominka Wylezalek und Prof. Dr. Thomas Westerhoff (Schott, Mainz) gehalten. So wurde z.B. erklärt, wie durch das Überlagern des Lichts aller Einzelteleskope des Very Large Telescopes (VLT) ein Teleskop mit 130 Metern Durchmesser virtuell erzeugt wird (nur nicht mit der Lichtmenge eines 130-Meter-Spiegels). Prof. Dr. Genzel berichtete natürlich von seinen Forschungsergebnissen über das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße und der Technik, wie es zu den Ergebnissen kam (z.B. Überlagerung der Daten aus unterschiedlichsten Wellenlängenbereichen). Prof. Dr. Thomas Westerhoff zeigte, wie Grundlagenforschung und Industrie sich gegenseitig bereichern und anregen, indem er die Geschichte des Zerodur(R) aufzeigte. Dieses Spezialglas ändert das Volumen auch bei starken Tempreaturveränderungen nicht und wurde zunächst von der ESO für das erste Teleskop auf La Silla bestellt. Aufgrund der Nachfrage von Seiten der ESO wurde das Zerodur(R) weiterentwickelt und stand nach Fertigstellung der ersten Teleskope kurz vor dem Aus, wäre nicht rechtzeitig wieder zur Nachfrage von Seiten der ESO für weitere, größere Teleskope gekommen. Heute wird Zerodur(R) für vielfältigste Anwendungen (vom Handydisplay über Backofentüren oder bei der Chipproduktion) verwendet und ist für die Firma Schott sehr erfolgreich und bringt der Firma regelmäßige Aufträge und Gewinne ein. Ohne die Grundlagenforschung der ESO hätte Schott dieses Marktsegment nicht bedienen können. Solche Beispiele sind immer wieder wichtig, wenn die Frage aufkommt, was einem Staat die Unterstützung von Grundlagenforschung wie der der ESO denn bringe. Dass die Industire teils sogar kurfristig davon profitieren kann, ist vielen vermutlich nicht bewusst.


    Für mich persönlich ist allein die mögliche Langfristperspektive ausreichend als Argument, warum Grundlagenforschung wichtig und unterstützenswert ist. Und wenn es 100 Jahre und länger dauert. Wer weiß, viellicht können wir ja eines Tages die Dunkle Energie für uns nutzbar machen... (dieses natürlich völlig hypothetische Beispiel kommt nicht von mir, sondern wurde im Laufe einer Diskussion mit einem Augenzwinkern genannt). Und natürlich der Erkenntnisgewinn für uns als Menschheit an sich ist ein großer Wert. Wenn es aber um mehr als eine Milliarden Euro wie beim Extremely Large Telescope (ELT) geht, dann ist ein pekuniärer Mitnutzen für Wirtschaft und Industrie nicht unerheblich als Argument.


    Vor der Mittagspause mit kleinem Buffet gab es noch eine Liveschalte zum Very Large Telecope (VLT) nach Chile.


    Nach der Mittagspause ging es zunächst von Seiten des BMBF genau darum, warum solche Grundlagenforschung vom Staat finanziell unterstützt wird. Anschließend wurde uns vorgestellt, was das sich im Bau befindlich ELT an Auflösung erbringen wird – nämlich auch dank modernster Detektortechnik eine 6mal so hohe Winkelauflösung als es das James Webb Space Telescope erbringen kann. Schließlich kam es zu einem von Prof. Dr. Matthias Steinmetz (Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam) moderierten Gespräch (Podiumsgespräch) zwischen Dr. Rolf-Dieter Jungk (Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, München), Prof. Dr. Jochen Liske (Universität Hamburg), Dr. Wolfgang Vieser (ESO, Garching) und Dr. Fritz Merkle (OHB System AG, München) zum Thema Grundlagenforschung, Inovation und Gesellschaft. Letzten Endes waren alle vier Vertreter der gleichen Meinung und setzen sich für die Grundlagenforschung ein, aber jeder aus einem anderen Blickwinkel. Für die anwesenden Journalisten war das sicherlich (bzw. hoffentlich) interessant, sodass auch von dort dir Grundlagenforschung Akzeptanz erhält.


    Zum Abschluss gab es Führungen in verschiedene Labore des MPE. Ich wählte die Infrarotastronomie aus und konnte mit jungen Forschern über die Weiterentwicklung der Detektoren und die aktuellsten Projekte zum Thema Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße diskutieren.


    Hauptsprache des ESO Days war natürlich Englisch, da die Rednerliste international besetzt war, einzelne Teile, wie z.B. das moderierte Gespräch, fanden auch auf Deutsch statt.


    Es war ein interessanter und sehr schöner Tag. Ich kann nur versuchen, in meiner Schule als Multiplikator für Projekte wie das ELT zu werben und die Begeisterung dafür bei meinen Schülerinnen und Schülern zu wecken. Solche Veranstaltungen sollten daher, finde ich zumindest, einem breiteren Publikum eröffnet werden (z.B. online für Interessierte – es waren auch an dem Tag Wissenschaftler online mit dabei). Für mich persönlich war insbesondere der Vortrag von Prof. Dr. Genzel spannend. Wie oft lernt man einen Nobelpreisträger für Physik live kennen. Ich habe aber davon abgesehen, ihn in der Mittagspause um ein gemeinsames Selfie zu bitten ;-).


    Ich bedanke mich herzlichst bei der ESO für die Einladung und hoffe, euch auf diesem Weg hier alle ein Bisserl mit dorthin zu nehmen,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Servus Christoph,


    ein interessanter Bericht, vielen Dank.

    Ein "Blick hinter die Kulissen" in Form einer Führung ist bestimmt ein Highlight. Freut mich sehr für dich, dass du die Möglichkeit hattest.


    Wenn wir 1 x im Jahr nach München kommen, ist ein Besuch der ESO-Ausstellung inzwischen für uns "Pflicht" geworden.

    Im letzten Jahr sind wir extra nachts nochmal hingefahren, weil ich unbedingt ein Bild im Dunkeln und ohne Besucher machen wollte.

    Leider stand ein LKW vorm Eingang, der das Bild auch nicht schöner machte :loudly_crying_face:.

    Also auf ein neues in diesem Jahr :beaming_face_with_smiling_eyes:.


    Viele Grüße

    Sabine

    Meine Ausrüstung
    Montierung: ioptron CEM40, Skywatcher Star Adventurer Pro

    Kamera: Altair Hypercam 26C, Canon EOS700Da

    Teleskop: TS Photoline 80 mm f6 (380/480 mm)

    Objektive: Canon 200 mm, Samyang 135 mm, Sigma 18-35 mm, Canon 60 mm

    Guiding: MGEN3

  • Servus Sabine,


    sehr gern geschehen! Die "Supernova" mit Planetarium und Ausstellung ist wirklich einen Besuch wert. Ich finde es toll, was die da auf die Beine gestellt haben.

    Im Moment wird dort an jeder Ecke gebaut und erweitert. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal ohne "verzierenden" LKW. ;)


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Servus Christoph,


    danke für den interessanten Bericht von der ESO-Veranstaltung !!! - und damit für diesen Ausflug in die professionelle Organisation von Astronomie als Forschungsfach. ESO ist in der Tat ja eine recht sympathische Organisation (international, nahe am Geist der EU). Gymnasiale Lehrkräfte werden natürlich auch eingeladen zu solchen Veranstaltungen. um den wissenschaftlichen Nachwuchs von morgen sicherzustellen. Das ist verständlich, so völlig OK und valide.


    Es gibt allerdings einen durchaus gewichtigen Punkt, auf den man gerechterweise (den Schülern, und vielleicht auch allen Forenlesern gegenüber) hinweisen muss: Es ist (leider, leider) streng genommen >99% der Schüler nicht verantwortlich zu empfehlen, einen Weg in die astrophysikalische Forschung einzuschlagen. Der Grund: der wissenschaftliche Nachwuchs wird zwar gebraucht (und de facto 'benutzt'), um moderne Forschung vorwärts zu treiben, ABER dem Nachwuchs wird keine langfristige Lebensperspektive in diesem Fach zur Verfügung gestellt. Es werden seit mehreren Jahrzehnten (!) zwar Investitionen in Infrastruktur und neue Instrumente getätigt (in Hardware), aber dem Fachpersonal, das diese Instrumente bedienen kann (dem Humankapital), besser: mit wissenschaftlichen Fragestellungen kompetent bespielen kann, dem fehlt es an persönlichen Perspektiven. Diplomarbeiten - gibt es, alles prima. Doktorarbeiten - gibt es, alles prima. Auch Post-Doc-Stellen stehen noch einige zur Verfügung, wobei dann allerdings schon auf internationalem (!) Parkett gespielt wird (mit der entsprechenden Competition). Danach wird es jedoch für die allermeisten Jungforscher bitter. Es gibt keine (= viel zu wenige) Dauerstellen für sie. Sie hangeln sich von 2-Jahres-Stelle zu 1-Jahres-Stelle. Ene ist in USA, die andere in Chile. Toll ! (sagt man naiv an Unbeteiligter) ABER LETZTLICH: Sie sind schliesslich gezwungen in andere Felder auszuweichen, u.a. etwa Optik-Herstellung, IT, Finanz-Mathematik etc... Allerdings waren sie ja an diesem Punkt angelangt schon (sehr !!!) lange (und hochmotiviert) unterwegs, um Astrophysik zu machen... Ist ein solcher Weg gesellschaftlich also besonders effizient ? (Effizienz ist ja ein Dauerthema in unserer Gesellschaft, stimmts ?!)


    Das ist übrigens keine Einzelmeinung.


    - Ich erinnere mich gut an einen alten und sehr netten Prof. (kurz vor seiner Emeritierung) in unserem Astropysik-Institut, der immer sagte,

    es mache ihm grosse Sorgen, wo denn die 'jungen Leute heute' irgendwann mal eine Stelle finden sollten... Er sollte absolut Recht behalten !


    - Von S. Bär gibt es z.B. das nette Buch 'Forschen auf Deutsch - Der Macchiavelli für Forscher und solche, die es noch werden wollen'.

    Hier kann man dies alles in grossem Detail erläutert finden. Sehr empfehlenswert zur Bewustseinserweiterung für Oberstufenschüler

    (und Studenten natürlich).


    - Dann: wir reden hier nicht von Kandidaten, die in der Schule 'passabel Mathe konnten' - und dann später an der Uni leider ablosen, weil das Niveau zu hoch wird.... Wir reden hier von Leuten mit Magna Cum Laude oder gar Summa Cum Laude Promotionen (mit Auszeichnung) in Astrophysik. Auch von Leuten, die 'hochbegabt' im Sinne von Studienstipendien waren (StudienStiftung des Deutschen Volkes, Bayerisches BegabtenFörderungsGesetz). Das sind also Leute, die in der Schule zu den 1% Spitzenschülern gehören. Wenn diese Leute ein Problem in der Astrophysik haben, dann haben das Problem eigentlich ALLE ! Wem will man es also noch verantwortlich empfehlen, als Lehrer ?


    Ich will nur sagen: es ist überhaupt kein Problem, Schüler/innen in den Gymnasien für Physik/Astrophysik zu begeistern. Prima !

    ABER: bitte erzählt als Gymnasial-Lehrer - besonders den Spitzenleuten, die 'nach den Sternen greifen' - die ganze Geschichte und schickt sie nicht naiv (ihr nicht und sie nicht) in einen Zweig, in dem langfristig (!) (und leider !) fast keine Berufschancen bestehen. Vielleicht tut sich auch irgendwann mal was an der Forschungslandschaft (und zwar in dieser wichtigen, PERSONELLEN Hinsicht !!!), wenn zunehmend der Nachwuchs fehlt. Ein System unter finanziellem Druck reagiert nur unter Eskalation, das ist so (übrigens auch in der Wirtschaft + Industrie). In wissenschaftliche Hardware (Teleskope, Satelliten, Beschleuniger...) wird immer (gern) investiert (und das hochrangige Forschungs-Management jubelt dann, wie auf der ESO-Veranstaltung hier !) aber eben NICHT in Personal(stellen) !!! Das liegt ganz einfach an der (leidigen) Langfristigkeit der letzteren Investion... Und: dies wird leider oft geflissentlich verschwiegen ! (sprich: nicht zu laut gesagt) Klar gesagt: Man will sich ja selbst nicht der Arbeitskräfte berauben (man verfolgt also - wie überall) seine Interessen im Forschungs-Management.


    Wir hier (im Forum) tun uns SEHR leicht, wir machen Astronomie als Hobby. Wir sind nicht davon (finanziell) abhängig. Alles easy ! Als Absolvent in Astrophysik ergreifst Du jedoch einen Beruf ! - Du willst irgendwann auch mal langfristige Sicherheit (Mehrjahres- oder Dauerstelle) und verlässlich Dein Geld damit verdienen können. Nach 5+3 Jahren ist es nämlich dann kein Hobby mehr !!! Familiengründung, persönlicher Existenzaufbau - WANN geschieht denn das ohne Sicherheiten ? Und: WO geht das, wenn Du alle 2 Jahre woanders forschst ? (und Deine Frau, wo ist die ? Ah, Du hast keine, weil Du ja alle 1-2 Jahre auf einem anderen Kontinent arbeitest...)


    Also danke für Deinen Beitrag, und berichte gerne solches weiter hier ! (das ist völlig un-ironisch gemeint !). Ist sehr willkommen !!! Dein Engagement auf dem Gebiet ist prima !!!

    Aber velleicht kann ich anregen, dass es gegenüber den Schülern eine durchaus sehr verantwortliche Vorgehensweise wäre, und nur fair, zu relativieren, was sie ggf. erwartet in der Astrophysik und im Forschungsbetrieb. Die Lage ist (für Insider) leider nicht so sehr im grünen Bereich, wie es auf den Jubiläumsfeiern scheint !


    Sorry, wenn ich hier ein bisschen ätzend/klar war, aber die 'öffentliche Meinung' soll ruhig ein differenziertes Bild hierüber ertragen können.

    Wir bleiben dennoch positiv ! :)


    Alles Gute + schöne Grüsse ins Bayerische,

    Peter


    PS:

    Vielleicht/Hoffentlich ja am DSM dann mal auf ein Weissbier ! :)

  • Servus Peter,


    don't worry, ich empfinde das nicht als ätzend ;). Im Gegenteil – du rennst damit bei mir offene Türen ein. Ich kenne diese Problematik, die sich nicht nur die Astrophysik betrifft. Ich bin selber (in einer anderen Fachrichtung) betroffen gewesen und bin aus der Wissenschaftslandschaft als Quereinsteiger in das Lehramt gewechselt. Ich kenne die Pyramide nur zu gut: Dipom haben sehr viele, Promotion immer noch einige, Postdoc machen davon auch noch viele, danach wechseln die meisten in andere Berufsfelder, weil es kaum Dauerstellen gibt.


    Inwiefern das gesellschaftlich positiv oder negativ ist, möchte ich jetzt und hier in dem Thread nicht entscheiden. Innovative Forschung stammt oft von Jungforschern und -forscherinnen. Wenige werden später Forschungsmanager (C4-Professoren, die ihren "Stall" von Doktoranden/-innen managen). Für den Staat ist vermutlich der Output wichtig, also die Forschungsleistungen der Jungforscher/-innen. Ob die dan später dauerhaft davon leben können, dürfte für den Staat senkundär wichtig sein, solange sie überhaupt einen Job bekommen.


    Diese Diskussion ist aber eine komplett wissenschaftsgesellschaftliche. Ich kann es nur retrospektiv für mich selber so ausdrücken: Ich würde den Weg, wenn ich die Zeit zurückschrauben könnte, wieder so gehen. Ich habe meine Neugierde als Antrieb genutzt, um Wissenschaftler zu werden. Ich habe, wie so viele, keine Dauerstelle ergattern können und musste dann einen neuen Weg gehen. Der erste Weg hat für mich persönlich so viel gebracht, dass ich den nicht missen will. Und ich habe es zumindest versucht und trauere keinen vergebenen Möglichkeiten hinterher. Jetzt bin ich in meinem neuen Zweig als Lehrer sehr glücklich, fühle mich wohl und kann den Nachwuchs fördern, soweit ich dazu fähig bin. Ich versuche es zumindest. Aber ich kann auch realitätsnah davon berichten, wie es in der Forschungslandschaft aussieht.


    Dann sehen wir uns ja eh bald (beim DSM). Wenn's dort im Schwäbsichen a g'scheids Weißbier gibt, dann gerne.


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo Peter,


    dein Anliegen ist aus mehreren Gründen richtig und wichtig. Man sollte die jungen Leute von heute aber auch nicht unterschätzen. Ich habe schon zu Schulzeiten Amateurastronomie betrieben, hatte gleichzeitig durch eine sehr astrophysik-lastige Astronomie-AG aber auch auf dem Gebiet bereits einiges an Vorwissen, als ich Abitur gemacht habe. Als ich mich damals vor über 20 Jahren für das Physikstudium entschieden habe, habe ich geglaubt, daß es in der Astronomie nur wenige Jobs gibt, weil sie ein Nischen-Feld ist und mir deshalb keine großen Hoffnungen darauf gemacht, dort unterzukommen. Daß sie es dann doch geworden ist, habe ich mehr dem Zufall zu verdanken. Sich darüber im Vorfeld bereits Gedanken zu machen, ist aber definitiv wichtig.


    Das, was unter dem Hashtag #IchBinHanna nicht nur durch die sozialen sondern auch durch die klassischen Medien ging, war damals schon ein Problem, das sich aber mittlerweile noch verschärft hat. Geahnt habe ich davon nichts und bin wie die meisten anderen mit dem Ziel in der Wissenschaft unterzukommen an das Studium herangegangen. Im Nachhinein betrachtet war das damals schon naiv. Niemand studiert Physik mit dem Ziel Unternehmensberater*in zu werden, trotzdem war das damals der Bereich, wo viele von denjenigen untergekommen sind, die auf der Strecke geblieben sind, zumindest auf Zeit. Danach ging es mehr und mehr in die Informatikrichtung, nach dem Motto SAP = Sammelstelle arbeitsloser Physiker. Heute ist es allgemein Data Science und immer mehr auch maschinelles Lernen/KI, wo die Leute landen.


    Das Spielchen geht aber schon viel früher los. Wenn man heute die jährlich 400 Studienanfänger*innen bei uns fragt, warum Physik und warum Heidelberg, wird überwiegend die Astronomie als Motivation genannt. Nur ein paar Dutzend schreiben dann tatsächlich auch ihre Abschlußarbeiten auf dem Gebiet. Warum ist das so? Von Astronomie/Astrophysik haben die Schulabgänger*innen eine (nicht immer ganz richtige) Vorstellung: Urknall, Schwarze Löcher, Exoplaneten, tolle Bilder von Hubble und JWST. Daß die Physik auch noch andere schöne Töchter hat und welche das konkret sind, ist ihnen häufig gar nicht bewußt, aber im Studium kommen sie damit dann in Berührung. Das heißt rein theoretisch: Alleine schon um diejenigen, die mit Astronomie nichts anfangen können, auch abzuholen, müßten Abiturient*innen berufsberatungsmäßig auch etwas über Nanotechnologie, Halbleitermaterialien, Bionik usw. erfahren (sprich, insbesondere auch über diejenigen Bereiche der Physik, in denen die Jobs in Forschung und Entwicklung in der Industrie winken). Das können die Lehrer*innen im Unterricht aber schlicht nicht mehr leisten, zumal ja auch für alle anderen Fächer gilt.


    Die Stellenproblematik mit allem was dazugehört, bleibt aber natürlich bestehen. Das zu lösen, wäre Sache der Politik und ist vor allem eine Frage des Geldes. Eine Lösung dürfte daher so schnell leider nicht in Sicht sein, im Gegenteil, es wird ja an allen Ecken und Enden gespart. Es ist aber mitnichten so, daß das Thema auf einmal vom Himmel fällt. Die Forschungsinstitute nehmen die Sache heutzutage insofern selber in die Hand, indem sie den wissenschaftlichen Nachwuchs darauf vorbereiten, daß auch außerhalb der Wissenschaft eine Karriere auf sie warten kann. Alumni, die in anderen Berufsfeldern untergekommen sind, werden regelmäßig eingeladen sich und ihr Arbeitsgebiet vorzustellen, entsprechende Angebote sind mittlerweile praktisch Pflicht für Graduiertenschulen. Tatsächlich ist es auch so, daß mehr und mehr Leute bereits während ihrer Promotion von Headhuntern angesprochen werden oder sogar noch während der Masterarbeit abgeworben werden, obwohl ihre Betreuungspersonen sie gerne deutlich länger gehalten hätten. Aber die Wirtschaft bietet eben nicht nur einen Ausweg aus dem Entfristungsdilemma, sie zahlt auch besser. Und gefragt sind die Leute allemal. Wer heutzutage als mit einem Physikstudium keinen Job außerhalb der Wissenschaft findet, der muß schon ganz krude Gehaltsvorstellungen mitbringen oder sich weigern Computer zu benutzen.


    Lange Rede kurzer Sinn: Das Physikstudium (mit oder ohne anschließende Promotion) ist eben keine Einbahnstraße zu einer garantierten Stelle in der wissenschaftlichen Forschung, sondern soll dazu befähigen, in eine Vielzahl von Berufsfeldern einzusteigen. Ersteres zu erwarten, ist aber hartgesagt auch illusorisch. Genausowenig wie jeder Schulabgänger später an der Schule arbeiten kann, kann auch nicht jeder Uni-Absolvent später an der Uni arbeiten, nicht jede*r Auszubildende wird von dem Betrieb übernommen, wo die Ausbildung gemacht wurde. Irgendwer muß auch "die anderen Jobs" machen. Die Frage ist: Für wen ist was das richtige, und es gilt die Studis spätestens während des Studiums darauf vorzubereiten, daß sie darauf eine Antwort geben können, denn sonst werden womöglich wirklich Sackgassen draus.


    Viele Grüße

    Caro

  • war Günther Hasinger nicht da?

    Servus Guido,


    nein, ich habe ihn jedenfalls nicht dort gesehen. (Hatte deine Frage übersehen, daher erst jetzt die Reaktion)


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Servus Christoph,

    danke für die Info.

    Ich sehe ihn demnächst bei einer Beiratssitzung.


    Das Thema mit den Karrieremöglichkeiten für Physiker oder noch besser Astrophysiker ist vielschichtig und vor allem sehr zeitpunktabhängig. Alle Perspektiven können in ein paar Monaten oder in 1-2 Jahren wieder anders aussehen. Ich bin ja perönlich in der Luftfahrt-Forschung schon lange unterwegs. Meine Meinung - und die ist seit ca. 2015 stabil - ist, dass ich auch keinesfalls einem Abiturienten empfehlen würde, Luft- und Raumfahrttechnik zu studieren. Nach meiner Meinung hängt das auch sehr stark mit den aktuellen Stärken und Schwächen der derzeitigen Abiturienten zusammen. Die Konkurrenz ist in den letzten 10 Jahren international geworden. Und da kommen brasilianische, indische und fernöstliche Studentinnen und Studenten, die sind irgendwie "konkurrenzfähiger". Die haben ganz andere Ausleseprozesses durchlaufen für die Schullaufbahn und die Zulassung zu einem Studium und die sind an ein Wahnisinns-Pensum gewöhnt (konditioniert!) . Ich beobachte da meine Tochter, die 2021 Abitur gemacht hat und zum Glück Jura studiert stelle mir vor, sie müsste sich bei mir im Berufsumfeld dieser "Konkurrenz" stellen. Und die europäischen Großforschungsanstalten und Industrieunternehmen in meinem Sektor haben keine Scheu mehr international nach Talenten zu suchen. Das war noch ganz anders, als ich 1993 anfing. Ich würde heute sehr wahrscheinlich gar nicht mehr eingestellt.

    An einem Mangel an Stellen liegt es bei uns nicht - unserer Großforschungseinrichtung ist in 20 Jahren von 4.500 auf über 10.000 Beschäftigte gewachsen und hat mehr als 20 neue Institute gegründet. Wenn ich nun im Führungskräfte-Nachwuchsprogramm meine Vorträge halte, schaue ich auf eine ganz bunte und total internationale Belegschaft mit Spitzentalenten aus aller Welt.


    Viele Grüße

    WOMBAT

  • Ciao all,

    Christoph, Caro, Wombat et al. :)


    sehr interessant etwas aus modernerer Zeit zu hören. Mein Wissenschaftsexit war Ende 1995. Aus dieser Zeit stammt also die oben skizzierte Erfahrung / Einschätzung.


    Finde es natürlich gut, dass der Wissenschaftbetrieb das Thema 'Was kommt hinterher ?' heute deutlich transparenter zu handhaben scheint, also den Studenten eine ungleich grössere Übersicht und damit Auswahlfreiheit vermittelt. Competition fights back, finally. Das sieht für mich wie ein deutlich 'fairerer Ansatz' aus. Dass der Wettbewerb mit zunehmender (und im Ausbildungs-Lifecycle noch früherer) Internationalisierung allerdings härter wird, glaube ich auch sofort. Thank god, I'm thru anyway ! :)


    ChristophP:

    Ja genau, ich hoffe schwer, dass die bayerischen (ich nehme auch: fränkische) Weissbier-Lieferketten auf die Schwäbische Alb noch einigermassen intakt sind... :crossed_fingers: :)


    Schöne Grüsse,

    Peter

  • Zitat

    Die Konkurrenz ist in den letzten 10 Jahren international geworden. Und da kommen brasilianische, indische und fernöstliche Studentinnen und Studenten, die sind irgendwie "konkurrenzfähiger". Die haben ganz andere Ausleseprozesses durchlaufen für die Schullaufbahn und die Zulassung zu einem Studium und die sind an ein Wahnisinns-Pensum gewöhnt (konditioniert!) .


    Das bedeutet, daß die Forschung und Wissenschaft in Deutschland regelrecht an die Wand geklatscht wird. Welcher dt. Absolvent wird da noch im eigenen Land genommen? Hinzu kommt noch das Hochschulrahmengesetz, das eine Weiterbeschäftigung nach 6 Jahren verhindert. Die Großindustrie spricht dann (dogmatisch verpeilt) vom ewigen Studenten. Mai Thi Nguyen Kim hat das bei MaiThink X thematisiert.


    Wenn ich mich mit Personalern unterhalte, wird mir schlecht. Viele reden einfach nur dummes Zeug wie einer der eine vollständige Bewerbungsmappe in der Hand hielt und tatsächlich sagte, er wolle die Bewerberfähigkeit prüfen! Ein anderer war nicht in der Lage, Bewerbungen anzunehmen, die er als Mail bekam, denn die sollte über ein Portal erfolgen. Und so geht das immer weiter. Vorstellung werden kolportiert, die nichts, aber auch garnichts mit der Realität zu tun haben.


    Erfahrene Wissenschaftler werden in die Arbeitslosigkeit aussortiert oder versauern unterfordert auf irgendwelche Pöstchen. Mir sind mindestens drei Fälle bekannt. Einer ist hochintelligent. Hat zwei Dr. und ...ich rege mich jetzt zu sehr auf, weil Potential bewußt gegen den Baum gefahren wird, weil Leute das Sagen haben, denen ich nicht mal einen Besen zum Hofkehren in die Hand drücken würde. Die machen vmtl. einen Knoten rein...


    Als ich 2005 das GKSS verliess kann ich mich noch an die Worte meines Chefs (ein Meister des Understatements) erinnern. Er saß vor mir auf seinem Stuhl, faltete die Hände über seinem Bauch und sprach mit leiser Stimme: ,,Ja, Deutschland ist ein reiches Land. Es kann sich arbeitslose Akademiker leisten. Das Ausland ist nicht so reich, deshalb gibt es dort keine!" Ich brauche euch wohl nicht zu sagen, daß ihr keinerlei Interpretationsspielraum habt.


    Zitat

    Wer heutzutage als mit einem Physikstudium keinen Job außerhalb der Wissenschaft findet, der muß schon ganz krude Gehaltsvorstellungen mitbringen oder sich weigern Computer zu benutzen.


    Das ist falsch! Du warst noch nie arbeitslos. Siehe die Unterhaltung mit den Personalern oben. Ich bin danach ganz mühsam im Flugzeugbau untergekommen. Die Vorstellungen der Großindustrie wie ein Bewerber zu sein hat, sind überzogen, irreal, arrogant und ignorant. Schau dir mal den Niedriglohnsektor an, was da passiert.


    Wiederhergestellt. Soll sie doch die eigene Entgleisung lesen, und jeder andere auch, damit sich jeder Bild von der machen kann. Forensoftware ist wirklich toll. :D ^^

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