Beiträge von Kalle66 im Thema „Spiegel dünner machen“

    Die einzelnen Glassorten haben schon auch unterschiedliches Gewicht, gibt auch noch Pyrex, Duran und BK7 im Umlauf.

    Im Hinblick auf die hier gestellte Frage, kannst du mit einem Einheitsgewicht für Glas rechnen. Das schwankt zwischen 2,2 (Borofloat) bis 2,6 (BK7-Kronglas) kg/Liter. Die E-Module sind ebenfalls von untergeordneter Bedeutung, zumal nur Zerodur/Astrositall (um die 90 GPa) signifikant besser abschneidet als andere Gläser (62 - 72 GPa).


    Pyrex und Duran sind zwei Markennamen für Borosilikatglas. Als Corning Pyrex in 1915 auf dem Markt brachte, haben sie Duran (entwickelt 1893 von Schott) quasi kopiert. Der Erfinder von Pyrex arbeitete 1908 als Doktorand bei Schott.


    Besonders der Markenname "Pyrex" hat inzwischen so oft den Eigentümer gewechselt, dass noch nicht mal klar ist, wer es eigentlich (noch) herstellt. Der Hype um Pyrex resultiert aus dem 5m-Spiegelteleskop des Mt. Palomar, das 1949 seinen Betrieb aufnahm und 30 Jahre das größte Teleskop war. Der Spiegel wurde schon 1934 gegossen. Weltwirtschaftskrise und der 2. WW verzögerten alles.


    Ganz allgemein steht in den USA der Begriff "Pyrex" als Synonym für Glaskochware (gläserne Kaffeekannen in Kaffeemaschinen, Teetassen, Backschalen usw.); ähnlich wie wir ein Papiertaschentuch "Tempo" nennen. Wenn in den USA heute jemand eine Scheibe Borofloat oder Duran von Schott in den Fingern hält, dann nennt er die auch so. Wenn er nicht weiß, wer die Scheibe gegossen hat, sagt er Pyrex dazu, falls es nicht grad Fensterglas ist.


    BK7 hat damit nichts zu tun, das ist ein optisches Borosilikat-Kronglas von Schott, speziell für opt. Linsen (auch Brillen) entwickelt. Kronglas = Glas mit einer Abbezahl über 50. Die Wärmeausdehnung von BK7 ist doppelt so groß wie von Borofloat/Duran/Pyrex; also eher mit Fensterglas vergleichbar.


    Viel interessanter war vor gut 25 Jahren, als Chinaspiegel den Markt überschwemmten, woraus die bestanden, wenn es keine Angaben zum Trägermaterial gab. Ich vermute, dann waren sie in Hinterhöfen unter freiem Himmel aus Fensterglasscherben zusammengeschmolzen worden. Aber das gilt wiederum auch schon lange nicht mehr. Die Stückzahlen muss man schon professioneller herstellen, wenn man heute selbst in China damit Geld verdienen will.

    Wini,

    Masse = Volumen * Dichte. Für's Grobe kannst du die Spiegelaushöhlung dabei einfach ignorieren.

    Glas hat eine Dichte von 2300 kg/m³ oder 2,3 kg/Liter. Das ist genau genug für alle Glassorten. Die Zylinderformel für's Volumen kannst du selbst nachschlagen.


    Das mit dem Borofloat ist nur ein Hinweis, was man hier als "gutes" Spiegelträgermaterial bekommen kann, wovon der Rest der Welt nur träumt. Selbst normales Fensterglas wird im Floatverfahren nur bis zu einer vergleichbaren Dicke gemacht. Meist weniger, weil es für Fensterglas über 19mm praktisch keinen Markt gibt. Wer Panzerglas braucht, klebt zwei oder mehr Scheiben mit einer Folie zusammen.


    Der Unterschied zwischen normalen Glas und Borosilikatglas ist, dass letzteres nur eine halb so große Wärmeausdehnung hat. Es verzieht sich also weniger, wenn die Temperatur sich ändert. Für Teleskope sehr nützlich. Noch ein Ticken besser wäre Quarzglas, aber das kostet noch viel mehr. Top wäre Zerodur-Glaskeramik, was praktisch unbezahlbar ist. Sowohl Quarzglas als auch Zerodur sind zudem sehr schwierig zu bearbeiten, weil sie sehr hart sind. Man schleift sich da quasi 'nen dicken Arm.

    Wini,

    Du würdest es den Mitlesern einfacher machen, wenn du ein paar Fakten liefern würdest, wie dick der aktuelle Spiegel überhaupt ist.


    Inzwischen stellt sich heraus, du Du einen 10"er f/4 Tubus unter 12 kg haben möchtest. Das ist machbar, aber knapp. Denk auch an das Gewicht der Rohrschellen usw. Eine Celestron AVX halte ich fotografisch - höflich gesagt - für zu schwachbrüstig für einen 10er. Zu den 12 kg Tubus kommen dann noch 10 kg Gegengewichte + 3 kg Fotoausrüstung, Schellen, Prismenschiene.


    Dein Problem ist, dass so dicke Glasrohlinge (>35 mm) nur im Schmelzguss-Verfahren hergestellt werden. Und da bauen sich immer innere Spannungen auf. Langsam abkühlt aus der Schmelze verteilen die sich aber so gut, dass der Rohling nach außen spannungsfrei erscheint. Aber schneidest du ihn in zwei Scheiben, kommen genau die Spannungen zu Tage, die sich im Inneren aufgebaut haben. Sie stammen aus dem Teil im Glaskörper, der beim Abkühlen am weitesten von den Außenflächen entfernt ist. Wir reden hier von Verbiegungen im Bereich von ~100 Nanometer, welche den Strehl des Spiegels mal eben halbieren können.


    Wir leben hier in Deutschland im "Luxus" dass einer der weltweit wenigen Hersteller (Schott), die Borosilikatglas (Marken wie Duran, Pyrex) herstellen, in Mainz sitzt und Schott bis 25mm Dicke das Glas im Floatverfahren (ein Fließbandverfahren, deshalb "Borofloat") herstellen kann. Das kann nur jemand, der den Abkühlungsprozess perfekt im Griff hat, um Restspannungen zu minimieren. Die Ami-Selbstbauer beneiden uns dafür. Die kämpfen seit jeher mit inneren Spannungen und widmen in ihren Selbstbau-Büchern ganze Kapital dem sog. "fine annealing", was für uns quasi ein Fremdwort ist.


    Kosten für einen kompletten Selbstschliff 10" (Meine grobe Schätzung):

    Rohling ~120 Euro

    Materialverbrauch ~100 Euro (darunter 60 Euro Schleifkörner) (kommt auf Deine Hobbykellerausstattung an)

    Verspiegeln ... k.A. vermute 150 - 400 Euro

    plus 200 Euro Reserve. Wenn du z.B. einen (Grab)-Steinmetz im Freundeskreis hast, kriegst du von ihm ein Granitschleiftool für lau. Der macht Dir eine 30mm Granit-Gewegplatte (5 Euro Baumarkt) in 10 Minuten rund, weil bei ihm jeder Hammerschlag mit dem Meißel sitzt bzw. er eine Steinsäge/einen Wasserstrahlschneider hat. Musst du dagegen den vollen Preis zahlen, lohnt es sich kaum, weil Flex und Diamanttrennscheibe billiger sind. Aber dann geht das Gegurke los, wenn man keine Übung damit hat.


    30h bis 100h Arbeitszeit, abhängig von der Lernkurve. Es können auch schnell 200h werden, wenn nicht alles glatt geht. Dazu kommt die gleiche Zeit mit Däumchen-Drehen. Warten, bis der Spiegel zum Vermessen sich an die Raumtemperatur angepasst hat.

    Es sind viele ungenannte Nebenprojekte, die viel Zeit schlucken, z.B. Interferometer bauen (und auf Teile warten, bis sie da sind).


    PS:

    Grundsätzlich täte ich nicht das einzige Exemplar eines Hauptspiegels auf's Spiel setzen, solange ich nicht einen zweiten habe. Sonst stehst du auf Jahresfrist ganz ohne Teleskop da.

    Wini,

    in der Praxis unmöglich. Es besteht immer auch die Gefahr, dass Spannungen im Glas dadurch freigesetzt werden und ihn verbiegen. Aber auch so ist der Aufwand auf die Vorderseite ständig Rücksicht nehmen zu müssen, viel zu groß. Er liegt dann ständig genau auf der Seite, die nur mit Samthandschuhen angefasst werden soll. Wenn man die vorab nicht eingießt, verkratzt man sie und ... man schleift sich rückseitig eine Delle, wenn die Vorderseite nur am Rand aufliegt, während man auf der Rückseite ständig Druck ausübt.


    Theoretisch könnte man das Glas auch in zwei Scheiben sägen, nur hat niemand dafür eine Maschine.