Beiträge von Stathis im Thema „Was ist der beste Reisedobson (Grundgedanken, Konstruktionskriterien)“

    Hallo ihr beiden,


    danke für die Rückmeldungen. Ich habe eure Punkte aufgegriffen und eingebaut (zum Transportkonzept unter Grundüberlegungen Punkt 8 und zu den Gegengewichten unter Konstruktionsgrundlagen Punkt 11).


    Das Transportkonzept muss natürlich von Anfang an in die Betrachtungen mit einfließen, wie konnte ich das vergessen.

    Gegengewichte finde ich dann attraktiv, wenn man sie ohnehin dabei hat oder vor Ort beschaffen kann. Muss man sie hingegen extra mitschleppen, sind sie strenggenommen zum Teleskopgewicht dazuzurechnen, da sie ja notwendiger Bestandteil des Gerätes wären. Ich persönlich mag virtuelle Gegengewichte nicht besonders, aber gut, es kann gute Gründe geben, doch darauf zu setzten. Man sollte es damit jedoch nicht übertreiben, sonst wird es zu kippelig.


    Jörg, dein 16" Dobson gefällt mir, fällt bei mir aber eher unter die Kategorie "erwachsener Dobson" (siehe Abgrenzung oben). Aber du hast schon Recht, die Grenzen sind ja fließend. Manche schicken auch 16 Zoll, 20 Zoll und mehr auf die Flugreise nach La Palma / Namibia / Südafrika...


    Weitere Kommentare?

    Hallo potentielle Reisedobson Interessenten,


    ich werde immer wieder gefragt, was "DAS BESTE" visuelle Reiseteleskop ist, wie man all die Randbedingungen gegeneinander abwägt und in welcher Reihenfolge man beim Selbstbau am schlauesten vorgeht. Aus den eigenen Erfahrungen sowie all der schönen Individualwerke anderer habe ich versucht einen Leitfaden aufzustellen, wie man zu seinem persönlichen idealen Teleskop kommt.


    Abgrenzung:

    Ein Reiseteleskop ist schwerpunktmäßig auf maximales Seherlebnis für die Deep Sky Beobachtung ausgelegt. Hingegen kann man Mond und Planeten auch von zu Hause aus der Großstadt beobachten.

    Anders formuliert: Wie kriege ich möglichst viel Öffnung mit möglichst wenig Aufwand unter möglichst dunklem Himmel? In dieser Disziplin ist für mich ein Newton in Dobson- Leichtbauweise das klar überlegene Konzept. Keine andere Bauart kann so viel Öffnung und damit verbundenem Deep Sky- Seherlebnis aus so geringem Gesamtgewicht und Packmaß herausholen. Die ebenfalls ultramobilen Geräte wie Fernglas, Spektiv, oder Miniapo haben eine etwas andere Zielsetzung und sollen nicht Gegenstand dieses Themas sein. Außen vor seien hier auch die großen Dobsons, die natürlich ebenfalls hochmobil sein können und als Reisedobson taugen können, jedoch in der Regel einen Transport per Auto erfordern, was die Auswahl der ultimativen Beobachtungsplätze schon wieder einschränkt. Die Überlegungen laufen somit auf einen Dobson in 6 Zoll bis 14 Zoll Spiegeldurchmesser hinaus. Solche Spezialgeräte gibt es - wenn überhaupt - nur von einigen Manufakturen in Kleineserie zu kaufen. Durch die teils konträren Randbedingungen, die hohe Konstruktionstiefe und die individuellen Präferenzen werden sie auch nie günstige Fernost Massenware werden. Also bleibt es die ideale Spielwiese des Amateur Teleskopbaus. Spiegelschleifende haben dabei die freie Wahl, ihr Instrument zu gestalten. Wer den Hauptspiegel kaufen will, muss nehmen, was der Markt bietet.


    Grundüberlegungen (Größe, Gewicht, Packmaß):

    1. Will ich das Gerät mühelos im Tagesrucksack auf den Berg tragen können? --> 6 bis 8 Zoll mit nur 1,25" Okularauszug

    2. Will ich maximale Deep Sky Power, höhere Standfestigkeit, Vielseitigkeit, Bedienungskomfort und bin bereit mehr zu schleppen? --> 10 bis 12 Zoll, vielleicht sogar größer? 2" Okularauszug für Weitfeldbeobachtungen.

    3. Will ich beides davon? ---> 10 Zoll, genau konstruieren, Sondermaterialien, jedes Gramm "abhungern"

    4. Muss es schnell und ohne Werkzeug aufbaubar sein? ---> Weniger Einzelteile, weniger Geschraube, dafür etwas sperriger

    5. Darf der Aufbau komplex sein, da ich es im Urlaub nur 1x aufbaue und Zeit dafür habe? ---> Hochgradig kollabierbar, minimales Packmaß, dafür mehr Geschraube

    6. Muss es robust und "idiotensicher" sein? ---> Alle Baugruppen müssen ineinander passen, durchdachtes Aufbaukonzept für einfachen Aufbau auch im Dunkeln.

    7. Wie will ich beobachten? Wie gelenkig bin ich? Im stehen, auf einem Anglerhocker, auf dem Boden mit Isomatte? --> Danach richtet sich die Brennweite und die Okulareinblickposition.

    8: Wie will ich das Gerät transportieren? ---> Kleiner Tagesrucksack, großer Reiserucksack, Rollkoffer, mobile Transportkarre, Teleskop selbst dient gleichzeitig als Transportkiste.


    Herausforderungen:

    1. Balance: Je kleiner und leichter der Dobson, um so schwieriger wird es, ihn mit allen Okularen und beim Okularwechsel im Gleichgewicht zu halten. Für die genaue Schwerpunktberechnung müssen alle Komponenten incl. Okularauszug, Okulare, Finder vorab bekannt sein.

    2. Je kompakter der Dobson, um so detaillierter muss die gesamte Konstruktion im Vorhinein geplant werden, da alle Baumaße voneinander abhängen.

    3. Je schneller und werkzeugloser der Aufbau erfolgen soll, um so cleverer müssen die Stangenverbindungen und Justierung ausgeführt sein.

    4. Je leichter und filigraner die Konstruktion, um so cleverer muss die Geometrie und Dimensionierung durchdacht werden, damit der Dobson stabil bleibt. Man muss ständig abwägen zwischen Stabilität und Gewicht.

    Aus 1-4 wird klar, warum ein gut durchdachter Reisedobson wesentlich anspruchsvoller zu bauen ist, als ein normaler Dobson. Deshalb gibt es sie auch nicht günstig aus Fernost Massenproduktion.


    Konstruktionsgrundlagen (exemplarisch für 10 Zoll durchgespielt):


    0. Mir sind keine fix und fertigen Konstruktionszeichnungen bekannt, die allgemein ohne Modifikation von jedem übernommen werden können. Zu individuell sind die Anforderungen, die persönlichen Geschmäcker, die eigenen Fähigkeiten, die Werkzeugmöglichkeiten. Daher sieht jeder Selbstbau- Dobson anders aus - ein Individuum.


    1. Nur auf 1,25" Okulare beschränken, oder auch 2"? Das ist wohl die wichtigste und schwierigste Entscheidung.

    Ein 2 Zoll Okularauszug erweitert die Nutzung Richtung größerer Gesichtsfelder bis zu ca. 2,5°. Man kann mit dem Öffnungsverhältnis auch Richtung f/5 bis f/6 gehen und somit auch mit günstigen Okularen eine gute Abbildung über das gesamte Feld erhalten. Der Spiegel ist etwas einfacher zu parabolisieren. Durch das große Okulargewicht wird der Dobson jedoch wesentlich kopflastiger, der Schwerpunkt wandert nach oben, die Balance schwieriger zu halten. Dadurch muss die Spiegelbox, Wiege und/oder Höhenräder größer ausfallen, alles wird insgesamt sperriger und schwerer.

    Beschränkt man sich auf die wesentlich leichteren 1,25" Okulare wird man das Öffnungsverhältnis eher Richtung f/4,2 - f/4,5 wählen, um mit einem 24 mm Weitwinkelokular die maximale Austrittspupille (AP) von 5-6 mm und das maximale Feld von ca. 1,3° erreichen zu können. Durch den leichteren Hut und den kürzeren Stangen wandert der Schwerpunkt tiefer, Spiegelbox, Wiege und Höhenräder werden kompakter, leichter, der Dobson ist auch mit leichten dünnen Spiegeln besser im Gleichgewicht. Die 1,25" Version ist reduziert auf das Wesentliche, quasi die Rennmaschine unter den Reisedobsons. Ein 10" f/4,4 mit 1,25" Fokusierer kann bei ca. 6-8 kg Gesamtgewicht landen, also in etwa so schwer wie ein Rennrad.


    2. Spiegeldicke: Bei kurzer f/4,5 Version kann der Spiegel dünner ausfallen, z.B. 255x21 mm (leichter, kühlt noch schneller aus). Bei längerer Version darf der Spiegel auch ruhig 25 mm dick sein, da etwas Gegengewicht am "Hintern" hilft, den Schwerpunkt nicht zu hoch werden zu lassen.


    3. Hut (oberer Korb): Oben am langen Hebel des Tubus zählt jedes Gramm. Je leichter der Hut, um so tiefer liegt der Schwerpunkt, um so kompakter und stabiler wird die ganze Konstruktion. Das ist der Schlüssel zum leichten Reisedobson! --> Leichter kurzbauender Okularauszug (OAZ), z.B. die Helical Crayford Focuser je nach Größe mit 62-180 g, leichter Peilsucher, leichte Okulare, leichte und trotzdem steife exzentrische Spinne, leichter flacher Hut. Die Hutringe werden meist aus Multiplex Birke gefräst, oder aus Alu gebogen. Alu ist bei gleicher Stabilität etwas leichter. Den Innendurchmesser so groß machen, dass keine Vignettierung stattfindet (ca. 25 - 35 mm größer als der Spiegeldurchmesser, entsprechend 12-18 mm rundherum Platz zum Spiegel).


    4. Fangspiegel: Die Größe richtet sich nach Punkt 1, 3 und dem Okular mit dem größten Feld. Richtwerte: Zu 100% ausgeleichtetes Feld von ca. 8-13 mm, Randabfall bis 30%. Details dazu siehe, hier oder hier oder hier und Berechnungstool von Mel Bartels. Befestigung: Kleben incl. passendem Offset mit 3 Silikonblobs von ca. 2 mm Dicke (Details hier).


    5. Stangenanzahl /Dimensionierung/ Stangenklemmungen: Ich habe schon 1, 2, 3, 4, 6, und 8 Stangen Designs gesehen oder selbst gebaut. Wenig Stangen müssen dicker ausfallen oder mit Zugseilen verspannt werden, dafür hat man weniger "Mikado". Das 8 Stangen Fachwerk (Truss Design) bietet die größte Steifigkeit und hat sich daher bei den großen Dobsons durchgesetzt. Lange Stangen kann man zum besseren Transport teilen, wenn es gelingt, stabile und trotzdem leichte Schnellverbinder zu bauen. Großer Durchmesser und dünne Wandung gibt deutlich mehr Steifigkeit als umgekehrt. Standard Material ist Alu, Carbon spart bei der Größe ca. 100-300 Gramm und erleichtert auch den Geldbeutel mehr. Alternativ gibt es auch das "Zugseil gegen Druckstange" Konzept (String Dobson).


    6: Spiegelzelle: Ideal ist eine schwimmende 6 Punkt oder 9 Punkt Axiallagerung mit 2 radialen Rollenlagern in 2x45° Anordnung (siehe 5-Ling Zelle). Bei dickeren Spiegeln kann man auch weniger ausgeklügelt bauen. Justiermöglichkeit von vorne erleichtert das justieren, ist bei kleinen Dobsons aber nicht essentiell. Berührungslose Spiegel Rausfallsicherungen gewährleisten, dass der Spiegel nicht gequetscht und verbogen wird.


    7. Spiegelbox: Wird meist aus Multiplex Birke gebaut. Eher dünnere Wandstärken wählen und dafür Diagonalversteifungen einkleben, damit es leicht und trotzdem steif wird. Übermäßiges Gewicht sparen auf kosten der Stabilität bringt hier am unteren Ende nichts, etwas Masse am "Hintern" verbessert die Schwerpunktlage und steht stabiler. Innenmaß mit rundherum min. 10-15 mm Platz zum Spiegel.


    8: Höhenräder: Werden meist mit der Oberfräse aus Multiplex Birke gefräst, aus Alu gebogen, oder seltener aus Carbon laminiert. Den Durchmesser wählt man möglichst groß, um ein hinreichend großes Haltemoment für die Okularlastunterschiede zu erhalten. Bei Ultraleichtdobsons sind Durchmesser von 2x Spiegeldurchmesser oder gar mehr durchaus üblich und sinnvoll (siehe Fünflinge), diese müssen dann jedoch separat transportiert werden. Alternative: Höhenräder teilbar ausführen (siehe Alfredos high End All in One 10" Dobson), oder klein genug, damit sie komplett in die Spiegelbox passen und zum Okularwechsel eine Bremse bauen (siehe mein 6" Reisedobson und mein 10" Reisedobson).


    9: Rocker Box (Wiege): Bevorzugt aus Multiplex Birke, da Holz die Schwingungen gut dämpft. Je tiefer der Schwerpunkt und je größer die Höhenräder, um so flacher und damit stabiler kann die Wiege ausfallen. Grammfetischisten, die es gleichzeitig stabil haben wollen, bauen dicke Sandwich Seitenbretter und dickes Sandwich Bodenbrett. Auf hartem Boden (Schotter, Fels) reichen einfache flache 3 Fußpads. Auf weicher Wiese längere Schrauben in die Fußpads schrauben, und wie Zeltheringe in den Boden drücken.


    10. Dobsonlager Paarung: Dies ist das A und O für die ruckfreie und präzise kontrollierbare Nachführung eines Dobsons selbst bei höchsten Vergrößerungen. Gefragt ist eine Lagerpaarung, die einen möglichst geringen Unterschied zwischen Haftreibung und Gleitreibung und damit ein möglichst geringes Losbrechmoment bietet. Der absolute Reibwert als solcher darf bei einem Reisedobson ruhig etwas höher sein, da das Gerät ohnehin sehr leicht ist. Der Gold Standard ist originales Ebony Star Laminat gegen Teflonpads. Statt dem kaum erhältlichen original Ebony Star funktioniert auch goldlackbeschichtetes Hammerschlag Alu, falsches "Ebony Star", Rollladengurt für die Höhenräder, Bürostuhl Bodenschutzplatte, oder sogar Backpapier für das Azimutlager. Braucht man noch mehr Haltemoment für das Höhenlager, kann man bei Extremleichtbau auch blankes oder eloxiertes Alu direkt auf dem Teflon laufen lassen und lebt mit einem etwas höherem Losbrechmoment.


    11. Gegengewichte. Falls die Balance aus Versehen oder absichtlich zur Packmaßreduzierung nicht gegeben ist, kann man sie mit Gegengewichten herstellen. Als Gegengewichte eignen sich besonders Dinge, die man ohnehin dabei hat (z.B. Kästchen mit Okularen, Wasserflasche) oder vor Ort verfügbar oder leicht zu beschaffen sind (Steine, Sack Schrauben, Flusswasser, Flasche Ouzo...). Alternative: Virtuelles Gegengewicht mit Gummis oder Federn, die über Umlenkrollen ein Aufrichtmoment am Höhenrad erzeugen. Das virtuelle Gegengewicht kann jedoch bei einem Ultraleichtbau nur eine moderate Kopflastigkeit ausgleichen, da sonst beim Nachführen oder bei Wind der ganze Dobson leichter umkippen kann.


    12. Feintuning und Blenden: Ein derart offener Minimalismus Dobson braucht richtig dimensionierte Blenden, um Streulicht zu blocken und so den maximalen Kontrast zu bieten. Zur Auslegung ohne Okular in die leere Okularhülse schauen und festlegen, wie groß die Blenden sein müssen, damit auch bei leicht schrägem Einblick außer dem Fangspiegel und den sich darin spiegelnden Hautspiegel kein Himmel oder andere Umgebung zu sehen ist. Am wichtigsten ist dabei ein geschwärzter Fangspiegelrand, sowie die Blende gegenüber dem OAZ. Falls normale Blenden nicht ausreichen, oder zu groß werden, Okularblenden passend für jedes Okular, eine Fokusiererblende, oder eine kleinere Blende direkt hinter dem Fangspiegel vorsehen.


    Sinnvolle Reihenfolge beim Bau:

    0. Sinn des Ganzen. Will ich das wirklich?

    1. Festlegen von Hauptspiegeldurchmesser, Brennweite und Spiegeldicke ---> Spiegel selbst schleifen 8), oder den besten Kompromiss kaufen :whistling:.

    2. Auswahl der Okulare mit möglichst ähnlichem Gewicht (oder wenigstens das Übersichtsokular), Fangspiegel, Fokusierer, Peilsucher.

    3. Konzept festlegen (generelles Design, Aufbau, Transport), Schwerpunkt ermitteln

    4. Hut bauen

    5. Spielgelzelle und Spiegelbox bauen

    6. Stangen + Stangenbefestigungen bauen

    7. Baugruppen nachwiegen und Schwerpunkt anpassen, bzw. Ausgleichsgewichte vorsehen.

    8. Entsprechend Punkt Nr. 7 die Höhenräder bauen

    9. Entsprechend Punkt 7+8 die Wiege bauen

    10. Dobson Lager anbringen


    Links zu Reisedobsons (etwas veraltet)


    Könnt ihr was damit anfangen? Habe ich was wichtiges vergessen?

    Ist der Begriff "Reisedobson" zu eng gefasst? Wir haben ja einen Münchener Leichtbau- Extremisten, der satte 18 Zoll in einen normalen Reisekoffer stopft und jede Schraube auf die Briefwaage legt. Umgekehrt habe auch schon einen 8" Dobson mit 800 g fettem Fokusierer und Binoansatz gesehen, der als Reisedobson gelten sollte.

    Was sind eure Präferenzen? Welche Reisedobsons habt ihr gebaut, baut ihr gerade, oder was plant ihr? (Bitte längere Projektvorstellungen im separaten Thread, sonst gehen sie hier unter. Hier soll es eher um das Prinzipielle gehen). Seit ihr so wie beschrieben vorgegangen, oder anders?


    Nachtrag 30.09.: Transportkonzept und Gegengewichte ergänzt