Beiträge von Caro im Thema „Astrophysik an bayerischen Gymnasien“

    Hallo Rainmaker,


    die Sache ist natürlich aber die: Das Leben - und die Schule - sind kein Wunschkonzert. Oder ganz hart gesagt: Astronomie an der Schule ist nicht dazu da, die nächste Generation von Hobbyastronom*innen zu produzieren. Schule soll die Grundlage der Allgemeinbildung legen. Eigentlich heißt das im heutigen Sinne ganz explizit, das es nicht um einzelne Inhalte und Auswendiglernen geht, sondern um das Erlernen von Methoden, mit denen man sich selbst Wissen aneignet. (Wie das in der Realität aussieht, steht auf einem anderen Blatt...) Über die Frage was zur Allgemeinbildung dazugehört und was nicht, wird sich regelmäßig und auch gerne sehr polemisch öffentlich debattiert, man erinnere sich an "Ich kann ne Gedichtanalyse in vier Sprachen, hab aber keine Ahnung von Miete, Steuern oder Versicherungen" vor ein paar Jahren. Astronomische Themen fallen jedenfalls mal auf der einen, mal auf der anderen Seite von Messers Schneide runter.


    Was heißt das jetzt aber praktisch für den Fall, daß Astronomie tatsächlich mal unterrichtet wird oder werden soll? Ein Beobachtungsabend mit Blick durchs Teleskop ist ein toller Aufhänger und wer als Lehrer*in eine gute Gelegenheit dazu verstreichen läßt, die Schüler*innen damit zu motivieren, ist selbst Schuld. Aber mehr als jede Woche das Fernrohr aufstellen und durchgucken muß schon drin sein - das wäre in etwa so, als ginge man im Fach Deutsch oder Englisch zur Lehrkraft und schlägt vor den neuesten Song deiner Lieblingsmusiker*innen durchzunehmen. Die macht das dann womöglich sogar - allerdings ist es dann mit 10 mal gechillt anhören nicht getan, um die ungeliebte Analyse des Liedtextes wird man nicht herumkommen.


    Die Schwierigkeiten bei der Organisation schulischer Beobachtungsabende stehen außer Frage - aber letztlich sind sie ein Bonus und stehen dementsprechend in Lehr- und Bildungsplänen auch nicht drin. Was drinsteht (und ob das angemessen ist), wohlgemerkt für einen Schwerpunkt-Wahlkurs Physik (also nichts was alle belegen müssen) im letzten Jahr vor dem Abitur, war mal der ursprüngliche Aufhänger dieses Threads.


    Allerdings: Ich persönlich wäre mir mir schon als Mittelstufenschülerin verarscht vorgekommen, wenn ich Sternbilder auswendiglernen oder mir hätte anhören müssen, wie in Referaten Zahlenkolonnen über die Planeten des Sonnensystems runtergerattert werden. Heutzutage kann dir sowas aber auch in der Oberstufe begegnen, weil die Lehrer*innen, die eigentlich Astrophysik unterrichten sollten, nicht darauf bauen können, daß überhaupt die Grundlagen gelegt sind.


    Viele Grüße

    Caro

    Hallo Stephan,


    Das erste 'westdeutsche' Schulbuch habe ich hier irgendwo stehen (Klett-Verlag?), wurde groß gefeiert, kam deutlich nach der 'Wende' ... Es ist nicht nennenswert, enthält über Kosmologie nur einen einzigen Absatz. Habe dagegen mehr Einführungszeug für College, sowas wäre was gewesenn ... eins bez. Radioastronomie für university ...

    Das ist so jetzt aber nicht korrekt. Ich habe Astronomie im schönen Schleswig-Holstein an der Schule (in einer AG, aber dennoch) anhand der beiden Schulbücher Astronomie I und II von Friedrich Gondolatsch, Gottfried Groschopf und Otto Zimmermann aus dem Klett-Verlag gelernt. Diese Bücher sind älter als ich - sie wurden Ende der 70er Jahre verfaßt. Sehr schön zu sehen ist anhand dieser beiden Bücher allerdings, wie sich der Anspruch geändert hat, denn sie sind für die gymnasiale Oberstufe - und haben es in sich: Kein einziges Farbbild, dafür Saha-Gleichung, Besetzungszahlen von Atomen, Differentialgleichungen.


    Viele Grüße

    Caro

    Hallo Peter,


    ob und wenn ja wie viel Astronomie an welcher Stelle in den Lehrplänen enthalten ist, ist nicht nur von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, sondern ändert sich auch alle Jahre wieder. Die eingangs erwähnte Lehrplanalternative Astrophysik in der Oberstufe am Bayerischen Gymnasium ist jetzt keine Neuerfindung, aber vor 20 Jahren gab es das so noch nicht. (Mein Diercke sieht ein wenig älter aus als deiner, aber die "DIe Erde im Weltall"-Seiten, sehen fast identisch aus.) Viel hat sich da in einigen Bundesländern mit der Einführung der Profilfächer vor einigen Jahren getan. Hier in Baden-Württemberg haben wir seitdem Astronomie in der Mittelstufe verankert, allerdings nur für diejenigen Schüler*innen, die das naturwissenschaftliche Profil wählen (früher: Naturwissenschaft und Technik, kurz NwT - heute: Informatik, Mathematik, Physik, kurz IMP). In einigen wenigen Bundesländern gibt es noch das eigenständige Fach Astronomie (meistens in der 10. Klasse), anderswo bist du vollkommen davon abhängig, daß jemand eine AG anbietet, weil selbst die zwei Seiten aus dem Atlas weder in Erdkunde noch woanders vorkommen und Gravitation und die Keplerschen Gesetze in der Oberstufe nur kurz abgehandelt werden.


    Das von dir vermutete "von den Vorlieben der Lehrkraft hängt es ab" ist natürlich aber auch real - in Kombination damit, daß wie Stephan schreibt sich nicht alle das Unterrichten von Inhalten zutrauen, in denen sie nicht ausgebildet worden sind. Das sind dann halt die Inhalte, die zum Schuljahresende untern Tisch fallen, wenn keine Zeit mehr ist. Immerhin, hier bei uns in Heidelberg müssen alle angehenden Physiklehrer*innen am gymnasium die Grundlagen der Astronomie lernen - und wir nutzen die Gelegenheit, um zu zeigen, was für ein toller Türöffner die Astronomie für die Naturwissenschaften ganz allgemein ist. Mit Erfolg, würde ich meinen, denn ein Großteil der Studierenden entscheidet sich dann anschließend, bei uns die Abschlußarbeit zu schreiben und wir bleiben oft auch auch lange darüber hinaus in Kontakt. Mehr astrointeressierte Lehrer*innen an den Schulen = mehr Astronomie in den Schulen.


    Viele Grüße

    Caro