Beiträge von Robert Ganter im Thema „Astrophysik an bayerischen Gymnasien“

    Hallo zusammen,


    darf ich meinen Schweizer (Thomi :P )- Senf dazugeben?


    m.E. solte der Schwerpunkt der Erziehung inzwischen mehr auf "Überleben ohne Strom und Supermärkte" ausgerichtet werden. Nur mal so.

    Das spräche dann z.B. für Rechenschieber und drehbare Sternkarten.

    Und man sollte mal darüber nachdenken, die schon immer im Lehrplan zeitfressenden Unterrichtsstunden z.B. für Religion oder Musik abzuschaffen

    Ich gebe Dir recht - und ich gebe Dir nicht recht.


    Die erste Zeile hat was. Ich behaupte jetzt aber mal, dass dann genau diejenigen überleben werden, die entweder die grösste Keule haben oder die, die noch wissen, wie man ohne Benzinfeuerzeug und trockenem Holz aus dem Gartencenter ein Feuer macht. Oder die wissen, wie man sich einen Solarkocher McGyvert.

    Was aber eine Gesellschaft definitiv nicht überlebt ist das Fehlen von Kunst und Musik. Es kommt nicht von ungefähr, dass viele grosse Wissenschaftler ein Musikinstrument gespielt (Einstein: Violine) oder Bilder gemalt haben (R.Feynstein). Eine kulturlose Gesellschaft verfällt in Barbarei. Kommt noch Religion ins Spiel, erhält die Barbarei auch eine formale Rechtfertigung.


    Zu den Lehrplänen: auch in der Schweiz wurde mit dem Lehrplan 21 ein gigantischer Papierberg geschaffen, der eigentlich ein Fanal für die Unfähigkeit unserer Gesellschaft ist, Bildung anders zu verstehen als Nürnberger Trichter. Ich masse mir an, mit meinen 54 Lenzen eine gewisse Retrospektive über meinen Bildungsweg bilden zu können und mein Fazit ist ernüchternd.

    Die Lehrer und Dozenten, die meinen Werdegang geprägt haben und immer noch prägen, kann ich an zwei Händen abzählen. Als Beispiel mein Physiklehler im Gymnasium: ein älterer Herr, Konstruktion weisshaariger Zwerg aus Schneewittchen (einfach in Normalgrösse). Im Wissen, dass er bei einer Latein-/Musikklasse auf verlorenem Posten steht, wenn er Interesse an Naturwissenschaft voraussetzt, hat er seinen Unterricht entsprechend gestaltet.

    1. Stunde: Massen. 1t ^= 1.3 VW-Käfer. Ab dann hat er grundsätzlich Massen nur noch in VW-Käfern angegeben. Die ganzen vier Jahre. Weshalb? Rechnen mit Einheiten und Faktoren. Viele sind schon daran gescheitert, aber die, die das mal begriffen hatten, hatten für den Rest ihres Lebens kein Problem mehr damit, mit unterschiedlichen Masssystemen umzugehen.

    Er hat immer versucht, Zusammenhänge zu vermitteln: mir fällt jetzt konkret kein Beispiel aus (da müsste ich mal Fensterplatzkollegien fragen ;) ). Er hat es aber auf jeden Fall geschafft, bei Schülerinnen und Schülern ein Aha-Erlebnis auszulösen, die sonst mit Naturwissenschaften nichts am Hut hatten. (In einer anderen Lateinklasse hatte er, als sich diese über diese blöde Physik beschwert hatten, Newtons Principia auf Latein mit ihnen übersetzt und, en passant, die Physik dazu besprochen. Ätsch. Plötzlich war es dann interessant...).

    Nun, ich war immer an MINT interessiert, aber dieser Mann war prägend für meinen Werdegang. Und um den Kreis etwas zu schliessen: er hat in mir die Begeisterung für Astronomie und Teleskopselbstbau geweckt. Er war nämlich - Überraschung - Mitglied im astronomischen Verein Basel. Dass es dann noch fast 30 Jahre dauern würde, bis mein erster Spiegel entstand, lag nicht an ihm. Und dass wir uns dazwischen nie mehr begegnet sind, bedaure ich sehr. Leider war er, als ich dem Verein beigetreten bin, schon verstorben.


    Ich erlebe nun hautnah mit meiner Tochter die Weiterentwicklung unseres Schulsystems. Was hat geändert in den 34 Jahren, seit ich das hinter mir habe? Nun, kaum etwas zum Besseren. Es ist der Erfahrung und Begeisterung ihrer Lehrerin zu verdanken, dass sie gerne in die Schule geht und extrem wissbegierig ist. Liegt vielleicht auch daran, dass ihr Zimmer zu 1/3 (m)eine Bibliothek ist und man ihr Abends teilweise das Buch aus der nehmen muss, dass sie unbedingt nach 21Uhr noch fertig lesen will. Und das sind nicht nur Kinderbücher.


    Nicht alle Kinder haben das Glück, zu Hause mit Büchern und ausgefallenen Hobbies wie Astronomie geimpft zu werden. Die verbringen (praktisch für die Eltern) Stunden an Smartphone oder Fernseher. Nicht gerade förderlich für die Entwicklung von Entdeckergeist und Lernbegierde. Mit solchen verkümmernden Pflänzchen müssen sich die Lehrer dann herumschlagen und versuchen, diesen Schaden wenigestens etwas zu mindern. Wenn sie denn die Kraft und/oder Lust haben, das zu tun.


    Die Lehrpläne sind immer noch darauf ausgerichtet, möglichst viel Informationen in die Schüler zu stopfen. Das Wichtigste, wie man sich Wissen aneignet (ein aktiver Prozess, für den man etwas tun muss) und die Freude daran, neues zu entdecken, fristet ein Nischendasein. Ist der Lehrerin oder dem Lehrer dieses Problem bewusst, kann dem gegengesteuert werden. Oft sind diese aber so abgelöscht, dass sie Dienst nach Vorschrift machen und einfach den Lehrplan runternudeln. Am Ende sind die Schüler vollgestopft mit einem Heuhaufen von Informationen, mit denen sie nichts anfangen können. Mission failed.


    Das Resultat sehen wir seit ca 2 1/2 Jahren überdeutlich: ein nennenswerter Teil der Gesellschaft muss als verloren angesehen werden. Was Bildung angeht, was Gesellschaftsfähigkeit (Empathie, Altruismus, Gemeinsinn) angeht. Einfach lost. Das fällt uns gerade gewaltig auf die Füsse.

    Gezielt gesteuert von Kreisen, die unsere freiheitliche Gesellschaft zu ihrem Interesse abschaffen wollen, verseuchen diese Dullies jede Debatte mit ihrem Müll. Die Politiker, nur bedacht, ihre Macht und ihre Prfünde zu erhalten, spielen mit. Das Resultat ist, dass Querdulli Karlheinz von der Youtube Akademie auf Professor XY (der sich nebenbei noch Querdulli Bernd nennt und in einer Trollfabrik in St.Petersburg arbeitet) verweist und es zusammen mit seinen Brüdern und Schwestern im Ungeist schafft, dass die Politik sich von jeder faktenbasierten Handlungsweise verabschiedet und jeden Eso-Müll und Querdulli-Propaganda als alternative Fakten mit einbezieht. Sei es Corona, seien es Windkraftwerke, seien es Alternativen zur solzialdarwinistischen Leistungsgesellschaft, die unseren Planeten zu zertören droht. Überall wird mit anektotischem "ich habe gehört und ich glaube" um sich geworfen.


    Wir erleben z.B. zur Zeit in der Schweiz eine desaströse Entwicklung. Corona wurde per Bundesratsbeschluss für beendet erklärt und deren gesetzliche (unter Eid gelobte) Verantwortung für das Wohl and die Gesellschaft als "Eigenverantwortung" delegiert. Bei der Affinität der Schweiz für esoterische Betrugssysteme wie Homöopathie und Anthroposophie eine brilliante Idee. Das Resultat kündigt sich jetzt schon an, im Herbst wird es stürmisch. Die Wirtschaft, die aus kurzfristigem Gewinndenken dafür gesorgt hat, dass sämtliche Massnahmen abgeschafft worden sind, hat plötzlich und völlig überraschend mit massiven Personalausfällen zu kämpfen. Thoughts and Prayers.

    Und damit noch nicht genug. Die Affenpocken, die einmal mehr beweisen, dass die Exponentialfunktion real ist, wird hier in der Schweiz von der Politik komplett ignoriert (ich gehe sogar so weit, dass notwendige Massnahmen *bewusst* verhindert werden). Es gibt keine Überwachung, es gibt 0 (in Worten: NULL) Impfdosen und 0 (in Worten: NULL) Dosen Medikamente zur Behandlung in Schweiz. Es wurde noch nicht mal dafür gesorgt, eine Zulassung zu bekommen. Die Leute werden ganz einfach vor den Bus geworfen. (Ich bin allerdings überzeugt, dass es irgendwo ein klandestines Lager für helvetische Oligarchen und Politiker gibt).


    Das, liebe Leute, ist das Resultat eines Schulsystems und einer Gesellschaft, in der Religion Schulfach ist und die Unfähigkeit, einfachste Zusammenhänge zu erkennen und Ratio vor Glauben zu stellen, von einem erheblichen Teil der Gesellschaft wie eine Monstranz stolz vor sich her getragen wird. Ich habe das in einem anderen Thread schon mal erwähnt: das Planetarium von Eise Eisinga in Freneker (Friesland, NL) ist ein Beispiel, wie ein aufgeklärter Mensch in jahrzentelanger Arbeit einen "Demonstrator" für das bildungsferne Volk gebaut hat. Schon damals haben skrupellose Blender die Leute mit geistigem Dünnpfiff verführt (und ihnen vermutlich oft auf Geld aus der Tasche gezogen). Wir sind also kaum weiter als im 17. Jahrhundert.


    Kurz: unser Schulsystem ist kaputt, da unsere Gesellschaft kaputt ist. Keine Idee, wie wir als Gesellschaft da raus kommen. Ich kann hier nur für mich sprechen: ich versuche, meine Tochter so zu erziehen (ihr die notwendigen Stimuli zu ermöglichen), ein auf Ratio bauender, empathischer Mensch zu sein. Und ihr die schlimmsten Auswüchse dieser Entwicklung zu ersparen oder ihr zu helfen, damit umzugehen. Sie wird es brauchen.


    Herzliche (und ratlose) Grüsse Robert