Beiträge von Jan_Fremerey im Thema „Wankt das kosmologische Standardmodell?“

    Hallo Jan, was ist noch unklar?

    Hallo Günter,


    reden wir hier nicht mehr über Deine Eingangsfrage "Wankt das kosmologische Standardmodell"?


    Wenn Ihr auch nicht explizit über den "Big Bang" - bzw. den "Urknall" - redet, so setzt Ihr ein solches Ereignis doch offensichtlich voraus, wenn Ihr hier über Zustände "im frühen Universum" diskutiert. Gehört denn das "Big Bang" Konzept nicht zum Standardmodell der Kosmologie, und müssen dann nicht daraus abgeleitete Zustände zusammen mit dem Standardmodell in Zweifel gezogen werden?


    CS Jan

    mit "frühem Universum" ist für gewöhnlich die Entstehung des Mikrowellen Hintergrunds gemeint, etwa 380.000 Jahre nach der Baryon Erzeugung. Diese fällt zusammen mit dem heißen und dichten Zustand des Universums, den man Urknall nennt.

    Halllo Günter,


    an dieser Zustandsbeschreibung und damit am "Urknall" haltet Ihr also fest, auch unter dem Aspekt der von Dir gestellten Frage:

    Wankt das kosmologische Standardmodell?

    ?


    CS Jan

    Wir reden hier ... nicht über den Big Bang ...

    Hallo Günter,


    nein, nicht explizit, aber Ihr argumentiert hier mit Zeitangaben wie "im frühen Universum" oder "zu ganz frühen Zeiten" oder "Epoche, als das Inflatonfeld in Materie zerfiel". Diese Zeitangaben machen doch offenbar nur Sinn, wenn sie sich auf einen Anfangszeitpunkt beziehen, oder verstehe ich da etwas falsch?


    CS Jan

    (1) die Rotationsgeschwindigkeiten hängen von der Masse innerhalb der Bahn ab, ...


    (2) im Planetensystem wie bei Galaxien, bei Galaxien spielt die Masse der Sterne innerhalb eine große Rolle, so wie du es schreibst, aber bei genügend großen Abständen ändert sie sich nicht mehr, dann nimmt Rotationsgeschwindigkeit auch bei Galaxien ab.

    Hallo Thomas:


    (1) ... und auch von der Masse außerhalb der jeweiligen Bahn. Deshalb laufen die inneren Sterne auch langsamer als in einem Keplerschen Planetensystem mit nur einer beherrschenden Zentralmasse.


    (2) Die Existenz von Dunkler Materie wurde ja damit begründet, dass die Umlaufgeschwindigkeiten der Sterne um das Zentrum einer scheibenförmigen Galaxie wesentlich schwächer bis gar nicht vom Abstand zum Zentrum abhängen, als man das von Planetensystemen her kennt. Das ist nun aber kein Wunder, wenn aufgrund der gänzlich anderen Massenverteilung in einer Galaxie gegenüber einem Planetensystem die inneren Sterne langsamer und die äußeren schneller laufen. Die Rechnung von De Mees kann ja nicht ganz falsch sein, wenn er für unsere Galaxis zu den tatsächlich beobachteten Umlaufgeschwindigkeiten kommt, siehe dortiges Diagramm "fig. 6.4".


    CS Jan

    ... wenn ich schon an Hand der Kurzfassung erkennen kann, dass die Rechnung falsch ist, und ich hatte bereits begründet warum sie das ist.

    Hallo Thomas,


    De Mees begründet die "überhöhten" Tangentialgeschwindigkeiten der äußeren Sterne in einer Scheibengalaxie seinerseits in einer für mich recht überzeugenden Weise damit, dass Planeten im wesentlichen nur der Anziehungskraft eines entfernten Zentralgestirns ausgesetzt sind, während die Sterne innerhalb der Scheibengalaxie zusätzlich noch die gesamte zum Zentrum hin gerichtete Anziehungskraft der zwischen ihnen selbst und dem Zentrum umlaufenden Sterne erfahren.


    CS Jan

    (1) Konkret zu der Arbeit von de Mees, sein Ansatz ist undurchsichtig, unklar formuliert, ich würde sagen definitiv falsch:


    (2) Zu Keith und seiner Theorie, eine Arbeit von 2007, ... ich würde das so interpretieren, dass Fremerey, die Ansicht teilt, es den von Keith postulierten Effekt nicht gibt, ...


    (3) ... insofern ist ein zentraler von Teil Mach’s Werks immer noch richtungsweisend. Auf kosmologischen Skalen spielen solche Effekte eine große Rolle, im Sonnensystem dagegen eine eher geringere.

    Hallo Thomas:


    (1) Hast Du das ausführliche Paper von De Mees gelesen, aus dem er die oben zitierte Kurzfassung entnommen hat?


    (2) Deine Interpretation ist sehr gewagt. Du hast das Paper von Eckard Frehland offenbar selbst nicht gesehen. Ich habe eine Kopie davon hier vorliegen, dort steht lediglich: "I thank Dr. J.K. Fremerey for discussions and for drawing my attention to the subject." Im übrigen betrachte ich das Paper eher als "schnellen" Diskussionsbeitrag von Eckard Frehland zu einzelnen Punkten des Keith-Papers auf Frehlands damaliger Wissensbasis. Er konnte zu dem Zeitpunkt gar nicht die Zeit gehabt haben, die Papers von Keith mit hinreichender Sorgfalt zu studieren. Bei Aspiranten auf eine Universitätskarriere kam es damals - wie auch heute - darauf an, in möglichst kurzer Zeit eine möglichst hohe Anzahl von Papers, vorzugsweise Letters, "rauszuhauen", die im Hinblick auf ihre schnelle Akzeptanz weitgehend Mainstream-konform sein mussten. Da gibt es noch einen schöneren Letter von Reinhard und Rosenblum in derselben Zeitschrift mit dem Titel "The non-existence of a relativistic effect proposed by Keith". Die Autoren haben hier offenbar die Papers von Keith noch weniger gelesen als Frehland, denn sie vergleichen u.a. die Drehzahlabnahme des kleinen, aus diskreten Massenpunkten aufgebauten Kügelchens mit derjenigen von Neutronensternen ...


    (3) "Ein zentraler Teil von Machs Werk" ist die Annahme, dass gewisse lokale Erscheinungen wie insbesondere Beschleunigungskräfte auf einer Wechselwirkung mit den fernen Massen des Universums beruhen.


    CS Jan

    (1) Womöglich verlief diese Forschung letztlich im Sand, nachdem es bei Beams keine verwertbaren Ergebnisse gegeben hat. Kannst Du die Publikation von Groth zeigen?


    (2) Ich sehe nicht welche Rolle das Mach'sche Prinzip hier spielen könnte, zumal die ART keinerlei Bezug darauf nimmt. Wie sollte - dies berücksichtigt - das MP das L-CDM Modell in Frage stellen können ohne damit die ART in Frage zu stellen?

    Hallo Günter,


    vielen Dank für Deine aus meiner Sicht durchaus berechtigten Fragen!


    (1) Bei Beams gab es insbesondere deshalb keine verwertbaren Ergebnisse, weil er die ebenfalls von Keith vorausgesagte Kugelabbremsung aufgrund der Erddrehung nicht berücksichtigt hat, die ich in meinen Experimenten quantitativ nachweisen und in Abzug bringen konnte. Die von Dir angesprochene "Publikation von Groth" hatte ich schon weiter oben unter "Ergebnisse" zitiert. Groth wollte selbst als Mitautor nicht in Erscheinung treten, möglicherweise auch deshalb, weil er den Hinweis auf das Keith-Experiment von Jesse Beams persönlich erhalten hatte, der sich im Hinblick auf die grundlagenphysikalische Bedeutung des Experiments sehr viel davon versprach aber zum damaligen Zeitpunkt aus oben genannten Gründen nicht weitergekommen war.


    Im übrigen gab es damals erhebliche Widerstände seitens eines Referees bei PRL mit der Veröffentlichung unseres Papers, weil dieser das Keith-Experiment offenbar im Widerspruch zur ART sah und selbst zur gleichen Zeit mit großem Presseecho am experimentellen Nachweis von Gravitationswellen arbeitete. Möglicherweise wurde auch die Arbeit von Keith über die relativistische Kugelabbremsung von ART-Vertretern verhindert, und es war dies der eigentliche Grund, warum Keith am Ende bei Rev. Mex. Fis. veröffentlichte.


    (2) Wie bereits eben ausgeführt, wurde das Keith-Experiment zumindest damals von einschlägigen ART-Vertretern als im Widerspruch zur ART stehend beurteilt, und möglicherweise betrifft das insbesondere auch die Ergebnisse von Keith im Hinblick auf das Machsche Prinzip. Allerdings betrachte ich selbst diese Befürchtung als unbegründet, da ja Keith seinen Bremseffekt genau auf der Basis relativistischer Gravitationstheorien entwickelt hat.


    CS Jan

    (2)

    (1) um als Entdeckung gelten zu können, müssen experimentelle Ergebnisse unabhängig von anderen Arbeitsgruppen bestätigt werden.

    (2) Wir schweifen hier ziemlich ab.

    (3) Eine Idee wäre, Du stellst Keith's Experiment im physicsforums zur Diskussion. Dort findest Du die entsprechenden Experten.

    Hallo Günter:


    (1) Es gab seinerzeit drei Laboratorien, die an der Sache arbeiteten, erstens das von Keith an der University of Detroit, zweitens das sehr renommierte Labor von Jesse Beams an der University of Virginia und drittens das Ultrazentrifugenlabor von Wilhelm Groth an der Universität Bonn. Die Sache wurde damit in der Tat an drei voneinander unabhängigen Stellen mit Nachdruck untersucht. Bedauerlicherweise wurden all die genannten Aktivitäten abgebrochen: Keith wurde die Finanzierung entzogen, siehe oben, bei Beams gab es keine verwertbaren Ergebnisse und in Bonn wurde nach der Emeritierung von Prof. Groth das Labor geschlossen, nachdem immerhin die zitierten experimentellen Ergebnisse zum Keith-Effekt gewonnen und bei Physical Review Letters (peer reviewed) veröffentlicht werden konnten. Keith ging 1964 nach Mexiko und entwickelte Ultrazentrifugen, Beams wurde 1969 emeritiert, und ich habe ab 1974 im Institut für Grenzflächenforschung und Vakuumphysik des Forschungszentrums Jülich bei George Comsa ein Magnetlagerlabor aufgebaut.


    (2) Wenn wir hier die von Dir gestellte und durchaus bedeutende Frage "Wankt das kosmologische Standardmodell?" diskutieren, sollte man doch auch über mögliche Anlässe sprechen dürfen, die das Standardmodell ins Wanken bringen könnten, und da denke ich, dass Du vielleicht auch an die mit Spannung erwarteten Ergebnisse des James Webb Teleskops denkst. Das JWT verspricht ja in der Tat eine "experimentelle" Überprüfung des Standardmodells der Kosmologie. In entsprechender Weise könnte das Keith-Experiment zur Klarheit über das Machsche Prinzip beitragen und auf diese Weise das Standardmodell in Frage stellen.


    (3) Dank Dir für den Tipp! Ich werde das gerne versuchen, obwohl ich mir davon im Hinblick auf die Zielsetzung des dortigen Forums durchaus weniger verspreche als in diesem Forum, wo Du ja immerhin das hier laufende Thema aufgemacht hast, oder bei ResearchGate, wo ich mich insbesondere mit dem Thema Gravitationswellen beschäftige ...


    CS Jan

    (1) ich bin skeptisch, wenn ein Paper nicht den peer-review Prozess durchlaufen hat.

    (2) Quadrupol Moment .... Eine kugelförmige Masse hat das z.B. nicht. Ich sehe nicht, dass Keith diesen seit 100 Jahren bekannten Kontext diskutiert.

    Hallo Günter:


    (1) "Revista Mexicana de Fisica" ist nach meiner Kenntnis eine seriöse Zeitschrift mit Peer-Review Prozess. Den ersten Teil seiner zitierten Arbeit hat Keith in J. Math Phys. 42, 248 (1963) veröffentlicht. Nachdem die Mittel zur Anschlussfinanzierung seines Experiments 1964 an ein namhaftes Konkurrenzlabor in den USA umgeleitet worden waren, wurde Keith in Mexico von einem namhaften Gravitationsforscher aufgenommen, um dort ein Ultrazentrifugenlabor aufzubauen. Vermutlich hat Keith auch aus diesem Grund den zweiten Teil seiner Arbeit nicht in einer US-Zeitschrift, sondern in der mexikanischen Zeitschrift veröffentlicht.


    (2) Wenn Du über das Abstract hinaus nur wenige Seiten weiter liest, wirst Du feststellen, dass die von Keith berechnete Abbremsung der frei rotierenden Kugel ganz entscheidend darauf beruht, dass diese aus relativ weit voneinander entfernten "Massenpunkten" (Atomkernen) besteht, und dass der Bremseffekt mit nach unendlich gehender Anzahl der Massenpunkte verschwindet. Darum funktioniert das Experiment am besten mit kleinen Rotoren. Keith hatte in seinem Abstract eine Stahlkugel mit 0,1 mm Durchmesser vorgeschlagen, meine Stahlkugel hatte 2,5 mm Durchmesser. Der von Dir zitierte "seit 100 Jahren bekannte Kontext" berücksichtigt bei der Abstrahlung von Rotationskörpern in keiner Weise deren innere Struktur.


    CS Jan

    Ich habe mich damit nicht näher befasst, aber klar dürfte sein, dass das MP die Physik nicht voran gebracht hat. Solche Effekte werden heute lokal begründet, so z.B. Claus Kiefer in "Der Quantenkosmos" Es sind gerade die lokalen Gravitationsfelder, welche für das lokale Trägheitsverhalten verantwortlich sind (und nicht wie Mach meinte, die fernen Fixsterne).

    Hallo Günter,


    danke für Deine Stellungnahme zu Deinem Thema. Deine oben zitierte Schlussbemerkung macht deutlich, dass Du die Sache diametral anders siehst als Mach und Keith. Keith kommt ja eindeutig zu dem Ergebnis, dass der Einfluss von lokalen Massen verschwindend gering ist im Vergleich zum langreichweitigen Einfluss der entfernten Massen des Universums. Dann sind aus Deiner Sicht gewiss auch die experimentellen Ergebnisse bedeutungslos, die anscheinend eher für die Keith-Theorie sprechen. Allerdings habe ich bislang auch noch nicht von Experimenten gehört, die darauf hinweisen, dass lokale Massen einen nennenswerten Einfluss auf die Trägheisgesetze hätten ...


    CS Jan

    das Paper von De Mees gehört zu dieser Kategorie, man sieht recht schnell, dass seine Rechnung nicht sinnvoll ist.

    Hallo Thomas,


    vielen Dank für Deine Antwort, die ich gerade erst sehe, hatte keine Benachrichtigung erhalten.


    Leider kann ich im Moment nicht nachvollziehen, warum die Rechnung von De Mees nicht sinnvoll sein soll. Was mich aber generell an den kosmologischen Theorien stört, ist, dass sie offenbar durchwegs nur lokale Effekte berücksichtigen, insbesondere die Raumkrümmung, die die Wirkung des Potentialgradienten der Gravitation beschreibt. Offenbar findet aber die Wirkung weit entfernter Galaxien über das Gravitationspotential selbst keine Berücksichtigung. Dabei hat Einstein 1911 die Lichtablenkung an der Sonne dem lokalen Gravitationspotential der Sonne zugeordnet.


    Wenn man sich klar macht, dass das kumulative Gravitationspotential der entfernten Massen des Universums 106 mal größer ist als das zusätzliche Potential an der Sonnenoberfläche, ist man geneigt, sich für die Überlegungen von Ernst Mach zu interessieren. Dies umso mehr im Hinblick auf eine 1963 erschienene Arbeit von James C. Keith, siehe RevMexFis_12_1_1-1_050.pdf, der das Machsche Prinzip auf der Basis relativistischer Gravitationstheorien bestätigen konnte, siehe dort auf Seite 11. Keith hatte in dem Zusammenhang ein Laborexperiment vorgeschlagen, welches die Prüfung seiner Theorie ermöglichen sollte. Das Experiment wurde Anfang der 1970er Jahre durchgeführt, und die Ergebnisse scheinen die Voraussagen von Keith zu bestätigen. Das Machsche Prinzip wird aber offenbar seit langem nicht mehr ernst genommen. Vielleicht kannst Du dazu etwas sagen?


    CS Jan