Upps, da ist ein Zeichen-Limit... Ich versuche, es aufzuteilen
In letzter Zeit häufen sich in verschiedenen Foren Beobachtungsberichte schwacher ausgedehnter Reflexionsnebel aus dem LBN-Katalog (Lynd’s Bright Nebulae), die nicht im NGC/IC-Katalog und nicht im Sh2-Katalog aufgelistet sind. Zum Beispiel von Jiri mit verschiedenen Feldstechern und einem blauen CCD-Filter. Bisher kannte ich Farbfilter nur von Planetenbeobachtungen.
Solche Beobachtungen finde ich total spannend und wollte sie gerne nachvollziehen. Dazu besorgte ich mir den Baader CCD Filter Blue 2“, der eine hohe Transmission bei 385-505 nm Wellenlänge hat.
Laut Jiri soll er den Kontrast solcher Reflexionsnebel erhöhen, die man wegen Rayleigh-Streuung sieht. Einige dieser Nebel befinden sich bei recht großer galaktischer Breite, es handelt sich um Molekülwolken bzw. galaktischen Cirrus.
LBN 698
Als erstes Objekt suchte ich mir den Nebel LBN 698 im Sternbild Giraffe heraus, der sich zwischen dem 4.8 mag Stern HD 42818 und der hellen Galaxie NGC 2403 befindet. In keinem meiner Atlanten ist dieser Nebel verzeichnet. Nur in Cartes du Ciel ist dort ein großes Quadrat verzeichnet, wenn man den LBN-Katalog einblendet. Etwas Aufschluss über den Nebel gibt jedoch ein Bild im fernen Infrarot (aufgrund ihrer thermischen Strahlung emittieren sie im fernen Infrarot, aber sie streuen das integrierte sichtbare Licht der darunter liegenden Milchstraße zurück). In der Emission bei 100 µm Wellenlänge sieht man da einen hellen schmalen Streifen:
https://irsa.ipac.caltech.edu/workspace/TMP_pTTTfL_18214/DUST/lbn_698.v0001/p412i100_zoom.jpg
Auf DSS kann man das ebenso sehen (am ehesten fällt es mir im Blauen auf, was in der Tat für die Verwendung eines Blaufilters sprechen könnte). Beverly Lynds vermerkte aber in ihrem Katalog „blau und rot ungefähr gleich hell“). Wer im April 2020 Weitfeldfotos des zerbröselten Kometen C/2019Y4 (ATLAS) gemacht oder angeschaut hat, da könnte eventuell dieser Nebel aufgefallen sein. Auf dieser Aufnahme vom 10.04.2020 sieht man LBN 698 direkt unter diesem Kometen:
Das Star Hopping begann ich von HD 42818, der trotz der obskuren Nummer einer der Sterne ist, die die Figur des Sternbilds Giraffe bilden, wie sie in Cartes du Ciel markiert ist. Im Zielgebiet angekommen, sah ich mit 20“ bei 74x Vergrößerung, also im Übersichtsokular mit etwas mehr als 1° Gesichtsfeld eine sehr schwache schmale Aufhellung. Südlich eines 8.6 mag Sterns, ganz grob in Ost-West-Richtung. Dieser Stern diente mir als „Anker“ bzw. Orientierung, als ich mich in der umgebenden Himmelsregion umschaute. Ich bewegte das Teleskop im Zick-Zack hin und her und auf und ab, um mich da entlang zu hangeln. Tatsächlich bemerkte ich einen ganz leichten Helligkeitsabfall von diesem schmalen Streifen jeweils senkrecht weg. Daneben war der Himmel etwas dunkler.
Dann schraubte ich diesen Blau-CCD-Filter in mein Okular ein. Wow!!!! Das war wirklich der Aha-Effekt! Nun konnte ich bestätigen, dass da definitiv etwas war. An der gleichen Position, an der ich ohne Filter einen schwachen Helligkeitsverlauf sah, sah ich mit diesem Filter eine definitive Aufhellung. Nicht gerade hell, aber erkennbar. Geschätzt etwa 10 Bogenminuten breit, aber länger als der Durchmesser des Gesichtsfelds. Von der Form her ganz leicht gebogen, ähnlich wie eine längliche Banane.
LBN 702
Anschließend schaute ich mir die umliegenden Himmelsbereiche ebenso an. Etwas ein Grad weiter südlich sah ich eine weitere, aber nicht so sehr elongierte Aufhellung. Dabei handelt es sich anscheinend um einen Teilbereich von LBN 702. Insgesamt könnte dort noch mehr nebelige Fläche sein. Im Bereich zwischen LBN 698 und LBN 702 war der Himmel mit Blaufilter dunkler.
Diese Himmelsregion müsste man mal mit größerem Gesichtsfeld anschauen.
Das hat nun auf jeden Fall mein Interesse geweckt und ich würde diese schwachen LBN-Nebel gerne systematischer beobachten. Leider kenne ich keinen Atlas, in dem sie verzeichnet sind. Da müsste man sich dann anhand von DSS-Ausdrucken, Infrarot-Karten oder langbelichteten Fotos und dem LBN-Katalog entlang hangeln. Der Interstellarum Deep Sky Atlas ist mir irgendwie zu schade, um da andere Objekte zusätzlich einzuzeichnen. Daher habe ich schon mal die bald wieder erhältliche Uranometria2000 bestellt, um in einem Atlas Notizen zu machen und Nebelpositionen einzuzeichnen. Einfach um einen Überblick zu bekommen, welche Nebel sich wo befinden und was sich evtl. zu beobachten lohnen könnte.
Letztlich ist die Frage, was das ideale Instrument für solche Beobachtungen ist. Eventuell ein sehr schnelles Spiegelteleskop, sowas wie diese Astrographen/Hypergraphen (keine Ahnung, wie die visuell sind?) oder doch ein Refraktor mit einem Weitwinkelokular? Mit Feldstechern habe ich dank meiner Augen leider nicht so viel Glück. Habe einen Omegon 8x56 Feldstecher. Bei meinen Fernglas-Tests vor einigen Jahren an den Händlerständen am ITV war es der einzige Feldstecher mit 50-56 mm Öffnung, durch den ich ohne Brille mit meinen etwa -7.5 dpt noch auf unendlich fokussieren konnte. Größere Feldstecher müsste ich vielleicht mal ausprobieren.
VMT 10 (SNR 205.5+0.5, LBN 947)
Dann ging es weiter im Sternbild Einhorn. Vor etwa 2 Jahren erwähnte Jiri im deepskyforum seine Beobachtung des Supernovaüberrests VMT 10:
Monoceros Loop
Dieser ist auch unter dem Namen SNR 205.5+0.5 bekannt. Es handelt sich um eine große Nebelblase, die im Südwesten (zumindest aus unserer Sicht) bis an den Rosettanebel geht, nördlich davon einige separate Filamente hat und östlich einen etwas „helleren“ Fleck mit Kontrastübergang. Dieser Fleck auf der östlichen Seite ist im Interstellarum Deep Sky Atlas als VMT 10 eingezeichnet. VMT steht übrigens für van den Bergh – Marschner – Terzian.
Im Paper von R.D. Davies et al, „The Monoceros Supernova Remnant“, Astron. Astrophys. Suppl., 31, 271-284 (1978) befindet sich eine Beschreibung dieses Nebelkomplexes mit einer aufschlussreichen Grafik auf der letzten Seite (Figure 9):
1978A&AS...31..271D Page 271
Auf einem Kartenausdruck aus Cartes du Ciel zeichnete ich händisch die Region ein, in der man dort nach Nebeln suchen müsste. Mit dem 20“ Dobson bei 128x Vergrößerung scannte ich die komplette Region ab, was ziemlich mühsam und zeitaufwändig war. In Teilbereichen, in denen sich Filamente befinden sollten, erhöhte ich auf 256x. Dabei verwendete ich O-III, H-beta und UHC-Filter, bewegte vor einem Filterwechsel immer wieder das Teleskop zu vorher gesehenen Referenzsternen zurück, um den Überblick zu behalten. Von all den Filamenten, die auf langbelichteten Fotos auch im O-III Kanal erkennbar sind, sah ich jedoch nichts.
Mehr Erfolg hatte ich auf der östlichen Seite. Also das, was in dem Paper von R. Davies et al. In Figure 9 als „bright rim“ bezeichnet wird. An dem Bereich, der im Interstellarum Deep Sky Atlas verzeichnet ist und auf Fotos ungefähr die Form von Südamerika in gespiegelt hat, sah ich an einem Teilstück bei 128x Vergrößerung mit UHC-Filter eine flächige leichte Aufhellung. Sie blieb an der gleichen Stelle relativ zu den Sternen, als ich das Teleskop hin und her bewegte. Am östlichen Rand war der Nebel etwas einfacher zu erkennen, da kontrastreicher abgegrenzt relativ zum daneben liegenden Dunkelnebel LDN 1631. Das war alles, was ich von diesem Supernovaüberrest erkennen konnte. Insgesamt eine recht schwierige Beobachtung.
Ronald Stoyan berichtete übrigens in der Interstellarum 2, 01/1995, Seiten 18-25, „Supernovareste visuell. Teil I – Winterhimmel“ von einer ähnlichen Beobachtung mit 14“ Öffnung.
Patchick-Rasool-Mohan-Mishra 1
Das hier ist total verrückt! Im oben genannten Thread aus dem deepskyforum gab es im März 2020 einen Link zu einem Foto des Monoceros-Supernovaüberrests im Cloudynights-Forum, ebenso von März 2020:
Auf diesem beeindruckenden Foto ist O-III blau codiert und H-alpha rot codiert. Alle, die sich dieses Foto angesehen haben, dürften links von dem oben genannten "bright rim" (auf dem Kopf stehende gespiegelte Südamerika-Form in der rechten Bildhälfte), um HD 48099, HD 47756 und HD 47984 die auffällige blaue (O-III) Blase mit einem runden Filament gesehen haben. Also derjenige, der das Foto aufgenommen hat, sollte es als erstes auf seinem Foto gesehen haben.
Jedoch wurde dieses Objekt im April 2021 von einigen Amateurastronomen entdeckt!!!! Es bekam dann den Namen PaRasMoMi 1 (Patchick-Rasool-Mohan-Mishra 1), wurde als Kandidat eines planetarischen Nebels bezeichnet, aber dann gab es die Vermutung, der Stern HD 48099 könnte Gas aus dem Monoceros Supernovaüberrest reionisieren und darin eine Strömgren-Sphäre bilden.
Da er auf dem Foto aus dem Cloudynights-Thread im O-III recht auffällig aussieht, versuchte ich ihn zu beobachten. In der Hoffnung, dieses runde Filament könnte sichtbar sein. Im 20“ Dobson bei 128x-256x Vergrößerung, mit O-III, H-beta und UHC-Filter, konnte ich davon allerdings nichts erkennen. Also eine weitere negative Beobachtung, aber mit spannender Suche und interessanter Vorgeschichte.
SNR G206.9+2.3
Diesen weiteren Supernovaüberrest im Sternbild Einhorn beobachtete Uwe Glahn im Dezember 2020 mit 27“. Auf dem obigen Cloudynights-Foto ist er in der rechten Bildecke abgeschnitten erkennbar. Auch diesen Nebel konnte ich mit 20“ und O-III Filter nicht erkennen.
Diese nichtgesehenen Objekte werde ich bei Gelegenheit und evtl. besserem Himmel nochmal probieren. Da war eine Dunstschicht am Südhorizont, die mit bloßen Augen etwa bis Sternbild Hase ging. Von daher ist es möglich, dass das die teleskopische Beobachtung auch weiter oben etwas beeinträchtigt haben könnte. Trotzdem hat mir aber die Sucherei an dem Abend großen Spaß gemacht.