Beiträge von JSchmoll im Thema „James Webb Space Telescope - der Vorfreude-Thread“

    Das Problem beim HST war, dass Perkin-Elmer einen eigenen Test entwickelt hatte, der auf die genaue Einstellung eines Abstandes zum Spiegel basierte. Hierzu wurde eine kalibrierte Stange verwendet, an deren Ende ein kleiner Teil der Schwaerzung abgenommen wurde, sodass das Ende reflektierte. Ein Techniker stellte den Messaufbau darauf ein. Leider hat sich dann an einer anderen Stelle ein groesserer Teil der Schwaerzung geloest, und der Techniker sah nun einen hellen und eine schwachen Reflex. Er entschied sich fuer den hellen Reflex, der der falsche war und so wurde der Spiegel praezise falsch geschliffen.


    Das eigentliche Problem war aber, dass andere Testmethoden den Fehler zeigten. Aber Perkin-Elmer war so ueberzeugt von der Ueberlegenheit ihres neuen Tests, dass sie die Bedenken in den Wind schlugen. Wenn ein neuer Test von Standardmethoden abweichende Ergebnisse erbringt, sollten eigentlich Alarmglocken schrillen. Dieses Fehlverhalten war fuer mich die Hauptursache, die Fehleinschaetzung des Technikers nur der Ausloeser.


    EIn Problem war auch, dass sich das Teleskop nicht zusammengebaut testen liess. Es gab wohl ein Labor in den USA, wo das moeglich gewesen waere. Aber es stand nicht zur Verfueugung.


    Zum Glueck konnte das HST ja gewartet werden. Aber ich denke, dass der Fehlschliff des HST als drohendes Mahnmal ueber jedem weltraumgestuetzten Teleskopprojekt haengt.

    Der Spiegel besteht aus Beryllium. Das Material hat eine Expansion von 11.3*10^-6 / K. Im Vergleich zu Pyrex zum Beispiel einen Faktor 3.5 groesser. Etwa vergleichbar mit Fensterglas. Allerdings expandieren alle Spiegel gleichfoermig, und wenn das System nun um einen Faktor von 290*11.3*10-6 = 0.0033 schrumpft, sind die Auswirkungen auf das System marginal. Der Abstand von Haupt- und Fangspiegel muss diese Kontraktion natuerlich beruecksichtigen.

    Das war ein schoenes Weihnachtsgeschenk. Ich war zur traditionellen Geschenkeschlacht bei unserem Sohn im Haus um die Ecke, konnte aber gerade noch rechtzeitig zum Start den Fernseher kapern. Eine Minute nach dem Auffinden des Livestreams ging es auch schon los. Es war schon ein ruehrender Moment, nach so vielen Jahren der Vorbereitung diese Rakete starten zu sehen. Die Verwandtschaft war erstaunt zu hoeren, dass ich an dem Projekt mitarbeitete (wenngleich leider indirekt - Entwicklung optischer Supporthardware zum Justieren des NIRSpec-Spektrografen. Also nichts, was mitfliegt.). Aus Durham ist jedoch eine diamantbearbeitete Metalloptik dabei, die das Bild eines Objektes in Streifen schneidet, um raeumlich aufloesende Spektroskopie zu ermoeglichen. Diese Integral-Field-Unit (NIRSpec IFU) wurde in Teilen in Durham gefertigt.


    Insgesamt arbeiteten wohl 10000 Wissenschafter, Ingenieure und Techniker an diesem Instrument, und zumindest fuer diese bleiben die naechsten Wochen spannend. Funktioniert das Entfalten? Entspricht die Abbildungsqualitaet den Erwartungen? Funktionieren die Instrumente? Es wird noch ein paar Monate dauern, bevor alles kalibriert ist und erste Bilder zu erwarten sind. Von daher kann unserer "Vorfreude" noch etwas andauern.

    Hi Thomas,


    das mit der Webcam wuerde nicht gehen. Im L2-Orbit scheint die Sonne immer von einer Seite. Dieser Vorteil wird ausgenutzt, indem eine Art von Segel einen Schatten erzeugt. Auf der Sonnenseite des Segels sitzt der Bus (der Teil, der mit der Erde kommuniziert) und die Sonnensegel, die das Teleskop mit Energie versorgen. Auf der Schattenseite liegt das Teleskop, das so ungestoert auch im Infraroten operieren kann. Da es nichts gibt, was das Sonnenlicht in diese Schattenseite streut, ist das Teleskop voellig unsichtbar.


    Desweiteren muesste eine Webcam ja so plaziert werden, dass die Operation gesehen werden kann. Da aber jeglicher Ausleger zum Teil der Entfaltung gehoert, wuerde die Webcam bei einer Verklemmung auch nichts sehen. Eine 10Euro-Webcam aus China wuerde auch nicht in Frage kommen, da diese gar nicht fuer Weltraumzwecke qualifiziert waere. Schutz vor kosmischer Strahlung oder die Verwendung von nicht ausgasenden Materialien sind extrem wichtig, um das Teleskop nicht zu gefahrden. Das durfte ich schon erfahren, als ich Kalibrationssystem fuer die Instrumentenjustage entwarf. Selbst diese duerfen nicht ausgasen, fall sich das ausgasende Material auf der Flughardware niederschlaegt und dort Probleme macht.

    Hi Norman und Marwin,


    die Welt ist kleiner als man denkt ... ich hatte damals Ottobrunn in Erinnerung, konnte mich aber auch an "Taufkirchen" erinnern. Wie da auch immer die Grenzen sind. Ich hatte mit einem franzoesischen Kollegen zu tun, der die Tests leitete und nebenbei auch Amateurastronom war.


    Zur Frage, was im Fall eines Falles passiert: Ich habe gehoert, dass das JWST zumindest gegen einen Fehlstart versichert sei. Natuerlich wuerde es Jahre dauern, bevor ein Ersatz fertig waere. Auch wenn einige Teile schon vorhanden und die Entwicklung abgeschlossen ist. Siehe die Cluster-Satelliten, die dieses Schicksal ereilte.

    Was die Instrumente betrifft, gibt es backups. Es wird neben dem Flugmodell ein Backupmodell und ein "Engineering model" gefertigt, zu unterschiedlichen Spezifikationen. Das Backup ist dabei so gut wie das Flugmodell (sollte sich herausstellen, dass eines ein bisschen besser gelungen ist, wird dieses Flugmodell). Das Engineering-Model wird bereitgehalten, um Tests daran zu machen, falls es waehrend der Mission mit dem Flugmodell unerwartete Probleme gibt.

    Wir haben auch noch einen weiteren Optiksatz der IFU-Mikrospiegel in unserer Vitrine zum Vorzeigen. Sehr schoen anzusehen, aber natuerlich ein "reject", das in der Optikvermessung durchfiel. Zum daherzeigen sind diese dann immer noch gut.

    Genau. Das gruene oder orangene Ding in der Mitte, Nummer 10, auf dem ersten Bild. Es wuerde in einen Schuhkarton passen, mal so von der Groesse her. Der gesamte Spektrograf wurde bei Astrium (heute Airbus D&S) in Ottobrunn zusammengesetzt, justiert und getestet. Dafuer hatte ich einige Optiken entworfen, charakterisiert und damals in Ottobrunn aufgebaut. Das ist aber auch schon ein Weilchen her, ca. 13 Jahre.

    Ein Teil von NIRspec wurde in unserer Gruppe gefertigt: Die NIRSpec-IFU. Diese "Integral Field Unit" zerlegt das Bild eines astronomischen Objektes in einzelne Bildelemente, die dann separat spektroskopiert werden koennen. So wird ortsaufloesende Spektroskopie moeglich. Unsere Gruppe lieferte diese diamantbearbeiteten, segmentierten Oberflaechen und auch die gesamte IFU wurde in umserem Haus kryogenisch getestet. Leider war ich persoenlich nicht damit betraut. Aber ich habe Optiken entwickelt, die der Justage und Kalibration von NIRSpec dienten.


    Natuerllich eine spannende Sache, das Instrument endlich starten zu sehen. Aber auch ein ziemlicher Druck auf die Verantwortlichen, weil es nur einen Versuch gibt und keinen Space Shuttle, der mal eben in den L2 fliegen koennte, um einen COSTAR anzubringen wie damals beim HST im erdnahen Orbit.