Beiträge von astrometer im Thema „Astrofotografie eine Interpretation der Wirklichlichkeit an der Grenze zur Wahrheit“

    Hallo Peter,


    ich kann Deine Bedenken verstehen. Wenn man mit Bildverarbeitung anfängt, kommt es einem schon wie Hexenwerk vor, was da aus scheinbar detaillosen Bildern entsteht. Natürlich ist etwas kritische Distanz immer gut, aber den Wahrheitsgehalt von digitalen Summenbilder generell anzuzweifeln und sie ausschließlich an der visuellen Wahrnehmung zu messen, ist auch nicht richtig.


    Warum? Nun, weil weder unsere Augen noch die ihnen nachgeschaltete Informationsverarbeitung das Maß aller Dinge sind. Ist es zu dunkel, schaltet die Netzhaut von Farbsehen auf Schwarzweiß um. Die Folge: Wir nehmen am Fernrohr die Farben lichtschwacher Objekte nicht oder nur sehr rudimentär war. An kleineren Instrumenten ist es sogar an Jupiter und Saturn so, dass man die Wahl zwischen Farbwahrnehmung bei geringer Vergrößerung oder kaum noch Farbe bei hohen Vergrößerungen hat.


    Gleiches gilt für die zeitliche Auflösung: Unsere Augen sind einfach zu träge, um Details wahrzunehmen, die nur für Sekundenbruchteile sichtbar werden. Wobei man auch das über einen längeren Zeitraum trainieren kann. Aber so gut wie eine Videokamera, die vielleicht 50 Bilder pro Sekunde aufnimmt, wird man natürlich nicht. Schon gar nicht, wenn man in der Nacht müde ist.


    Die nächste Relativierung ist die spektrale Empfindlichkeit unserer Augen. Wir sehen nur in einem sehr engen Frequenzbereich. Wäre dieser größer oder nur um 100 nm nach Blau oder rot verschoben, sähen die Farben gänzlich anders aus.


    Was folgt daraus? Eine Kamera kann Farben und Details erfassen, die unseren Augen verborgen bleiben. Per EBV lassen sich die in den Einzelbildern noch verborgenen Informationen herausarbeiten. Wenn wir dabei unser Handwerk beherrschen, kommt das Ergebnis unseren Sehgewohnheiten nahe. Das heißt, die visuell grau bis weiß erscheinenden Bereiche der Jupiteratmosphäre sind es dann auch im Bild. Oder die Sterne auf einer Deepsky-Aufnahme sind blau, weiß, gelb oder rot und der Himmelshintergrund neutral dunkelgrau bis schwarz. Klingt erst mal simpel, ist aber im Detail doch recht kompliziert und mit viel learning by doing verbunden.


    Zum Fake wird ein digitales Bild m. E. erst dann, wenn man willkürlich bestimmte Bereiche des Bildes bearbeitet und andere, die ebenfalls Informationen enthalten, unbearbeitet lässt. So lange also eine Helligkeitsanhebung oder Schärfung auf das gesamte Bild angewendet wird, ist fast alles gut. Fast, denn ich habe den Verdacht, dass zum Beispiele eine sehr aggressive Schärfung herausstechende Details eines Bildes minimal vergrößern kann. Das führt zum Beispiel dazu, dass der GRF auf stark geschärften (qualitativ schlechteren) Jupiterbildern größer erscheint als auf solchen, die aus besserem Ausgangsmaterial gerechnet wurden. Auf den ersten Blick ist das natürlich nicht zu erkennen. Es zeigt sich erst, wenn man das Bild mit WinJUPOS ausmisst. Für solche Effekte spielt neben der Schärfung auch die Beugung/Instrumentengröße eine Rolle. So, wie es immer eine ganze Reihe von Faktoren sind, die ein Ergebnisbild beeinflussen.


    CS, Jörg