Astrofotografie eine Interpretation der Wirklichlichkeit an der Grenze zur Wahrheit

  • Gestern habe ich meine Bilder mit dem Wallimex 60/500 Objektiv hier eingestellt. Der GRF am Jupiter ist darauf mehr als deutlich zu erkennen und auch
    die Cassini Teilung läßt sich nachweisen. Schon bei meinen Tchibo Bildern, die ich im Rahmen meiner DIY Reihe gezeigt habe und deutlich besser sind,
    kam nach der ersten Begeisterung ein Gefühl der Unredlichkeit auf, da die Bilder nicht zeigen was ich durch das Objektiv gesehen habe.


    Das hat der Chip meiner Kamera gesehen und die verschiedenen Algorithmen aller beteiligten Aufnahme- und Bearbeitungsprogramme haben ein

    Ergebnis interpretiert. Zunächst dachte ich mir, daß die Optik des Tchibo Torpedo unterschätzt wird, wie in einigen Beiträgen zu lesen ist. Aber beim
    Wallimex habe ich eigentlich gar nichts erwartet, aber einen Versuch war es wert.

    Die Ergebnisse haben mich dann überrascht, zumal sie mit minimaler Ausrüstung und von einem Green-Horn-Dau aufgenommen wurden, der bisher nie

    etwas mit Fotografie zu tun hatte und von seiner Frau regelmäßig für die Qualität der Urlaubsbilder getadelt wird, weil er mit dem Smartphone überfordert ist.
    Die Hälfte der Regler in SharpCap und anderer Aufnahmesoftware sind für mich böhmische Dörfer und Gain, Hue, Saturation und dergleichen faßt
    man am besten gar nicht an. Wenn ich mir nicht alle Einstellungen der Aufnahme- und der Bearbeitungssoftware abspeichern würde, müßte ich jedesmal
    bei Null anfangen.


    Die einzige Vorraussetzung die ich in die Waagschale werfen konnte, sind ein MINT Studium, weshalb ich Software mehr intuitiv begreife als inhaltlich, Wille,
    Phantasie und die Fähigkeit, ungeachtet von Rückschlägen, an einem Thema dran zu bleiben.

    Am Beispiel von Jupiter habe ich mir einmal die Mühe gemacht, die einzelnen Bearbeitungsschritte zu zeigen. Das erste Bild zeigt noch am besten was ich
    durch mein Baader Hyperion Zoom Mark VI mit 62 facher (Brennweite 8) Vergrößerung gesehen habe. Nachdem ich noch mit USB 2.0 aufnehme, komme ich
    auf nicht mehr als 1000 Frames, davon sind dann aber 700 nach Autostakkert über 75 Prozent.

    astrotreff.de/index.php?attachment/7302/

    Manchmal habe ich auch das Gefühl, daß meine Nachbearbeitung etwas zu "Knallig" ist, vergleichbar mit einer Frau, die
    ständig zu viel Lippenstift aufträgt.


    Eigentlich bin ja bei der Astrofotografie nur gelandet, weil ich zeigen wollte was mit kleinen Öffnungen möglich ist und
    dies mit Bilder besser möglich ist als mit Worten, aber langfristiges bin ich noch unentschlossen ob das mein Ding wird.


    Peter

  • KanaTschi

    Hat den Titel des Themas von „Astrofotografie eine Interpretation der Wirklichlichkeit an der Grenze der Manipulation“ zu „Astrofotografie eine Interpretation der Wirklichlichkeit an der Grenze zur Wahrheit“ geändert.
  • Servus Peter,


    was die farben angeht, gebe ich dir recht. Mangels Möglichkeit der sauberen Kalibirierung wird man selten den echten Farbton treffen. Mit Schwarzweißsensor und drei Farbfiltern sieht das anders aus - da kann ein RGB-Bild besser berechnet werden, das unserem visuellen Eindruck entspricht. Was aber die Strukturen angeht: die Information ist ja auf den vielen Fotos enthalten.


    Wenn ich da an Ergebnisse der Speckle-Interferometrie denke – das kam mir früher auch fast wie ein Wunder vor. Es ist wirklich vieles an Informationen in der Summe sehr vieler, unscharf erscheinender Einzelbilder enthalten.


    Oder schau die die Single Lights von Galaxienfotos an (z. B., wenn sich jemand die Mühe macht, sagen wir 18.000 Fotos zu je einer Sekunde zu machen. Auf keinem Einzelfoto sind Spiralarme oder H-alpha-Regionen erkennbar. Aber die Überlagerung macht es. Mal hier ein Photon, mal da deren drei usw.

    Bei den Planetenfotos ist es ja nicht viel anders.


    Und nochmal zu den Farben. Ich würde die halt mit den alten Fotos der Voyagersonden vergleichen, dann mit denen von aktuellen Fotos mit sehr großen Teleskopen und die Knalligkeit rausnehmen, um ungefähr die Farbintensität der Profiaufnahmen zu bekommen.

    Als ich in den 80er-Jahren noch den Jupiter angeschaut hatte, meinte ich, dass die beiden größten Streifen noch viel deutlicher farbig und orangelich waren als heute. Und schaue ich die teils mehr als genialen Fotos hier an, sind die auch viel kontrastärmer als früher. Ebenso, wenn ich in meinem 8-Zöller Jupiter selber anschaue... früher hatte ich im 4,5-Zöller sofort die beiden Orangestreifen, jetzt sehe ich erstmal keine so klaren Bänder mehr (muss genauer hinschauen usw.). Der GRF war früher ja auch sehr intensiv und zwischendurch fast weg, dann wieder klarer zu sehen.


    Das wiederum finde ich so spannend - die Dynamik des Alls, das eben nicht so still steht.


    Die Unentschlossenheit kann ich daher (für mich) nicht nachvollziehen. Man muss halt immer genau überlegen, was jetzt realer Bildinhalt ist und was mehr Fiktion. Man kann mit Photoshop aus jedem Hintergrundrauschen per Maske eine Galaxie hinfaken (ohne es faken zu wollen). Will man etwas beobachten oder ein "hübsches Foto" haben? Ich bin mehr für die Realitätsnähe. Ich will Ereignisse sehen, aber auch Strukturen rauskitzeln (z. B. aus planetarischen Nebeln). Ich finde es aber auch faszinierend, wie viel man aus kleinen Geräten (z. B. einem 200 mm-Teleobjektiv) rausholen kann. So viele spannende Inhalte, die das Hobby beinhaltet. Und dann noch die Ruhe der Nacht, das Naturerlebnis. Deshalb fahre ich auch gerne raus und wäre ungern nur am PC mit einem Remote-Teleskop im Garten.


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo Peter,


    ich kann Deine Bedenken verstehen. Wenn man mit Bildverarbeitung anfängt, kommt es einem schon wie Hexenwerk vor, was da aus scheinbar detaillosen Bildern entsteht. Natürlich ist etwas kritische Distanz immer gut, aber den Wahrheitsgehalt von digitalen Summenbilder generell anzuzweifeln und sie ausschließlich an der visuellen Wahrnehmung zu messen, ist auch nicht richtig.


    Warum? Nun, weil weder unsere Augen noch die ihnen nachgeschaltete Informationsverarbeitung das Maß aller Dinge sind. Ist es zu dunkel, schaltet die Netzhaut von Farbsehen auf Schwarzweiß um. Die Folge: Wir nehmen am Fernrohr die Farben lichtschwacher Objekte nicht oder nur sehr rudimentär war. An kleineren Instrumenten ist es sogar an Jupiter und Saturn so, dass man die Wahl zwischen Farbwahrnehmung bei geringer Vergrößerung oder kaum noch Farbe bei hohen Vergrößerungen hat.


    Gleiches gilt für die zeitliche Auflösung: Unsere Augen sind einfach zu träge, um Details wahrzunehmen, die nur für Sekundenbruchteile sichtbar werden. Wobei man auch das über einen längeren Zeitraum trainieren kann. Aber so gut wie eine Videokamera, die vielleicht 50 Bilder pro Sekunde aufnimmt, wird man natürlich nicht. Schon gar nicht, wenn man in der Nacht müde ist.


    Die nächste Relativierung ist die spektrale Empfindlichkeit unserer Augen. Wir sehen nur in einem sehr engen Frequenzbereich. Wäre dieser größer oder nur um 100 nm nach Blau oder rot verschoben, sähen die Farben gänzlich anders aus.


    Was folgt daraus? Eine Kamera kann Farben und Details erfassen, die unseren Augen verborgen bleiben. Per EBV lassen sich die in den Einzelbildern noch verborgenen Informationen herausarbeiten. Wenn wir dabei unser Handwerk beherrschen, kommt das Ergebnis unseren Sehgewohnheiten nahe. Das heißt, die visuell grau bis weiß erscheinenden Bereiche der Jupiteratmosphäre sind es dann auch im Bild. Oder die Sterne auf einer Deepsky-Aufnahme sind blau, weiß, gelb oder rot und der Himmelshintergrund neutral dunkelgrau bis schwarz. Klingt erst mal simpel, ist aber im Detail doch recht kompliziert und mit viel learning by doing verbunden.


    Zum Fake wird ein digitales Bild m. E. erst dann, wenn man willkürlich bestimmte Bereiche des Bildes bearbeitet und andere, die ebenfalls Informationen enthalten, unbearbeitet lässt. So lange also eine Helligkeitsanhebung oder Schärfung auf das gesamte Bild angewendet wird, ist fast alles gut. Fast, denn ich habe den Verdacht, dass zum Beispiele eine sehr aggressive Schärfung herausstechende Details eines Bildes minimal vergrößern kann. Das führt zum Beispiel dazu, dass der GRF auf stark geschärften (qualitativ schlechteren) Jupiterbildern größer erscheint als auf solchen, die aus besserem Ausgangsmaterial gerechnet wurden. Auf den ersten Blick ist das natürlich nicht zu erkennen. Es zeigt sich erst, wenn man das Bild mit WinJUPOS ausmisst. Für solche Effekte spielt neben der Schärfung auch die Beugung/Instrumentengröße eine Rolle. So, wie es immer eine ganze Reihe von Faktoren sind, die ein Ergebnisbild beeinflussen.


    CS, Jörg

  • Hallo Christoph ( Lucifugus ),

    Hallo Jörg ( astrometer )


    Danke für eure Antworten. Meine gestrige Entrüstung ist mittlerweile auf einem sehr niedrigen Niveau angekommen und eure sehr aufschluss- und lehrreichen Antworten
    haben die Dinge wieder ins rechte Licht gerückt. Berauscht von meinen ersten Erfolgen, habt Ihr mir den Kopf wieder zurecht gerückt und aufgezeigt, das wirklich gute Astrofotos
    nicht vom Himmel fallen, sondern eine solide Basis an theoretischem Wissen erfordern und in der Praxis ehrlich erarbeitet werden müssen.

    Die Grenzen der Bildbearbeitung habe ich heute erfahren, als ich ein komprimiertes AVI in gleicher Weise in ein gutes Jupiter Foto verwandeln wollte. Durch die Komprimierung
    war aber, wie in meinem heutigen Threat gezeigt, keine weitere Verbesserung möglich, weil eben nicht mehr Informationen im AVI aufgezeichnet wurden. Nachdem als nächstes
    Deep-Sky Aufnahmen mit kleinen Öffnungen auf dem Plan stehen, werde ich hoffentlich weiteres Wissen auf dem Weg zur Astrofotografie sammeln können.

    Die Herangehenswiese unterscheidet sich ja im Unterschied zur Planetenfotografie deutlich (Lucky-Image vs. Langzeitbelichtung) weshalb ich hier wieder auf niedrigem Niveau
    anfangen werde.


    Zu guter Letzt und der Vollständigkeit halber noch die Bearbeitungsschritte der Saturn Aufnahme.

    astrotreff.de/index.php?attachment/7300/


    Grüsse


    Peter

  • Hallo Peter,


    versuch mal, die Graupipette auf den hellsten Teile des Rings beim rechten Saturn zu setzen. Ich kann nur für Photoshop sprechen, dort würde damit der generelle Gilb verschwinden. Der Ring ist ziemlich neutralfarben, der Planet etwas wärmer getönt – zumindest in der verbreitetsten Darstellung.


    CS, Jörg

  • Hallo Jörg ( astrometer )


    Auf die Graupipette hast du mich schon bei meinem ersten Beitrag hingewiesen, aber leider kann ich mit diesem Hinweis wenig anfangen da ich unter Linux mit Gimp nachbearbeite.
    Gibt es ein Equivalent in Gimp ?

    Eigentlich beschränkt sich meine Nachbearbeitung unter Gimp auf einen Hochpassfilter (was immer das auch ist). Dieser ist in Gimp auch nicht implementiert. Ich habe dazu aber
    eine Anleitung gefunden, wie ein Hochpassfilter auch unter Gimp angewendet werden kann.


    Grüße Peter

  • Hallo Peter,


    leider kann ich Dir bei Gimp nicht weiterhelfen. In Photoshop sind die Pipetten (weiß, grau und schwarz) wahlweise unter manueller Tonwertkorrektur bzw. manueller Gradationskurve zu finden. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass es so ein wichtiges Basistool bei Gimp nicht geben soll. Also mal recherchieren oder Deinen persönlichen Gimp-Guru fragen. ;)


    CS, Jörg

  • Hallo Jörg,


    Ich glaube ich habe den entsprechenden Menüpunkt unter Gimp gefunden.


    Wie von dir beschrieben habe ich dann die Graupippete (Gimp: Grau Punkt wählen) auf den hellsten Punkt angewendet.
    Das Ergebnis sieht tatsächlich natürlicher aus, aber urteile selbst.



    Grüße Peter

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!