Beiträge von Martin_D im Thema „Astronomieaufgabe im Physikabitur Bayern“

    Es ist tatsächlich so, dass in Bayern nur einer von 20. die Physik belegen, eine schriftliche Abiturprüfung in Physik ablegen. Dabei war in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Schüler bayernweit im schriflichen Physikabitur klar schlechter abschneiden als in den Jahresfortgangsnoten. Es ist naheliegend, anzunehmen, dass das eine etwas mit dem anderen zu tun hat. Denn das spricht sich natürlich herum und hält Schüler davon ab, Physik für das schriftliche Abitur zu wählen.
    Das kann man auch daran erkennen, das inzwischen die Zahl der Schüler, die im Abitur eine Kolloqiumsprüfung in Physik machen, fast dreimal so hoch ist wie die Zahl der Schüler, die ein schriftliches Abitur in Physik machen.
    Das war bei Beginn des G8-Abiturs 2011 noch anders.


    Jedenfalls scheint es mir schon angebracht zu sein, bei einer solch unbefriedigenden Entwicklung mal Aufgabenstellungen kritisch zu hinterfragen.


    Viele Grüße
    Martin

    Hallo Holger,


    inzwischen habe ich erfahren, dass in Bayern nur etwa einer von 20 Schülerinnen und Schülern, die Physik belegen, schriftliches Abitur in Physik gemacht haben (beziehungsweise etwa einer von 45 Schülerinnen und Schülern insgesamt). Das ist eine erbärmliche Bilanz und ich bin sicher, dass eine verunglückte moderne Aufgabenkultur zwar der einzige, aber doch ein wesentlicher Grund für dafür ist.


    Viele Grüße
    Martin Dauser

    Vielen Dank, dass sich doch so viele dazu geäußert haben.


    Natürlich ist die Sache so gedacht, dass der Schüler zwei verschiedene Möglichkeiten hat, die Aufgabenstellung zu beantworten:


    (1) Er definiert Jahreszeiten sehr unspezifisch als periodische Schwankungen in der Sonneneinstrahlung: Die gibt es dann sowohl auf den Merkur (verursacht durch die Exzentrität seiner Umflaufbahn als auch regional auf der Erde (verusacht durch die Neigung der Rotationsachse zur Umlaufbahn). Demnach gibt es auf dem Merkur Jahreszeiten


    (2) Er definiert Jahreszeiten präziser als periodische Schwankungen der Sonneneinstrahlung an einen bestimmten Ort, die von der Neigung der Rotationsachse zur Bahnebene verusacht sind. Demnach gibt es auf dem Merkur keine Jahreszeiten, da hier die periodische Schwankung durch einen anderen Sachverhalt verursacht wurde.


    Aber es besteht definitiv die Gefahr, sich zu verbeißen und wesentlich genauer auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede einzugehen als es vom Aufgabensteller her gedacht war. B


    Ich bin da bei Thomas. In schriftlichen Prüfungen ist so etwas kritisch zu sehen. Die Formulierung "Besinnungsaufsatz mit naturwissenschaftlichen Kern" ist sehr gut und muss ich mir merken, da sie meine Kritik an solchen Aufgabenstellungen auf den Punkt bringt.


    Diese Aufgabe ist ja nur ein Beispiel für die meiner Ansicht nach verunglückte neue Aufgabenkultur. Sie ist meiner Meinung nach hauptverantwortlich dafür, dass nur noch wenige Schülerinnen und Schüler in Bayern ein Schriftliches Abitur in Physik ablegen. 2019 waren das nur etwa 2,7 % aller Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs, also nur gut einer von 40 oder nicht einmal einer pro Schulklasse.


    Viele Grüße
    Martin

    Im aktuellen Physikabitur Bayern findet man folgende Aufgabe:


    <i>Unter Astronomen ist strittig, ob man aufgrund des in Teilaufgabe d (*) festgestellten Sachverhalts von Jahreszeiten auf Merkur sprechen kann. Stellen Sie diesbezüglich eine Hypothese auf und begründen Sie diese. Berücksichtigen Sie bei Ihren Überlegungen auch die Ursachen, die auf der Nordhalbkugel der Erde zur Entstehung der Jahreszeiten führen, sowie die Tatsache, dass die Rotationsachse des Merkur senkrecht zu seiner Bahnebene steht.</i>


    (*) In Teilaufgabe die wird die stark exzentrische Bahn des Merkurs und die damit verbundene unterschiedliche Bestrahlungsstärke von der Sonne im Perihel und im Aphel thematisiert.


    Das ganze Abitur kann man übrigens hier sehen.


    http://www.isb.bayern.de/downl…hysik_2020_aufgaben_1.pdf
    (Die Astronomieaufgaben sind auf den Seiten 10 - 13)


    Ich frage mich, was ein Prüfling dazu schreiben soll.


    Eine freche Stellungnahme wäre:


    <i>"Die Aufgabe kann ich nicht bearbeiten, weil ich dazu eine präzise Definition des Begriffs 'Jahreszeiten' benötige."</i>


    Man könnte darüber auch eine mehrseitige Erörterung schreiben, in der alle Aspekte beleuchtet werden. Darunter auch den in der Aufgabentext nicht thematisierten Aspekt, dass die Länge eines Tag-Nacht-Zyklus' im Verhältnis zur Umlaufperiode beim Merkur ganz anders ist als auf der Erde. Für eine solch ausführliche Erörterung fehlt aber im Abitur die Zeit.


    Der Aufgabensteller erwartet deshalb vermutlich weder das eine noch das andere, sondern eine vergleichsweise kurze Stellungnahme von ein paar wenigen Sätzen.


    Ich finde es ausgesprochen schwierig, eine für die Problemstellung angemessene Stellungnahme in wenigen Sätzen zu schreiben.




    Die Aufgabe ist ein Beispiel für eine moderne Aufgabenkultur in Physik. Ich habe meine Zweifel, ob eine solche Aufgabenkultur das Schulfach Physik wirklich weiterbringt.