Beiträge von Kalle66 im Thema „Vor dem Urknall“

    Ich täte Begriffe wie Raum und Zeit für Beschreibungen außerhalb des Universum gänzlich vermeiden. Die Mathematik kennt ganz abstrakt "Dimensionen" oder "Mannigfaltigkeiten", um zwei Begriffe hervorzuheben.
    Zeit ist schon in unserem Universum relativ. Z.B. das Photon als Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung ... Lichtschnell und mit c als Grenzgeschwindigkeit der Relativitätstheorie vergeht für dieses Teilchen selbst keine Zeit, wenn es emittiert wird, durchs Vakuum wandert und woanders ankommt. Wir benutzen ja den Zeitbegriff für Bewegung und Interaktion.


    Auch Raum hat in der Quantenwelt schon eine andere Bedeutung, wo die Wellenfunktion das Maß aller Dinge ist. Ein Elektron z.B. umkreist nicht den Atomkern, es befindet sich einfach um den Kern (Orbital als wahrscheinlicher Aufenthaltsraum).


    Die Beispiele zeigen, dass schon unsere Physik sehr vorsichtig mit Begriffen wie Zeit und Raum umgeht.


    Wenn dann Physiker selbst in der Quantenwelt auf "virtuelle Teilchen" zurückgreifen, die "echten" Teilchen schon nicht mehr ausreichen, dann wird es einfach abstrakt und da ist es besser, erst gar nicht in Anlehnung mit bekannten und in der Vorstellungswelt bereits festgelegten Begriffen zu arbeiten. Der Begriff Zeit macht dann keinen Sinn mehr, wenn man ihn nicht in "Sekunden" bestimmen kann. Da spricht man einfacher von Zuständen, so wie "Teigklumpen" ein Zustand für ein Brötchen vor dem Backen ist.

    Heiko,
    so wie wir die Gesetze kennen, existiert das Universum mit dem Urknall. Es bleibt Dir unbenommen, diese Eigenschaft des Urknalls anders zu sehen. Das Problem dürfte dann sein, dass Du eine andere überzeugendere Version brauchst, die nebenbei auch nicht im Widerspruch zu den unzähligen physikalischen Experimenten steht, die alle schon durchgeführt wurden um die Naturgesetze, die heute allgemein anerkannt sind, zu überprüfen. Viele Alternativ-Ideen - speziell von Laien - scheitern schon an einer Widerspruchsfreiheit in sich. Das heißt, die kann man selbst ohne Experimente widerlegen, weil sie logisch widersprüchlich sind, wenn sie zu einer bestimmten Frage unterschiedliche Ergebnisse produzieren ... so nach dem Motto: Motor dreht und steht still.


    Zusammengefasst: Man kann natürlich auch von einem "anderen" Urknall reden. Fairerweise sollte man dann aber dafür einen neuen Begriff wählen, denn "Urknall" ist bereits in Verwendung.


    Bei allen Spekulationen/Überlegungen zu einem "vor dem Knall" sollten die Frage beantwortet werden, welche Informationen aus dem Zustand "vor" in den Zustand "danach" gerettet werden. Denn das wären Dinge, die man vielleicht dann auch mal messtechnisch überprüfen kann. Ist der Informationsgehalt gleich Null, dann gehört die These in die Romanrubrik einer Bibliothek, weil nicht überprüfbar. Die Kurzversion ist dann ja: Es liegen null Informationen vor; nichts belegt den Zustand davor.

    Heiko,
    ganz einfach, weil alle Naturgesetze, die wir so kennen oder noch kennen lernen "in" unserem Universum gelten. Ohne Universum somit keine (überprüfbare, belegbare) Naturgesetze, somit Kaffeesatzlesen ...

    Sanny,
    es gibt eine sogenannte Planck-Zeit. Das ist eine so kurze Zeitspanne, dass man innerhalb dieser Zeitspanne keinerlei vernünftige Aussagen machen kann. Hergeleitet wird sie über Naturkonstanten. Eine Grundidee dahinter ist die Heisenberg-sche Unschärferelation. Die besagt, dass man nicht Ort und Impuls eines Teilchen gleichzeitig erfassen kann. In der Quantenmechanik liegt das nicht daran, dass man es nicht genauer messen kann, sondern es ist eine Eigenschaft des zu messenden Teilchen. (Da auch das Messgerät aus Teilchen besteht, gilt das natürlich auch für die Messgenauigkeit der Apparatur.)


    Diese Planck-Zeitspanne ist der Beginn des Urknalls. Sprachlich eigentlich richtiger müsste es heißen "ist der Urknall", denn alles danach ist "nach dem Urknall". Viele fassen die ersten Entwicklungssphasen nach dem Urknall jedoch zusammen und nennen es einfach Urknall.


    Und eine wichtige Komponente der Entwicklungsphasen nach dem Urknall sind sogenannte Phasensprünge. Ein alltagstaugliches Beispiel ist Wasser: Sinkt die Temperatur hier unter 0°, wird aus Wasser plötzlich Eis. Es tritt ein Phasenwechsel auf. Damit kann man z.B. über einen vereisen Fluss gehen, der davor unpassierbar war. Allgemein ändern sich dadurch die Spielregeln, neue Faktoren im Zusammenspiel der Natur werden plötzlich wichtig. Kleiner Nebeneffekt, der Phasenwechsel von Wasser zu Eis bindet Energie.

    Begriffe wie "vor" und "nach" setzen "Zeit" voraus und suggerieren eine Kausalität der Ereignisse, im Sinne, dass Eine sei Voraussetzung (Ursache) des Nachfolgenden. Dazu müsste man die Regeln (sprich Physik) kennen, wonach Ursache und Wirkung beurteilt werden. Da unser Universum Bestandteil des Urknalls ist (oder Folge davon), kennen wir keine Physik "vor" dem Urknall bzw. "außerhalb" unseres Universums. Letztlich können wir darüber nur spekulieren oder philosophieren. Wie soll es z.B. eine "Zeit" vor dem Urknall geben, wenn es noch kein Univserum gab?


    Man bewegt sich da in einem Bereich, der physikalisch nicht beobachtbar ist - für mich deshalb außerhalb der Physik liegt. Interessant werden Aussagen nur dann, wenn diese zu Eigenschaften unseres Universums führen, die wir überprüfen können im Sinne, dass die Überprüfung denklogisch nicht ausgeschlossen ist, selbst, wenn uns heute die Mittel dazu fehlen, wenn sie also etwas in unserem Universum hinterlassen wie eine Art Fingerabdruck.


    Ansonsten halte ich es für ehrlicher, wenn man einfach sagt: "Wir haben keine Ahnung davon, was sich da abspielte." Das Problem: So ein Drehbuch taugt schlecht für eine Fernseh-Doku.