Beiträge von Kalle66 im Thema „wieso kollidieren Planetesimale eigentlich ?“

    Günter,
    für die Scheibenbildung des Ausgangsmaterials der Planeten bedarf es bestimmter Ausgangsbedingungen. Die wichtigste ist zunächst mal der gravitative Kollaps, der in einer Gas-/Staubwolke Sterne entstehen lässt. Sterne entstehen nicht einzeln, sondern zu vielen Hunderten gleichzeitig, wenn so eine Wolke kollabiert.


    Dann bedarf es eines Transportmechanismus, der die freiwerdende Gravitationsenergie beim Kollaps abtransportiert. Diese Energie erzeugt zunächst einmal Reibung zwischen den zum Zentrum dichter werdenden Teilchen. Die Wärme, die dabei entsteht wird abgestrahlt. Die Reibung wiederum ist um so größer, je mehr ein individuelles Teilchen mit seiner Flugbahn vom mittleren Drehsinn der umgebenden Teilchen abweicht -> Scheibenbildung unter Beibehaltung des Gesamtdrehimpuls. Der Mechanismus funktioniert sehr gut auf unterschiedlichsten Größenordnungen (Saturnringe, Sonnensystem-Planetenbildung, Galaxienscheibe)


    Das Ganze ist ein Vielteilchensystem, was man nur schwierig per Simulation verstehen kann. Viele Teilaspekte gibt es dabei, wie z.B. Ressonanzen bei den Umlaufzeiten, lokale Verdichtungen in der Scheibe, die Ausgangspunkt für die größten Planetensimale und späteren Planeten werden.


    So chaotisch sich das auf der einen Seite anhört, dürfte es dennoch gewisse Gesetzmäßigkeiten geben. Unverstanden ist bislang der Übergang von Staubagglomeration (Bindung von Staubteilchen via molekularer Kräfte) und größeren Einheiten, die sich gravitativ zusammenhalten. Auf der ISS hat mal jemand Reiskörner in einer aufgeblasenen Plastiktüte unter Schwerelosigkeit schweben lassen und dabei festgestellt, dass eine Klumpenbildung der Reiskörner auftritt. Die Kräfte, die solche Klumpen zusammenhalten sind allerdings so gering, dass es da kein Reiskorn geben darf, dass mit nur etwas größerer Geschwindigkeit hineindonnert.


    Worüber man sich dann später in der Planetensimal-Phase auch im Klaren sein muss, ist, dass da zwar viele davon existieren, aber nur ganz wenige von Anfang an um Größenordnungen schwerer sind und die anderen "einsammeln" oder "wegkicken". "The Winner takes it all" trifft das vielleicht am Besten. Jedenfalls herrscht da keine Gleichberechtigung.


    Inwieweit der Prozess der Kollisionen in dem Sinne geradlinig abläuft, dass ausgehend vom Staub über Kleinstbrocken, Simale bis hin zu Protoplaneten eine genaue Reihenfolge eingehalten wird oder, ob nicht zwischendurch Simale wieder zu Staub zerlegt/zertrümmert werden, bis sie von andren größeren Protoplaneten letztlich eingesammelt werden ... dazu bedarf es aufwändiger Vielteilchensimulationen, um das genauer zu verstehen.


    Dazu kommen noch so "Kleinigkeiten", wie chemische Reaktionen, Eis/Wasser/Dampfbildung (allg. Aggregatsveränderungen der betroffen Teilchen) Radioaktivität, Wärmestau im Innern, wenn Körper gravitativ zusammengehalten werden, Freisetzung von Wärme, wenn sie miteinander kollidieren, Teilchenwind der Protosonne. Und ab einer gewissen Gasdichte muss man vielleicht auch noch wettertypische Phänomene berücksichtigen (Stürme, Wirbelwinde), die ebenfalls zum Energietransport beitragen in zeitweilig maßgeblich übernehmen könnten.