Beiträge von Kalle66 im Thema „Erdrotation“

    Hans-Werner,
    Kopernikus zog seine Schlüsse nicht im "leeren Raum", sondern hatte Vordenker, wie Regiomontanus, Peuerbach und andere. Arthur Köstler (Die Nachtwandler. Das Bild des Universums im Wandel der Zeit, 1959) erwähnt , dass Regiomontanus selbst in einem Brief ein heliozentrisches Weltbild entwarf. (Weitere Quellen kenne ich da nicht.)


    Seinerzeit bewirkte der Zeitgeist, dass Kopernikus mit seinen Vorstellungen eher als "Exzentriker" und weniger als Ketzer abgetan wurde. Da dürfte die persönliche Einstellung wichtiger Persönlichkeiten zum Thema Wissenschaft eine große Rolle gespielt haben. Beispiel Papst Gregor und seine Kalenderreform.


    Die Herangehensweise von Kopernikus war mathematisch "einfacher" für die Berechnung von Ephemeriden (so hab ich es in Erinnerung).
    Stichwort dazu: Alphonsinische Tafeln mit 2° Positionsabweichung von Sternen (bezogen auf die Epoche 1500), welche durch die Preußischen Tafeln (E. Reinhold) Mitte des 16. Jahrhunderts abgelöst wurden. Zwischenzeitlich arbeiteten die Seefahrer (Chr. Kolumbus) mit Tafeln von Regiomontanus (siehe http://www.spektrum.de/alias/d…ontanus-1436-1476/1295816)


    Siehe auch Literatur und Forschungsarbeiten von Owen Gingerich (Professor Emeritus of Astronomy and of the History of Science at Harvard University; http://owengingerich.com/)


    Selbst Kepler konnte bestimmte astronomische Phänomene nicht erklären: Beispiel Ephemeriden der Jupitermonde, die erst unter Berücksichtung der Lichtgeschwindigkeit erklärbar sind. Das geschah wiederum zu einer Zeit, als die "Kirche" einen Teil ihrer Deutungshohheit schon eingebüßt hatte (30-jähriger Krieg/protestantische Spaltung, nach der zuvor erfolgten Trennung der anglikanischen Kirche oder allgemein: Zeitalter der Aufklärung).

    Hi Wolfgang,
    jetzt vergleichst Du aber Äpfel mit Birnen.


    Mir fällt als neue wissenschaftliche Erkenntnis zum heliozentrischen Welt jetzt nur die Rehabilitierung Galileos am 31.10.1992 durch Papst Johannes Paul II ein. [:D][:D][:D]

    Naja, Wissenschaftgeschichte ...
    nach 1960 ... die Texte sind nicht frei verfügbar. Und das Studium der Originalquellen setzt entsprechende (meist lateinische, griechische oder arabische) Kenntnisse voraus. Damit ist Deine Empfehlung nicht "laientauglich". [;)]

    Anbei zwei Literaturquellen, die insbesondere die Theorien der Antike betreffen:


    Hugo Berger: Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen (1903)
    online hier: https://archive.org/details/wissenschaftlilchen00berg


    Sir Thomas Heath: Aristarchus of Samos, the ancient Copernicus (1913)
    online hier: https://archive.org/details/aristarchusofsam00heatuoft



    Die Abhandlungen zeigen, dass im Verlaufe der Zeit so ziemlich alle geometrisch möglichen Varianten zumindest angedacht wurden. Das Problem war eher, dass kein Vertreter seine Thesen durch Beobachtungen beweisen konnte und keine der Thesen wirklich widerspruchsfrei war. Es mangelte nicht am abstrakten geometrisch-mathematischen Verständnis für Kreisbewegungen, Kugelgestalt der Erde, Parallaxe etc.. Da ist zusammenfassend der Almagest von Ptolemäus die Krönung und setzte nicht umsonst Maßstäbe.


    (==>)Wolfgang:
    Die Einleitung von Erasmus von Rotterdam zeigt wunderbar, wie man früher (und auch heute noch) rhetorisch arbeitete. Indem man aus der Fülle an antiken Vorstellungen diejenige rauspickt, die den größten Widerspruch hervorruft, rechtfertigt man seine eigene Vorstellung ohne sie belegen zu müssen.

    Hi HWS,
    sorry, mit Deiner Schlussfolgerung bin ich nicht einverstanden.


    Jede Art historischer Beweisführung, die in irgendeiner Weise auf falschen und nicht verstandenen physikalischen Prinzipien beruht, ist zunächst einmal "falsch" bzw. spekulativ. Zumindest in der Ex-Post-Betrachtung. Wer also vor Newton mit "Mechanik" vom Ballwurf argumentiert, tappt in Wahrheit im Dunklen, weil er weder das Trägheitsprinzip noch die Schwerkraft (oder allg. die Kraftgesetze) kannte. Insoweit gab es vor der Entdeckung der Impulserhaltung (Drehimpulserhaltung) auch keine vernünftige Erklärung für die Drehachse der Erde. Dass deren Lage nicht konstant war (Präzession) macht die Sache noch komplizierter.


    Und wenn man schon unvollständige Erklärungsversuche akzeptiert, dann ist es willkürlich, wenn man zu Kopernikus ja sagt, bei anderen aber nicht. Das Vorhandensein der Drehachse als Polachse ist jedem sofort ersichtlich, der eine Kugelgestalt der Erde annimmt. Da reicht ein nächtlicher Blick zum Himmel. Ob sich dabei die Erde dreht oder das übrige Himmelsfirmament ... Einstein würde sagen: Das liegt am Betrachter. [;)]


    PS: Schon Archimedes (287 bis 212 v. Chr.) sprach davon, dass er die Welt aus den Angeln heben könnte, wenn er nur einen festen Punkt hätte. Er musste demnach schon eine gewisse Vorstellung über die Angeln der Welt gehabt haben. Man kann daraus sogar im Umkehrschluss schließen, dass er die Erde selbst nicht als "absoluten Fixpunkt" betrachtete, sondern einfach nur als Körper, den man bewegen kann.

    Hans,
    die Annahme einer Erdrotation steht und fällt mit der Vorstellung, dass die Erde eine Kugel ist (auf einer Scheibe gibt es keine Erdachse, dafür einen Weltenmittelpunkt).


    Wenn man dann bedenkt, dass jeder selbst in der Frühzeit den Himmelspol am Himmel identifizieren konnte, so dürfte die Annahme einer Polachse fast so banal gewesen sein, dass man dies nicht explizit erwähnte.


    Antiker Vertreter für das heliozentrische Weltbild war Aristarchos von Samos (Berechnungen zur Entfernung von Mond und Sonne). Schon Eratosthenes (um 240 v. Chr.) ermittelte den Erdumfang (Schattenvergleich an unterschiedlichen geografischen Breiten) und auch Thales von Milet oder Aristoteles gingen von einer Kugelgestalt der Erde aus. Unterm Strich galt das auch für Ptolemäus. Die machten sich seinerzeit sogar Gedanken über Parallaxenfehler, wenn man unterschiedliche Standorte einnahm.


    Konkreter war Aryabhata (476–550), der eine Erddrehung annahm und sogar annahm, dass Planeten und Mond nur per Reflexion des Sonnenlichts leuchten. Ganz nebenbei muss er wohl an die Geradlinigkeit der Lichtausbreitung geglaubt haben. Übrigens Annahmen, die selbst für das geozentrische Weltbild gelten, sonst braucht man sich mit Epizyklen etc. nicht auseinander setzen.


    Bleibt also noch die Frage, ob die Erde sich dreht oder der Rest um die Erde. Die Frage ändert aber nichts daran, dass man eine Drehachse für die Sonnenbahn und für die Sternenbahnen braucht.


    Konkreter wird's sicher erst mit Fragen der Längengradbestimmung (Uhrenproblem) oder mit direkten Nachweisen der Erddrehung (Beispiel Focaultsches Pendel).