Beiträge von Heljerer im Thema „Johannes Kepler in Deutsch“

    Hallo Zusammen!


    > Was die Komenten angeht, so würde ich (mit Kepler) gern noch einmal eine Lanze brechen für die gute Astrologie.


    Ich möchte hier auch mal eine Lanze brechen für gute - nämlich wissenschaftlich fundierte - Geschichtsschreibung.


    Laut dem Historiker Leopold v. Ranke (1775-1886) ist es die Aufgabe zu zeigen "wie es eigentlich gewesen" ist. Vorher war Geschichtsschreibung immer einer übergeordenten Philosophie untergeordnet. Was in der politischen Geschichtsschreibung seit v. Ranke Allgemeingut wurde, hat sich in der Wissenschaftsgeschichte leider erst sehr spät durchgesetzt (seit etwa 1950). Wissenschaftsgeschichte wurde vorher immer im Hinblick auf den gegenwärtigen Wissensstand betrieben. Was dem Historiker nicht in den Kram passte, wurde kurzerhand ignoriert. Moderne Wissenschaftsgeschichte betrachtet dagegen "wie es wirklich war". Wer also die Wissenschaft des 16. und 17. Jahrhunderts beschreiben will, kommt an der Astrologie nicht vorbei. Er kann auch nicht die jeweiligen religiösen, philosophischen und esoterischen Weltanschauungen der Gelehrten ignorieren, da diese wesentlich für das Verständnis der damaligen Theorien sind.


    Erstaunlich genug, dass gerade Naturwissenschaftler, sobald sie sich als Historiker versuchen, geschichtswissenschaftlich in den Methoden des 18. Jahrhunderts steckengeblieben sind. Woran das liegt, ist mir ein Rätsel. Vielleicht weil Naturwissenschaftler nicht akzeptieren wollen, dass Wissenschaft auch nur ein menschliches Kulturgut wie viele andere auch ist?


    (==>)Nico: Vieles hat Johannes ja schon beschrieben. Vielleicht noch ergänzend: Kometen wurden mal astrologisch betrachtet, mal aber auch in der christlichen Tradition als Omen Gottes, zum Teil sogar als Vorbote des jüngsten Gerichtes.


    Gruß,
    Wolfgang

    Hallo Micha,


    > Also: Keine Astrologie ohne Astronomie. So, und nicht andersrum.


    Von "Keine Astronomie ohne Astrologie" kann natürlich nicht die Rede sein. Das ist mit "Geburtshelferin" auch nicht gemeint.


    Es geht ganz einfach um den Umstand, dass die Astrologie einer der wesentlichen (aber natürlich nicht alleinigen) Gründe war, sich mit Astronomie zu beschäftigen. Vor allem ein wesentlicher Grund um für astronomische Forschung Geld auszugeben. Kepler ist vom Kaiser genau aus diesem Grund als (schlechtbezahlter) Hofmathematiker eingestellt worden.


    Wenn von Astrologie im Mittelalter und früher Neuzeit die Rede ist, darf man nicht an erster Linie an Individualastrologie (Geburtshoroskope und all das, was einzelne konkrete Menschen betrifft) denken. Viel wichtiger war die Mundanastrologie also die Vorhersage von Naturkatastrophen, Kriegen, Krankheitsepidemien.


    Die Pest von 1348 wurde durch eine Kojunktion von Mars, Jupiter und Saturn im Jahr 1345 erklärt. Kepler hat aufgrund einer besonders gefährlichen Konstellation von Jupiter und Saturn für Österreich im Jahr 1599 die Pest vorhergesagt. Das waren aus damaliger Sicht wichtige Voraussagen, für die die Verantwortlichen an den Höfen auch gerne Geld ausgegeben haben und so indirekt auch die Astronomie gefördert haben.


    Gruß,
    Wolfgang

    Hallo Micha!


    > So würde ich es nicht sehen Astrologie und Astronomie waren früher eins.


    So würde ich das nicht sehen! Zumindest nicht wenn wir unter "früher" die klassische Antike, das hellenistische Griechenland, das Mittelalter oder die frühe Neuzeit verstehen. Noch "früher" waren beide wahrscheinlich Eins, aber dazu kann ich nichts sagen, da ich mich mit dieser Zeit nicht auskenne.


    In Ptolemäus' Almagest findet man wirklich nur Astronomie, in seinen Tetrabiblos nur Astrologie. Falls ich das noch richtig in Erinnerung habe, ist auch das mittelalterliche Standardwerk der Astronomie, Sacroboscos "Tractatus de Sphaera" frei von Astrologie. Ich werde da heute Abend noch mal reinschauen.


    Jedenfalls hat man klar zwischen Astronomie und Astrologie unterschieden. Im Mittelalter wurde die Individualastrologie (also das ganze Horoskopzeug) als unchristlich kritisiert, da diese dem freien Willen des Menschen und der Allmacht Gottes widersprach. Die richtige esoterische Hochkonjunktur kam erst mit der Renaissance.


    Was natürlich stimmt, ist dass Astronomie und Astrologie oft von den selben Personen behandelt wurde, was heutzutage kaum mehr zu finden sein dürfte.


    Also: Astrologie doch eine Geburtshelferin der Astronomie. (Was nicht heißen soll, dass die Geburt ohne Hilfe misslungen wäre.)


    Gruß,
    Wolfgang