Johannes Kepler in Deutsch

  • So siehet man augenscheinlich/ daß diese Curiositet zu erlernung der Astronomia gedeye/ welche von niemandt verworffen/ sondern billich hoch gerühmt wird. Es ist wol diese Astrologia ein närrisches Töchterlin [...] aber lieber Gott/ wo wolt jhr Mutter die hochvernünftige Astronomia bleiben/ wann sie diese Jhre närrische Tochter nit hette/ ist doch die Welt noch viel närrischer/ und so närrisch/ daß deroselben zu jhren selbst frommen diese alte verständige Mutter die Astronomia durch der Tochter Narrentaydung/ weil sie zumal auch einen Spiegel hat/ nur eyngeschwärzt und eyngelogen werden muß. Und seynd sonsten die Mathematicorum salaria so seltzam und so gering/ daß die Mutter gewißlich Hunger leyden müste/ wann die Tochter nichts erwürbe. Wann zuvor nie niemandt so thöricht gewest were/ daß er auß dem Himmel künfftige Dinge zu erlernen Hoffnung geschöpft hette/ so werest auch du Astronomie so witzing nie worden/ daß du deß Himmels Lauff gar nichts gewust[...].


    Johannes Kepler
    Tertius interveniens
    In:
    Krafft, Fritz; ( HSRG.)
    Was die Welt im Innersten zusammenhält
    Antworten aus Keplers Schriften
    Wiesbaden. 2005
    S. XLI-XLII.

  • Und gleich wie ein fliessend Metal die form an sich nimbt/ darinn es laufft: also ein jedes jrdisch ding/ so bald es entstehet/so ist eine gewisse vermischung der Liechtstralen/ die von den Sternen herab fliessen/ als ein form zugegen/ und von Gott also geordnet/ daß es sich mit derselben Himmelsform verainigen muß/ so lang es unbeständig ist/ und von seiner aignen Natur nicht eine stärcke entfahet.


    Kepler: Praktia auff das Jar 1597


    In: Fritz Krafft


    Was die Welt im Innersten zusammenhält


    Wiesbaden 2005


    S. XXXVIII

  • Moin!


    > Astrologie war demgemäß auch eine Art Geburtshelferin der Astronomie!


    So würde ich es nicht sehen Astrologie und Astronomie waren früher eins. Mit der Aufklärung entwickelte sich die moderne Astronomie als Wissenschaft und die Astrologie geriet in den esoterischen Bereich.
    Astronomie wird auch immer gerne als älteste Wissenschaft der Welt bezeichnet.


    Auf der anderen Seite: Leute wie Kepler konnten ohne das Kalendermachen und Horoskope-Erstellen auch nicht überleben. Reine Astronomie war damals eher die brotlose Kunst, wie man so schön sagt.

  • Hallo Micha!


    > So würde ich es nicht sehen Astrologie und Astronomie waren früher eins.


    So würde ich das nicht sehen! Zumindest nicht wenn wir unter "früher" die klassische Antike, das hellenistische Griechenland, das Mittelalter oder die frühe Neuzeit verstehen. Noch "früher" waren beide wahrscheinlich Eins, aber dazu kann ich nichts sagen, da ich mich mit dieser Zeit nicht auskenne.


    In Ptolemäus' Almagest findet man wirklich nur Astronomie, in seinen Tetrabiblos nur Astrologie. Falls ich das noch richtig in Erinnerung habe, ist auch das mittelalterliche Standardwerk der Astronomie, Sacroboscos "Tractatus de Sphaera" frei von Astrologie. Ich werde da heute Abend noch mal reinschauen.


    Jedenfalls hat man klar zwischen Astronomie und Astrologie unterschieden. Im Mittelalter wurde die Individualastrologie (also das ganze Horoskopzeug) als unchristlich kritisiert, da diese dem freien Willen des Menschen und der Allmacht Gottes widersprach. Die richtige esoterische Hochkonjunktur kam erst mit der Renaissance.


    Was natürlich stimmt, ist dass Astronomie und Astrologie oft von den selben Personen behandelt wurde, was heutzutage kaum mehr zu finden sein dürfte.


    Also: Astrologie doch eine Geburtshelferin der Astronomie. (Was nicht heißen soll, dass die Geburt ohne Hilfe misslungen wäre.)


    Gruß,
    Wolfgang

  • Moin Wolfgang!


    > Jedenfalls hat man klar zwischen Astronomie und Astrologie unterschieden.


    Aber auch mit dieser Argumentation kann man m.E. nicht ableiten, daß die Astrologie Geburtshelferin der Astronomie war, wenn beide von nahezu Anfang an getrennt zu sehen sind.
    Astronomie entwickelte sich u.a. aus der Notwendigkeit, Jahreszeiten zu bestimmen, den Kalender zu entwickeln und Vorkommnisse am Himmel zu beschreiben. Die Astrologie entwickelte daraus eine Interpretation, aus astronomischen Ereignissen "den Willen der Götter" oder das daraus folgend das eigene Schicksal ableiten zu wollen - eben, weil man gewisse Dinge "dort oben am Himmel" nicht verstand und diese Phänomene "dem Willen Gottes" zuschrieb. So sehe ich das.
    Orakel-Astrologie gab es schon im alten Babylon, das brauchen wir gar nicht die Entwicklung in der Neuzeit zu betrachten.


    Also: Keine Astrologie ohne Astronomie. So, und nicht andersrum. [:D]

  • Hallo Micha,


    > Also: Keine Astrologie ohne Astronomie. So, und nicht andersrum.


    Von "Keine Astronomie ohne Astrologie" kann natürlich nicht die Rede sein. Das ist mit "Geburtshelferin" auch nicht gemeint.


    Es geht ganz einfach um den Umstand, dass die Astrologie einer der wesentlichen (aber natürlich nicht alleinigen) Gründe war, sich mit Astronomie zu beschäftigen. Vor allem ein wesentlicher Grund um für astronomische Forschung Geld auszugeben. Kepler ist vom Kaiser genau aus diesem Grund als (schlechtbezahlter) Hofmathematiker eingestellt worden.


    Wenn von Astrologie im Mittelalter und früher Neuzeit die Rede ist, darf man nicht an erster Linie an Individualastrologie (Geburtshoroskope und all das, was einzelne konkrete Menschen betrifft) denken. Viel wichtiger war die Mundanastrologie also die Vorhersage von Naturkatastrophen, Kriegen, Krankheitsepidemien.


    Die Pest von 1348 wurde durch eine Kojunktion von Mars, Jupiter und Saturn im Jahr 1345 erklärt. Kepler hat aufgrund einer besonders gefährlichen Konstellation von Jupiter und Saturn für Österreich im Jahr 1599 die Pest vorhergesagt. Das waren aus damaliger Sicht wichtige Voraussagen, für die die Verantwortlichen an den Höfen auch gerne Geld ausgegeben haben und so indirekt auch die Astronomie gefördert haben.


    Gruß,
    Wolfgang

  • Hallo zusammen,


    Kepler selbst hat zur Frage nach dem Verhältnis von Astronomie und Astrologie ausführlich Stellung genommen, z.B. in seinem Werk „Tertius interveniens (Warnung an etliche Theologen, Philosophen und Ärzte, besonders an Dr. Philipp Feselius, daß sie bei der berechtigten Verwerfung des sternguckerlichen Aberglaubens nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und unwissentlich ihrer Profession zuwider handeln)“ von 1610. Einen schönen Passus aus Kapitel VII hat Wattwurm oben schon zitiert. Etwas weiter unten heißt es (nach meiner freien Übertragung in modernes Deutsch):


    „Aus der astrologischen Verrücktheit und Gottlosigkeit kann durchaus auch nützliche Erkenntnis kommen, wie in einem unsauberen Schleim leckere Austern oder ein Aal gefunden werden, oder in einem großen Haufen Raupengeschmeiß ein Seidenspinner, oder wie schließlich eine emsige Henne aus einem übel riechenden Mist ein gutes Körnchen, ja eine Perle oder ein Goldstück hervorscharrt.“ (Kapitel VIII)


    Astrologie als bloße Wahrsagerei ist nach Kepler ein solcher „übel riechender Mist“. Wenn sie aber richtig betrieben wird, ist sie berechtigt und entspricht dem „guten Körnchen“. Die gute, wissenschaftliche Astrologie beruht auf der These, daß die Planeten durch ihr Licht und ihre Farbe eine physische Wirkung auf die Erde ausüben. Dadurch übertragen sich die Eigenschaften der Planeten (trocken, feucht, warm, kalt etc.) auf die Erde. Allerdings muß man die Stellung der Planeten zueinander („Aspekte“) kennen, um zu errechnen, wie die Effekte sich zu einer gegebenen Zeit verstärken oder abschwächen.


    Ein wichtiges Anwendungsgebiet der Astrologie ist nach Kepler die Wettervorhersage. Einzelereignisse kann sie aber nicht vorhersagen, weil die himmlischen Ursachen teils von irdischen Ursachen überlagert werden. Ein schneereicher Winter bedingt ein kühles Frühjahr, egal wie die Planeten stehen. Nur Pauschalvorhersagen sind möglich wie: Das nächste Jahr wird sehr trocken. Der Wissenschaftcharakter der Astrologie ähnelt nach Kepler demjenigen der „Medicina botanica“, was man wohl mit „Pflanzenheilkunde“ übersetzen muß, oder einfach mit Pharmazie, da es zu Keplers Zeiten ja fast nur pflanzliche Heilmittel gab. Damit hebt Kepler den starken Erfahrungsbezug der Astrologie hervor. (So erklärt sich auch seine umfangreiche Horoskopsammlung.)


    Die Anwendung der Astrologie auf den einzelnen Menschen besteht nach Kepler in der Deutung der „Nativität“. Zukünftige einzelne Handlungen eines bestimmten Menschen können nach Kepler niemals astrologisch vorhergesagt werden, da sie dem freien Willen entspringen. Allerdings prägt sich die Planetenkonstellation zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen dessen Seele ein, genauer den subrationalen Seelenteilen, und bestimmt so dessen Charakter. Ob er ein fleißiger, kluger, gewissenhafter, tapferer etc. Mensch wird, oder faul, nachlässig, feige etc. hängt nach Kepler von den „Aspekten“ im Moment der Geburt ab und kann astrologisch vorhergesagt werden.


    Viele Grüße
    Johannes

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Viel wichtiger war die Mundanastrologie also die Vorhersage von Naturkatastrophen, Kriegen, Krankheitsepidemien.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ich habe nicht sonderlich viel Ahnung von Astrologie (ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal in einem Astronomieforum schreiben würde [;)]), ich frage mich aber nun, unter welcher Begrifflichkeit so böse Zeichen wie Kometen und Sonnenfinsternisse fallen. Solche Erscheinungen waren ja auch mit allerhand Aberglauben belegt. "Ganz Deutschland kennt den Glauben, dass bei Sonnenfinsternis von Menschen und Vieh weder Wasser noch pflanzliche Nahrungsmittel genossen werden dürfen", heißt es im "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens". So wurden z.b. aus Furcht vor Seuchen durch sog. "Himmelstau" Brunnen abgedeckt, zur Vorsicht sollte man das Haus nur mit einem Tuch vor dem Mund verlassen und ebenso galt im Freien trocknende Wäsche als infiziert.


    Fallen solche Ratschläge/Vorhersagen auch unter die Mundanastrologie?

  • Guten Tag


    Es wird jedenfalls am " Handwörterbuch" meines Ermessens zu Recht kritisiert, daß die Kontextualisierung der Lemmata oftmals zu wünschen übrig läßt. Und das scheint mir in Deinem Beispiel der Fall zu sein. Das " gemeine Volk" wird ja in aller Regel nicht in voraus gewußt haben, daß eine Sonnenfinsterniß ansteht; wie also hätte man die in dem Schlagwort erwähnten Vorsichtsmaßregeln in praxi ergreifen können?


    ( Ich habe mit diesem Wörterbuch freilich nur in nichtastronomischen Zusammenhängen zu tun gehabt: z.B. ob sich etwas von der germanisch- paganen Religion auch nach der Christianisierung im Aberglauben wiederfinden könnte. Für solch ein " Absinken" finden sich auch sonst Belege...) Das ist aber off topic


    Grüße


    Michael

  • Hallo Nico,


    ich würde mal sagen, daß das von Dir Beschriebene unter Mundanastrologie fällt. Es geht ja nicht um die Vorhersage des Schicksals eines Individuums, sondern um globale Vorgänge wie Sonnenfinsternisse und deren negative Folgen, vor denen der Einzelne sich dann durch geeignete Maßnahmen schützen muß (Tuch vorm Mund).



    Was die Kometen angeht, so würde ich (mit Kepler) gern noch einmal eine Lanze brechen für die gute Astrologie. Es handelt sich dabei nämlich nicht um Hokuspokus, sondern im Grunde um eine physikalische Theorie, die allerdings auf Annahmen beruht, von denen wir heute wissen, daß sie falsch sind – aber das wissen wir noch nicht lange.


    Seit Aristoteles (4. Jh. vor Chr.) galten Kometen als Wetterphänomene, nicht als Himmelsphänomene. Kometen bilden sich demnach in der Atmosphäre, die nach damaliger Vorstellung allerdings bis zum Mond reicht. Man meinte, bei Kometen große Parallaxen beobachtet zu haben, die für eine geringe Entfernung des Objektes von der Erde sprechen. Wie entstehen Kometen? Klumpen heißer brennbarer Gase steigen gelegentlich aus der Erde auf, bewegen sich nach oben, wie heiße Luft es immer tut, und sammeln sich in der obersten Atmosphärenschicht. Dort oben werden diese brennbaren Gasklumpen mitunter von der Hitze der Sonne oder der Planeten entzündet. Dann brennen sie ein paar Monate, bis sie ganz verbrannt sind. Das ist ein Komet.


    Die Verbrennungshitze führt auf der Erde in manchen Gebieten zu Dürreperioden, in anderen zu verstärkten Ausdunstungen von Wasser aus der Erde. Dadurch entstehen Hohlräume in der Erde, deren Einsturz Erdbeben hervorruft. Die Verbrennungsgase des Kometen sind überdies giftig (wie Rauch, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid es eben sind) und schaden dem Menschen, wenn er sie einatmet. Sehr feuchte Luft, wie sie bei hitzebedingten Ausdünstungen der Erde entsteht, galt als ungesund und krankheitserregend. Daher wurden Grippewellen und Pestepidemien ebenso wie Erdbeben und Wetteranomalien mit dem Auftreten von Kometen in Verbindung gebracht. (Daß Krankheiten nicht durch Dämpfe, sondern durch Erreger verursacht werden, weiß man erst ungefähr seit 1880!)


    Tycho Brahe war einer der ersten, die die alte Theorie der Kometen als Wetterphänomene ernsthaft in Frage stellten. Er konnte bei dem Kometen von 1577 nämlich keine Parallaxe messen und folgerte, daß dieser jenseits des Mondes, also außerhalb der Atmosphäre im Weltall sein müsse. Kepler verteidigte Tychos Auffassung in seiner Schrift über den Kometen von 1607. Ausgerechnet unser Wissenschaftsheld Galilei hat übrigens versucht, die alte Kometentheorie des Aristoteles wiederzubeleben, wogegen Kepler dann Stellung genommen hat.


    Kepler war (wie wohl alle Gelehrten seiner Zeit) davon überzeugt, daß es einen signifikanten statistischen Zusammenhang gibt zwischen der Erscheinung von Kometen und dem Auftreten von Erdbeben, Seuchen, Überschwemmungen, Dürren und Kriegen. Da er die Kometen aber in den Weltraum verlegte, hatte er es schwerer als die Aristoteliker, einen physikalischen Mechanismus anzugeben, der diesen Zusammenhang erklärt. Er postulierte dazu eine den Kosmos durchdringende allgemeine Lebens- und Empfindungskraft, durch die Kometen das Geschehen auf der Erde kausal beeinflussen können.



    Viele Grüße
    Johannes

  • Hallo Zusammen!


    &gt; Was die Komenten angeht, so würde ich (mit Kepler) gern noch einmal eine Lanze brechen für die gute Astrologie.


    Ich möchte hier auch mal eine Lanze brechen für gute - nämlich wissenschaftlich fundierte - Geschichtsschreibung.


    Laut dem Historiker Leopold v. Ranke (1775-1886) ist es die Aufgabe zu zeigen "wie es eigentlich gewesen" ist. Vorher war Geschichtsschreibung immer einer übergeordenten Philosophie untergeordnet. Was in der politischen Geschichtsschreibung seit v. Ranke Allgemeingut wurde, hat sich in der Wissenschaftsgeschichte leider erst sehr spät durchgesetzt (seit etwa 1950). Wissenschaftsgeschichte wurde vorher immer im Hinblick auf den gegenwärtigen Wissensstand betrieben. Was dem Historiker nicht in den Kram passte, wurde kurzerhand ignoriert. Moderne Wissenschaftsgeschichte betrachtet dagegen "wie es wirklich war". Wer also die Wissenschaft des 16. und 17. Jahrhunderts beschreiben will, kommt an der Astrologie nicht vorbei. Er kann auch nicht die jeweiligen religiösen, philosophischen und esoterischen Weltanschauungen der Gelehrten ignorieren, da diese wesentlich für das Verständnis der damaligen Theorien sind.


    Erstaunlich genug, dass gerade Naturwissenschaftler, sobald sie sich als Historiker versuchen, geschichtswissenschaftlich in den Methoden des 18. Jahrhunderts steckengeblieben sind. Woran das liegt, ist mir ein Rätsel. Vielleicht weil Naturwissenschaftler nicht akzeptieren wollen, dass Wissenschaft auch nur ein menschliches Kulturgut wie viele andere auch ist?


    (==&gt;)Nico: Vieles hat Johannes ja schon beschrieben. Vielleicht noch ergänzend: Kometen wurden mal astrologisch betrachtet, mal aber auch in der christlichen Tradition als Omen Gottes, zum Teil sogar als Vorbote des jüngsten Gerichtes.


    Gruß,
    Wolfgang

  • Bei welcher Gelegenheit ich auf die Theorie des Mars kam
    Es ist wahr, daß die göttliche Stimme, die den Menschen Astronomie lernen heißt, sich in der sichtbaren Welt selbst ausdrückt, nicht mit Worten uns Silben, sondern durch die Dinge selber und durch die Abstimmung des menschlichen Geistes und der menschlichen Sinne auf die Schar der Himmelskörper und deren Zustände. Jedoch führt auch ein gewisser Schicksalsschluß im geheimen die einzelnen Menschen zu den verschiedensten Künsten und Wissenschaften hin und verleiht ihm so das sichere Bewußtsein, daß sie, wie sei ein Teil des Schöpfungswerkes sind, so auch an der göttlichen Vorsehung teilhaben.
    Sobald ich nach meinem Alter die Süßigkeit der Philospohie kosten konnte, habe ich sie als Ganzes mit ungeheurer Begierde erfaßt, ohne mich im Besonderen um die Astronomie zu bekümmern. Das Talent hiefür war zwar vorhanden, und ich verstand unschwer den durch die Schulordnung gebotenen Stoff aus Geometrie und Astronomie, gestützt auf Figuren, Zahlen und Verhältnisse. Aber das waren pflichtgemäße Studien, nichts was eine besondere Neigung zur Astronomie bekundet hätte. Da ich nun auf Kosten des Herzogs von Württemberg verhalten wurde und sehen mußte, wie meine Studiengenossen, die der Fürst, den am angegangen, ins Ausland schicken wollte, aus Liebe zur Heimat verschiedentlich Ausflüchte gebrauchten, hatte ich, härter als ich war, schon frühzeitig bei mir beschlossen, bereitwilligst zu folgen, wohin es auch gehen sollte.


    In: Krafft, Fritz( HRSG.)


    Johannes Kepler
    Astronomia Nova
    Neue ursächlich begründete Astronomie


    Wiesbaden, 2005
    S.147.

  • Da bot sich nun zuerst ein astronomisches Amt, zu dessen Übernahme ich jedoch ( um die Wahrheit zu sagen) durch das Zureden meiner Lehrer gedrängt werden mußte; nicht weil ich die weite Entfernung des Ortes gefürchtet hätte- hatte ich ja doch eine solche Furcht ( wie schon gesagt) bei anderen verurteilt-, sondern wegen der unerwarteten und verachteten Art des Amtes und der Dürftigkeit meiner Ausbildung in diesem Teil der Philosophie. Ich nahm an, mehr mit Talent als mit Wissen ausgerüstet, mit der wiederholten Beteuerung, ich stehe von meinem Recht auf eine mir glänzender erscheinende Lebensstellung nicht ab. Welches die Ergebnisse meiner Studien in den ersten zwei Jahren waren, geht aus meinem Mysterium Cosmographicum hervor. In welcher Weise mich außerdem mein Lehrer Michael Mästlin zur Beschäftigung mit der üblichen Astronomie anspornte, mag man in jenem kleinen Buch und in dem Brief dieses Mannes nachlesen, der der Narratio prima des Georg Joachim Rhaeticus vorgedruckt ist. Meine Entdeckung habe ich durchaus sehr hoch eingeschätzt, und zwar um so höher, als ich sah, daß sich auch Mästlin gut gefiel. Dieser hat mich aber mit dem unangebrachterweise den Lesern gegebene Versprechen meines allgemeinen „ Himmelswerkes“ ( wie er sich ausdrückte) nicht so sehr angespornt, als ich selber von mir aus darauf brannte, aufgrund der neuen Astronomie zu untersuchen, ob jene meine Entdeckung die ganze Schärfe der Beobachtungen ertragen könnte. Im Buch selber war ja bereits dargetan, daß sie innerhalb der Genauigkeitsgrenzen der herkömmlichen Astronomie gültig war.


    A.a.O S.147f.

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