Beiträge von Kalle66 im Thema „...und sie bewegt sich doch!“

    Wolfgang,
    wissenschaftliche Revolution ... Erkenntnisgewinn ist da die eine Angelegenheit, konkreter Nutzen bei der Umsetzung dürfte aber eher eine treibende Kraft sein. In der Antike konstruierte man zwar eine Dampfturbine, aber nur als Spielzeug. Als Ersatz für Arbeitskräfte war sie nicht erforderlich bzw. noch zu weit vom erkennbaren Nutzen entfernt. In den Erzgruben Englands sah das dann Ende des 18. Jahrhunderts anders aus. So tief wie die da waren, sind die im Grundwasser fast abgesoffen und brauchten Pumpen. Einmal den Nutzen erkannt und schwupps wurde in anderen Branchen nachgeahmt. Dito die Mathematik/Geometrie und konkrete Auswirkungen auf Landvermessung/Kartenwesen/Navigation im 16. und 17. Jahrhundert.


    Dazu kommt auch immer die Frage, wie weit waren die Erkenntnisse verbreitet, bei einer Analphabetenrate von über 95%. Papier und Buchdruck mussten erst mal erfunden werden und da unterscheidet sich Antike von Renaissance und Folgezeit.


    Ich teile Cohens "Durchhänger" nicht in dem Sinne, dass er kritisch für die Weiterentwicklung der Wissenschaft war. Man könnte vielleicht auch mal die Wetterstatistik und andere Faktoren mit einbeziehen (im Sinne Wissenschaft setzt einen satten Magen voraus). Ein paar schlechte Ernten, Hochwasser, Sturmfluten, ein paar technikfeindliche Adlige, eine Pestseuche hier-und-da und alles wird vielleicht für ein paar Jahre gebremst, aber sicher nicht aufgehalten. (Da könnte man auch mal nach Zusammenhängen suchen.) Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die "Tulpenblase von 1637", die riesige Vermögenswerte vernichtete oder an die Wett- und Spielsucht in der Zeit, die sogar die Mathematiker motivierte auf diesem Gebiet zu forschen (Statistik).


    Auch sollte man abklären, ob es den Durchhänger auch in der Kunst und Musik gab - dann würde ich solchen Thesen leichter folgen können. Ich weiß es nicht, frage jetzt einfach auf Verdacht.


    Widersprüchlich finde ich die These, wenn man zeitgleich (um 1650) vom "Goldenen Zeitalter" in den Niederlanden spricht, als allein ~700 Maler dort aktiv waren und ~70.000 Kunstwerke (jährlich, glaubt man Wikipedia) schufen.


    Das in dieser Zeit das Rad der Wissenschaft nicht mehr zurückgedreht werden konnte, belegt u.a. William Harvey, Entdecker des Blutkreislaufs. Er unterschied streng zwischen Hypothesen und Fakten, ein Grundprinzip moderner wissenschaftlicher Forschung. Also, so weit war man damals schon.

    Wolfgang,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Interessant ist, dass die wissenschaftliche Revolution in der Mitte des 17. Jahrhunderts beinahe zum Erliegen gekommen wäre.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    hmm, ich behaupte mal das Gegenteil war der Fall, die katholische Kirche verlor speziell in Deutschland massiv an Einfluss durch den 30-jährigen Krieg.
    Nimm Personen wie Pascal, Descartes, Huygens, Fermat, Mersenne, Hooke und viele andere, die genau in der Zeit lebten. Die Naturwissenschaften und die Philosophie nahmen da erst richtig Tempo auf.


    Ich vermute mal, dass durch Pest, Krieg, Reformation einerseits und Kolonisierung andererseits der Nährboden gelegt wurde, der aus dem feudalen Mittelalter, der anschließenden Renaissance und ihren humanistischen Ideen erst in die Neuzeit führte. Althergebrachte gesellschaftliche Ansichten wurden zunehmend in Frage gestellt. Speziell über den Kolonienhandel entwickelte sich eine bürgerliche Klasse, die in Konkurrenz zum Adel/Kirchenadel Kunst und Wissenschaft fördern konnte. Speziell in Deutschland wurden evangelisch lutherische Fürstentümer mit eigenen Universitätsgründungen aktiv, allerdings zeitlich im Nachgang zur großen Welle an Universitätsgründungen in der Renaissance.


    In die Zeit fallen auch berühmte Gründungen von Wissenschaftsakademien wie die Académie de Sciences (Paris, 1666) oder die Royal Society (London 1660).


    Gruß

    Naja,
    religiöse Gründe wurden auch in der katholischen Kirche in der Renaissance in unterschiedlichem Maße angelegt. Kopernikus hatte mit seiner heliozentrischen Theorie "De revolutionibus orbitum coelestium" durchaus Rückendeckung der Kirche. Seine wissenschaftliche Arbeit trug maßgeblich zur Datumsreform des Gregorianischen Kalender 1582 bei. Ein paar Jahre später nahm die katholische Kirche Galilei dann an die kurze Leine.


    Interessant ist, dass die orthodoxe Kirche die Datumsreform bis heute nicht nachvollzogen hat. Selbst als einige orhtodoxe Kirchen auf den sog. meletianischen Kalender umgestellt haben, der noch genauer als der Gregorianische Kalender ist, wechselten einige "aus Solidarität mit der russ. orth. Kirche" wieder auf den Julianischen Kalender. Das zeigt, dass Machthaber sich immer schon beliebig auch der religiösen Begründung bedient haben, wenn es ihnen in den Kram passte.


    Nach der gleichen Logik führte Chavez am 9.12.2007 in Venezuela eine eigene Zeitzone ein: UTC - 4h 30mm, um nur keine gemeinsame Zeitzone mit den USA zu haben.


    Gruß


    PS:
    hmm, warum denke ich jetzt an das Glühlampenverbot?