Beiträge von Kryptograph im Thema „Menschen auf dem Mars“

    Hallo Benny,



    Ich wollte nicht auf Todesangst hinaus, das dürfte bei Astronauten kein Problem sein.[:D]Zumal noch keiner im Weltraum draufgegangen ist, die fatalen Unfälle sind ja bei Start oder Wiedereintritt passiert.


    Was ich meinte, ist die Isolation an Bord, oder genauer, das Gefühl bzw. die Gewissheit, isoliert zu sein. Es ist kaum bekannt, aber die russischen Langzeitbesatzungen haben sich (außerhalb ihres Arbeitspensums) nach einigen Wochen meistens nur noch angeschwiegen und zwischendurch die Bodenstation angegiftet. Bei der dritten Skylab-Besatzung war es im Grunde genauso. Bei zwei oder drei Mann an Bord ist das nachvollziehbar: Es kommt zu einem Wir-sitzen-in einem-Boot-Gefühl, man geht sich aus Rücksicht auf die Anderen so weit wie an Bord möglich aus dem Weg und die Bodenstation muss gewissermaßen als Blitzableiter herhalten. Ein Marsraumschiff wird aber eine größere Besatzung haben - 10-20 Personen schätze ich - da funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr, zumal mit der Erde nicht mehr flüssig kommuniziert werden kann. Mögliche(!) Folge: Das Ganze läuft mannschaftsintern ab, Cliquen bilden sich, das Kollektiv zerfällt.


    Hier gibt's was zu dem Thema:


    Code
    http://www.wissenschaft.de/archiv/-/journal_content/56/12054/1619105/Das-Schlimmste-ist-die-Langeweile/


    Sogar Thomas Reiter, eine militärisch ausgebildete Führungspersönlichkeit, hat nach ein paar Monaten 500 km über der Erde die Stunden bis zur Heimreise gezählt. Und jetzt stell Dir eine Zweijahresmission vor, bei der die Erde nur noch ein Lichtpunkt in der Ferne ist. Profi hin, Betreuung her, auch Astronauten sind nur Menschen. Im Grunde doch wie Du und Ich[8D]


    Gruß Gil

    Hi,


    Ein spannendes Thema am Sonntagnachmittag.[8D]


    Ich stimme Skysprinter absolut zu, klasse Beitrag.[^]


    Die Apollomissionen waren ja rein politisch motiviert, es ging nur darum die Sowjets zu schlagen. Die hatten bekanntlich ihr eigenes Mondflugprogramm, im Erfolgsfall hätten die Amis vielleicht wirklich den Mars anvisiert.[:D] Heute fehlt die politische Vision, die gesellschaftliche Entschlossenheit, aber auch die Fähigkeit, langfristige ökonomische und politische Ziele zu verfolgen - China und Russland haben diese. Grundvoraussetzung für einen Flug zum Mars wäre zweifellos ein kostengünstiger Raumtransporter (und ich würde hier nicht automatisch eine Einwegrakete ablehnen), der schwere Lasten zu vertretbaren Tarifen in den nahen Erdorbit bringt. Das war ja auch das ursprüngliche Ziel des Space Shuttle. Das hat sich als teure Sackgasse entpuppt, aber die Technologie für einen modernen Schwertransporter ist vorhanden. Gut möglich, das die ISS deutlich billiger hätte sein können, wenn das Potenzial der Energija-Rakete genutzt worden wäre.


    Es gibt aber auch Sachen, bei denen ich die Zeit noch nicht reif sehe, vor allem drei Probleme gehen mir nicht aus dem Kopf.


    Punkt 1: Kernenergetischer Antrieb. Experimente damit gab es schon ganz am Anfang der US-Raumfahrt, in Gestalt des NERVA-Projektes. Mit thermochemischen Triebwerken zu arbeiten halte ich angesichts der nötigen Treibstoffmengen für utopisch. Denn die Transferzeit muss aus medizinischen (Strahlenbelastung!) und psychologischen Gründen auf jeden Fall so kurz wie möglich gehalten werden. Hier gilt es auch gesellschaftliche Wiederstände zu überwinden, man denke nur an die Hysterie wegen des Bischens Plutoniums in den Batterien von Cassini...


    Punkt 2: Schwerkraftersatz durch Fliehkraft. Ein Marsraumschiff wird kaum ohne rotierende Wohnmodule o.Ä. auskommen. Die Idee, eine radförmige Raumstation zu bauen, gab es lange vor Gagarins Flug. Mann müsste hier natürlich erst einmal umfassende Erfahrungen im Erdorbit sammeln, da die physiologischen Auswirkungen der unvermeidlichen "Gezeiteneffekte" einer derartigen Konstruktion noch völlig unerforscht sind .
    Der Sport und die prophylaktische Ergotherapie, mit denen sich die Astronauten heute fitzuhalten versuchen, reduziert zwar den Muskelschwund, gegen die anderen Folgen der Schwerelosigkeit, wie Demineralisierung der Knochen, Blutschift samt Auswirkungen auf das Gefäßsysten, Leistungsverlust der Immunabwehr, u.s.w. bewirkt es aber wenig bis gar nichts. Nach einigen Monaten schwerelosen Fluges wären die Raumfahrer praktisch auf dem Niveau von Pflegefällen - und das am Tag der Landung auf dem Mars![:0]


    Das dritte Problem, das ich sehe, ist vielleicht das komplizierteste, weil man es nicht simulieren und im Vorfeld ernsthaft erforschen kann. Wie würden Menschen darauf reagieren, völlig auf sich allein gestellt zu sein, ohne Option auf Hilfe von außen? Die Erfahrungen von der Mir, der ISS, auch von irdischen Projekten wie Biosphere (auch wenn's funktioniert hätte), kann man nicht heranziehen. Ein Astronaut in der Umlaufbahn weis immer, dass er im Notfall in drei Minuten in der Kapsel und in ein paar Stunden wieder auf der Erde ist. Wie wäre das aber in einigen Millionen Kilometer Enfernung? Im Fall des Falles könnte die Erde nicht mal per Funk effektiv helfen, angesichts mehrminütiger Signallaufzeit.


    Die Zusammensetzung der Mannschaft wäre noch so eine Frage. Wie kann man "zwischenmenschliche Probleme" ausschließen? Welche Charaktere soll man zusammenstecken? Welches Geschlechterverhältnis wäre günstig? Und womit füllt man die lange Reisezeit? Ein Marsraumschiff wäre nur ein Transportfahrzeug, keine Forschungsstation, da gibt es nicht viel (sinnvolles) zu tun. Da man nicht weis, ob die Besatzung dem psychischen Stress standhält, müsste man eh die Schiffsfunktionen weitgehend automatisieren. Gut möglich aber, dass manche Probleme gar keine sind, während anderswo unerwartete Fragen auftauchen.




    Aber Fragen kann man beatworten und Probleme kann man lösen.Und deswegen halte ich es für machbar. Auch für sinnvoll. Es würden Erfahrungen und Technologien dabei abfallen, die im Vorfeld gar nicht abzuschätzen sind. Und es würden sich garantiert Menschen finden, die es allen Gefahren zum Trotz wagen. Leider fehlen aber zunehmend diejenigen, die andere etwas wagen lassen. Ich bin noch jung, aber ich rechne eigentlich nicht damit, eine Marslandung mitzuerleben.


    P.S.: Ich denke auch, wenn es jemand macht, dann die Russen und Chinesen in Kooperation. Die USA hat (als Raumfahrtnation und als Nation an sich) den Zenit überschritten.


    Nur so ein paar Gedanken meinerseits...[;)]


    Gruß Gil