Einmal Paranal und zurück - ein Live-Reisebericht

  • Kanns immer nur wieder sagen, ein Traum was du da erlebst.
    Die Fotos zeugen von absoluter Freiheit, schön zu sehen das es noch so unberührte Fleckchen gibt die dem Himmel ganz Nahe sind.
    *schwärm*
    Eine schöne letzte Nacht wünsch ich [8D]


    Gruß, Pascal

  • Hallo Caro,


    danke für den Livebericht vom Paranal, ich bin ganz neidisch. Aber wie heißt es so schön, hätte man was anständiges gelernt :)
    Kannst Du bitte Sebastian Hönig einen Gruß von mir ausrichten? Er kann gerne mal wieder auf der Sternwarte in Donzdorf vorbeikommen und von seiner Arbeit berichten.


    Gruß aus dem Schwabenländle


    Stefan Hoyler


    Messelbergsternwarte Donzdorf

  • Hallo, Caro:
    Vielen Dank fuer Deinen Reisebericht. Keine Frage, es ist sicherlich ein tolles Erlebnis, nach Chile zu fliegen (selbst mit Air France[:D]) und auf dem Paranal beobachten zu duerfen. Aber mich wuerde mal interessieren, warum Du da immer noch selbst hinfahren musst? Ist es das "Feeling" fuers Equipment, sind es die Tausend Sachen, die auch oder gerade heute noch schief gehen koennen bei so einer Beobachtung? Lassen sich die Beobachtungsauftraege nicht (alle) so genau spezifieren, dass sie vom Loacal Staff ausgefuehrt werden koennen? Woran liegts?
    Gruss,
    Stefan

  • Hallo Caro,


    dankeschön für die Eindrücke, den Blick hinter die Kulissen und für die Fotos, die die Stimmung, insbesondere der Abgeschiedenheit der Anlage toll rüberbringen.


    Im Anschluß an Stefans Frage hätte ich auch noch eine: Mich würde interessieren, warum es das VLT ist, das du brauchst. La Silla oder auch Spanien hat doch eigentlich auch ganz gute Scherben herumstehen. Doch kaum noch einer benutzt sie...


    Ist es wegen der Interferometrie, brauchst du hochaufgelöste Daten der Flaresterne? Oder wie kann man sich das vorstellen?


    Fragen über Fragen...[:D]

  • Hallo Stefan und Ralf,


    ich denk mal eure Fragen lassen sich in einem Aufwasch klären[:)]


    Erstmal: Warum fährt man da noch hin? Tatsächlich werden die Teleskope zum größten Teil im sogenannten Service Mode betrieben, dabei spezifiziert man im voraus jede Kleinigkeit und Instrumenteneinstellung per Formular und schickt das ganze einfach ab, der Nachtastronom lädt das Formular in das Beobachtungsprogramm und hinterher kommen Daten dabei raus. Sowas geht aber nicht immer. Zum Beispiel bei einer solchen Beobachtung wie meiner, die auf einen bestimmten Tag festgelegt ist. Da kann man sich dann nicht die Bedingungen aussuchen, unter denen die Daten aufgenommen werden. Im Service Mode kann ich zum Beispiel verlangen, daß das Seeing besser als 0.6" sein soll und dann das Setup des Instrumentes entsprechend einstellen. Für meine Beobachtungen wurde schon ein Jahr im Voraus festgeöegt, die Termine sollten eben 9./10, 11/12. und 13./14. März sein, damit die gleichzeitig stattfindenden Beobachtungen mit dem XMM-Röntgensatelliten auch gleich mit fixiert sind. für eben diese drei Nächte kann ich mir das Seeing dann halt nicht mehr aussuchen, dafür kann ich dann vor Ort die Spaltbreite des Spektrographen und das sinnvolle Binning der CCD festlegen. Hinzu kommen die erforderlichen Belichtungszeiten. Bei Flaresternen wie meinem Hauptobjekt Proxima Centauri sind die Helligkeiten extrem variabel, so daß man häufig während der Nacht kurzfristig die Belichtungszeit anpassen muß. Solche Entscheidungen kann und darf der Nachtastronom nicht für mich treffen, die Verantwortung für die Einstellungen unter denen die Aufnahmen gewonnen werden liegt einzig und alleine bei mir. Ansonsten könnte man ja hinterher sagen "Also so wollte ich das aber nicht haben".


    So. Und warum nun ausgerechnet dieses Teleskop und dieses Instrument? Keine Sorge, darum muß man sich schon beim Beantragen des Projektes Gedanken machen, sonst ist die Begründung für die Ablehnung meist, daß man die Beobachtung auch woanders einreichen könnte[8D] Ich brauche nun kein Interferometer, ich nehme Spektren auf. Hochaufgelöst Spektren mit möglichst guter Zeitauflösung von Objekten, die nicht besonders hell sind. Da braucht es also schon ein möglichst großes Teleskop. Nur sehr wenige Instrumente weltweit erfordern die Anforderungen, die ich an die Spektren habe, nämlich die entsprechende Auflösung bei gleichzeitiger Abdeckung des blauen Spektralbereichs bis herunter zu 330 nm bei gleichzeitiger Abdeckung des rotn Bereiches bei 1 mu. Keck HIRES wäre eine Möglichkeit, aber an Keck kommt man als Europäer nicht heran. Der FEROS-Spektrograph auf La Silla schafft den Spektralbereich so nicht, außerdem hängt er dort an einem 2.2m Teleskop, die Belichtungszeiten verfünfzehnfachen sich also. Daß ich ausgerechnet UVES brauche, hat also schon seine Gründe. Daß auf La Silla oder dem Calar Alto nichts mehr los ist, stimmt aber so nicht. Klar, der Andrang auf die Großen Teleskope der 8m-Klasse ist größer, aber alle Teleskope die an guten Standorten stehen, sind ausgelastet, es gibt jede Menge Wissenschaft, für die ein 3.5m-Teleskop wie das auf dem Calar Alto völlig ausreicht. Da wissen auch die Wissenschaftler die solche Projekte durchführen und sie beantragen ihre Zeit dort. Dank des geringeren Andranges sind die Chancen, die beantragte Zeit auch zu bekommen, dann nämlich größer[:)]


    Caro

  • Hallo, Caro:
    danke fuer die Info. Gibt es denn noch keine Moeglichkeit der Remotesteuerung zumindest in einer Form, dass Du die Daten vom Paranal ueberspielt bekommst und dann den Nachtastronomen Anweisung geben koenntest (im Sinne von "Kapitaen an Maschinenraum: Belichtungszeit auf 30s!")? Oder laesst sich die Fuelle an Informationen zu den Einflussfaktoren, die fuer solche Steuerungsentscheidungen relevant sind, noch nicht adaequat uebermitteln?
    Gruss,
    Stefan (der gerade in Paris Daten analysiert, die er grundsaetzlich auch online in Berlin haette analyisieren koennen, aber dann nicht den unmittelbaren Kontakt zu den Leuten haette, die die Daten erhoben haben)

  • Hallo Caro,


    ergänzend zu Stefan und Ralf hätte ich auch noch eine Frage:
    werden solche Messungen eigentlich auch per Remote-Zugang gemacht?
    D.h. Du hast in Echtzeit Einfluß auf die Messung, arbeitest aber per
    RemoteControl (oder X11, läuft ja sicher alles unter Unix/Linux)
    auf dem/den Steuerrechnern.


    Viele Grüße,
    Jens

  • Richtige Remote-Steuerungen gibt es bei Teleskopen dieser Größenordnung eigentlich nicht, und das aus gutem Grund. So ein Teleskop hat schließlich eine ganze Menge gekostet, und auch der laufende Betrieb ist nicht ohne. Jede Minute Beobachtungszeit läßt sich also praktisch in einen Geldwert umrechnen. Die Leute vor Ort, die sich um die Teleskope und Instrumente kümmern, wissen genau, wie sie die Zeit am optimalsten ausnutzen können. Nun stelle man sich außerdem vor, es kommt zu irgendeiner Fehlfunktion, während ein unerfahrener Beobachter das Teleskop bedient. Da kommt es dann womöglich zu ernsthaften Schäden, während der Nachtastronom genau weiß, was er in solchen Situationen zu tun hat.


    Ein anderer Aspekt ist: Eine Remote-Steuerung ist immer von Dingen abhängig, auf die weder der Beobachter noch die ESO Einfluß haben, zum Beispiel die Qualität der Internetleitung, Stromausfälle etc. Da ist das Risiko einfach zu groß, daß die Verbindung abbricht oder dergleichen. Aus diesem Grund ist auch eine Remote-Komunikation von anderswo mit dem Nachtastronom nicht erwünscht. In solchen Situationen muß man sofort reagieren können. Mögliche Ausfälle würden insgesamt viel kostenintensiver kommen als die Besucher der Wissenschaftler vor Ort.


    Caro

  • Vielen Dank Caro![:)] Nun sind mir die sehr hohen (technischen) Anforderungen in Bezug auf die Datengewinnung klarer geworden.


    Wünsche dir, daß du die Zeit so effektiv wie möglich nutzen kannst/schon konntest und insbesondere gutes seeing!


    Und für uns Leser: Bitte noch ein paar bildunterlegte Infos...[:I]

  • Alles das was Caro geschrieben hat ist absolut richtig.
    Ich möchte vielleicht noch einige Kleinigkeiten anfügen:
    Das was man landläufig "Teleskop" nennt ist eigentlich einmal der grosse Reflektor, aber, genauso wichtig, meist auch ein hochkomplexes Instrument (despektierlich "Kamera") was hinten dran hängt. Und diese Instrumente sind teilweise sehr empfindlich, müssen justiert werden uswusw...


    Und natürlich stimmt es auch dass es organisatorisch (und finanziell) ab einer gewissen Komplexität heute noch wesentlich effizienter ist, Astronomen verreisen zu lassen als Vorgänge zu robotisieren. Denn remote Betrieb bedeutet immer auch drastisch höhere Anforderungen an Redundanz, Ausfallsicherheit und Fehlerkontrolle.
    Ein -nicht ganz richtiger, aber auch nicht ganz falscher- Vergleich:
    HST und VLT sind vermutlich ähnlich komplex. Gekostet hat HST mehr als das zehnfache, selbst wenn man die Shuttleflüge abzieht. Das liegt natürlich nicht nur, aber ein wenig auch, daran dass HST naturgemäss vollständig aus der Ferne betreibbar sein muss.


    Man muss aber auch zugestehen dass die Grenzen des machbaren und sinnvollen stetig verschoben werden - erste zaghafte Ansätze machte ESO beim NTT, und was da anfangs noch sehr schwierig war ist an anderen Teleskopen heute Realität. Ich persönlich vermute dass mit den nächsten Generationen dann auch Remotebetrieb bis an die jeweils komplexesten Observatorien heranreichen wird - sicherlich nicht als einzige Möglichkeit, aber als Option.
    Mancherorts ist das sogar fast notwendig - ALMA wird z.B. auf 5000m ü NN stehen, und das wirft bereits ernste Akklimatisationsprobleme für kurze Besuche auf.


    Nur - remote observing hat seine eigenen Freuden, und seine eigenen Belastungen.
    Vielleicht könnte es ja mal "Einmal Sofa und zurück - ein Live-Bericht" geben [;)]

  • Und eines noch, was wie ich finde auch in Caros Berichten sehr schön rüberkommt: Auch Astronomen sind nicht völlig leidenschaftslos nur darauf aus Daten in die Hände zu bekommen und am Schluss einige Fakten zu extrahieren um sie auf 4 Seiten aufzuschreiben. Zusätzlich zu den professionellen und persönlichen Kontakten mit Kollegen <i>lernt</i> man unendlich viel über instrumentelle Möglichkeiten und Grenzen, "seinen" Datensatz, indem man selbst die Beobachtungen antellt - und das hilft ganz gewaltig bei der richtigen Einordnung der Ergebnisse!

  • Hallo!


    Ich hatte mir Caro's Antwort faßt schon gedacht, aber wollte
    doch mal fragen. Als Vorteil hätte ich mir vorstellen können,
    daß man so kritische Entscheidungen, die von den auflaufenden Daten
    abhängen, ggf. leichter mit den Kollegen der eigenen Arbeits-
    gruppe besprechen kann (und natürlich mit dem Nachtastronomen,
    der das absichert und im Zweifelsfall die Bedienung der Software
    übernimmt).


    Da ich selber auch mit Schraubenzieher und Lötkolben Laserspektroskopie
    gemacht habe, würde ich im Zweifelsfall auch lieber sehen wollen, wo meine
    Daten herkommen. Wie groß ist eigentlich die Mannschaft, die sich vor Ort
    um die diversen Spektrometer, Kameras und die Interferometrie kümmert? Ich
    finde es immer wieder erstaunlich, daß man derart komplexe Installation doch in einem
    mehr oder weniger routinemäßigem Modus betreiben kann.


    Viele Grüße,
    Jens

  • Hallo Caro,
    dieser Reisebericht ist ein wahrer Genuß. Er ist für mich wie ein
    Wechselbad aus Staunen und Schwärmen. Deine Schilderungen geben
    einem das Gefühl, dabei zu sein.
    Vielen Dank dafür.
    Horaz kann es besser ausdrücken als ich:


    Der heißt Meister im Fach, wer Nutzen verbindet mit Anmut,
    Wenn er ergötzen zugleich und Belehrung bietet dem Leser.

  • So langsam muß ich mich daran gewöhnen daß es bald heißt: Abschied nehmen vom Paranal. Meine letzte Beobachtungsnacht läuft, und man muß sofort am Tag danach das Observatorium verlassen. Da ich die ganze Nacht bis in die Morgendämmerung beobachte, bedeutet das, daß man sich auch nicht richtig ausschlafen kann, bevor es zurück nach Antofagasta und von dort nach Santiago geht.



    Zeit also für ein "I was here"-Bild, bevor es zum letzten Mal auf der Beobachtungsplattform dem grünen Blitz nachgejagt wird. Die Sicht schien am späten Nachmittag zwar besser zu sein als die Tage zuvor, aber am Kontrollzentrum angekommen fuhr kräftiger Wind in meine nicht vorhandene Frisur. Oben auf der Plattform blies der Wind mit kräftigen 13 m/s, trotzdem haben es Sebastian und ich uns nicht nehmen lassen, erneut mit Kameras bewaffnet die Abendstimmung einzufangen.



    Die tiefstehende Sonne hüllt die Teleskope, hier eines der Hilfsteleskope für das Interferometer (im Hintergrund Sebastian) im hübsche Farbkontraste. Ähnlich mit den Unit Telescopes 1, 2 und 3, An
    tu, Kueyen und Melipal.



    Die Sonne nähert sich langsam dem wieder wolkenverhangenen Pazifik, doch diesesmal konnte ich keinen Green Flash erwischen. Zeit also, den kleinen Mak sicher für die Heimreise zu verpacken. Aber erst geht es an die Teleskope. Ich wieder an UT2 mit UVES, Sebastian hat in der ersten Nachthälfte gleich zwei der großen Teleskope, UT1 und UT3 zusammengeschaltet mit dem Interferometer.


  • Hallo Carolin,
    ich hoffe, dein Bericht geht noch ein bisschen weiter und du erzählst uns nun, ob deine Untersuchungen an Proxima Centauri auch erfolgreich waren. Ich denke mir zwar, dass du die nächsten Monate damit beschäftigt sein wirst, die gesammelten Daten zu verarbeiten, hoffe aber, schon bald mal ein Fazit zu bekommen.
    Jedenfalls war dein Life-Bericht vom Paranal sehr informativ und auch kurzweilig.
    Ich hoffe, du machst noch viele interessante Reisen nach Chile und ebensolche Live-Berichte!
    CS
    Timm

  • So, endlich ausgeschlafen [:o)]


    Zurück im Guesthouse in Santiago kann ich mich nun ein wenig der Erholung widmen - und noch schnell den Vortrag zuende vorbereiten, den ich morgen im Hauptquartier der ESO halten werde.


    Erstmal noch ein wenig zür Rückreise: Nach ganzen vier Stunden Schlaf hieß es wieder in den kleinen klimatisierten Luxus-Reisebus einsteigen, den die ESO für die Transporte von Antofagasta zum Flughafen meistens mietet. Am Kontrollposten gebe ich die Magnetkarte "Visitor 215", die mir das Betreten des Kontrollraumes ernöglicht hat und die man beim Essen artig jedesmal durch den Scanner der Kantine ziehen durfte, wieder ab, und weiter gehts. Ein letzter Blick zurück:



    Auf der Fahrt versuchte ich ein wenig zu schlafen, was aber nicht ganz so leicht ist. Zwar ist die Straße inzwischen durchgängig geteert (was vor drei Jahren noch nicht der Fall war), aber die Fahrt ist nach wie vor unruhig. Stephane, den ich schon bei meinem letzten Aufenthalt dort getroffen hatte und der mich doch glatt sofort wiedererkannte, meint es läge inzwischen an den Qualitäten des Busfahrers[:D]


    Immerhin atte ich dadurch die Gelegenheit die eine oder andere Windhose über dem Wüstensand mit der Kamera su erwischen



    Nachdem man Antofagasta durchquert hat, hat man auf dem Weg zum Flughafen kurzzeitig freie Sicht auf das Wahrzeichen der Kupferminenstadt, die Portada. Ein Teleobjektiv braucht es dann aber schon



    Wie auf dem Hinflug bekomme ich diesmal im Flieger einen Gangplatz ab, also wieder keine Chance, die Großobservatorien entlang der Flugstrecke - Paranal, La Silla, Las Campanas - abzulichten, was mir vor drei Jahren leider nur mit der kleinen Digiknipse vergönnt war. Gerade bei der tiefstehenden Sonne zum Abend hin hätte das einen schönen Anblick gegeben. Als wir in Santiago ankommen, ist es bereits dunkel und man sieht die riesengroße Stadt mit ihren Lichtern von weitem inmitten der hohen Andengipfel. Ein Taxi-Van bringt die ESO-Mitarbeiter, die mit mir zurückgeflogen sind, nach Hause und mich zum Guesthouse, wo ich mir erstmal eine lange Schlafpause gönne. Dank in Chile vorgezogener Winterzeitumstellung sogar noch eine Stunde mehr [8D]

  • Hallo Caro


    danke für den schönen Beitrag,
    der ist so ganz anders als die astrophysikalischen Moderatorenbeitrage.
    Vielleicht kommen ja noch Ergebnisse.


    Tut mir ja Leid das mit der Blitzabschiebung, wirst wohl deinem Heimatinstitut zur Datenauswertung zugeführt?


    Gruß Frank

  • Die "Blitzabschiebung" ist völlig normal.


    Der Paranal ist ein wunderbarer Standort für astrophysikalische Beobachtungen im optischenund im nahen Infrarot, und das bei einigermaßen vernünftigen Standortfaktoren: Hochgelegen (normalerweise weit über der Inversionsschicht), niedrige Luftfeuchte, nicht zu hohe Windgeschwindigkeiten, etc. Viele dieser Faktoren ließen sich weiter optimieren, aber dadurch fängt man sich oft auch Nachteile ein. ZUm Beispiel die Höhe. Liegt das ganze zu weit oben bekommt man vor Ort Höhenprobleme (wie das zum Beispiel auf dem über 4000m hohen Mauna Kea häufig passiert). An der sich westlich von Antofagasta befindlichen Site Chajnantor für das ALMA-Submillimeter-Array auf über 5000m Höhe hat es den Großteil des Jahres extrem geringe Luftfeuchtigkeiten - aber auch den bolivianischen Winter mit extrem hoher Luftfeuchte, Schnee und Regen. Vom Paranal aus sieht man den sich in ca. 20km Luftlinie befindlichen Cerro Armazones, auf dem sich ein Observatorium der Universität von Antofagasta befindet. Das neuartige Hexapod-Teleskop hat die Ruhr-Universität Bochum aber absichtlich unterhalb des über 3000m hohen Gipfels in der Nähe aufstellen lassen, der Berg selber ist sturmgeplagt.

    Der Paranal ist in gewisser Hinsicht also ein guter Kompromiß. Außerdem gilt: Das Observatorium ist innerhalb von zwei Stunden vom nächsten Flughafen aus per nicht-notwendigerweise-allradgetriebenem Auto erreichbar, dort oben in der Wüste keine Selbstverständlichkeit. Trotzdem befindet man sich ja nicht in einem netten Ferienressort. Mitten im Nirgendwo heißt nunmal, daß man alles heranschaffen muß. Täglich liefern mehrere große Tanklaster Trinkwasser aus Antofagasta. Strom mit mit einer hauseigenen Gasturbine erzeugt, das Gas muß aber wie das Wasser angeliefert werden. Internet gibt es nur dank eines Mikrowellensenders, der die Daten an eine Relaisstation nahe Antofagasta überträgt. Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände, alles muß angeliefert werden, dazu der stetige Pendelverkehr der Leute, die zum Arbeiten jeweils nur bis zu zwei Wochen auf dem Berg bleiben. All das ist irgendwo Luxus, der Geld kostet. Daher auch die Politik, daß man nur maximal zwei Tage vor Beginn der Beobachtungen anreisen kann um sich zu akklimatisieren und vorzubereiten, und sofort nach der letzten Nacht auch wieder weg muß. Jeder überzählige Bewohner verbraucht Kapazitäten, und sei es nur, daß er das Zimmer in der Residencia belegt.


    An den Fliesen in der Dusche erinnert einen ein Aufkleber daran, doch bitte mit dem Wasser sparsam zu sein. Im Gegensatz dazu ist den Chilenen ein solches Nachhaltigkeitsbewußtsein und auch umweltfreundliches Verhalten, wie es hier für uns an der Tagesordnung wäre, aber noch lange nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Der Bus wartet mal eben eine halbe Stunde bei laufendem Motor, geöffneter Fahrertür und hochedrehter Klimaanlage auf seine Passagiere. Die Straßenränder nahe den Städten strotzen nur so vor Abfällen, ähnlich wie man es auch aus einigen südeuropäischen Ländern kennt. Leider hat in den drei Jahren seit meinem letzten Besuch die in Guesthouse und Residencia ausgegebene Mineralwassermarke gewechselt. Die alte trug einen grünen Punkt auf dem Etikett[:D]

  • Hi Caro,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">... Im Gegensatz dazu ist den Chilenen ein solches Nachhaltigkeitsbewußtsein und auch umweltfreundliches Verhalten, wie es hier für uns an der Tagesordnung wäre, aber noch lange nicht in Fleisch und Blut übergegangen... <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Wollen wir doch nicht hoffen, dass sie uns in allem Nacheifern, und alle 50m eine Straßenlaterne und Skybeamer aufstellen. ... und ein Bus kommt, wenn er regelmäßig ein paar Fahrgäste hat, inkl. Laufenden Motor, allemal günstiger, als wenn jeder ein Auto nimmt, und damit 30min vor'm Elbtunnel im Stau dümpelt. Den Stau gäb's dann gar nicht, wenn alle Bus fahren würden.


    Gruß
    und gute Heimreise

  • So. Der offizielle Teil der Veranstaltung ist beendet[:o)]


    Heute um 11:30 brachte mich ein Taxi vom Guesthouse in Las Condes in das Nobelviertel Vitacura, wo die ESO ihr Hauptquartier hat



    Zuerst schien es, als hätte man mich und meinen angekündigten Vortrag vergessen, aber schließlich und endlich fanden sich dann doch die Zuhörer zur Präsentation meiner älteren Beobachtungsdaten und der Ergebnisse, die wir daraus gewonnen haben, zusammen. Wie so häufig überzog ich mal wieder die Zeit, aber das Publikum war immerhin interessiert und konnte auch ein paar gute Tips für die Planungen neuer Beobachtungen beisteuern.



    Das ESO-Hauptquartier liegt - wie sollte man es anders erwarten hier in Chile - mal wieder in einer von einer Handvoll fleißigiger Gärtner gepflegten Grünanlage. Das Bürogebäude der Wissenschaftler beinhaltet helle, freundlich eingerichtete Räume, in denen die Leute zu dritt in kleinen Runds ähnlich den Stationen der Teleskope auf dem Paranal arbeiten. Da aber häufig von drei Leuten zwei entweder auf La Silla oder auf dem Paranal Dienst tun, ist häufig nur eine Person pro Rundecke da.


    Den Rückweg zum Guesthouse trete ich zu Fuß an, auch wenn ein Taxi für die 5km nicht mehr als zwei Euro gekostet hätte. Immerhin, Vitacura und Las Condes sind Viertel, durch die man tagsüber einen völlig ungefährlichen dreiviertelstündigen Fußweg auch mal machen kann. Vitacura zeigt sich so als ausgewachsene Edelmeile, mit Boutiquen vom großen Armani-Schriftzügen und ähnlichem. Das ruhige Las Condes ist auch eine der besseren Wohngegenden, wie wir ja schon gesehen haben. In der Nähe der Escuela Militar, wo sich auch die U-Bahn-Station in Richung Innenstadt befindet, hat man noch die Botschaften "kleinerer" Länder wie Mexiko oder der Philippinen auf der Wegstrecke. Dieser Anblick wird bald abgelöst von Einfamilienhäusern, einige in etwas eigenwilliger Bauweise. Das Sicherheitsbedürfnis der Chilenen bleibt aber allgegenwärtig, alle paar Meter steht ein Häuschen mit einem Pförtner oder Sicherheitsbeamten, auch in dieser Einfamilienhaussiedlung. Daß alle Häuder von hohen Hecken, Mauern und Zäunen mit größen Sicherheitstoren umgeben sind, ist hier normal.


    So einen Job wie Portier, Nachtwächter, Kindermädchen oder Putzfrau hat in Chile ein Großteil der Bevölkerung, und natürlich werden diese Tätigkeiten nicht wirklich gut bezahlt. Die Schere zwischen arm und reich klafft recht weit auseinander, und Kinder aus den unteren Schichten haben so gut wie keine Chance auf höhere Schulbildung oder gar ein Studium. Englischkenntnisse sind eine Seltenheit, so daß ich recht verblüfft war, daß man mir heute in der kleinen Cafeteria, wo ich mit den Jungs von der ESO nach meinem Vortrag essen war, nicht bei der Übersetzung meiner Bestellung helfen mußte.


    Trotz der heißen Nachmittagstemperaturen komme ich zügig am Guesthouse wieder an, Zeit für ein Bad im Pool und danach in der Sonne[8D]


  • Hallo Caro,


    hab Dank für Deinen schönen Livebericht von der, sicherlich für viele von uns, interessantesten Location der Erde. Auf mich wirkte es gar so, daß gerade diese Reisen, Expeditionen die Schmankerl sind für einen auf der anderen Seite doch sicher routinierten Beruf.

  • Hallo Caro


    deine Kritik verstehe ich nicht ganz,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">So einen Job wie Portier, Nachtwächter, Kindermädchen oder Putzfrau hat in Chile ein Großteil der Bevölkerung<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    die arbeiten ganz genau das was die welche das Geld haben bezahlen, aber das ist in Deutschland auch so, und wenn du nicht für 2€ Taxi gefahren bist, muß der Taxifahrer nächsten Monat die vom laufen staubigen Schuhe putzen.


    Das nennt man Dienstleistungsgesellschaft, genau das was unsere Politiker immer fordern.


    Gruß Frank

  • Mit dem Unterschied, daß es dort eher eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist. Ähnlich wie - entschuldigung - in der ehemaligen DDR. Nehmen wir das Gesthouse. Dort arbeiten insgesamt drei Leute in der Verwaltung (Organisation des Guesthouses selber, Reiseplanung für die Gäste), dazu ein Koch, zwei Küchenhilfen, zwei Gärtner, zwei Reinigungskräfte. Und das alles für durchschnittlich 4-6 Gäste gleichzeitig. Hierzulande würden all diese Tätigkeiten von maximal zwei Personen übernommen werden, aber in Chile ist es ein Statussymbol, derart viele Beschäftigte zu haben. Es ist sogar so, daß du schief angeguckt wirst, wenn du zu den Besserverdienenden zählst, aber der Meinung bist für dich selber kochen zu wollen. Und als Ausländer bist du immer Besserverdienender. Der typische Monatslohn einer solchen helfenden Hand liegt dann aber auch nur bei umgerechnet 200 Euro. Und auch wenn in Chile alles günstiger ist, zum Leben reicht das vorne und hinten nicht. ESO zahlt den Angestellten mehr, läßt sie in ihrer Freizeit im Internet surfen etc. Dein Kind aufs Gymnasium schicken kannst du davon trotzdem nicht. Dienstleistungsgesellschaft ist für mich etwas anderes.


    Chile ist ein Land, in dem bis vor gar nicht so langer Zeit viele Leute beim Militär beschäftigt waren. Diese Kapazitäten abzubauen war und ist nicht einfach. Hinzu kommt, daß der Moloch Santiago mit seinen mehr als 5 Millionen Einwohnern (8 Millionen im gesamten Ballungsgebiet) stetig weiterwächst, und daß obwohl schon fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung des Landes in der Hauptstadt lebt. Wovon sollen die Leute leben?

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Caro</i>
    Hierzulande würden all diese Tätigkeiten von maximal zwei Personen übernommen werden, [...]
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Erinnert mich ein bischen an den Besuch des Mannheimer Fernsehturms vor vielen Jahren mit meiner damaligen Freundin...


    Man kommt also in der Eingangshalle an. An der Info-Theke ein Inder, der die Karten für den Lift verkauft. Gut, zwei Karten gekauft gehen wir weiter zu den Türen des Lifts. Da steht dann besagter Inder als Aufzugwärter. Oben angekommen und, nach einiger Zeit genug gesehen auf der Aussichtsebene möchte ich im Kanzel-Restaurant noch einen Kaffee trinken. Ich setze mich also hin und warte kurz auf die Bedienung und es kommt.... richtig! [;)]

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!