Astronomie - warum ?

  • Einen schönen guten Abend allerseits,


    Eine Frage, die ich durch mein Hobby immer wieder gestellt bekomme ist: Wozu betreiben wir eigentlich Astronomie? Was haben wir davon, wenn wir wissen was sich auf dem Mars tut? Was bringt uns das Wissen, woraus Tausende von Lichtjahren entfernte Sterne entstehen? Welchen nachhaltigen Nutzen hatte die Astronomie bisher und was ist in Zukunft noch zu erwarten?


    Ein wichtiger Faktor ist dabei für mich die natürliche Neugier des Menschen. Der Drang wissen zu wollen, was sich "da oben" genau abspielt und warum es sich so abspielt. Aber in Zeiten von Wirtschaftskrise und Kapitalismus stellt sich die Frage ob das alleine ein Grund sein kann, dass man riesige Schüsseln mit bis zu 100 Metern Durchmesser baut, um Radiostrahlen aus den Tiefen des Alls zu empfangen. Es stellt sich für mich vor allem folgende Frage:


    Inwiefern ist diese alte Wissenschaft noch mit der heutigen Zeit zu vereinbaren?



    Ich gehe nun ins Bett und hoffe, morgen schon den ein oder anderen Kommentar lesen zu dürfen.


    CS, Tomas.

  • Hallo Tomas,


    es lässt sich immer darüber streiten, an welcher Stelle Geld sinnvoll investiert ist. Über den rein wirtschaftlichen Nutzen von Astronomie, bemannter und unbemannter Raumfahrt findest du viele Diskussionen im Internet.


    Die Welt zu erforschen und ggf. zu verstehen, in der wir leben, ist ein Grundverhalten des Menschen! Stelle dir vor, Menschen wären in der Vergangenheit nicht dieser Neugier nachgekommen und/oder hätten sich individuellen Gefahren nicht gestellt. Wo würde sich die Menschheit heute befinden? Du hast natürlich Recht, dass das Geld auch in andere Bereich investiert werden könnte, welche dem Menschen direkt helfen. Ich denke, da würde es aber ganz andere Bereiche geben, von denen man Geld "abzwacken" könnte, als Wissenschaft ...


    Natürlich ist dieser Bereich viel facettenreicher und man könnte überlegen, in welchem Rahmen Ökonomie Naturwissenschaft vorantreibt, diese bremst oder neue Erkenntnis für kriegerische Handlungen genutzt werden - oder alles umgekehrt. Je detaillierter wir die Welt verstehen wollen, desto höher sind häufig die Kosten - zumindest für die Naturwissenschaft.


    Somit beziehen sich meine Überlegungen lediglich auf den Kern deiner Frage: Menschen werden die Welt erforschen, weil sie es können.


    Liebe Grüße


    Christoph Lohuis.


    http://www.avgb.de

  • Hallo,


    irgendwo hab ich mal gelesen:"6 Millarden Menschen beschäftigen sich mit einem kleinen unscheinbarem Haufen zusammengeklumpten Staubs, 10.000 mit dem Rest der Welt." [;)]


    Dass die Astronomie auf den ersten Blick wenig Handfestes in unseren Alltag bringt ist sicher richtig, aber behält man die Relationen im Blick ist der Wissenschaftszweig nicht gerade unwichtig - und was immer wieder gerne vergessen wird: Die Erde ist ein beliebiger winziger Ort der in Minuten aufhören kann zu existieren wenn kosmische Ereignisse das "für richtig halten" [:D] Gut, ändern kann man dann trotzdem nichts (noch nicht) aber unwichtig ist es dadurch noch nicht. Vor allem finde ich die Astronomie ein probates Mittel gegen menschliche Arroganz, jedes Jahrhundert werden wir ein Stückchen näher an unsere wahre Position im Universum "zurechtgerückt" - und das werden wir sicher noch das ein oder andere Mal ganz erheblich, was sich auch nachhaltig auf unser Verhalten auswirken <b>sollte</b> - sorry klang jetzt sicher etwas sehr pathetisch, kam mir aber so in den Sinn [:o)]


    Grüße Benny

  • Hallo!


    Die natürliche Neugier des Menschen sichert sein Überleben. Das war schon in der Steinzeit so, als die Menschen aus Neugier mit Feuersteinen spielten und das Feuer als Wärmequelle und Schutz entdeckten.


    Heute kann diese Neugier vllt. in nicht allzu ferner Zukunft den Menschen vor einem globalen Killer aus dem All schützen. Deswegen rattern viele Teleskopmotoren nur für die Suche nach NEOs und anderen Objekten, die uns gefährlich werden könnten.


    Um unsere Zukunft, also die unseres Planeten und unseres Sternes, verstehen zu können, müssen wir in das All und damit in die Vergangenheit auf andere Sterne gucken.

  • moin
    ich halte die Astronomie auf zwei ebenen für eine 'wichtige' (gut, gibt kaum eine unwichitge) Wissenschaft.
    Einmal ist sie ein Test für (größtenteils) die Physik, die Chemie und hoffentlich auch der Biologie, indem sie uns verschiedenste Umgebungen zeigt und untersuchen lässt.
    Andererseits hilft sie uns, an ein Verständnis des Universums als Ganzes heranzukommen. Sie zeigt uns, wie schon meine vorredner sagten, unseren Platz im Universum (oder besser: prüft, was wir dafür halten) und gibt uns einen immer grßeren Einblick in den Kosmos.


    Tomas, deine Frage könte man erweitern: Wieso überhaupt nicht-anwendungsbezogene (Grundlagen-)Forschung? Wenn man die utilistische Schiene fährt ist das ganz klar: Aus Grundlagen ergeben sich Anwendungen und aus neuen Grundlage ergeben sich neue Anwendungen.
    Mehr idealistisch gesehen ist es das Verstehen selbst, und die Neugier, die den Menschen auszeichnen. (gut wenn man nach dem Warum dies? fragt, kommt auc wieder der Nutzen bei raus)


    das mal meine Überlegungen dazu,
    cs
    jonny

  • Hallo Tomas,


    Astronomie ist Grundlagenforschung. Und ohne Grundlagenforschung wird es langfristig keinen Fortschritt geben.
    Ohne das Wissen aus der Astronomie wäre früher keine Navigation in der Seefahrt möglich gewesen und wir hätten keine Raumfahrt. Und ohne Raumfahrt würde unsere Welt eine völlig andere sein. Denk mal darüber nach, welche vielfältigen Aufgaben heute Satelliten haben. Ohne die gäbe es keinen Astrotreff.
    Vielleicht löst das Wissen um die Vorgänge in der Sonne in den nächsten Jahrzehnten unsere Energieprobleme. Und vielleicht verhindert die Astronomie eines Tages, dass es uns so ergeht wie den Dinosauriern.
    Grundlagenforschung ist fast nie von kurzfristigem finanziellen Nutzen, aber ohne sie wird Sience Fiction immer Fiktion bleiben.


    Gruss Heinz

  • Hallo,


    darüber kann man immer streiten.


    Als erstes würde ich entgegnen, gerade Bankenkrisen und andere unschöne Auswirkungen des "Kapitalismus" geben uns einen Hinweis, daß Geld nicht alles in unserem Leben sein kann. Kapitalismus liefert keine Argumente, z.B. Astronomie <i>nicht</i> zu betreiben. Oder Kunst. Oder Musik. Oder alle anderen geistigen Dinge, die die menschliche Existenz über das bloße Konsumieren, fressen, saufen und kopulieren herausheben.


    Man könnte auch faststellen, daß, als Galileo damals als erster Mensch sein Fernröhrchen gen Himmel gewendet hat - aus tiefer menschlicher Neugier heraus - er ein gesamtes Weltbild eingestürzt hat, gewissermaßen erst den Weg in die heutige Zeit geebnet hat. Soviel zum Nutzen.


    Der Nutzen von Forschungen ist überhaupt nie absehbar, kann aber zu etwas führen. Aber selbst das ist noch kein Grund, sie zu betreiben. An dieser Stelle wird es philosophisch - <i>warum</i> sollte der Mensch überhaupt irgendetwas tun? Was treibt den Menschen an, mehr zu tun, als notwendig ist, um die Zeit bis zum Grab zu überstehen? Warum gibt es Superreiche, die superunglücklich sind?


    Geld dient einem Zweck. Geld wurde nicht erfunden, um es zu besitzen, sondern als Werkzeug, damit Menschen leichter das tun können, was sie <i>eigentlich</i> tun wollen. Neben der Deckung meiner Grundbedürftnisse dient es mir z.B dazu, mir ein Fernrohr zu kaufen. Das habe ich gern, da muß niemand einen Sinn darin erkennen.
    Das ist schon in Ordnung so. Das größte Gut ist die Freiheit, und da gibt es immer Menschen, die gerne seltsame Dinge tun wollen, und tun.


    Der Mensch hat Bewußtsein. Dies führt zu den ganzen seltsamen Zwängen, denen Menschen auf der verzweifelten Suche nach einem Sinn unterworfen sind. Unter anderem dazu, mit den größten technisch machbaren Teleskopen das All zu durchsuchen.


    Die kosten eh nur einen Bruchteil des Geldes, daß zur Bankenkrise vernichtet wurde. Tausende Milliarden Euro, die aus bloßer Gier und Dummheit zerstört werden, überhaupt die riesige menschliche Dummheit, lassen mich fast verzweifeln.
    "Verschrobene" Wissenschaftler, die die Geheimnisse des Kosmos entschlüsseln wollen, geben mir hingegen einen Hoffnungsschimmer.


    Gruß
    Julian

  • Hallo miteinander!


    Heinz hat in's Schwarze getroffen! Genauso ist es! Man könnte ja auch mit Gegenfragen antworten: Warum hören wir Musik? Warum komponieren manche Menschen? usw. Warum tun wir überhaupt etwas und liegen nicht freiwillig den ganzen Tag im Bett und starren die Decke an?
    Außerdem, wenn sich alle nur für Fuß.... (ich weiß, es kommt Pilz [:D]) und Kneipe interessieren würden, wäre es schön fad! Ein großer Teil der Bevölkerung kennt halt nicht mehr und das sind dann die, die so blöd fragen, ganz einfach.


    Gruß


    Gerhard


    Entschuldigung! Sex und Fernsehen habe ich noch ganz vergessen. Ersteres zu vergessen,ist kein Wunder in meinem Alter.[:D]

  • Hallo Tomas


    Astronomie - warum?


    Dazu fällt mir spontan ein Zitat ein,


    "Das größte Mysterium, sehe ich in meiner eigenen Existenz"


    Astronomie sehe ich nicht nur als reine Wissenschaft und Geschichtlich gesehen war sie das auch nicht immer.
    Astronomie wird oft auch als die älteste aller Wissenschaften bezeichnet, da der Mensch schon sehr früh die Abläufe und Erscheinungen versuchte zu deuten und zu interpretieren, diese aber nicht durchschaute, und so gab er sich der macht der Götter hin und projizierte diese an den Himmel. Deshalb auch die Sternbildnamen und Planetennamen usw.
    Astronomie, war also zuerst Religion, dann Philosophie und erst quasi in der Neuzeit wurde sie zur Wissenschaft.


    Der Mensch weis heute sehr viel über die Natur, doch ist er dem Mysterium seiner eigenen Existenz genau genommen noch nicht viel näher gekommen. Ganz im Gegenteil, die Wissenschaft hat dem Menschlichen Dasein ein paar gewaltige Seitenhiebe beigebracht, welche heute grob in den sogenannten 4 Kränkungen, oder Demütigungen zusammen gefasst werden.
    1. Das Ich erkennt sich selbst als ein Teil der Welt.
    2. Die Erde und mit ihr der Mensch ist nicht der Mittelpunkt der Welt
    3. Die Menschheit ist in das Entwicklungssystem der Organismen eingegliedert. (Evolution)
    4. Die menschliche Seele ist phylogenetisch entstanden, auch das Bewusstsein besitzt nicht die ihm zugeschriebene Unabhängigkeit von der physikalisch-biologischen Natur.


    Und es stehen auch schon weitere Kränkungen aus der Erkenntnistheorie und der Neurobiologie an. Häufig gehen Erkenntnisgewinn und die daraus folgende Kränkung für den Platz des Menschen Hand in Hand.


    Astronomisch gesehen, dürfte die Kosmische Evolution, welche auf dem Urknallmodell aufbaut wohl deren Tiefgreifernster Aspekt sein?!
    Leider ist bis heute die Wissenschaft nicht in der Lage alles zu beantworten und lässt hier wichtige Fragen offen, so ist z.B. der Physiker nicht in der Lage zu sagen, was räumlich hinter dem explodierten All mit seiner Ausdehnung von ca. 16 Milliarden Lichtjahren liegt, und ebenso Zeitlich, was vor dem Urknall wahr.
    Oder hat der Mensch überhaupt wirklich begriffen was Raum und Zeit in ihrer letzten Wirklichkeit sind?!


    Hier kommen wir eben zu den Weltbildern und dazu, wie sich der Mensch in seiner Umwelt definiert.
    Auch hier lehrt uns die Geschichte, dass Weltbilder mit dem wachsenden Erkenntnisfortschritt zu fall gebracht werden.
    Von der Erde als Scheibe, zu einem schöpferischen und lebendigen Universum.
    Vom Urknall zum Menschen und weit darüber hinaus, dass alles könnte man sagen, ist Astronomie, oder ganz einfach, die suche nach Gott?!


    CS

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Tomasch</i>
    <br />Inwiefern ist diese alte Wissenschaft noch mit der heutigen Zeit zu vereinbaren?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Inwiefern ist sie nicht mit dem Raumfahrtzeitalter vereinbar?[:D]


    Geh ein gutes Jahrhundert zurück, da dachte man, man hätte die Physik vollständig verstanden. Dann kam Einstein, Relativitäts- und Quantentheorie, und als Spin-Off davon zum Beispiel die Möglichkeit, satellitengestützte GPS-Navis zum Laufen zu bringen.


    Ob die astronomische Forschung in fünf oder fünfhundert Jahren eine ähnliche "Killerapplikation" herausbringt, wer weiß? Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Und bis dahin regen die Bilder aus dem All auf alle Fälle die Fantasie und Kreativität der Betrachter an. Sei ehrlich, was ist ansprechender: Das durchschnittliche Fernsehprogramm das durchschnittliche Hubble-Bild?


    Und ob man die Industrie fördert, indem man Abwrackprämien zahlt, um noch funktionstüchtige Autos zu ersetzen, oder ob man das Geld in die Forschung steckt, wo vielleicht was neues raus kommt - dann lieber in die Forschung. Funny Fact: Wenn ich mich recht erinnere, fließen bald 90% des ESA-Budgets in die Industrie, die die ganzen Sachen dann baut. Es ist ja nicht so, dass es keinen Austausch zwischen universitärer und privater Forschung gibt. Die VLT-Spiegel wurden bestimmt auch nicht im Rahmen einer Doktorarbeit oder von irgendwelchen HiWis geschliffen.


    Gruß,
    Alex

  • Hallo.


    Dass die Astronomie *früher* zu grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen geführt hat,
    die in Mathematik, Navigation, Physik und unserem grundsätzlichen Denken(*) sehr vieles ausgelöst/verändert hat, das steht ja wohl ausser Frage.


    (* vor n'paar hundert Jahren war die Erde noch eine Scheibe im Zentrum des Universums...)



    So gesehen ist das Streben nach Wissen, bzw. die "grossen Fragen der Menschheit" (wer sind wir, wo kommen wir her, wo gehen wir hin, sind wir alleine im Universum) schon das, was uns von den Tieren unterscheidet.



    Aber ich verstehe auch den Sinn von Thomas' Frage. Die heutige Weltraumforschung ist dermassen spezifisch (und teuer), dass die Frage nach dem Nutzen des reaultierenden Wissens schon etwas aufdrängt.
    Klar täte es das Weltbild der Menschheit verändern, wenn wir wüssten, dass irgendwo da draussen weiteres Leben (vielleicht sogar inteligentes Leben) existiert (oder mal existiert hat), aber was ist der Nutzen daraus? Wir könnten eh nicht mit denen in Kontakt treten, die Distanzen sind einfach zu gross.



    Aber bei der Astronomie als Hobby (ist auch teuer[:I]), stellt sich für mich die Frage nach dem Sinn eigentlich garnicht. Es ist ein Hobby und Sinn eines Hobbys ist m.E. der Zeitvertreib. Andere sammeln Briefmarken oder Kaffeerahmdeckel, oder bauen Modelleisenbahnen oder ferngelenkte Autos/Flugzeuge oder sonst weiss der Geier was - unsereins erfreut sich an der Unendlichkeit!


    Das Hobby hat zwar mit Wissenschaft zu tun, aber für mich ist die Wissenschaft nicht der Antrieb dazu.

  • Haargenau und messerscharf die volle Thematik in einen Satz verpackt, Gerald! Das verstehen nämlich die, die so dämlich fragen, am besten! Philosophieren bringt überhaupt nix! (Doch, aber nur für die Insider! ;) )
    Viele Grüße


    Gerhard

  • Hi Tomas,
    schon ausgeschlafen?[:D]


    Die passenden Antworten haben Heinz und Silvio mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht. Der Mensch muß immer weiter forschen, da bei jeder neuen Entdeckung oder Lösung eines Problems neue Fragen aufkommen. Das Streben nach Wissen ist unaufhaltsam. Ich denke, die letzten 100 Jahre wahren aus Sicht der Forschung und Entwicklung bahnbrechend. Aber das ging nur, weil sich in der Zeit davor auch Menschen Gedanken gemacht haben, u.s.w.!


    Silvio:<blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">(* vor n'paar hundert Jahren war die Erde noch eine Scheibe im Zentrum des Universums...)
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Jetzt wissen wir auch, warum es damals noch keine Überbevölkerung gegeben hat. Die sind alle hinab gestürzt[:D][:D][:D]


    Gruß Matze

  • Ja, danke der Nachfrage... mittlerweile ausgeschlafen, frisch geduscht und gut gefrühstückt... :)


    Also erstmal vielen Dank für die größtenteils ergiebigen und logischen Aussagen von euch.


    Aber was einige etwas falsch aufgefasst haben: Ich rede von der Astronomie als FORSCHUNGSZWEIG, nicht als HOBBY!



    An Silvio: Ich erlaube mir mal, den "Forschungszweig Astronomie" auf die Raumfahrt auszuweiten: Nehmen wir an wir haben in einigen Jahren die ersten Menschen, die auf dem Mars spazieren gehen. Wir haben bereits heute die Gesteine auf dem Mars mittels Roboter, die da oben seit einigen Jahren umherfahren, ganz gut untersucht und man kann mit 99,9999%iger Wahrscheinlichkeit sagen, dass wir nichts ausser Steine und Staub finden werden. Kann man in der heutigen Zeit noch ein dermaßen teures Projekt durchführen, nur um "die großen Fragen der Menschheit" vielleicht ein wenig besser, aber sicher nicht ganz beantworten zu können?


    Ich hoffe, ich kann einige von euch noch etwas mehr aus der Reserve locken, denn derartig grundlegende Diskussionen zu führen und die Meinungen von Gleichgesinnten zu lesen macht mir unheimlich viel Spaß. Auch wenn einige das als "dämliche Frage" sehen wollen...



    Nunja, ich freue mich schon jetzt auf weitere Beiträge. Chips und Cola stehen bereit ;-).


    Gruß,
    Tomas (Ja, ohne h)

  • Welchen Sinn das hat?


    Das wissen wir noch nicht mal unbedingt - und das ist das gute daran.


    Ein paar Beispiele:


    Vor nicht allzu langer Zeit gab es eine absolut sinnlose Entdeckung. Sinnvoll wie eine Lavalampe. Nannte sich Elektrizität...


    Erdöl? Schwarze Schmiere, die gutes Ackerland versaut, die aber auch bei Hufkrankheiten helfen kann und gegen Haarschuppen.


    Anatomische Forschung? Das widerspricht dem Willen Gottes und ist verboten.


    Die Erde soll sich um die Sonne drehen? In den KNAST mit dem Ketzer...


    Anders als Religion, die Anpassung fordert und freies Denken oft für gefährlich hält, bringen uns Natur- und Ingenieurswissenschaften wirklich weiter. Man beachte die Einschränkung - in manchen Bereichen haben Geisteswissenschaften schon deutlich religiöse Züge.


    Sinn unserer Existenz für mich ist die Suche nach Verständnis des Universums in allen Facetten. Einige wenige machen das hauptberuflich. Betreiben die Königin der Naturwissenschaften, die Physik - oder forschen an anderen Fronten (Nein, ich bin KEIN Physiker :)). Wir anderen sorgen dafür, daß wir in einer spezialisierten Gesellschaft für solche Leute Geld und Spielzeug haben, daß sie in Freiheit forschen können (auch wenn das immer mehr in Gefahr ist, auch bei uns) und wir schlauer sind als die Generation vor uns. Und wer weiß? Steckt in der Physik der Sternerstehung vielleicht die Grundlage einer neuen, ungefährlichen, fast kostenlosen Energiequelle? Ganz einfach in einem Labor nachzubauen?
    Wir wissen es nicht. Aber allein die Chance auf Entdeckungen dieser Tragweite macht Investitionen in Grundlagenforschung erstrebenswert, wenn nicht gar unbedingt notwendig. Nur Erkenntnis kann uns weiterbringen.


    Gruß,
    Jens

  • Hallo Tomas!


    Vor etlichen Jahrzehnten hat man noch an die Marskanäle geglaubt. Jede Naturwissenschaft hat Sinn! Oder, sind die Mikrobiologen auch in Frage gestellt? Und die beste Antwort hat ja wohl Gerald gegeben, oder? Die gilt sowohl für die Wissenschaftler als auch für all die die vielen Leute, die einem Hobby nachgehen.
    Und, mit "dämlicher Fragerei" meinte ich nicht Dich, sondern die, die Dir solche Fragen stellen!


    Grüße


    Gerhard

  • Okay Gerhard, dann ist das auch aus der Welt geschafft. [:o)]



    Klar hat jede Naturwissenschaft ihren Sinn, ich mag diesen der Astronomie auch nicht absprechen (dann hätte ich wohl auch das falsche Hobby und wäre im falschen Forum [;)). Nur möchte ich mir hier die Meinungen von denen anhören, die mit diesem Themengebiet bestens vertraut sind.


    Gruß, Tomas.

  • Hallo Tomas,


    Astronomie als Forschungszweig (also = Astrophysik) mit der Raumfahrt zu verheiraten ist wie Äpfel mit Birnen vergleichen. Astrophysik ist Grundlagenforschung, Raumfahrt dagegen angewandte Ingenieurskunst auf höchstem Niveau.


    Astrophysik beschäftigt ein paar denkende Köpfe und dazu jede Menge Rechenkapazität auf Hochleistungscomputern. Der Astrophysiker lebt vom guten Willen der öffentlichen Hand, sein Streben "zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält" (Faust[:)]) auch weiterhin zu finanzieren. Reich wird man als Wissenschaftler nicht in pekunärer Hinsicht (in diesem Lande nichtmal als Professor), sondern höchstens an Erkenntnis und Erfahrung. Hinter der Raumfahrt dagegen steht eine ganze Industrie, die schon allein in Deutschland Milliardenumsätze macht. Warum? Weil der wirtschaftliche Nutzen der Entwicklungen, die in der Raumfahrttechnik gemacht werden, viel leichter abschätzbar und auch steuerbar(!) ist. Überschneidungspunkte gibt es eigentlich nur da, wo die Astrophysiker einen neuen Forschungssatelliten brauchen, der muß dann technisch realisierbar sein. Das gilt dann genauso für den restlichen Instrumentenbau, der wiederum engere Verknüpfungen an die Wirtschaftwelt hat als die Forschung selber.


    Wenn du nach dem Sinn und Nutzen von Grundlagenforschung fragst, kannst du genausogut nach dem Sinn und Nutzen anderer Dinge fragen. Aber immerhin, "in Zeiten von Wirtschaftkrise und Kapitalismus" sorgt man mit Aufträgen für die Rüstungsindustrie immerhin für den Erhalt von Arbeitsplätzen[xx(].
    Wieso eignen wir uns überhaupt Wissen an? Wenn man so will, dann braucht der zukünftige Müllmann nichtmal die 9 Jahre Grund- und Hauptschule durchzuhalten um seinen Job später anständig zu machen. Dankenswerterweise ist eine solche Haltung dann doch schon lange überholt.


    Immer mehr wissen zu wollen liegt in der Natur des Menschen, Neugier im weitesten Sinne. Ich würde sogar behaupten, der Drang Neues zu entdecken ohne daß es einen unmittelbaren Nutzen hat oder gar zum Überleben notwendig ist, gehört zu den wichtigsten Eigenschaften, die den Menschen vom Tier unterscheiden.


    Und sei es, daß wir dann "nur" die richtige Antwort auf die alles entscheidende Frage haben, wenn die bösen Aliens vom Planeten xy kommen um zu testen, ob wir es wert sind weiter zu existieren oder ob sie den Planeten Erde doch lieber mit der dicken Laserkanone plattmachen: Grundlagenforschung (nicht nur in der Astronomie!) ist die Sache immer wert. Und ein Ende ist nicht abzusehen, denn wie es so schön heißt, "jedes gelöste Rätsel, jede beantwortete Frage bekommt augenblicklich Junge".


    Caro


    Btw, wirf mal einen Blick in http://www.astrotreff.de/topic…CHIVE=true&TOPIC_ID=47980

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Caro</i>
    <br />Wenn man so will, dann braucht der zukünftige Müllmann nichtmal die 9 Jahre Grund- und Hauptschule durchzuhalten um seinen Job später anständig zu machen. Dankenswerterweise ist eine solche Haltung dann doch schon lange überholt.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Hmm... Nicht wirklich. Wenn man sieht, wie in Bayern für den Erhalt der Hauptschule gekämpft wird...


    "Leider" verschiebt sich leider das Anforderungsprofil im Arbeitsmarkt immer mehr in Richtung besserer Ausbildung.


    Gruß,
    Jens


    Ach so... Hier ein Resultat brillianter Grudnlagenforschung für Silvio:


    http://www.mensup.fr/usbwine/?act=insc&mp=USBWINE&o=92&p=61


    (Leider nur auf Französisch...)

  • "Aber was einige etwas falsch aufgefasst haben: Ich rede von der Astronomie als FORSCHUNGSZWEIG, nicht als HOBBY!"
    --&gt; Also hier ist ein Denkfehler : das eine geht nicht ohne das andere, und das ganze geht sogar logisch nur in eine Richtung, vom Hobby zur Wissenschaft. Ohne Hobby gibt es keine Wissenschaft !
    Ansonsten gibt es noch quasi-philosophische Begründungen : Wenn Du total im Kleinkram der Details verloren bist, schau mal zum Himmel (in der Managementtheorie sagt man, stell Dir vor, auf einen Berg geklettert zu sein oder den Hubschrauber genommen zu haben: unten sieht man die kleinen Menschen, die sich um des Kaisers Bart streiten oder gerade über einen Autounfall diskutieren, etc).
    Gestern abend war eine Wolkenlücke bei Orion. Als ich mit Astronomie angefangen habe (vor über 35 Jahren), war Betelgeuze orange und Rigel (ein bisschen) blau. Das interessante daran ist, dass das jetzt immer noch so ist und noch sehr lange nach meinem Tod auch so sein wird !
    Gruss
    Rudi


    Änderung: sinnentstellender Tippfehler

  • Irgendwie ungut, daß so viele auf Caro losgehen! [:(!] Sie hat doch recht.
    Offensichtlich bilden sich einige Laien ein, mehr zu wissen als eine Astrophysikerin. [V]

  • Hallo!


    Ein Buch das momentan in unserer "Restroom Library" steht sind
    die "Meilensteine der Wissenschaft" vom Spektrum Verlag und Elsevier.
    250 Meilensteine vom Anfang bis 2000. Ich bin heute im 20. Jahrhundert
    angekommen. Eine aus meiner Sicht sehr schöne Darstellung, wie es zu
    unserem heutigen Weltbild kam und wie kurz die Zeit eigentlich ist, seit
    die Menschheit eine wirkliche Idee davon hat, wie die Welt aufgebaut
    ist. Und es gibt immer noch genug offene Fragen der Grundlagenforschung.
    Mir fallen da z.B. ein: Verallgemeinerung der Quanten- und Relativitätstheorie,
    Interpretation der neuesten Experimente mit verschränkten Photonen, die
    an den Grundbegriffen kratzen, die experimentelle und astronomische
    Teilchenphysik, Verständnis der Interaktionen in Zellen bis hin zur
    Frage was eigentlich unser Bewußtsein ausmacht.
    Diese verschiedene Fragen sollten meiner Meinung nach nicht nach ihrem
    (un)mittelbaren Nutzen bewertet werden. Außerdem ist es aus meiner
    Sicht auch so, daß die wirklich wichtigen Technologien nicht von
    den anwendungs- und transferorientierten Wissenschaftlern kommen.
    Laser waren anfangs auch nur Spielkram und die Immunologie, die
    uns die monomolekularen Antikörper geschenkt hat,
    ohne die heute im Biobereich praktisch nichts mehr geht,
    war damals wohl auch ein ziemlich totes Arbeitsfeld.
    Untereinander kann man die verschiedenen Bereiche sicherlich sehr
    schwer in ihrer Bedeutung vergleichen und was es einem wert ist.
    Auch mit beliebig viel Geld kann man echten Fortschritt nicht
    erzwingen (siehe Hochtemperatursupraleitung).
    Aus meiner persönlichen Sicht wird zu viel Geld in die bemannte
    Raumfahrt gesteckt und sehe ich da nichts an Erkenntnissen, die
    sich nicht zu 95% um bemannte Raumfahrt drehen. Für das Geld, das
    für die ISS verpulvert wird und sich nicht beliebig vermehren läßt,
    könnte man eine Unmenge an terrestrischen und Weltraum-Teleskopen,
    Robotermissionen zu Saturn- und Jupitermonden, neue Teilchenbeschleuniger
    und was sonst noch gut und teuer ist bauen.


    Viele Grüße,
    Jens

  • Bitte höflich den zeitlichen Abstand zwischen den letzten Mail zu beachten: kénnte daruf hindeuten, dass der eine oder andere die vorausghende Nachricht noch nicht gelesen hatt, als er sein Antwort eingab !
    Werde jtzt mal Caro's lange Mail lesen !
    Rudi

  • Nachtrag: Viele Foren würden stolz darauf sein, solch kompetente Leute befragen zu dürfen, wie es z.B. Caro ist. Warum gilt das "blaue Forum" wohl als Referenz? Auch, weil es Leute wie Stathis und Kurt gibt, um nur zwei Menschen zu nennen.
    Es ist kein Philosophieforum. Hier wird gearbeitet! :)


    In dem Sinn grüßt
    Gerhard

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