Fragen zum Schleif- und Polierprozess

  • Hallo allesamt,


    ich habe zahlreiche Fragen an erfahrene Spiegelschleifer.


    Ich würde gerne den Prozess des Materialabtrages beim Schleifen und insbesondere Polieren verstehen und in einer Software modellieren, um für eine gegebene, gemessene Oberfläche die optimale Strichführung zu berechnen, um eine gewünschte Oberfläche zu erreichen.


    Es ergibt sich für mich evtl. die Möglichkeit, einen Roboter mit diesen Kurven zu programmieren.


    Folgende Fragen an die Erfahrenen:


    - Wird der Materialabtrag an einer gegebenen Stelle des Spiegels nur dadurch bestimmt, wie stark diese Stelle überstrichen wird? Zur Erläuterung siehe Bild:



    Bei einer reinen Rotation wäre der Abtrag am Rand stärker, bei einer reinen Linearverschiebung, je nach Überhang, in der Mitte. Für andere Strichführungen, zB seitlich versetzt, Lissajous-artig, mit kombinierten Drehungen usw, müßte man eine beliebige Kurve polieren können. Zusätzlich wäre dies noch über die Toolgröße beeinflußbar.


    - Oder hängt der Abtrag auch vom Anpressdruck ab?


    - Wie stark ist den so, größenordnungsmäßig, der Abtrag beim Polieren. Aus diversen Retouchierberichten nehme ich an, daß bereits wenige Bewegungen am Ende schon deutlichen Effekt haben.


    - Kommt der Unterschied zwischen MOT oder TOT durch eine effektiv jeweils andere Strichführung, oder durch eine jeweils andere Druckverteilung zustande ?


    - Wird insbesondere durch ungleichmäßige Belastung (Festhalten am Rand) dort mehr weggeschliffen? Hierzu müßte sich a) der Spiegel deutlich verbiegen und b) der Druck einen Einfluß haben. Ist dies so? Ich habe nämlich Zweifel.


    - Ist eine abgesunkene Kante Folge eines falschen Anpressens, oder nur falscher Strichführung?


    - Wie elastisch ist die Pechhaut? "Federt" sie (im my-Bereich), oder behält sie einmal angenommene Verformungen?


    Das sind 'ne Menge Fragen; ich weiß, aber ich bin sehr neugierig.


    Danke im Voraus und viele Grüße
    Julian

  • Ich bin nur sprachlos!! Tolles Vorhaben! Die Fachleute werden sich gleich melden, hoffe ich!


    Gruss


    Gerhard


    (und sehr viel Erfolg!)


    Nachsatz:


    Welche Programmiersprache und welcher Controller?
    Regelmässigkeiten ergäben meiner Meinung nach mit Sicherheit Zonenfehler. Das Programm müsste mit Video gekoppelt in Echtzeit den entstandenen errors gegensteuern können, ich glaube, da liegt das grosse Problem. Ein "herkömmlicher" Roboter erscheint mir zu "stur" [:)]

  • Hi,


    danke sehr für die Motivation.
    Ein Freund hat eine Firma (isimotion); er hat einen Dreiachs-Servoverstärker mit PowerPC-Controller entwickelt.
    Die Software würde ich unter C++ erstellen; die Bahnkurven würden dann als Vektoren an den Controller geschickt.
    Eine denkbare Vorstufe ist, manuell zu schleifen, aber auf dem Tool (oder Mirror) Tracking-Markierungen anzubringen und die jeweiligen Strichführungen per Kamera am Rechner mitzuverfolgen. Der Rechner gibt dann Anweisungen, wie z.B "mehr drehen", "mehr Überhang", etc.
    Vorher werde ich natürlich erst mal einen kleineren Spiegel ganz herkömmlich schleifen müssen, um die entsprechende Erfahrung zu sammeln.


    Gruß
    Julian

  • Hallo Julian,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Ich würde gerne den Prozess des Materialabtrages beim Schleifen und insbesondere Polieren verstehen...<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Würde ich auch gerne, aber ich fürchte ein Leben ist zu kurz, um das zu schaffen.


    Beim Schleifen hängt der Abtrag (außer von konstanten Materialeigenschaften des Glases und Schleifmittels) hauptsächlich von folgenden Faktoren ab:
    1. Relative Kontaktzeit: Verursacht durch Strichlänge und seitlichem Überhang)
    2. Druckverteilung: Beeinflusst durch Strichführung wie unter 1., Kippmoment durch Krafteinleitungspunkt der Hand bzw. Maschinenkraft
    3. Relativgeschwindigkeit zwischen Spiegel und Werkzeug


    Das halte ich noch für einigermaßen berechenbar, was im übrigen auch der Grund ist, warum beim Schleifen auch jeder Anfänger, der den neutralen Strich gefunden hat, geradezu automatisch eine gute Sphäre erreicht.


    Beim Polieren wird die Geschichte erst so richtig spannend. Hier kommen (stark vereinfacht) noch folgende Faktoren hinzu:
    4. Viskosität der Pechhaut: Bewirkt bleibende Deformation bei ungleichmäßiger Druckeinleitung
    5. Elastizität der Pechhaut: Bewirkt elastische Deformation ungleichmäßiger Druckeinleitung
    6. Geometrische Struktur und relative Größe der Pechhaut (Kanäle, Microfacettierung...)
    7. Dicke der Pechhaut: beeinflusst 4+5
    8. Poliermittelsorte und Menge
    9. Wassermenge und Verdunstung
    10. Temperatur: Beeinflusst 4 und 5 und in besonderem Maße den hydrodynamisch chemischen Polierprozess
    11. Polierdauer in Verbindung mit 8 und 9
    12. Fortschreitende Aspherisierung. Wieder abhängig von 4, 5, 6 und natürlich auch von 1, 2 und 3.


    Das fiese daran ist, dass beim Polieren vor allem der Einfluss der Faktoren 2, 3, 4, 10 und 12 hochgradig nichtlinear ist und auch noch voneinander abhängig. Doppelt so viel Kantendruck mit dem Handballen auf das Tool bewirkt nicht doppelt soviel Abtrag sondern zunächst mehr. nach einer Weile hat sich aber die Pechhaut (abhängig von Härte und Temperatur) bleibend verformt und arbeitet anders als die ersten 10 Minuten. Bei einer f/4 Parabel wieder anders als auf einer Sphäre usw.


    Das alles zu berechnen halte ich für ähnlich anspruchsvoll, wie eine Wettervorhersage für Mitteleuropa. Die Profis machen es daher mit künstlicher Intelligenz, also eine "lernende Pechhaut" deren Form durch Aktuatoren entsprechend dem Polierresultat ständig iterativ variiert wird.


    Wenn man es so recht bedenkt, müßte man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass es unmöglich ist, einen Spiegel per Hand herstellen zu können. Und doch, es funktioniert... auch ohne letztendlich verstanden zu haben, was da alles unter den Händen passiert.

  • Hi Julian,
    ich hatte bereits die gleiche Idee, da ich aus dem gleichen Bereich kommen wie dein Freund. Nachdem ich dann meinen ersten Spiegel geschliffen hatte, habe ich die Sache zurück gestellt. Ich hatte zunächst nur den Wunsch via Encoder, Drehzahl und Position des Polierarm zu erfassen. Ich war der Meinung, das eine Verfolgung in Echtzeit aller Kontaktpunkte mit den entsprechenden Drücken und Geschwindigkeiten mir ein Schleif/Zonenprofil ermittelt, welches ich dann iterativ verfeinere und daraus meine nächsten Korrekturen ableite.
    Mittlerweile kann ich Dir aber sagen, das dies nicht einfach wird, weil es zu viele Parameter gibt, bei denen sich der Prozess rapide ändert. Als Beispiel sei hier nur einmal die Pechhärte genannt, die von wenigen Grad Celsius Differenz abhängt und mit dem Wasser im Schleifbrei seine Oberflächentemperatur ändert. Die eingebrachte Energie beim Abtrag erwärmt die Pechhaut ebenfalls. Und und und....
    Was ich als sehr Sinnvoll ansehen würde (ist nicht ganz so prickelnt wie ein Robotor), wäre, die Simulation von Strichführungen allgemein, also alles auf 1 normiert.
    Schon wenn Du diese Simmulation hinbekommst wirst Du sehen, das sie von der realen Welt abweicht, aber man hat zumindest einen sehr guten Anhaltspunkt, welchen Weg man beim nächsten Polierakt einschlägt um ein bestimmtes Ergebnis zu erlangen.
    Solange der Poliervorgang keine geschlossene Regelschleife ist, werden wohl noch ein paar Jahre ins Land gehen bis wir dem Robbi sagen können: 'Einmal 16Zoll f4 bitte'.


    Ich kann Dich nur ermuntern diese Software zu schreiben und _GLEICHZEITIG_ einen Spiegel zu schleifen.

  • Hallo Julian,
    Nachtrag:
    Ich habe mal den Ansatz versucht, die Regelschleife zu schliessen, indem ich einen Robofoucault programmiert habe, der den Spiegel vollautomatisch vermisst. Das ist mir insofern auch gelungen als das ich große Datenmengen produzieren kann und eine lückenlose Dokumentation des Herstellungsprozesses habe. Ich könnte sodann auch eine 3D Darstellung der Spiegelform über die Zeit anbieten.
    Meiner Meinung nach wäre dies der erste Schritt um Eingangsparameter für den Polierprozess zu bekommen. Dummerweise reicht die Anzahl der Iterationen nicht aus um einigermassen schlaue regelalgorithmen hierfür zu entwickeln. Erst wenn man in die Serienproduktion geht und man sehr viele Wiederholungen fahren kann, wird aus der Datenflut langsam was 'nicht-chaotisches'. Ich habe hierfür den Fuzzy hergenommen und dieser Regler arbeitet auch gut, solange sich eine Größe nicht schlagartig heftig ändert.
    Seine Parametrierung ist aber auch hier eine echte Herausforderung und wenn er nicht funktioniert, stehen alle Fachleute vor der Maschine wie Loriot in seiner Badewanne.
    Wie Stathis das oben schon genau auf den Punkt gebracht hat, ähnelt es einem chaotischen System.


    Und dennoch, es sollte machbar sein. Wenn auch nur in Grenzen und mit kleinen Erfolgsschritten. Würden alle derzeitigen Glaswürmer eine solche Software verwenden, so könnte man einen Datenpool aufbauen und andere würden beim nächsten Spiegel davon profitieren. Ich nenne das mal 'Internet-Distributed-Polishing' :)
    Einen ersten Ansatz würde ich darin sehen, die nötigen Fachleute ins Boot zu holen und zu jedem Einzelthema, welches sich bei dem komplizierten Prozess ergibt, die entsprechende Aufbereitung durch diese zu veranlassen. So könnte man bereits schnell abschätzen, in welche Dimensionen wir vorstossen, wenn wir mit der Implementation beginnen würden.
    Deine o.a. Software zur Simulation, auch wenn die Parameter noch unzureichend wären, ist ein guter Ansatz, der, wenn die Architektur der Software dies verträgt, sukkzessive ausgebaut werden könnte.


    Jetzt die Kehrseite der Medaillie:
    Was kann die Software, was wir nicht schon seit vielen Jahren ohnehin tuen ? :) :)


    PS: Ich persönlich würde die Software an Deiner Stelle schreiben, denn die damit gewonnenen Erkenntnisse sind unbezahlbar. Darum geht es doch in diesem schönen Hobby oder ?

  • Hallo Peter,


    habe mir mal Deine Website angeschaut; sieht nach einer sauberen Arbeit aus!


    Mal einen Spiegel zu schleifen, mit dieser Idee trage ich mich seit vielen Jahren. Mich interessiert aber von Berufs wegen, das ganze auch genau zu verstehen. Mein Ziel ist nicht der Spiegel, sondern das Verständnis und ein technischer Fortschritt, von dem auch andere profitieren.


    Halbautomatisiertes oder rechnerunterstütztes Schleifen macht natürlich nur Sinn in einer Art Regelschleife. "Blind" geht es sicher gar nicht.
    Idealerweise würde man den Spiegel während des Polierprozesses zB durch seine Rückseite permanent vermessen, dummerweise geht das nicht so leicht.


    Meine Idee läuft darauf hinaus, daß man, wie jetzt auch schon, den Spiegel oft vermißt, und dann die nächsten Strichführungen vorherberechnet. Ein erfahrener Spiegelschleifer macht es ja nicht anders. Er macht eine Focault-Messung und um eine Korrektur vorzunehmen sagt er sich dann: "ich versuche jetzt W-Striche mit kleinem Überhang". Er tastet sich an sein Ergebnis heran. Wie er vorgeht, hat er aus Erfahrung gelernt.
    Es muß also eine gewisse Systematik dahinter sein, sonst würde das Verfahren ja niemals konvergieren.


    Natürlich ist der Vorgang sehr komplex, nur kann ich mich als Wissenschaftler schwer damit abfinden, daß man sagt "hm ist zu schwierig". Ich bin sicher, das man das Problem in den Griff kriegen kann, durch zerlegen und jede Komponente einzeln verstehen und optimieren.


    - Führungsgestänge oder das Werkstück an einem Gummiseil von der Decke aufhängen, damit die Kraft immer gleichmäßig von oben wirkt.
    - Gewichte statt Händedruck, damit immer dieselbe Kraft wirkt.
    - "unterwasser" in einer angedickten Poliermittelsuspension arbeiten, damit Konzentration und Temperatur nicht stark schwankt
    - Vielleicht anstatt Pech ein mittelharter Gummischaum, der sich nicht plastisch, nur elastisch verformt. Stathis hat auch schon mit Daumen poliert, prinzipiell muß es also gehen.
    - Messreihen zum Materialabtrag bei verschiedenen Anpressdrucken.


    Ich bin kein erfahrener Spiegelschleifer, dafür aber Physiker und erfahrener Programmierer. Daher ist mein Ansatz der, daß mir ein Computerprogramm sagt, wie ich die nächsten Striche führen muß, und zwar aufgrund von Messungen. Die vielen teilweise widersprüchlichen Rezepte hierzu, die ich gelesen habe, wann man welche Striche machen muß, das erinnert mich ein bischen an Alchemie. Ich habe keine Lust, erst 5 Spiegel zu schleifen, bis ich endlich das gelernt habe, was mir eine Systematik sofort liefern kann.


    Aufgrund der zwischen zwei Messungen ausgeführten Striche müßte man abschätzen können, wie diese gewirkt haben, und ein anderes Strichführungsmuster prognostizieren.


    Entweder macht ein Roboter die Striche, oder aber der Rechner protokolliert meine Striche mit.


    Ich traue mir nicht zu, monatelang an einem Spiegel herumzupolieren und nicht wirklich zu verstehen, was da jetzt passiert. Was ich mir schon zutraue: Monatelang an einer Software und Hilfsmitteln zu basteln, Gesetzmäßigkeiten zu finden und dann den Spiegel in vergleichsweise kurzer Zeit fertigzukriegen. Und dann noch weitere.


    Ich bin Realist; das ganze wird wohl nur langsam vorangehen, aufgrund des notorischen Zeitmangels, aber ich werde mich da ran tasten.


    Viele Grüße
    Julian

  • Hallo Leute,
    =&gt;Julian:
    Heutige Computer sind sehr gut im Bearbeiten deterministischer Vorgänge.
    Wenn ein Systemzustand sich sauber modellieren läßt, kann man ihn auch simulieren und damit berechnen. An Grenzen stößt man immer, wenn komplexe Zusammenhänge stark nichtlinear sind, so wie beim Spiegel parabolisieren.


    Wenn Du die Ausgangsbedingungen exakt definierst, ist es vielleicht möglich, den Parabolisiervorgang zu berechnen.
    Das Ganze scheitert in der Praxis dann aber daran, daß der Amateurspiegelschleifer z.B. die Dicke der Pechhaut, die Poliertemperatur oder die Sättigung der Polieremulsion gar nicht mit der erforderlichen Genauigkeit einhalten kann!


    Stathis hat in seinem Kommentar sehr gut beschrieben, daß im Parabolisierprozeß einige Rückkopplungen wirksam sind, z.B. wird die Aktion der Pechhaut stark vom aktuellen Parabolisiergrad der Oberfläche beeinflußt, das aber auch noch nichtlinear abhängig von fast allen anderen Parametern.


    Dein Ansatz ist deshalb meiner Meinung nach für Amateure, die in ihrem Leben nur ein paar Spiegel herstellen und das auch noch in unterschiedlichen Größen, nicht brauchbar.


    Anders sieht das vielleicht in der Serienfertigung von optischen Komponenten aus. Leider sind aktuelle Erkenntnisse hier wohl meist gut gehütetes Firmengeheimnis.


    Daß es mit der manuellen Methode überhaupt möglich ist, einen Teleskopspiegel recht gut zu parabolisieren, hat meiner Meinung nach einen einfachen Grund:
    Wir Amateure versuchen erst gar nicht, den Prozeß komplett zu verstehen, sondern betrachten nur einen kleinen Teil der Parameter. Dann kann man in der Praxis meist eine Näherungslösung finden, die zum Erfolg genügt, die aber jeweils nur für die aktuelle Situation gültig ist und so gut wie nicht verallgemeinert werden kann.


    Ich gehöre jedenfalls zu den Leuten, denen die Herstellung eines großen beugungsbegrenzten Spiegels aus einer Glasscheibe mit rein handwerklichen Methoden Freude bereitet. Deshalb kann ich gut auf das ganze Compputergedöns verzichten - na ja, zugegeben, die Focault-Software zum Darstellen des Arbeitsfortschritts finde ich schon sehr nützlich.


    Wenn Du aber richtig in die Materie einsteigst und dazu beiträgst, daß kommerzielle Hersteller in Zukunft sehr billig beugungsbegrenzte Spiegel im Bereich 0,5 bis 1 Meter anbieten können, nur zu!


    =&gt;Markus:
    Es gibt wie so oft im Leben ein bestimmtes Optimum. Das muß aber nicht exakt eingehalten werden. Brauchbare Ergebnisse bekommt man auch, wenn man, sagen wir mal um den Faktor zwei, unter oder über dem Optimum liegt.
    Mit weniger Karbo näherst Du dich leichter der Sphäre, das Schleifen geht langsamer und Du mußt öfter neu beschicken, bei viel zu wenig gibt es leichter "Kolbenfresser".
    Mit viel Karbo brauchst Du mehr von dem Zeugs, weil es zusammen mit dem Glasabrieb verstärkt raussuppt. Weil die Spaltdicke zwischen Tool und Spiegel größer sein dürfte, vermute ich eine geringfügig schlechtere Sphärizität.
    Aber die richtige Karbomenge (und Wassermenge - das ist eher noch wichtiger) findet man beim Arbeiten eigentlich von allein.


    <i>(edit: Da hat der Markus seinen Beitrag offensichtlich inzwischen wieder gelöscht - er fragte nach der richtigen Karbomenge beim Schleifen.
    Ich laß meine Antwort mal hier drin.)</i>


    Ich meine, ihr solltet allgemein mehr den Grundsatz befolgen:


    Worry less - Grind/polish more!


    Gruß,
    Martin

  • Hallo Julian,


    &gt; Idealerweise würde man den Spiegel während des Polierprozesses zB durch seine Rückseite permanent vermessen, dummerweise geht das nicht so leicht.


    Stimmt, das ist leider nicht mit vertretbaren Mitteln realisierbar. Wenn die Rückseite bereits plan poliert wäre, dann würde es gehen, aber da beisst sich die Katze in den Schwanz.


    &gt; Es muß also eine gewisse Systematik dahinter sein, sonst würde das Verfahren ja niemals konvergieren.


    Klar gibt es eine Systematik, aber leider mit recht vielen Einflussfaktoren.


    &gt; Ich bin kein erfahrener Spiegelschleifer, dafür aber Physiker und erfahrener Programmierer. Daher ist mein Ansatz der, daß mir ein Computerprogramm sagt, wie ich die nächsten Striche führen muß, und zwar aufgrund von Messungen. Die vielen teilweise widersprüchlichen Rezepte hierzu, die ich gelesen habe, wann man welche Striche machen muß, das erinnert mich ein bischen an Alchemie.


    Ja, da ist was Wahres dran. Kommt aber auch daher, dass jeder genau die Striche empfiehlt, die er selber ausprobiert hat. Ein anderer macht andere Striche und kommt letztendlich zum gleichen Ergebnis. Meine eigene Empfehlung: Texereau, "How to make a Telescope", Figure 42. Da stehen alle Striche drin die man braucht.


    &gt; Ich habe keine Lust, erst 5 Spiegel zu schleifen, bis ich endlich das gelernt habe, was mir eine Systematik sofort liefern kann.


    Ich denke aber es wäre sinnvoll zuerst wenigstens 1 oder 2 Spiegel von Hand zu manchen, um zu lernen. Was man selber bereits gemacht hat, lässt sich dann leichter in Software umsetzen.


    &gt; Ich traue mir nicht zu, monatelang an einem Spiegel herumzupolieren und nicht wirklich zu verstehen, was da jetzt passiert.


    Na ja, so pessimistisch brauchst du die Sache nicht sehen. Das Spiegelschleifen ist zum grössten Teil eine deterministische Sache, und nur manchmal hat man den Eindruck dass unvorhergesehene Effekte passieren.


    Gruss
    Michael

  • Hallo Julian,


    ich habe ein Simulationsprogramm für den Poierprozess geschrieben.


    http://www.martin-cibulski.de/…ng_simulator/index_de.htm


    Für die Spiegelproduktion habe ich mit dem Programm eine Anzahl von Strichführungen simuliert und als Textdateien gespeichert.
    Ein weiteres Programm importiert die simulierten Strichführungen und Foucault-Messergebnisse in eine Datenbank. Dann kann ich manuell die einzelnen Strichführungen überlagern (gewichten), so dass das Gesamtergebnis zu dem über Foucault gemessenen Oberflächenfehler passt, also gezielt diesem entgegenwirkt.
    Das Programm steuert auch meine Poliermaschine an, damit sie entsprechend den gewählten Gewichtungen die einzelnen Strichführungen ausführt. Die Maschine läuft dann recht lange, mit wenig Druck auf dem Poliertool, dabei werden alle Strichführungen (=Offset-Positionen) mehrmals, meist über 20 mal, erreicht. Anpassungsvorgänge am Beginn eines Laufs sind damit eher zu vernachlässigen.


    Die Maschine poliert von oben mit einem kleinen 6" Tool auf einem 18" Spiegel. Der Spiegel dreht sich langsam, das Tool macht lineare Striche, dessen seitlicher Offset von der Spiegelmitte kann mit einem Schrittmotor verstellt werden.


    Ergebnis bisher:
    Nach mehreren Durchläufen hat sich der Oberflächenfehler etwa halbiert, von 5000 nm (Differenz Sphäre zur Parabel) auf etwa 2000 nm. Nun benötige ich aber einen Umbau der Maschine, so dass ich die Toolrotation fest vorgeben kann. Damit habe ich zwei Vorteile:
    1. Ich kann die Maschine allein laufen lassen, ohne dass sich das Tool irgendwo 'festbeißt' und dann um einem Punkt herum oszilliert, anstatt sich langsam weiterzudrehen.
    2. Ich kann Strichführungen vorgeben, wo durch gegenläufige Rotation geziehlt der Rand bearbeitet wird (hohe Relativgeschwindigkeit), ohne einen großen Überhang zu haben und damit eine abgesunkene Kante zu riskieren.


    Leider ruht das Projekt seit einiger Zeit, weil ich erst noch einiges an meiner Goto-Steuerung machen will.


    Gruß,
    Martin Cibulski

  • Hallo Julian,
    Der Martin Cibulski hat da ein sehr schönes und einfaches Konzept (und überigens auch einen prima support[;)]).
    Deine Idee, den Spiegel von hinten zu vermessen finde ich gut, aber die Echtzeitvermessung ist wohl gar nicht so das Problem. Eine Aufzeichnung der durchgeführten Polierbewegungen mit anschliessender Messung wie es MartinC beschrieben hat, würde die Loop schon schliessen.[:)]


    Ich habe mich ebenfalls dazu entschlossen die klassische Vorgehensweise mit grossen Poliertools zu verlassen und Zonenweise mit geführten einstellbaren Tools zu arbeiten. Leider ist die Temperatur in der Garage sehr ungemütlich und das Pech ist hart wie Glas, sonst hätte ich schon erste Ergebnisse. Schaust Du hier.
    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=63203


    Die Schwierigkeiten von Pechtemperatur, Viskosität etc. könnte man auch völlig umgehen, indem man mit einem Wasserstrahl poliert. Die Oberflächenqualität ist sogar noch besser als mit Pech. Also kein Tool, kein Warm-/Kaltpressen, keine Handwärme, keine orthogonalen Momente, kein 1/X Überhang kein W-Strich....und vor allen Dingen - kein Pech mehr in der Mikrowelle[:I]


    Aus wissenschaftlicher Sicht ist es gar keine Frage, das solche Verfahren systematisch untersucht werden sollten. Oft genug sind daraus innovative Unternehmen entstanden. Man stelle sich nur einmal vor, der Spiegel würde in einer hermetisch verschlossenen Zelle per Wasserstrahl poliert und mit gereinigter temperierter Pressluft blitzschnell auf der gegenüberliegenden Seite zur Vermessung gereinigt ohne den Schleiftisch zu verlassen, wärend er poliert wird. usw. usf.[:D]
    Hätte mir jemand vor 30 Jahren erzählt, er will aus einer Entfernung von 50cm eine Registriernummer auf einen Beleg drucken der mit 80m/s durch die Luft fliegt und den Tintenstrahl dabei elektrostatisch wie in einer Bildröhre ablenken um die Ziffern zu schreiben, hätte ich ihm wahrscheinlich auch die Nummer meines Therapeuten gegeben.[8D]
    Heute lacht man über solche Technologien.


    Kurzum, ich glaube, das es grundsätzlich machbar ist. Der Aufwand allerdings wird im Versuchsstadium die Bereitschaft des Amateurs für die handvoll Spiegel die er in seinem Leben macht, beiweitem übersteigen und sein Budget manchmal auch.

  • Hallo Julian,


    sehr anspruchsvoll, was Du Die vorgenommen hast.


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">...Vorher werde ich natürlich erst mal einen kleineren Spiegel ganz herkömmlich schleifen müssen, um die entsprechende Erfahrung zu sammeln.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    ohne Grundpraktikum hättest Du sehr wahrscheinlich nicht die geringste Erfolgschance. Aber es sollte schon eine "mittelkleiner" Spiegel sein, mindestens 30 cm Durchmesser und f/5. Sonst entgehen Dir viele essenzielle "Feinheiten" der Verhaltensweise des Systems.
    Beispiel: Ein 20cm f/6 Parabolspiegel lässt sich problemlos mit einem full size Tool parabolisieren. Bei einem 30cm f/5 ist das dagegen fast unmöglich.


    Nach meiner Einschätzung liegen die Probleme ganz überwiegend beim Poliervorgang. Die Liste von Stathis ließe sich noch erheblich erweitern. Die eigentliche Schleiferei geht dagegen fast von alleine glatt. Dafür lohnt kein Rechnereinsatz.


    Falls Du wirklich praktisch loslegen solltest werde ich das Projekt natürlich gerne mit meinen eigenen "Erfahrungssenf" unterstützen.


    Gruß Kurt

  • Hallo beisammen,


    ich bin sehr erfreut über diese Resonanz! Ich habe bereits jetzt einige Fragen für mich klären können.


    Ein Konsens ist wohl, daß der Schleifvorgang unkritisch ist, dafür der Polier/Parabolisiervorgang problematisch. Das hätte ich sogar so vermutet. Ebenso kristallisiert sich für mich heraus, daß sich große Spiegel am besten mit Subsize-Tools polieren lassen (machen wohl die meisten so), sich jedoch viele Unwägbarkeiten insbesondere durch den Einsatz von Pech ergeben.


    Die Gefahr von Unregelmäßigkeiten durch manuell geführte Subsizetools bestärkt mich nur in der Annahme, daß hier ein maschinelles System Vorteile bringen wird.


    Interessant finde ich Kurts Vorschlag, gleich mit etwas größerem zu beginnen, um Erfahrung zu sammeln. Das entspricht eigentlich auch meinem Wunsch.


    (==&gt;)Martin: Wunderbar, das geht ja ganz genau in die Richtung, wie ich mir das vorgestellt habe. Gefällt mir ausgesprochen gut.
    Wie wird der Abtrag modelliert? Abtrag an Punkt P = proportional zu der pro Zeiteinheit über P hinwegstreichenden Toolfläche? Und wie stark ist Deiner Meinung nach der Abtrag bei Dir (zB X nm Abtrag bei P, über den das Tool 1 cm weit streicht)?
    Das bringt mich auch auf die Idee, wie ich meine bisherige Idee vereinfachen kann. Ich hatte mir bisher eine Art Portalroboter vorgestellt:

    aber hier ist die Mechanik schon, nun, sagen wir mal: nicht ganz billig, und mein Bekannter würde sie mir nicht so sehr lange zur Verfügung stellen können.
    Denkbar ist auch eine Art "Mirror-O-Matic" Konstruktion ähnlich wie Deine, die ich im Rahmen meiner eigenen finanziellen Mittel sehe, jedoch angetrieben durch die besagten regelbaren Servomotoren. Damit müßte man, entsprechend Deines Aufbaus, auch ein beliebiges Radialsymmetrisches Profil polieren können.
    Ich finde Deinen Ansatz sehr vielversprechend und würde zu gegebener Zeit gerne mal Kontakt zu Dir aufnehmen.


    (==&gt;)doplhin: Dein Beispiel mit dem Tintenstrahlbedrucken trifft den Nagel auf den Kopf.
    Den Spiegel von hinten zu vermessen hatte ich übrigens nie wirklich ins Auge gefasst, weil eben nicht leicht machbar. Mein Ansatz wäre herkömmlich, d.h. Messen, polieren, messen, etc (will ja mal realistisch bleiben).
    Dinge wie Wasserstrahlpolieren sind Methoden, die ich außerhalb meiner Reichweite sehe. Aber eine Pechhaut würde ich schon gerne vermeiden; meines Wissens wird in der Industrie hierfür ein Kunststoff benutzt.


    Viele Grüße
    Julian

  • Hallo Julian,
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Die Gefahr von Unregelmäßigkeiten durch manuell geführte Subsizetools bestärkt mich nur in der Annahme, daß hier ein maschinelles System Vorteile bringen wird.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Das denke ich auch, denn beim manuellen Polieren habe ich nicht im Gefühl, wie oft ich eine bestimmte Zone bearbeitet habe. Ein Programm kann zumindest das exakt berechnen.
    Außerdem kann eine Maschine stundenlang mit wenig Druck (!) polieren, wodurch auch bei Verwendung kleiner Tools keine unruhige Oberfläche entsteht. Die vielen Striche, die einzeln vielleicht nur sehr wenig bewirken, haben dann zusammen den gewünschten Effekt erbracht.


    Als Mensch hätte ich nicht die Ausdauer dazu und würde mehr drücken, was die Oberfläche verschlechtert.
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    (==&gt;)Martin: Wunderbar, das geht ja ganz genau in die Richtung, wie ich mir das vorgestellt habe. Gefällt mir ausgesprochen gut.
    Wie wird der Abtrag modelliert? Abtrag an Punkt P = proportional zu der pro Zeiteinheit über P hinwegstreichenden Toolfläche? Und wie stark ist Deiner Meinung nach der Abtrag bei Dir (zB X nm Abtrag bei P, über den das Tool 1 cm weit streicht)?
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ich habe die Leistung pro Flächeneinheit ausgerechnet:
    P = Relativgeschwindigkeit * Reibungskraft
    = Relativgeschwindigkeit * Auflagekraft * Reibungsfaktor
    Wieviel nm Abtrag das nun bedeutet, wenn pro cm2 ein Joule verbraucht wird, weiß ich nicht, da muss man sich herantasten. Nach einem Durchlauf seiht man ja ein Ergebnis und kann den nächsten Durchlauf entsprechend länger oder kürzer einstellen, damit man nicht über das ziel hinausschießt.
    Entscheidend war für mich die Verteilung der Polierarbeit auf die Zonen. die ja außen länger sind. Damit verteilt sich die Arbeit außen auf eine größere Fläche und der Abtrag wird geringer.
    Die Kraftverteilung bei Polieren mit Überhang wird auch berechnet, dabei nehme ich das Pech als elastisch und das Tool als unendlich hart an. Dann stellt sich durch Iteration ein Gleichgewicht ein und die Kraftanteile an den einzelnen Flächenelemente sind bestimmt. Bei großem Überhang kann es auch passieren, dass zur Spiegelmitte hin gar keine Kraft mehr wirkt.
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Das bringt mich auch auf die Idee, wie ich meine bisherige Idee vereinfachen kann. Ich hatte mir bisher eine Art Portalroboter vorgestellt:
    . . .
    Denkbar ist auch eine Art "Mirror-O-Matic" Konstruktion ähnlich wie Deine, die ich im Rahmen meiner eigenen finanziellen Mittel sehe, jedoch angetrieben durch die besagten regelbaren Servomotoren. Damit müßte man, entsprechend Deines Aufbaus, auch ein beliebiges Radialsymmetrisches Profil polieren können.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Ich habe nur eine X/Y-Ansteuerung, die Höhe ergibt sich von allein, weil das Tool durch sein Gewicht auf dem Spiegel aufliegt und der Kontur folgt.
    Die periodische X-Bewegung habe ich allerdings durch einen Exzenter erreicht, hier möchte ich keinen Servomotor hin- und herbeschleunigen, der Energieaufwand wäre wohl unnötig groß.
    Ich sehe auch keinen zusätzlichen Freiheitsgerad in einer geregelten X- UND Y-Ansteuerung, wenn es radialsymmetrisch bleiben soll. Viel mehr neue Möglichkeiten würde ein Antrieb des Tools bringen, damit man seine Drehzahl auch vorgeben kann.
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Ich finde Deinen Ansatz sehr vielversprechend und würde zu gegebener Zeit gerne mal Kontakt zu Dir aufnehmen.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Gerne !


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">
    Aber eine Pechhaut würde ich schon gerne vermeiden; meines Wissens wird in der Industrie hierfür ein Kunststoff benutzt.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Das stimmt, aber sobald ein Überhang auftritt, kann nur eine halbwegs starre Pechhaut die Form bewahren. Gummi würde sofort die Kante abrunden.


    Gruß,
    Martin Cibulski


    Viele Grüße
    Julian


    [/quote]

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