Zwar nicht nur Deep Sky, aber überwiegend und daher in dieser Rubrik
Moin Jungs (und Mädels natürlich auch!),
bin gut wieder zuhause angekommen nach elf Tagen und elf Nächten Namibia – mein erster Urlaub dort.
Ich habe eine schöne Reise gehabt in ein merkwürdiges Land mit der zweitgeringsten Bevölkerungsdichte aller Staaten. Die Liste wird übrigens angeführt von der Mongolei, die ich auch schon besucht habe und die irgendwie authentischer wirkte.
Mitten in Schwarz-Afrika liest man Christuskirche, Marienstrasse, Louisenapotheke und Blumenecke. Das ganze Land ist engmaschig von Zäunen durchzogen und eigentlich keiner will das Wild auf seiner Farm haben, außer den Wildfarmen, denen das Wild schonmal per Lastwagen geliefert wird. So krass die Schere zwischen den Einkommen der Weißen und Schwarzen auch sein mag, geben erstere dem Land eine gewisse Ordnung und Stabilität. Ist wirklich nicht rassistisch gemeint, aber wir haben ja gesehen, was in Simbabwe passiert ist, nachdem die Schwarzen die Weißen rausgeworfen haben...
Nun denn.
Grandiose Landschaft. Bei Tivoli (sehr angenehme Unterkunft) am Rand der Kalahari ist es so flach, daß man freitags sehen kann, wer sonntags zu Besuch kommt. Zwischen der kleinen und der großen Regenzeit stand von Dämmerung bis Dämmerung im Osten eine Gewitterfront, in der es ohne Unterbechung blitzte. Ich meine, einige Sprites gesehen zu haben, bin aber nicht sicher. (Siehe z. B. http://de.wikipedia.org/wiki/S…%28Wetterph%C3%A4nomen%29 oder http://www.wetterklima.de/seminar/sprite/sprite.htm )
In vier von sechs Nächten konnte ich zumindest einige Stunden beobachten, in drei mit Philipps 20“ f/5. Knapp 100 m entfernt vom Farmgelände auf einer Betonplatte zwischen dornigen Büschen und vertrocknetem Gras. Heuschrecken, ab und zu der beruhigende Ruf der farmeigenen Schleiereule und manchmal aus der Ferne der Gesang der Rostwangen-Nachtschwalbe (Caprimulgus rufigena). Tirili.
Hakos ist landschaftlich deutlich rustikaler, noch trockener als Tivoli und in der nicht idealen Astrozeit von ignoranten Sternguckern ebenso verlassen. Die Ruhe hat am meisten gutgetan.
Martins extrakurzer 12“ ATD hat allerbestens funktioniert (und sollte in keinem Haushalt fehlen).
Am letzten Tag gab es dann in der Nähe vom Internationalen Flughäfchen noch eine Farmrundfahrt mit diversen Viechern, die alle ganz nett waren, aber für mich von den Straußen getoppt wurden, die sogar Junge führten.
Die Linksfahrerei auf Schotter bei meinen drei Überlandfahrten – und das allein - war ein echtes Abenteuer. Circa 66,4 mal habe ich beim Anschnallen ins Leere gegriffen, habe aber nie versucht, auf der falschen bzw. richtigen, also der richtigen, die die falsche (Ihr versteht schon) Seite ist, einzusteigen.
Der Rückflug am Tage war fast komplett wolkenfrei, was den kleinen Ausdemfenstergucker natürlich sehr erfreut hat. Der Blick auf zwei Stunden Sahara läßt einem den Atem stocken – unser Raumschiff Erde ist ganz schön groß und vielgestaltig.
Die Bedingungen: mit meinen relativ kleinen Pupillen geschätzte Grenzgröße 6,5m; M33 geht knapp mit bloßem Auge, allerdings stellare PNs mit 12“ bis jenseits 16. Größe. Insgesamt etwa wie ein guter Alpenhimmel. Das Seeing war nie wirklich gut. Viel mehr geht in dieser Jahreszeit wohl nicht. Man hat mir glaubhaft versichert, daß die Bedingungen ein Witz gegenüber denen im (Süd-)Winter sind.
Die Ausbeute:
- Eta Carinae, sehr groß, sehr hell, von riesigen Dunkelbändern in Stücke geschnitten. Das Schlüsselloch voller Struktur, aber nicht so prägnant dunkel gegenüber der Umgebung wie manchmal auf Fotos. Humunculus gezeichnet, das Ding ist tatsächlich orange und hat trotz nur 18 Bogensekunden und mäßigen Seeings erstaunliche Details mit 20 Zoll und 700x.
- Sigma Octantis (eine echte Gurke)
- Polarissima Australis (eine ebensolche selbst mit 20“...)
- Alpha und Proxima Centauri (den ich in nachbarschaftlicher Verbundenheit bald eine Viertelstunde lang einfach nur angeguckt habe)
- Der umwerfende 47 Tuc. In der Mitte eine gleichmäßig helle Scheibe aus Sternen, klar abgegrenzt von der Umgebung und ohne Peak in der Mitte.
- Helix wegen aufziehender Wolken leider ohne Halo
- Vela-Supernovaüberrest. ERHEBLICH schwächer als Cirrus und irgendwo nicht so wahnsinnig beeindruckend. Eine ganze Reihe von schwachen Filamenten mit 20“ und OIII, aber keines so hell wie Pickerings Triangular Wisp.
- Schatzkästchen (schee bondichd)
- ein Sack voll Kohle
- Der Tarantelnebel ist – obwohl gar nicht so groß – für mich das schönste aller Deep Sky Objekte, besonders im OIII.
- Die Magellanschen Wolken kulminierten nacheinander; die kleine nach Dämmerungsende, die große gegen Mitternacht. Eine Beschreibung fällt schwer. Ich war auf der Suche nach PN´s viel in dem Wolken unterwegs und würde die Zahl der mit 12“ sichtbaren Nebel und Sternhaufen in der großen Wolke auf über 1000 schätzen. Der NGC ist eine Karikatur der sichtbaren Objekte. Sehr viele Objekte reagieren auf das OIII Filter, die Formenvielfalt der Nebel ist unbeschreiblich. Weit außerhalb der scheinbaren Ränder der Wolke stehen immer noch viele Sternhaufen. Einige Galaxien scheinen durch die Wolke. In der kleinen Wolke wird der Blick vom Nebel NGC 346 gefesselt, der wie eine brüllhelle Balkenspirale aussieht. Die schiere Zahl der Objekte ist in der kleinen Wolke aufgrund der geringeren Größe naturgemäß kleiner, die Dichte bis weitab vom Zentrum aber ebenso groß wie in der großen.
- Im Burnham auf Seite 2035 steht über das Spektrum des Wolf-Rayet Sterns Gamma Velorum „...incomparably the most brilliant and striking in the heavens“. Kann ich bestätigen (Baader Blaze Gitter am 20“)
- Ronald sagte mal vor vielen Jahren: „Ich möchte einmal den Orionnebel im T-Shirt sehen“. Hab ich getan, wobei ich das T-Shirt trug und nicht der Nebel... Kulmination übrigens um Mitternacht knapp 20 Grad nördlich vom Zenit.
- Eine überwältigende Zahl von mit bloßem Auge sichtbaren Sternhaufen in der südlichen Wintermilchstraße
- Zodiakallicht abends im Westen wie der Schein einer entfernten Großstadt, Zodiakallichtband bis zur Wintermilchstraße, Gegenschein nahe den Plejaden.
- Dunkelheit. Der Sternhimmel ist hell (auch das Airglow), man kann alles wesentliche (Leiter, Karten etc.) sehen. Wolken sind schwarze Flecken und ich meine schwarz. Einmal war ich bei bedecktem Himmel auf der Plattform und ich sage Euch: man kann die Hand nicht vor Augen sehen. Man kann die Hand vor die Augen halten oder es lassen oder nach oben, unten oder zum Horizont gucken. Nichts. Ich trug ein weißes T-Shirt und nach 10 Minuten Adaption konnte ich beim Blick auf meine Schulter zumindest sehen, daß da irgendwas war. Die einzige Lichtquelle ist die immer sichtbare, aber nicht störende Lichtglocke der 140 km entfernten, 200.000 Einwohner zählenden Hauptstadt Windhuk.
- diverses Zeug wie NGC´s 55, 247, 255, 300, 1265, 1300 (beides tolle Balkenspiralen), IC 5148
sowie
- 5 Kugelhaufen in der Fornax-Galaxie mit 12“; der schwächste beobachtete hat 15,6 mag (Field Guide) und da war dann doch nicht mehr viel Luft
- Junger Mond 19:22 bis 19:43 nach Neumond. Das ist NICHT persönlicher Rekord (Uli-zuzwinker), aber diesmal habe ich richtig belichtet!
- Am gleichen Abend Venus in 6,2 Grad Sonnenabstand.
- Am gleichen Abend Antares in 11,5 Grad Sonnenabstand.
- Elf Monde, davon drei neue (Phoebe, Umbriel und der, der nach den multifunktionalen Baader-Okularen benannt wurde); habe jetzt insgesamt 21 und es wird langsam schwieriger
sowie
Mindestens 8 PNs in der kleinen und 45 PNs in der großen Magellanschen Wolke. Bei der kleinen „mindestens“, weil drei weitere als PN katalogisierte Objekte fraglich waren. Genaueres später. Alle stellar. Für die letzten vier in der großen Wolke hat die Zeit nicht mehr gereicht, aber die wären nach der Erfahrung der beobachteten Objekte auch noch möglich gewesen.
Die meisten habe ich im 12“ gesehen, der bis knapp über 5007-nanometer-Helligkeit 16 ging! Danke Martin für das Filterrad...
Nicht gefunden habe ich
- Sirius B
- Ariel
- Die Ringe der Supernova 1987. An der richtigen Position habe ich einen Knoten gesehen, der vermutlich aus dem kombinierten Licht zweier benachbarter Sterne und dem SNR selbst besteht. 20“ 700x.
- G- und H- Komponente im Trapez, allerdings jeweils nicht im richtigen Moment gesucht
- Barnards Loop mit bloßem Auge, einem H-Beta und einem UHC unsicher.
Weiterhin
- Eine identifizierte Spinnenfamilie: Selenopidae (paßt ja nicht schlecht zu einem Astrourlaub) - Mauerkrabbenspinnen. 6 cm breit und einen mm hoch, ungelogen platt wie ein Stück Papier.
- 47 Vogelarten, davon 41 neue. Richtig freundlich, in einer fremden Welt und zwischen den ganzen vertrockneten Bäumen in die vertrauten Gesichter von Mauersegler und Grauschnäpper zu blicken und dabei darüber zu staunen, daß die es ohne zweimal 302000 Newton Schub genauso weit geschafft haben.
- Paar Antilopen, diverse Echsen, ein Waran, eine afrikanische Wildkatze, eine Maus
Ach ja, am letzten Abend auf der mondänen Ondekaremba-Farm noch ein paar traurige deutsche Touristen, die aber auch nicht einmal das Kreuz des Südens gesehen haben, obwohl sie doch jeden Abend gesucht haben. Tja Kinder, so ist das im Spätherbst, der dort Sommer heißt.
Weiterhin viel Spaß beim Spechteln
Stefan
Kameldornbaum und junger Mond 19 Stunden und 42 Minuten nach Neumond; Gästefarm Hakos; 30x80 Spektiv, ICS UDA und Pentax Digiknipse; 21. November 2006, 18:00 UT