Sternwarte Meudon in Paris - ein altes astrophysikalisches Observatorium

  • Ich befinde mich derzeit auf einer Arbeitswoche im Rahmen des ELT-MOSAIC-Projektes am Observatorium Meudon. Heute hatten wir eine kleine Fuehrung, die ich Euch nicht vorenthalten moechte.


    Jaja, Paris und das liebe Streulicht (verwackelte Mobiltelefonaufnahme).



    Bereits am Fuss des Huegels, von der Eisenbahnstation "Bellevue" kommend, ein witziger Wegweiser auf einer Verkehrsinsel:



    Zunaechst der Daempfer: Das wohl interessaenteste Teleskop, das "Grande Lunette" (Doppelrefraktor, 83cm + 62cm) ist off limits, da die Begehung nicht sicher ist. Die Bausubstanz hat gelitten, und fuer solches altes Geraet ist natuerlich kein Geld da. Hier deswegen nur die Kuppel von aussen (unser Treffen fand im weitlaeufigen Inneren statt), und ein Modell des Teleskops. Die Sternwarte wurde in der 2. Haelfte des 19. Jahrhunders auf den Ruinen des Koenigsschlosses gebaut. Es dient dediziert der Astrophysik, im Vergleich zur eher auf die klassische Positionsastronomie ausgerichtete Pariser Sternwarte.

         


    Im Eingangsbereich ist Bernard Lyot's Original-Koronograph ausgestellt, aus Holz und Baujahr 1931.



    Draussen wimmelt es von Kuppeln, von denen einige verfallen wirken. Die kleinen weissen Kuppeln dienen der Studentenausbildung.



    Die einzigen Forschungsbeobachtugen, die noch gemacht werden, sind Serienbeobachtungen der Sonne seit 1908 mit einem Coelostaten. Auf diversen optischen Baenken stehen verschiedene Geraete - teils alt, teils neu und irgendwie vertraut wie der Vixenrefraktor mit dem Spektrografen hinten dran.


         



    Per Spektrohelioskop werden so an jedem sonnigen Tag Sonnenbilder in H-Alpha, Weisslicht und Kalziumlicht erhalten. Es ist unklar, wie lange diese Station im Zeitalter der vollautomatischen Satellitenprogramme wie SOHO noch betrieben werden wird.


    Das modernste und groesste Instrument ist ein 4m-Cherenkovteleskop. Dies ist ein Prototyp fuer das Cherenkov Telescope Array (CTA), und aus persoenlichen Gruenden war das ein Highlight fuer mich, hatte ich die Optik dafuer doch vor ca. 12 Jahren entworfen. Es ist ein Schwarzschild-Couder-Design. Zwei Spiegel stehen sich gegenueber, aber der Fangspiegel ist nicht konvex wie beim Cassegrain, sondern ebenfalls konkav. Hierdurch wird ein Oeffnungsverhaeltnis von f/0.6 erreicht, die Brennweite ist 2.4m. Dieses Teleskop bildet Signaturen von Gammastrahlen-Events in der Hochatmosphaere ab, und eine stereoskopische Aufnahme zweier solcher Teleskope lassen Rueckschluesse auf die Richtung zu, aus der das hochenergetische Gammaquant kam, bevor die Zerfallsprodukte des getroffenen Atomkerns eine nur Nanosekunden andauernde blaue Cherenkov-Leuchtspur erzeugen. Dieses Teleskop diente als Prototyp auch zum Testen der Kamera, die aus einem 6x6-Raster von Chips besteht, die jeweils 8x8 Pixel haben, die je 6.5mm gross sind. Ja, Millimeter, nicht Mikrometer. Als optisches Teleskop waere dieses Instrument unbrauchbar. Die Spotgroesse, die die beiden asphaerischen Spiegel erreichen, betraegt etwa drei Millimeter. Das Teleskop ist unter einer Clamshellkuppel untergebacht, die aus einer dicken Plane besteht.

        


    Selfie-Alarm (bei der ganzen Spiegelei kaum vermeidbar):



    Der Hauptspiegel besteht aus sechs runden Segmenten. Beim spaeteren Modell waren Hexagonalsegmente angedacht, die hier aus Kostengruenden nicht verwirklcht wurden.



    Der Fangspiegel von 2m Durchmesser - 50% Abschattung! Die Kamera (derzeit nicht installiert) befindet sich im schwarzen Kasten vor dem Spiegel.



    Als "Zielhilfe" dient ein 102/500er Sky-Watcher-Richfielder. In der Praxis wird das Teleskop nicht nachgefuehrt, sondern fuer eine Nacht auf ein Himmelsareal ausgerichtet.



    In Hoehe wird das Geraet per Schneckentrieb bewegt, in Azimut per Kettentrieb. Ein rueckseitiger Ausleger haelt die Balance.



    Die Metallspiegel sind aus Aluminium, mit Nickel beschichtet und nachpoliert. Die Rauheit betraegt 7nn rms, nicht schlecht fuer Metalloptik.

  • Stark! Danke für die virtuelle Führung!


    Gruß, Jochen

  • In einer anderen Kuppel befindet sich das "Table Equatorial", der aequatoriale Testtisch. Eine riesige Montierung traegt eine grosse Scheibe, auf der sich beliebige Geraete parallaktisch nachfuehren lassen. Ein Aufbau von 1930. Die ca. 10m-Kuppel wirkt ueberdimensioniert, da nur ein 60cm-"Winzling" dranhaengt. Eine Montierung kann ja nie stabil genug sein.


         


        


    Dieses Instrument wurde um 1930 als "Testhalle" fuer neue Instrumente entworfen, die dann gleich am Stern getestet werden konnten. Heute wird das Geraet gelegentlich von einem Amateurverein genutzt. Es gibt auch noch ein Sonnen-Turmteleskop, dessen Architektur eher an ein Ausflugsziel erinnert:


    Von der alten Groesse der Sternwarte zeugen auch ein paar Bilder, z.B. des grossen Doppelrefraktors. Ich habe sie versucht, per Mobiltelefon in ihren glaenzenden Bilderrahmen abzulichten.


      


    Es gibt auch noch einen 1m-Spiegel in dieser Kuppel:



    Und der Grund fuer den Verfall der Nachtgeraete ist offensichtlich: Hier eine Aufnahme der Skyline in noerlicher Richtung.



    Insgesamt eine wunderschoene Anlage, die - waere das Geld vorhanden - in ein exzellentes Museum verwandelt werden koennte. Durch den 83cm-Refraktor wuerde ich gern mal durchschauen, auch wenn wegen der Naehe zu Paris kaum noch Deepsky drin sein wird.

  • Hallo Jürgen,

    jetzt bin ich ein bisschen neidisch - das würde ich mir gerne mal anschauen (wo ich doch neulich in Edinburgh gescheitert bin).

    Mein UK-Kumpel schlägt jetzt ersatzweise einen Besuch im Mills Oberservatory in Dundee vor - Meudon wird das aber vermutlich aber schon größenmässig nicht das Wasser reichen können. ^^


    Gruß, Jochen

  • Hallo Jochen,


    leider wird in Meudon nicht viel oeffentlich zugaenglich sein, eben wegen der maroden Bausubstanz.


    In Potsdam auf dem Telegrafenberg, gleich neben dem Einsteinturm, steht der "Grosse Refraktor". Wie in Meudon, nur unwesentlich kleiner: 80/50cm. Das Geraet war auch sehr zerfallen (in den 1990ern als Doktorand nannte ich das Geraet den "grossen Rostfaktor") und es schien das Ende zu sein. Es fand sich dann jedoch ein Goenner, um das Geraet zumindest kosmetisch aufzuarbeiten und die Kuppel abzudichten. Ein paar Jahre spaeter wurde sogar noch mehr Geld gespendet, um das Geraet wieder voll funktionstuechtig zu machen. Es soll in regelmaessigen Abstaenden wieder fuer die Oeffentlichkeit nutzbar sein.


    Jedoch, wie in Paris, in Stadtnaehe. In der Aera, in der solche Refraktoren gebaut wurden, war die Standortwahl meist ein Huegel vor der Stadt, ohne die Stadtentwicklung und -Ausdehnung mit einzubeziehen.

  • Schöne Bilder Brüderchen ....
    Schade das viele Geräte so verwahrlost und heruntergekommen sind ....
    Gibt es in Frankreich keine Möglichkeit für so etwas eine art Stiftung ins Leben zu rufen ?

  • Hi Peter,


    willkommen im Astrotreff!


    Ich kenne mich mit der franzoesischen Astroszene nicht gut genug aus, um diese Frage zu beantworten. In Potsdam wurde ja seinerzeit fuer den 80/50er Doppelrefraktor auf dem Telegrafenberg ein Goenner gefunden. Aber auch hier weiss ich keine Details. Ich denke aber schon, dass es moeglich waere, mithilfe eines Philantropen den Refraktor wieder zugeaenglich zu machen. Die Kuppel ist im guten Zustand (Reparatur nach Sturmschaden vor einigen Jahren), aber sie laesst sich nicht zu 100% drehen. Der Refraktor wurde um 2005 renoviert, wenn ich das auf einem Poster richtig gelesen habe (ich kann leider kein Franzoesisch). Es scheint jetzt der Fussboden zu sein. Der Refraktor hat, wie viele dieser Geraete, einen Hubboden, wo der Fussboden dem Okular folgen kann, weil der Refraktor ja hinter der Montierung sehr lang ist. So muss der Beobachter nicht auf eine riesige Leiter steigen, um an das Okular zu kommen. Am AIP in der Sternwarte Babelsberg hatten wir auch so einen Hubboden fuer den 65cm-Refraktor, und irgendwann durften wir den nicht mehr benutzen wegen Baufaelligkeit. Am Hohen List (35cm/30cm-Doppelrefraktor), zu meiner Studentenzeit (Mitte 1990er), durften wir den Hubboden auch nicht mehr fuer groessere Gruppen benutzen, um die Technik zu schonen.


    Es scheint wohl generell eine anfaellige Technik zu sein. Als das 1m-Yerkesteleskop in Wisconsin vor ueber 100 Jahren in Betrieb genommen wurde, kollabierte der gesamte Hubboden kurz nachdem die Astronomen ihre Beobachtung beendet hatten. Sie waren zum Glueck schon nicht mehr in der Kuppel, und entgingen so schweren Verletzungen. Und der Hubboden war neu.

    In Meudon machen viele Gebaeude einen etwas verfallenen Eindruck, da das Jahresbudget zum Erhalt winzig ist. Es ist wie in vielen anderen alten astronomischen Institutionen, da ja die Forschung inzwischen anders ablaeuft und die grossen Sternwarten, die ja auch Geld kosten, irgendwo weitab in der Wueste stehen. Kleinere Sternwarten gehen da manchmal in die Hand von Amateuren oder Amateurvereinen - Happy End. Aber grosse Anlagen lassen sich von Amateuren finanziell kaum stemmen. Besonders schwierig ist es, wenn die Bauten dann auch noch denkmalgeschuetzt sind wie das Gebaeude des Meudon-Refraktors, das urspruenglich (zur Zeit der "Sonnenkoenige") ein Gaestehaus des Koenigspalastes war. Es wurde erst spaeter, 2. Haelfte 19. Jahrhundert, umgebaut und deshalb zeigt es auch diese barocken Verzierungen, die eigentlich unueblich fuer Sternwarten sind.

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