Bevor die Wintermilchstraße die Teleskope auf sich lenkt, möchte ich jetzt im Spätherbst das Augenmerk auf zwei Galaxien lenken. Messier 77 und NGC 1055 sind zwei vermutlich gravitativ aneinander gebundene Galaxien und von uns 51 resp. 45 Millionen Lichtjahre entfernt. Sie stehen aufgrund ihrer physikalischen Verbindung miteinander und der relativ großen Nähe zu uns auch am Himmel scheinbar nah beieinander.
Beide Objekte sind sehr hell und schon mit kleinen Optiken bzw. Ferngläsern sichtbar. Sie sind aber, finde ich jedenfalls, für alle Öffnungen interessant, denn je mehr Öffnung, umso mehr wird an Details sichtbar. Interessant ist natürlich, was mit welcher Öffnung geht.
Wie findet man die beiden Galaxien?
Das ist zum Glück sehr einfach. Südlich des Widders findet sich recht auffällig der Kopf des Walfischs. Im Moment hilft Jupiter dabei, denn der steht direkt nördlich des Kopfes. Menkar, alpha Ceti, ist mit 2m5 auffällig. Man findet ihn auch, indem man den Stierkopf als Pfeil verwendet:
(Bildquelle: Bildhintergrund SDSS – Wikisky.org)
Hat man den Kopf des Walfischs erreicht, dann muss man nur noch den Stern finden, der den Kopf trägt, quasi den Hals des Meerungeheuers, Delta Ceti. Mit 4m1 ist er kein Scheinwerfer, sollte aber auch bei nicht so gutem Himmel leicht sichtbar sein. Östlich von Delta Ceti findet man dann sofort NGC 1055, die mit zwei Sternen ein gleichschenkeliges Dreieck bildet. M 77 liegt direkt südsüdöstlich von NGC 1055.
(Bildquelle: Bildhintergrund SDSS – Wikisky.org)
Die beiden Objekte
Zuerst der Klassiker schlechthin, Messier 77. Mit 8m9 ist es eine sehr helle Galaxie. Wir schauen hier auf eine Spiralgalaxie in Aufsicht. Trotzdem ist es nicht einfach, die Spiralarme zu sehen, denn ihr Buldge ist recht groß und die Arme sind sehr dicht beieinander. Trotzdem ist auch bei kleinen Öffnungen etwas zu erkennen bzzw. Herauszuarbeiten: der aktive Galaxienkern, denn M 77 ist eine Seyfertgalaxie. Viele Spiralgalaxien sind Seyfertgalaxien, aber diese liegt in unserer direkten kosmischen Nachbarschaft. Und trotzdem springt der helle Kern nicht sofort ins Auge, da das zentrale Schwarze Loch von Staubwolken umgeben ist (vgl. diesen Kurzartikel der Max-Planck-Gesellschaft: https://www.mpg.de/18274805/schwarzes-loch-in-ngc1068
Als wäre eine aktive Galaxie in Aufsicht nicht schon für sich allein interessant genug, so wundert man sich, wenn man sie entweder mit sehr großen Amateurteleskopen visuell betrachtet oder mittels Fotografie auch schwächere Bereiche der Galaxie sichtbar macht. Um die Spiralgalaxie selbst findet sich ein großer Ring bzw. eine große ovale Struktur. Auf Fotos sieht man hier wiederum Staubbänder und Feinstrukturen. Auf sehr lang belichteten Fotos erkennt man, dass ein Kontakt mit den beiden größten Spiralarmen besteht und in den äußersten Bereichen die Sterndichte höher ist, als auf halbem Weg zwischen Außenbereich und Kernregion. M 77 wurde in ihrer Entwicklung deutlich gestört, weshalb sie im Arp-Katalog als Arp 37 erscheint. Demnach habe sie auf einem Arm einen Begleiter mit sehr geringer Flächenhelligkeit. So einen Begleiter sehe ich zwar nirgends auf Fotos, aber wie gesagt, M 77 zeigt irreguläre Spuren.
NGC 1055, der Mini-Sombrero, ist das zweite Objekt. Es ist an M 77 gravitativ gebunden und mit 10m6 deutlich lichtschwächer. Die Flächenhelligkeit ist mit 13m7/arcmin aber noch ausreichend hell auch für kleinere Optiken. Doch was ist das Besondere an diesem Begleiter von M 77? Nun, hier schauen wir von der Seite auf eine Balkenspirale, was sich durch die Form (lang und schmal, edge on eben) und ein sehr auffälliges, großes Staubband bemerkbar macht. Da wir aber noch etwas schief auf die Galaxie sehen, wirkt sie asymmetrisch. Das Staubband schneidet den hellen Teil der Galaxie wie mit einem Lineal gezogen ab, man sieht also eine recht scharfe Kante. Die andere Seite, jenseits des Staubbands, sehen wir fast nicht, da sie großteils verdeckt ist. Hier kommt es auf die Optik (und den Himmel) an, ob man nur den helleren Teil erkennt oder ob man auf der anderen Seite des Bands noch etwas Glimmen sehen kann. Mit mittleren Optiken wird man da wenig Chance haben, aber nur wer’s versucht, weiß es. Auf alle Fälle kann man beim Versuch, auf der anderen Seite noch etwas glimmen zu sehen, die Form des helleren Teils genau analysieren. Vielleicht fällt ja die glatte Kante auf, auch wenn dann das Staubband selbst nicht direkt sichtbar ist, wäre diese Auswirkung desselben erkennbar.
Es sind noch weitere Galaxien in der direkten Umgebung, sowohl entferntere als auch weiter, mit M 77 und NGC 1055 gebundene, auffindbar. Aber die beiden allein verlangen, wenn man’s „gescheit“ machen will, viel Zeit und Aufmerksamkeit. Deshalb habe ich nur dieses Paar ausgesucht (und wo soll man in dieser Gegend sonst eine Grenze ziehen?).
Konkret zu beobachten:
Messier 77:
1. Wie auffällig findet ihr den Kern?
2. Ab welcher Öffnung könnt ihr die Spiralstruktur erkennen/erahnen?
3. Ab welcher Öffnung könnt ihr Details in den Armen erkennen (Staubstrukturen, Knoten usw.)?
4. Ab welcher Öffnung könnt ihr die äußeren Bereiche erkennen?
NGC 1055:
1. Was ist die kleinste Optik, mit der ihr NGC 1055 erkennen könnt? (Die beiden Sterne nördlich helfen, sie im Fernglas genau zu lo0kalisieren)
2. Ab welcher Öffnung seht ihr den größeren Teil gerade abgeschnitten?
3. Ab welcher Öffnung seht ihr den Staubstreifen deutlich, da ihr den gesamten Sombrero erkennt, auch die andere Seite, die kleiner ist ?
Und natürlich auch herzlichst eingeladen sind die Fotografinnen und Fotografen, die den beiden sicher schon zuleibe gerückt sind (und wenn nicht, dann seid hiermit animiert, die beiden Schönheiten aufs Korn zu nehmen).
Ich wünsche euch viel Freude beim Beobachten – in zwei Wochen haben wir Neumond und hoffeltlich klaren Himmel – oder beim Kramen in eueren Aufzeichnungen / Fotoarchiven!
Liebe Grüße,
Christoph