Hallo in die Runde,
schon relativ oft habe ich hier von den Seeingproblemen im Erzgebirge berichtet: Über dem nach Süden weisenden Steilabfall ins Böhmische Becken steigt nachts Warmluft auf. Und das muss man als Beobachter fünf Kilometer nördlich vom Gebirgskamm ausbaden. Vor allem im Sommer ist es im Grunde sinnlos, meinen 300mm-Dobson dort hochzukarren. Im Süden werden die Sterne häufig zu wabernden Flecken von 5 bis 10 Bogensekunden Durchmesser aufgebläht.
Weil ich ein sturer alter Mann bin, probiere ich es trotzdem immer wieder. Und siehe da, gestern (2023 Okt. 01/02) hat es nach langer Zeit endlich mal mit dem Seeing geklappt. Wahrscheinlich lag es daran, dass es den ganzen Tag über bewölkt war und erst in der Nacht aufklarte. Jedenfalls war mir an Saturn, mit dem ich anfing, sofort klar, dass dieses mal mehr geht.
Zum Instrument: 300/f6, LOMO, Sitall, 18% Obstruktion, drei Streben, Carbontubus mit zwei saugenden Lüftern vor dem Spiegel, Äquatorialplattform, Binokularansatz mit TV BinoVue 2x, zunächst für kurze Zeit mit 24mm Panoptic (150x), dann durchgängig mit Noblex UWA 12,5mm (288x).
Saturn: Fünf Monde erkennbar: Titan, Rhea, Tethys, Dione und Japetus. Die sehe ich zwar auch schon mit dem 130er Apo, aber mit dem 300er musste ich Saturn nicht aus dem Sehfeld verbannen, um die schwächsten Monde in unmittelbarer Nähe des Rings zu erkennen. Die Cassinische Teilung war deutlich über die Ansen hinaus sichtbar, wenn auch etwas weniger schwarz als der Schatten des Planeten auf dem Ring und der Halbschatten des Rings auf dem Planeten. Helle, breite EZ, schmales NEB, dem im Norden noch eine schmale helle Zone folgte, dann ein weiteres etwas dunkleres Band. Und das alles in Farbe…
Jupiter: Einfach gigantisch bei 288x. Zwar war der Kontrast nicht optimal, weil der nur wenige Grad entfernte Mond auf gut 70% der Hauptspiegelfläche leuchtete und dort eine Menge Dreck liegt. (Der muss einfach mal wieder baden.) Aber der GRF war extrem deutlich sichtbar: orangerot, zeitweise klar vom umgebenden dunklen Hüllmaterial auf der prograden Seite zu unterscheiden und hell gegen die SEB-Bucht abgesetzt. Für alle, die das jetzt hoffen: Nein, das Oval BA konnte ich nicht erkennen. Dazu waren: das Seeing nicht perfekt genug, der Spiegel zu dreckig, der Mond zu nah und wohl auch meine Augen zu alt.
Aber es gab viel Detail in den Bändern, unter anderem starke SEB-Verwirbelungen auf der prograden Seite des GRF. Die Monde waren zwar nicht perfekt ruhige Scheibchen, aber klar in ihrer Größe zu unterscheiden. Ganymed zeigte trotz leichten Gezappels ein dunkles Albedogebiet und das recht beständig. Sogar auf Kallisto deutete sich ein wenig Struktur an. Der GRF brauchte für seinen Meridiandurchgang 17,2 Minuten, was einer Längenausdehnung von reichlich 10° entspricht.
Mond: Ich bin ja nun wirklich oft am Mond, aber so feine Details hatte ich auch am TEC 180 selten. Die Rimae Atlas, ein Netzwerk von Rillen, so deutlich habe ich die noch nie gesehen. Ebenfalls eine Premiere: die Rima Cleomedes nahe am Terminator. Rupes und Rima Cauchy, schattenlos und nur als zarte weiße Linien erkennbar, ebenso die schmale Rima Fracastorius, die ich bisher nur ein, zwei mal mit dem TEC aufspüren konnte. Relativ mühelos waren im steil beleuchteten Plato fünf Kleinkrater auszumachen. So weit die „moon fuzzies“, deren Sichtung etwas über das Seeing und die Größe/Qualität des Instruments sagt. Daneben gab es natürlich auch reichlich Kino fürs staunende Auge: das vom Terminator angeschnittene Mare Crisium mit seinem im flachen Licht plastisch hervortretenden Randgebirge und die großen Vier: Langrenius, Vendelinus, Petavius und Furnerius an der Schattengrenze. Was diese Krater an filigranem Detail zeigten, ließ mir einfach die Kinnlade nach unten klappen. Verdammt, dabei sind es mittlerweile fast 60 Jahre, die ich mir schon den Mond angucke.
Das alles bei für Anfang Oktober und 700 m über NN moderaten 12 °C, kein Taufall, ganz leichtem Wind und einer so fantastischen Transparenz, dass der Mond ohne jede Aureole drumherum am Himmel stand. Keine Lampe in Sichtweite und keine Geräusche außer dem Wind in den Blättern und den Brunftrufen der Hirsche. Manchmal sind es eben wirklich Sternstunden…
CS
Jörg