Das zykl.Universum von Roger Penrose(CCC, conformal-cyclic-cosmology) hat auch philosophische Seiten

  • Fortsetzung:


    Penrose stellt sich aus Gründen, die teilweise mit seiner eigenen bevorzugten Interpretation der Quantentheorie zusammenhängen, eine Folge endloser neuer Zyklen vor. In der Quantenmechanik existiert ein physikalisches System gleichzeitig in einer Überlagerung vieler verschiedener Zustände und wählt nur zufällig einen aus, wenn wir den messen. Für Penrose beinhaltet jeder Zyklus zufällige Quantenereignisse, die anders verlaufen – was bedeutet, dass sich jeder Zyklus von denen davor und danach unterscheidet.

    Das sind eigentlich gute Nachrichten für die Experimentalphysiker, denn es könnte uns ermöglichen, durch schwache Spuren oder Anomalien in der vom Planck-Satelliten beobachteten Reststrahlung des Urknalls einen Blick auf das alte Universum zu werfen, aus dem unseres entstanden ist.


    Penrose und seine Mitarbeiter glauben, dass sie diese Spuren möglicherweise bereits entdeckt haben, indem sie die Muster in den Planck-Daten auf die Strahlung supermassereicher Schwarzer Löcher im vorherigen Universum zurückführen. Das wird doch von anderen Physikern angefochten.

    Endlose neue Zyklen sind der Schlüssel zu Penroses eigener Vision. Man könnte aber auch die konforme zyklische Kosmologie von einer mehrzyklischen in eine einzyklische Form umzuwandeln. Dann besteht die physische Realität aus einem Umlauf durch den Urknall bis zu einem Zustand maximaler Leere – und dann noch einmal derselbe Urknall, wodurch wieder dasselbe Universum entsteht, usw.


    Diese letztere Möglichkeit steht im Einklang mit einer anderen Interpretation der Quantenmechanik, der sogenannten Viele-Welten-Interpretation. Die Viele-Welten-Interpretation sagt aus, dass jedes Mal, wenn wir ein überlagertes System messen, diese Messung nicht zufällig einen Zustand auswählt. Stattdessen ist das Messergebnis, das wir sehen, nur eine Möglichkeit – diejenige, die sich in unserem eigenen Universum abspielt. Die anderen Messergebnisse spielen sich alle in anderen Universen eines Multiversums ab, praktisch abgeschnitten von unserem eigenen. Ganz gleich, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, dass etwas passiert, wenn die Wahrscheinlichkeit nicht gleich Null ist, dann geschieht es in einer Quantenparallelwelt. Es gibt da draußen in anderen Welten Menschen wie wir, die im Lotto gewonnen haben, von einem monströsen Tyfon in die Wolken geschwemmt wurden, krank geworden sind, oder die alles drei gleichzeitig erlebt haben.


    Es gibt Physiker, die glauben, dass solche Paralleluniversen auch in kosmologischen Daten zu beobachten sind, als Abdrücke, die durch die Kollision eines anderen Universums mit unserem entstehen.


    Die Viele-Welten-Quantentheorie gibt der konformen zyklischen Kosmologie eine neue Wendung, wenn auch keine, mit der Penrose einverstanden ist. Unser Urknall könnte die Wiedergeburt eines einzigen Quantenmultiversums sein, das unendlich viele verschiedene Universen enthält, die alle gleichzeitig auftreten. Alles Mögliche passiert – und dann passiert es immer und immer wieder.


    Der philosophische Teil des Ganzen

    Für einen Wissenschaftsphilosophen ist Penroses Vision faszinierend. Es eröffnet neue Möglichkeiten zur Erklärung des Urknalls und führt unsere Erklärungen über gewöhnliche Ursache und Wirkung hinaus. Es wäre ein Testfall für die Erforschung der verschiedenen Möglichkeiten, wie die Physik unsere Welt erklären kann.


    Und für einen Liebhaber von Mythen ist Penroses Vision noch schöner. In Penroses bevorzugter Mehrzyklusform verspricht es endlose neue Welten, die aus der Asche ihrer Vorfahren entstehen. In seiner Ein-Zyklus-Form ist es eine eindrucksvolle moderne Wiederbelebung der alten Idee des Uroboros, der Weltschlange. In der nordischen Mythologie ist die Schlange Jörmungandr ein Kind von Loki, einem cleveren Betrüger. Jörmungandr verzehrt seinen eigenen Schwanz und der geschaffene Kreis hält das Gleichgewicht der Welt aufrecht. Aber der Uroboros-Mythos ist auf der ganzen Welt dokumentiert – auch schon im alten Ägypten.


    Der "Uroboros" des einen zyklischen Universums ist phantastisch. Er enthält in seinem Bauch unser eigenes Universum sowie jedes der seltsamen und wunderbaren alternativen möglichen Universen, die die Quantenphysik zulässt – und an der Stelle, an der sein Kopf auf seinen Schwanz trifft, ist er völlig leer, aber auch sprudelnd von Energie bei Temperaturen von Hunderttausend Millionen Milliarden Billionen Grad Celsius. Sogar Loki, der Gestaltwandler, wäre beeindruckt.

  • Aus Wikipedia:

    "Penrose sieht in der Hintergrundstrahlung eine Bestätigung des von ihm vorgeschlagenen Modells eines zyklischen Universums (CCC, conformal cyclic cosmology), das aufeinander folgende Universen vorsieht und somit im Gegensatz zum Modell der Paralleluniversen steht. Demnach folgt auf das Ende eines expandierten Universums ein neuer Urknall, was eine Symmetrie bzw. konforme (das heißt im Wesentlichen skalenunabhängige) Transformation zwischen Anfang und Ende voraussetzt (das steht mit seiner Weylkrümmungshypothese zur Erklärung der Entropie des Universums in Verbindung). Da aber im bekannten Universum massive Teilchen vorhanden sind und dadurch Skalen definiert werden, postuliert er zudem, dass die Teilchen in der Endphase ihre Masse verlieren. Auch postuliert er zur Erklärung von Temperaturfluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung masselose Teilchen, die Gravitation vermitteln und Dunkle Materie ausmachen."


    Das zyklische Universum

    Der mit dem Nobelpreis 2020 ausgezeichnete Physiker Roger Penrose hat ein faszinierendes, aber kontroverses Modell für ein zyklisches Universum vorgeschlagen, das als „konforme zyklische Kosmologie“ bezeichnet wird. Penrose sieht einen interessanten mathematischen Zusammenhang zwischen einem sehr heißen, dichten, kleinen Zustand des Universums – wie beim Urknall – und einem extrem kalten, leeren, ausgedehnten Zustand des Universums – wie es wahrscheinlich in einer fernen Zukunft mal sein wird. Seine radikale Theorie zur Erklärung dieses Zusammenhangs besteht darin, dass diese Zustände mathematisch identisch werden, wenn sie an ihre absoluten Grenzen gebracht werden. Klingt paradox, aber eine völlige Abwesenheit von Materie könnte dazu geführt haben, dass die gesamte Materie entstanden ist.

    So gesehen entsteht der Urknall aus dem Nichts, was "übrig" bleibt, wenn die gesamte Materie in einem Universum in Schwarzen Löchern verschwunden ist, die wiederum "verdampften" (Hawkingstrahlung). Das gesamte Universum entsteht also aus etwas, das – aus einer anderen physikalischen Perspektive betrachtet – dem Nichts so nahe kommt wie überhaupt möglich. Aber dieses Nichts ist immer noch eine Art Etwas. Es ist immer noch ein physisches Universum, wie leer es auch ist.


    Wie kann jetzt der Zustand eines kalten, leeren Universums gleich dem eines heißen, dichten Universums sein? Die Antwort liegt in einem komplexen mathematischen Verfahren (konforme Neuskalierung) - eine geometrische Transformation, die die Größe eines Objekts verändert, seine Form jedoch unverändert lässt.

    Penrose zeigte, wie der kalte, leere Zustand und der heiße, dichte Zustand durch eine solche "Neuskalierung" in Beziehung gesetzt werden können, sodass sie in Bezug auf die Formen ihrer Raumzeiten übereinstimmen – jedoch nicht in Bezug auf ihre Größen. Ist ja schwer zu begreifen, wie zwei Objekte auf diese Weise identisch sein können, wenn sie unterschiedliche Größen haben – aber Penrose argumentiert, dass "Größe" als Konzept in solch extremen physischen Umgebungen keinen Sinn mehr ergibt.


    In der konformen zyklischen Kosmologie geht die Erklärungsrichtung von alt und kalt zu jung und heiß: Der heiße dichte Zustand existiert aufgrund des kalten leeren Zustands. Aber dieses „auf Grund“ ist nicht das wohlbekannte „auf Grund“ – die Ursache, auf die in der Zeit ihre Wirkung folgt. In diesen Extremzuständen spielt nicht nur die Größe eine Rolle, sondern auch die Zeit. Der kalte, leere Zustand und der heiße, dichte Zustand liegen tatsächlich auf unterschiedlichen Zeitlinien. Der kalte, leere Zustand würde aus der Perspektive eines Beobachters in seiner eigenen zeitlichen Geometrie für immer andauern, aber der heiße, dichte Zustand, den er hervorruft, befindet sich praktisch auf einer neuen, ganz eigenen Zeitlinie.

    Man könnte den heißen, dichten Zustand aus dem kalten, leeren Zustand auf nicht kausale Weise entstanden sehen. Dann könnte man sagen, dass der heiße, dichte Zustand aus dem kalten, leeren Zustand hervorgegangen ist, in ihm verankert ist oder durch ihn verwirklicht wird.


    Das sind eindeutig metaphysische Ideen, die von Wissenschaftsphilosophen ausführlich untersucht wurden, insbesondere im Zusammenhang mit der Quantengravitation, wo gewöhnliche Ursache und Wirkung scheinbar zusammenzubrechen scheinen.

    An den Grenzen unseres Wissens lassen sich Physik und Philosophie nur schwer voneinander trennen.



    Experimentelle Beweise?

    Die konforme zyklische Kosmologie bietet einige detaillierte, wenn auch spekulative Antworten auf die Frage, woher unser Urknall kam. Aber selbst wenn Penroses Vision durch den zukünftigen Fortschritt der Kosmologie bestätigt wird, könnten wir denken, dass wir eine tiefere philosophische Frage immer noch nicht beantwortet hätten – die Frage, woher die physische Realität selbst stammt. Wie ist das gesamte System der Zyklen entstanden? Dann landen wir schließlich bei der reinen Frage, warum es etwas und nicht nichts gibt – eine der größten Fragen der Metaphysik.


    Hier handelt es sich doch um Erklärungen im Bereich der Physik. Für die tiefere Frage, wie die Zyklen begannen, gibt es drei Optionen.

    1. Erst mal könnte es überhaupt keine physikalische Erklärung dafür geben.

    2. Es könnte sich endlos wiederholende Zyklen geben, von denen jeder ein eigenes Universum darstellt, wobei der anfängliche Quantenzustand jedes Universums durch ein Merkmal des vorherigen Universums erklärt wird.

    3. Es könnte einen einzigen Zyklus und ein einziges sich wiederholendes Universum geben, wobei der Beginn dieses Zyklus durch ein Merkmal seines eigenen Endes erklärt wird.


    Die beiden letztgenannten Punkte vermeiden die Notwendigkeit von Ereignissen ohne Ursache, was wir sympathischer finden würden, weil nichts physikalisch ungeklärt bliebe.

    Einmal editiert, zuletzt von Caro () aus folgendem Grund: Ungültiger Link nach Zusammenführung entfernt

  • Danke für den Beitrag, bin ja immer fasziniert von Ansätzen die etwas neue und philosophische wege gehen.

    Beim Spiegelschleifen bin ich ja "zwangsweise" über John Dobson "gestolpert"; dessen Ansatz eines sich ständig selber recycelnden Universums ohne Urknall hat mit gut gefallen...

    Viele Grüße, Martin

  • Fred Hoyle hat aber selbst die Steady State aufgegeben nach Entdeckung des Mikrowellen-Hintergrundes in den '60ern. Er hätte auch das abnehmende Entwicklungsalter der Sternpopulationen/Galaxien, auch abnehmende Metallizität, mit zunehmender Entfernung nicht erklären können. Damit war John Dobson ebenfalls hoffnungslos veraltet. Und überdies hatte er offensichtlich Nachholbedarf in Bezug auf Quantentheorie.


    Und Roger Penroses 'Gebäude' ist wirklich nur Hinweis auf 'Ähnlichkeit' in mathematischen Beschreibungen verankert.


    Gefallen ist für mich kein Maßstab für eine Theorie, wenn dazu wesentliche Erkenntnisse einfach negiert und weggelassen werden.


    Erkenntnisse muß man eben fressen ... :)


    Im Zusammenhang mit dem heißen Urknall gab es zB. die Vorhersage aufgrund der primordialen Nukleosynthese. Die Verhältnisse Wasserstoff, Helium und Lithium sind genau in diesen Verhältnissen vorgefunden worden. Wie will man das ohne heißen Urknall erklären?


    Gruß

    Stephan


    Nachtrag: Bez. Lithium doch unklar: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Primordiales_Lithiumproblem

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