"Schon auf der Baby-Erde könnte es Wasser gegeben haben. Wasser ist für irdisches Leben unerlässlich. Wie es auf die Erde oder erdähnliche Planeten gelangt ist, wird diskutiert. Nun lässt das Licht des jungen Sterns PDS 70 vermuten: Es war von Anfang an da.
Woher stammt das Wasser der Ozeane? Dies ist eine Frage, die Geophysiker und Astronomen seit Langem beschäftigt. In den Weiten des Alls, 360 Lichtjahre von der Erde entfernt, wollen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg jetzt eine Antwort gefunden haben. Wasser, so ihre Erkenntnis laut einer Studie im Fachmagazin Nature, war Teil der Staub- und Kieselmischung, aus der die Erde hervorgegangen ist. »Es war von Anfang an da«, sagt Teamleiter Thomas Henning.
Das Rätsel des Ursprungs allen irdischen Wassers zu klären ist von großer Bedeutung. Denn davon hängt ab, wie wahrscheinlich Leben im All entsteht: Verdankt die Erde die Existenz der Flüsse, Seen und Meere glücklichen Umständen, die andernorts nicht bestehen, könnte es sein, dass die meisten Planeten anderer Sonnensysteme trocken und damit unbewohnbar sind. Gehört aber Wasser gleichsam zur Grundausstattung fast aller Gesteinsplaneten, dann hat es in der Galaxis für organische Moleküle vermutlich milliardenfach Gelegenheit gegeben, sich in wässrigem Milieu zu etwas Lebendigem zusammenzufinden.
Der derzeit vorherrschenden Hypothese zufolge war die Erde anfangs knochentrocken. Zwar ist Wasser im Universum weitverbreitet. Auch die um die Sonne herum wirbelnde Scheibe aus Staub muss einen gehörigen Anteil von Wassereis enthalten haben. Doch gingen die Forschenden bisher davon aus, dass die Wassermoleküle in der Nähe der Sonne, wo die inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars entstanden, nicht lange überdauerten. Die ultraviolette Strahlung spaltete sie in Wasser- und Sauerstoff auf.
Die erkaltende Erde bestand demnach zunächst aus trockenem, nacktem Gestein – für mögliches Leben ein äußerst unwirtlicher Ort. Das Wasser transportierten dieser Vorstellung zufolge erst Asteroiden oder Kometen zur Erde, in denen Eis gebunden war. Beim Aufprall schmolz es und sammelte sich in den flachen Becken des jungen Planeten, bis nach Jahrmillionen währendem Bombardement irgendwann ganze Ozeane zusammengekommen waren.
Astronom Henning und sein Team wollten diese Theorie überprüfen. Als Instrument diente ihnen das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST). Sie machten es sich zunutze, dass inzwischen eine Vielzahl von jungen Sternen in der Milchstraße bekannt sind, um die sich Staubscheiben gebildet haben: das Frühstadium der Planetenentstehung. Bei ihrer JWST-Studie entschieden sie sich für einen Stern namens PDS 70.
Dieser ist unter Planetenforschern berühmt. Er wurde intensiv mit dem Radioteleskop ALMA und dem optischen Riesenteleskop VLT in Chile studiert. PDS 70 ist interessant, weil dieser Stern unserer Sonne ähnelt, wie sie kurz nach ihrer Geburt vor 4,6 Milliarden Jahren ausgesehen haben dürfte. Mit knapp 0,8 Sonnenmassen hat dieser Stern eine ähnliche Größe, zudem wird er, wie die junge Sonne, von zwei großen Gasplaneten umkreist.
In der den Stern umwirbelnden Staubscheibe klafft eine breite, ringförmige Lücke: Staubsaugern gleich haben die beiden in Entstehung befindlichen Gasplaneten fast alle hier umherwabernde Materie mit ihrer Schwerkraft aufgesogen. Vor fünf Jahren gelang es den Planetenforschern sogar, PDS 70 b, einen der beiden, direkt zu fotografieren – als ersten Protoplaneten überhaupt. Henning war damals mit dabei.
Der Blick in den Zentralbereich der planetaren Staubscheibe jedoch, dort wo erdähnliche Gesteinsplaneten entstehen könnten, war den Astronomen bisher verwehrt. Hier zeigt sich nun die Stärke des neuen Superteleskops JWST.
Belege für die Allgegenwart von Wasser
Für die aktuelle Studie nutzten die Forschenden nicht die Kamera, sondern das Spektrometer an Bord des Observatoriums. Dieses Instrument hat eine vergleichsweise geringe räumliche Auflösung, es sieht die planetare Scheibe von PDS 70 als bloßen Punkt. Doch können die Astronomen diesem Punkt eine ganze Geschichte entlocken.
Denn das Spektrometer zerlegt das Licht in seine Farben, und in jeder Linie des Farbspektrums ist eine Botschaft versteckt. Jedes Molekül gibt sich anhand charakteristischer Banden zu erkennen. Und mehr noch: Die Breite dieser Banden verrät etwas über die jeweils herrschende Temperatur.
Im Licht von PDS 70 stießen die Forschenden auf die unverkennbare Signatur von Wasser, und dieses bei Temperaturen von mehr als 300 Grad Celsius. So heiß aber ist es nur im Innern der planetaren Scheibe in der direkten Umgebung des zentralen Gestirns. »Offensichtlich schirmt der Staub die Strahlung stark genug ab, um Wasser dort überdauern zu lassen«, erklärt Henning.
Der Heidelberger Astronom ist überzeugt: Wenn sich in dieser Brutkammer künftiger Erden der Sternenstaub zu Planeten zusammenballt, dann wird diesen Wasser als mögliches Lebenselixier gleichsam mit in die Wiege gelegt.
Auch andere Belege sprechen für die Allgegenwart von Wasser bei der Planetengeburt. So richtet sich das Interesse der Astronomen zunehmend auf eine Klasse von Himmelskörpern, deren Gewicht zwischen demjenigen der großen Gas- und der kleinen Gesteinsplaneten liegt. Jüngste Messungen ihrer Masse sprechen dafür, dass diese sogar zu einem großen Teil aus Wasser bestehen können. Bedeckt sind sie dann von Ozeanen, die mehrere Tausend Meter tief sein können.
Henning jedenfalls ist jetzt begierig, auch mit der Kamera des JWST ins Innere der planetaren Scheibe rund um PDS 70 blicken zu können. Er hofft, dort embryonale Planeten finden zu können. Vielleicht verberge sich dort bereits eine Baby-Erde."