(Mal wieder) Geitau, 14./15.07.23, Stimmungsbericht

  • Liebe Damen und Herren Astrofreunde.


    - Ursprünglich wollte ich nichts schreiben, da es beobachtungsmäßig nichts mitzuteilen gab. Ich stellte jedoch bei Recherche zu dem Dorf Geitau im Forum schnell fest, daß dies kein unbekanntes Nest ist und NormanG hier über Jahre zahlreiche äußerst schöne Berichte geschrieben hat, die ich jetzt nachträglich verschlungen habe.

    Also anbei doch noch eine kleine Stimmungsnote dazu von meiner Seite ;) -


    Manche Erlebnisse und Orte sucht man nicht, sie finden einen.


    Von meiner besseren Hälfte wurde ich mal wieder zum Wandern gehen überredet. Während sie genetisch wohl etwas von einer Bergziege mitbekommen hat, bin ich eher der Landschaftsblickgenießer mit dem Hang wenig zu laufen, nicht zu schwitzen und dafür mehr einzukehren. Also wurde mir die Sache schmackhaft gemacht. Freitag Nachmittag bis Sonnabend in Geitau mit Übernachtung in einer Pension mit Frühstück und mir wurde aufgezählt, auf welcher Alm drumherum man was alles speisen und kosten kann und wenns zu warm ist, könnte man auf den Wendelstein auch mit Seilbahn hoch. Also zugesagt.


    Die Nacht auf Freitag hatte ich dummerweise Nachtarbeit und dachte ob Schlafmangel und warmer Temperaturen um 30°C überhaupt nicht daran, auf Astrogelegenheiten mich vorzubereiten. Gott sei dank wurde mir beim packen noch zugerufen, ich soll mal für den Ausblick ein gescheites Fernglas mitnehmen und nicht immer nur das "Spannerglas für Insektophile" (ich nehme an das arme Pentax Papillio war gemeint :whistling: ) Also das 6 x 30 und 12 x 36 eingepackt.

    Geitau entpuppte sich als nettes kleines, touristisch stark geprägtes Dorf in den Voralpen mit einer großen südlichen Wiesenfreifläche, welche als Segelflugplatz genutzt wird. Am Freitag noch schön umhergewandert und das bekannte Kneipbecken genutzt am Bahnhof. In unserer Pension am Abend dick gespeist und mit Hollunderlikör im Abgang dann zu Bett gegangen.


    Gegen 2.45 Uhr erwachte ich dann von höchst urbanen Geräuschen: einer Autoalarmanlage. Ich bin entnervt auf den Balkon gegangen, um den Plagegeist ausfindig zu machen. Und fand etwas ganz anderes: eine phantastische Sternennacht! Eine unglaubliche Sternenfülle breitet sich aus. Vom Balkon aus sah man direkt auf den Wendelstein. Wie ein schwarzer Scherenschnitt saß der Berg vor dem Sternenhimmel und genau hinter seinem Gipfel glitzerten eine Gruppe heller Sterne. Was ein Anblick! Sofort die Ferngläser geholt und die Ansammlung als offenen Sternhaufen identifiziert. Langsam kamen immer mehr glitzernde Diamanten durch die Erdrotation hinter der Bergspitze hervor und ich mußte innerlich lachen, als ich bemerkte, daß es ja die Plejaden waren. Aber was für eine Schau. Astroobjekte in unmittelbarer Nähe zu irdischen Objekten zu sehen ist doppelt ergreifend. Es gab jetzt kein halten mehr: angezogen, Ferngläser geschnappt und aus dem Zimmer geschlichen. Den Himmel wollte ich im ganzen sehen.

    Ein paar Hundert Meter weiter südlich, in Richtung Segelflugplatz, war ich schon aus dem Dorf hinaus und sicher vor dämlichen Parkplatzlaternen. Überhaupt war das Tal recht gut abgeschmirmt von störenden Lichteinflüssen durch die Bergrücken. Die Milchstraße bot sich durchziehend von Perseus bis Adler in einer Pracht an, wie ich sie gefühlt zuletzte Ende der 80er Jahre erlebt habe. So völlig ohne Programm oder Vorbereitung ergab ich mich dem puren genußgucken und abprüfen meiner Lieblingsobjekte unter diesem Himmel. Der typische Effekt unter dunklem Himmel: alles wirkt farbenprächtiger, klarer und satter leuchtend. Am deutlichsten an Herschels Granatstern, Mu Chephei, er erschien im 12 x 36 in einem dunkelorangenen Ton, wie ich es in München bei gutem Wetter eher im 15 x 70 gewohnt war. Herrlich, ich will hier nicht mehr weg. Gleichzeitig bettelten neben den Sternenbildern Jupiter und Saturn auch noch um Aufmerksamkeit. Saturn hatte ich jetzt das erste mal im 12 x 36 eingefangen und man sah schon die ungleichmäßige Form des Planeten mit Hinweis auf die Scheibe. Atmosphärisch war es auch spannend auf der Wiese. Vom Dorf her kam ab und zu ein Muh aus dem Kuhstall, während von den Wäldern am Berg ein Kauz rief. Einmal hörte ich von der Wiese kommend ein würgendes Röhren. Reh, Hirsch? Ich bin da als Städter etwas leicht eingeschüchtert, auch weil mich mal anderswo ein Dachs fast umgerannt hat, dem es wurscht war, daß ich mit dem Gerödel gerade in seinem Laufweg stand.


    Gefühlt war ich fünf Minuten erst draußen, war doch eine Stunde schon vergangen und ich dachte an meinen fehlenden Schlaf und das wir um 6 Uhr aufstehen wollten für die Wanderungen am Tag. Au wei....wie ein Ehebrecher schlich ich in die Pension zurück. Ein Abschiedsblick aus dem Balkon wurde sofort mit weiteren Leckerlis belohnt: die schmale Mondsichel war links des Wendelsteins aufgetaucht und im Fernglas sah man wie die, nun erkennbar als schwach von der Erde erhellte Mondkugel, entlang des Berges an Bäumen und Felsen emporkletterte.

    Rien ne va plus.....nichts geht mehr, ab ins Bett jetzt endlich. Kurze Zeit später wieder Geräusche, jemand turnte auf dem Balkon herum. Diesmal wars die Freundin ^^ begleitet von "Wuar...boar..."Gemurmel. Der Sichelmond war nun auf der Bergspitze angekommen und saß wie ein Kunstobjekt leuchtend auf dem Berg. Wäre es ein Gemälde gewesen, ich hätte den Künstler des Kitsches bezichtigt. Wir reichten uns nun abwechseln die Ferngläser und murmelten nun zusammen "Wuar...boar..."....


    Die ganzen Erlebnisse hatten mich so aufgekratzt, daß anschließend trotz Müdigkeit kein Schlaf so recht kam. Das "ich" am nächsten Morgen entpuppte sich im Spiegel als 10 Jahre gealtert, aber glücklich! Diese Ecke sieht mich definitiv wieder!


    Viele Grüße

    Johannes

  • Hallo Johannes,


    danke, dass Du diesen stimmungsvollen Bericht verfasst hast! Oft sind es ja die ungeplanten und spontanen Erlebnisse, die dann unvergesslich bleiben. Und es zeigt auch wieder mal, dass es nicht immer "schweres Gerät" braucht, um eine tolle Nacht zu erleben!

    Aber was für eine Schau. Astroobjekte in unmittelbarer Nähe zu irdischen Objekten zu sehen ist doppelt ergreifend.

    Mir ging es speziell letzten Herbst so, als ich mir in Remagen unweit des Rheins mit Fernglas und Stativ den Mondaufgang über dem Westerwald ansah. Vor allem, als ich mir dann gedanklich klar machte, dass es ja eigentlich nicht der Mond ist, der sich gerade aufwärts bewegt sondern dass ich praktisch unserer Erde beim Rotieren zusehe!


    Viele Grüße und CS,

    Klaus

  • Servus Johannes,


    danke für das Mitnehmen auf deinen romantischen Ausflug zu den Sternen! Ich finde, genau diese Momente sind es, in denen wir wieder – wie vielleicht sonst vor allem aus der Kindheit bekannt – die Ästhetik des Nachthimmels einfach nur genießen, ohne uns irgendwelche Gedanken dazu zu machen. Man muss dafür kein Teleskop dabei haben, oft reicht auch das bloße Auge oder – wie von dir geschildert – ein Fernglas.


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo Johannes!

    Danke für deinen tollen Stimmungsvollen Bericht!! :thumbup: Ich war letzes Jahr auch zu dieser Zeit im Berchtesgadener Land im Urlaub und habe mir auch nur mit dem Fernglas und dem bloßem Auge solche schönen Eindrücke erleben können....ist schon echt beeindruckend wenn man die schwarze Siluette der Berge sieht und gleich daneben das funkeln der Sterne... :love:

  • Hallo Johannes,


    ja, ein echt schöner Stimmungsbericht ! Ich hab ein paar ähnliche Erinnerungen an Nächte irgendwo in der Pampa, wo ich auch nachts mal aufgewacht bin, und bei der Gelegenheit aus dem Fenster geschaut habe. Und dann war da ein super Himmel: Unsereins muss man dann halt einfach aus und gucken ;) - genial gut mal auf einer Berghütte auf 2500 Metern Höhe, der Himmel einfach "Wuar...boar..." ...


    Diese Ecke sieht mich definitiv wieder!

    Ich erinnere mich an eine Diskussion zwischen uns zwecks nächtlicher Spechtelaktionen mit der Bahn. Geitau kommt da sicher infrage, am Wochenende geht der erste Zug zurück schon um 5:09. Und im Rahmen des 49 € Tickets ist sowas ja All-Inklusive :).


    Servus

    Ben

  • Hallo Johannes,

    freut mich, von der Ecke zu lesen - vielen Dank für das Wecken schöner Erinnerungen! Dein Bericht hätte gut aus meiner Feder stammen können :)

    Ein absolut schöner Standort, wo eine Nacht wie eine Woche Urlaub wirkt. Leider häufig schlechtes Seeing, auch ein Grund, weshalb ich da mit großem Gerät jahrelang nicht mehr gewesen bin. Zudem auch Kaltluftfalle, also immer etwas frischer als in der weiteren Umgebung.

    Im Herbst kommen dort die Hirsche herunter und äsen nachts auf der Wiese. In dieser Jahreszeit sollte man dann den Asphaltweg nicht so weit nach hinten beschreiten, sonst stört man.


    Ich war immer bei dem Holzhüttchen, allein schon als Lichtschutz vorm Dorf.


    CS

    Norman

  • Hallo Klaus, Christoph, Thomas, Ben und ganz besonders Norman!


    Vielen Dank für Eure Antworten!

    Ich habe mich in der Nacht vorzüglich ausgestattet gesehen mit den zwei Ferngläsern. Ich hätte jedoch zugern ein Photo von den aufgehenden Plejaden über dem Wendelstein hier vorgezeigt. Aber vielleicht wäre dann der Zauber des Moments auch wieder vorbei gewesen, da man zu lang mit den Einstellungen und Probephotos verbracht hätte.

    Manche Momente muß man einfach genießen und "festhalten" ist nicht ;)


    Ja Ben, die Bahnanbindung von Geitau ist superb. ich bin auch schon am überlegen. Bin aber vermutlich zu schissig als Balkonspechtler da die Nacht draußen zu verbringen. Obwohl, wenn nicht jetzt im Sommer, wann dann. Ansonsten bliebe noch der Winter, in welchen man mit einem Spätzug noch am selben Tag zurückfahren kann.


    Norman, ich hab soviel in Deinen Berichten wiedererkannt. Das Wild, die Luft dort und vorallem die Kauzrufe aus Südwesten von den Wäldern am Berg ^^ Ich bin auch nur 100 m aus dem Dorf raus, hat vollkommen gelangt. Denke da störe ich noch kein Wild. Eine Nacht auf dem Wendelstein bei gutem Wetter wäre natürlich noch der Hammer. Aber hochkraxeln ist bei mir nicht. Da sink ich auf der Hälfte erschöpft ein und kuschel dann mit den Kühen auf der Weide.


    Immer noch begeisterte Grüße!


    Johannes

  • Hallo Johannes,

    Freut mich,danke auch meinerseits nochmal nachgeschoben für die Blumen im Eingangspost :)

    Man muss ja auch nicht allzu hoch hinaus. Ab Herbst wird's natürlich feuchter und nebelanfälliger, geitau hat das Glück am Ende vom Tal zu liegen,da kommt der Nebel zuletzt hingekrochen,wo es ein paar Bahnstationen vorher schon dicht ist.


    Falls du vielleicht doch mal ein paar Höhenmeter aus dem Nebel wagen möchtest: in ca. 30 Minuten ist man ab Bhf Osterhofen auf der Hochkreuth Alm auf gut 1000 m Höhe, das ist es schon deutlich trockener und wärmer dann. Da gibt's auch Übernachtung und Kuchen ;)


    Schöne Grüße und CS

    Norman

  • Hallo Norman,


    oh ja, von dem Kuchen auf dem Bergcafe Iglhof hab ich schon gekostet. Wußte gar nicht, daß man da auch übernachten kann. Schön abgeschieden sind sie ja dort.


    Wie waren denn Deine Experimente auf der anderen Seite der Bahnstrecke? Du erwähntest mal einen Platz 5 min in die andere Richtung gehend.


    Beste Grüße


    Johannes

  • Hallo Johannes,

    Ja das geht schon da , 5 min vom Bhf, für Schnellaktionen,ist nur bescheidener Rundumblick. Und weniger Nebel vielleicht. Seeing schwer zu sagen, war erst zwei mal mit Dobson da um die Ecke. Tendenziell besser denke ich als direkt am Rand der Berge. Nur ein Arbeitsplatz,nix zum Genießen;-)


    Schöne Grüße

    Norman

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