Liebe Sternfreunde,
das Wochenende von 21. auf den 22. April verbrachte ich auf der Astrostation Hochbärneck im österreichischen Mostviertel. Die Sternwarte liegt idyllisch auf 910 Metern Höhe fernab von großstädtischen Störlichtern. Beide Nächte offenbarten einen klaren Himmel (Bortle 3/4) bei gutem Seeing und einer visuellen Grenzgröße von zumindest 5,5 mag, sodass ich mich wieder einmal an ausgedehnten visuellen Beobachtungen und ein wenig Astrofotografie erfreuen konnte.
Beobachtungsnacht 1 (von 21.-22. 4. 2023):
Um 19 Uhr kam ich bei der Sternwarte an und baute meinen 8" f/5 Newton auf der EQ6-R Pro auf. Danach holte ich mir im Hochbärneck Almhaus bei einer guten Jause (Brotzeit) noch die notwendige Stärkung für die Nacht.
Kurz nach 22:00 Uhr (MESZ) begann ich meine Deepsky Safari. Die Temperatur war mit 8°C recht angenehm und bei 68% Luftfeuchtigkeit verzichtete ich auf die Heizbänder.
Zuerst richtete ich das Objektiv meines Newton auf den Offenen Sternhaufen M48 in der Hydra, der ca. 2500 Lichtjahre von uns entfernt und mehr als 500 Millionen Jahre alt ist. Im 2“ TeleVue Nagler Okular f=31mm (V = 32x) zeigte sich der Haufen gut aufgelöst. Der Haufen enthält viele Sterne, die im Zentrum dicht angeordnet sind.
Da sich das Sternbild Hydra in dieser Höhenlage relativ hoch über dem Horizont dahinschlängelt, schweife ich weiter südlich zum 11 Milliarden alten Kugelsternhaufen M68. Der 33000 Lichtjahre entfernte Sternhaufen wirkte im 10mm Explore Scientific Okular (V=100x) sehr kompakt und im Zentrum hell.
Nachdem ich nur selten die Möglichkeit habe, so südlich stehende Objekte zu fotografieren, beschloss ich, mein visuelles Set-Up für Astrofotografie umzubauen, um die beiden Sternhaufen M48 und M68 aufzunehmen.
Offener Sternhaufen M48 (Hydra)
21. 4. 2023, 22:00 MESZ
Astrostation Hochbärneck, Bortle 3/4, Seeing 2
8" f/5 Newton, EQ6-R Pro
ZWO ASI 2600MC (Capture), ZWO ASI 178MC (Guiding), Synta Komakorrektor, ZWO ASIAIR+
13 x 180 Sek = 39 Minuten, Gain 0
PixInsight, Photoshop
M68 (Hydra)
21. 4. 2023, 23:00 MESZ
Astrostation Hochbärneck, Bortle 3/4, Seeing 2
8" f/5 Newton, EQ6-R Pro
ZWO ASI 2600MC (Capture), ZWO ASI 178MC (Guiding), Synta Komakorrektor ZWO ASIAIR+
28 x 30 Sek + 68 x 60 Sek = 1 Std. 22 Min, Gain 0
PixInsight, Photoshop
Um 02:00 Uhr früh baute ich mein Teleskop wieder für visuelle Beobachtung um. Nach einem 3-Stern-Alignment mit Arcturus, Regulus und Lyra war die GoTo-Montierung wieder bereit für die nächsten Befehle. Meine Deepsky Safari sollte ich mich zu Galaxien in Virgo und im Coma Haufen führen.
Ich genoss die 30 Millionen Lichtjahre entfernte Sombrero Galaxie M104 in Virgo mit dem 16 mm Explore Scientific Okular (V=63x) und mit dem 8mm TeleVue Ethos Okular (V=125x). Die Galaxie war gut sichtbar, zeigte einen sehr hellen Kern, südlich 2 hellere Sterne und noch weiter südlich 3 fast wie ein gleichschenkeliges Dreieck angeordnete Sterne, nördlich von der Galaxie waren nur wenige Sterne sichtbar.
Die Galaxie NGC 4494 in Coma Berenices verriet sich mir im 8 mm TeleVue Ethos Okular bei 125-facher Vergrößerung als kleiner weißer, ellipsenförmiger Fleck, im Zentrum etwas aufgehellt; östlich im Gesichtsfeld ein paar hellere Sterne, westlich keine Sterne, nordöstlich 5 hellere, rautenförmig angeordnete Sterne.
Mein nächstes Ziel war NGC 4559 in Coma Berenices, die im engl. Sprachraum auch den Beinamen "Koi Fish Galaxie" trägt. Die 30 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie konnte ich mit indirektem Sehen im 10 mm Explore Scientific Okular deutlich als längliche, ellipsenförmige Galaxie wahrnehmen, erkennbar waren auch schwache Strukturen, gleichmäßig hell von nord- nach südöstlich.
Weiter ging meine Reise zur Nadelgalaxie NGC 4565. Mit dem 10 mm Explore Scientific Okular und 100-facher Vergrößerung konnte ich die 50 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie mit indirektem Sehen sehr gut erkennen, sehr dünn, der Bulge etwas aufgehellt, ist von nordwestlich nach südöstlich ausgerichtet, südlich stand ein hellerer Stern.
Die 30 Millionen Lichtjahre entfernte und auch im 8 mm TeleVue Ethos Okular (V = 125x) beeindruckende Walfisch-Galaxie NGC 4631 in Coma Berenices zeigte sich mir in Kantenlage als lang gestrecktes weißes Band von Ost nach West, etwas nördlich vom Zentrum der Galaxie stand ein hellerer Stern, südlich eine Sternenkette und ein Sternen-Dreieck.
Schwieriger zu erkennen war hingegen die Hockey-Schläger Galaxie NGC 4656 in Coma Berenices. Mit indirektem Sehen und dem 10 mm Explore Scientific Okular konnte ich in einem fast sternenlosen Umfeld die Galaxie in 30 Millionen Lichtjahre Entfernung als schwaches, weißes relativ symmetrisches Band erkennen, ungefähr von Ost nach West ausgedehnt, etwas nach Norden verdreht.
Mit 63-fachter Vergrößerung konnte ich bei NGC 4725 in Coma Berenices einen hellen Kern erkennen, dazu nebulose, ellipsenförmige Strukturen rund um den Kern, eine genaue Ausrichtung war nicht erkennbar, östlich eine helle Sternenkettenanordnung, westlich eine sternenarme Region, die 40 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie war mit indirektem Sehen gut und deutlich sichtbar.
Inzwischen war es schon 4 Uhr früh geworden und die Müdigkeit machte sich schon bemerkbar. Aber der Anblick des sternenklaren Himmels ließ mich nicht an Schlaf denken. Weiter und tiefer wollte ich in das Weltall vordringen.
Schon tippte ich das nächste Objekt in den Handcontroller ein. M64, die Galaxie mit dem schwarzen Auge erkundete ich mit den 8 mm TeleVue Ethos. Die Galaxie erschien als flächige Ausdehnung, rund, möglicherweise spiralförmig, im Zentrum heller, das "Schwarze Auge" war gut erkennbar. Mit indirektem Sehen wirkte die Galaxie sogar noch größer, die Umgebung zeigte sich als sternenarme Zone, südlich von M64 strahlte ein etwa 10 mag heller Stern.
Damit ich alle Nebel im Karkoschka Atlas auf Seite 74 abhaken konnte (*freu*), schwenkte ich mein Teleskop als nächstes noch zum 58000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen M53. Das Seeing war inzwischen nicht mehr sonderlich gut und im 7 mm Omegon Super LE Okular (V = 143x) wirkte der Sternhaufen wolkig, milchig verwaschen und die Sterne im Zentrum waren nicht klar auflösbar.
Es war inzwischen schon 4:30 Uhr früh geworden und der Skorpion streckte im Osten seine Scheren weit in die Höhe. Der rote Riesenstern Antares mit seinem unvorstellbaren Durchmesser von 1 Milliarde km funkelte in der bereits aufkommenden Morgendämmerung. Ich nutzte die Gelegenheit, um noch die zwei typischerweise sehr tief stehenden Offenen Sternhaufen M7 und M6 zu beobachten.
Im 8 mm TeleVue Ethos offenbarte sich der "nur" 1000 Lichtjahre von uns entfernte M7 (übrigens das südlichste Messier-Objekt!) wunderschön, als lockere, ausgedehnte Sternenanordnung mit einigen schöne Sternenketten, ohne einem klaren Zentrum,
Den Abschluss der ersten Nacht bildete M6, der 1600 Lichtjahre entfernte Schmetterlingshaufen im Scorpio. Der Sternhaufen im 8 mm TeleVue Ethos erinnerte tatsächlich an die Form eines Schmetterlings - welch ein herrlicher Anblick.
Erfüllt von den Eindrücken der beobachteten Objekte mache ich mich um 5 Uhr früh auf zur Almhütte und freue mich auf ein paar Stunden Erholungsschlaf.
Beobachtungsnacht 2 (von 22.-23. April 2023):
Die zweite Beobachtungsnacht startete ich um 22:00 Uhr MESZ mit einem Ausflug zur Venus, die im 10 mm Explore Scientific Okular mit rund 70% Illumination ziemlich wabberte. Mit der ZWO ASI 178MC machte ich auch eine Aufnahme des "Abendsterns".
In der 2. Beobachtungsnacht hatte ich die Gelegenheit mit einem 14“ f/4,6 Dobson der Astrostation Hochbärneck visuell zu beobachten und gleichzeitig mit meinem 8" f/5 Newton Aufnahmen zu machen.
Der 6000 Lichtjahre entfernte Planetarische Nebel NGC 4361 im Sternbild Corvus war mit dem 14“ Dobson und einem 19 mm TeleVue Panoptics Okular (V = 87x) eindeutig sichtbar, auch der Zentralstern war gut erkennbar.
Als nächstes steuerte ich das 14" Rohr zur 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M98 im Sternbild Coma Berenices. Bei 87-facher Vergrößerung zeigte sich die Galaxie in Kantenlage, im Zentrum etwas aufgehellt.
Weiter ging es zur wunderschönen Galaxie NGC 4216 in Virgo. Bei der 50 Millionen Lichtjahre entfernten, in Nord-Süd-Richtung ausgedehnten Galaxie in Kantenlage war der helle Bulge gut erkennbar, besonders mit indirektem Sehen erschien die Scheibe noch länger gestreckt.
Als nächstes Objekt stand die 55 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie M99 in Coma Berenices auf dem Programm. Mit 14“ Dobson und dem 19 mm TeleVue Panoptics Okular konnte ich mit indirektem Sehen hellere Knoten und angedeutete Spiralarme, im Gesichtsfeld südlich standen einige hellere Sterne, nördlich eine rautenförmige Anordnung von Sternen.
An meinem 8" f/5 Newton nahm ich während dessen die Galaxie M100 in Coma Berenices und den Kugelsternhaufen M80 im Skorpion auf.
M100 (Coma Berenices) - Blowdryer Galaxie - N oben, W rechts
22. 4. 2023, 23:00 MESZ
Astrostation Hochbärneck, Bortle 3/4, Seeing 2-3
8" f/5 Newton, EQ6-R Pro
ZWO ASI 2600MC (Capture), ZWO ASI 178MC (Guiding), Synta Komakorrektor ZWO ASIAIR+
49 x 180 Sek = 2 Std. 27 Min., Gain 0
PixInsight, Photoshop
In der Aufnahme sind auch zahlreiche andere Galaxien sichtbar, u.a. NGC 4312, NGC 4322, NGC 4323, NGC 4327, NGC 4328, NGC 4379
M80 (Scorpio) - N oben, W rechts
23. 4. 2023, 01:40 MESZ
Astrostation Hochbärneck, Bortle 3/4, Seeing 2-3
8" f/5 Newton, EQ6-R Pro
ZWO ASI 2600MC (Capture), ZWO ASI 178MC (Guiding), Synta Komakorrektor, ZWO ASIAIR+
74 x 30 Sek = 37 Minuten, Gain 0
PixInsight, Photoshop
Um 04:00 Uhr früh beendete ich die zweite Beobachtungsnacht auf der Astrostation Hochbärneck. Beim Schreiben dieses Berichtes hatte ich oft den Eindruck, dass die beobachteten Objekte wieder auf meiner Netzhaut aufflackerten. Es gibt tatsächlich nichts Besseres als einen dunklen Himmel für eine ausgedehnte Deepsky Safari.
In diesem Sinne - clear skies!
Liebe Grüße,
Christian