P/2023 C1 (Jahn): Erste deutsche Kometenentdeckung seit über 20 Jahren

  • ROTAT (Remote Observatory Theoretical Astrophysics Tuebingen) ist ein über das Internet fernsteuerbares 60cm-Teleskop am Observatoire de Haute Provence im Süden Frankreichs und wurde vom 2015 verstorbenen Tübinger Astronomieprofessor Hanns Ruder ins Leben gerufen. Es wird heute von der Stiftung Interaktive Astronomie und Astrophysik betrieben und vom Haus der Astronomie in Heidelberg betreut, die es Schüler*innen und Lehrer*innen kostenfrei zur Verfügung stellen. Die verbliebene Beobachtungszeit wird an Amateurastronom*innen vergeben.


    Jost Jahn, Inselzahnarzt auf Amrum und hier im Forum dann und wann als jjk unterwegs, ist langjähriger ROTAT-Nutzer und hat sich auf die Beobachtung von erdnahen Asteroiden und die gezielte Suche nach unbekannten Kleinkörpern im Sonnensystem spezialisiert. Eine Reihe von Asteroidenentdeckungen ist ihm mit ROTAT bereits gelungen, darunter ist mit (471926) Jormungandr sogar ein erdnaher Asteroid.


    Auf ROTAT-Aufnahmen aus der Nacht vom 14. zum 15. Februar 2023 entdeckte Jahn am 20. März zufällig ein zunächst asteroidenartig erscheinendes Objekt 20. Größenklasse, das sich aber bei genauerer Analyse als von einer Koma umgeben herausstellte. In den folgenden Tagen konnte sowohl anhand von Archivaufnahmen aus früheren Jahren als auch von aktuellen Aufnahmen von verschiedenen Observatorien nicht nur die Existenz des Kometen und seiner Natur bestätigt, sondern auch seine Umlaufbahn hinreichend genau bestimmt werden, um seine Position am Himmel auch in Zukunft genau vorhersagen zu können.


    Die Lage der Umlaufbahn des Kometen P/2023 C1 (Jahn) im Sonnensystem. Grafik: Carolin Liefke/EasySky


    Der nun offiziell als P/2023 C1 (Jahn) bezeichnete und wie bei Kometen üblich nach seinem Entdecker benannte Komet hat eine Umlaufdauer von nur 7,5 Jahren, er gilt damit als kurzperiodischer Komet. Seine Umlaufbahn ist elliptisch und deutlich gegen die Umlaufbahnen der Planeten in unserem Sonnensystem geneigt. Ähnlich wie bei vielen Asteroiden liegt sie zwischen den Umlaufbahnen der Planeten Mars und Jupiter. Da der Komet der Sonne dabei nie nahe kommt und er nicht besonders groß ist, wird er sich allerdings nie zu einem spektakulären Himmelsanblick entwickeln. Er ist nur fotografisch mit mittelgroßen Teleskopen überhaupt beobachtbar.


    Pro Jahr werden üblicherweise mehrere Dutzend Kometen entdeckt, heutzutage allerdings überwiegend automatisiert im Rahmen von systematischen Himmelsdurchmusterungen mit größeren professionellen Teleskopen. Die letzte Kometenentdeckung durch einen Deutschen liegt bereits über 20 Jahre zurück. Damals spürte der aus Dossenheim stammende Astrophysik-Student Sebastian Hönig vom Odenwald aus visuell mit seinem 25cm-Teleskop den Kometen C/2002 04 (Hönig) auf. Hönig ist mittlerweile Professor für Astrophysik an der University of Southampton.


    Weitere Infos auf den Seiten des HdA unter https://www.haus-der-astronomie.de/4123101/komet-jahn oder bei der VdS unter https://sternfreunde.de/2023/0…st-jahn-entdeckt-kometen/

  • Gratulation an Jost Jahn für die Entdeckung :trophy: :comet: Und dann auch noch ausgerechnet mit dem Teleskop am OHP! Damit auch Gratulation an Caro, Dominik und alle die anderen, die das Projekt am laufen halten. Ich finde das eine riesen Sache (sogar die Welt berichtet), wo doch heutzutage fast alle Kometen mittels automatischer Himmelsscanner gefunden werden.


    Entdecker Telegramm:

    http://www.cbat.eps.harvard.edu/iau/cbet/005200/CBET005236.txt

    Kenndaten, Bahnelemente, Aufsuchekarten:

    P/2023 C1 (Jahn) | astro.vanbuitenen.nl

    https://www.minorplanetcenter.net/mpec/K23/K23FC1.html

    Das Teleskop: http://stargate-ohp.de/


    Zur Anzeige in Stellarium muss man über den Sonnensystemeditor die P/2023 C1 Daten vom Minor Planet Center laden, in SkySafari muss man unter Einstellungen, Sonnensystem, Ephemeriden für kleine Himmelskörper aktualisieren.


    Er ist zur Zeit bestens platziert im Krebs direkt neben jiota Cnc, hat aber sportliche 20 mag, Tendenz fallend. Wer schafft ihn fotografisch? Visuell ist es wohl selbst mit einem 1 Meter Dobson aussichtslos.


    Wo ist das Entdeckerfoto? Ich finde nur was in der SHZ, der Artikel ist jedoch nicht frei verfügbar. Jost, liest du hier mit?

  • Wo ist das Entdeckerfoto? Ich finde nur was in der SHZ, der Artikel ist jedoch nicht frei verfügbar.

    Komisch, wenn ich die Seite über den angegebenen Link aufrufe, sehe ich ein Bild, das sich ohne weiteres runterladen lässt:



    Besonders aufschlussreich erscheint mir das Bild allerdings nicht.

    Laut JPL Horizons System liegt die aktuelle Helligkeit bei 20.925 - für Balkonbeobachter ziemlich unerreichbar.


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    Date__(UT)__HR:MN R.A._____(ICRF)_____DEC T-mag N-mag

    ***************************************************************

    $$SOE

    2023-Mar-27 21:00 m 08 49 09.16 +28 49 53.8 20.925 n.a.

    2023-Mar-27 21:15 m 08 49 09.24 +28 49 48.9 20.925 n.a.

    2023-Mar-27 21:30 m 08 49 09.32 +28 49 44.0 20.925 n.a.

    2023-Mar-27 21:45 m 08 49 09.40 +28 49 39.2 20.925 n.a.

    2023-Mar-27 22:00 m 08 49 09.48 +28 49 34.3 20.925 n.a.

    $$EOE

    *******************************************************************************


    Grüße, Rolf


    Und ja, herzlichen Glückwunsch an Jost Jahn !!!

  • Hallo Rolf,


    "aufschlußreich" ist relativ. Das Bild ist ein Screenshot aus der Software Tycho (früher Tycho Tracker), mit der Einzelbilder automatisiert so überlagert werden, das verschiedene Positionswinkel und Eigenbewegungen durchprobiert werden. Tauchen dabei punktförmige Objekte im Stack auf, die auf Einzelbildern nicht sichtbar oder nur schwach zu sehen sind, hast du damit die idealen Bewegungs-Parameter gefunden, ohne sie vorher zu kennen. Sprich: Die Striche im Bild sind Sterne, ähnlich wie wenn in der Astrofotografie auf den Kometenkern gestackt wird - mit dem Unterschied, daß du in dem Fall üblicherweise weißt, daß der Komet da ist und wie schnell und in welche Richtung er sich vor dem Sternhintergrund bewegt.


    Viele Grüße

    Caro

  • Hallo Caro,


    danke für die Aufklärung.

    Mit dem Insiderwissen hat so eine Aufnahme natürlich einen ganz anderen Stellenwert. Drum hatte ich ja auch geschrieben, "für mich" sei das Bild wenig aufschlussreich.

    Klar, wenn man nicht genau bescheid weiß, sollte man besser den Mund halten.


    Grüße, Rolf

  • Hallo Rolf,


    ich meine das mit dem "aufschlußreich" eher im Sinne von: Mehr als das Pünktchen gibts da nicht zu sehen :saint: (Ok, dessen Helligkeit und Bewegung kann man messen, aber das wars dann auch.)


    Neuentdeckte Asteroiden und Kometen sind heutzutage selten so hell, daß sie schon auf Einzelbildern sichtbar sind. (Die hellen sind halt bereits alle weggefischt.) Und weil sich die Dinger eben auf Umlaufbahnen um die Sonne bewegen, hilft da auch keine lange Belichtungszeit, im Gegenteil, dann werden diese Objekte zu auch nicht besser erkennbaren Strichen. Heißt also, vergleichsweise kurz belichten (je nach Pixelskala) und auf die Bewegung stacken. Entweder das, oder man hat ein Großteleskop der Klasse 1m+ an einem Standort ohne Lichtverschmutzung an der Hand...


    Das ist dann letztlich aber auch Spezialwissen für genau diejenigen, die sich mit sowas befassen. Man werfe mir irgendwelche Angaben zu PixInsight-Einstellungen vor die Füße und ich sag auch nur: Hä?


    Viele Grüße

    Caro

  • Wenn ich die vom Ephemeridengenerator des JPL Horizons System berechnete Helligkeitskurve (T-mag) für den Zeitraum 2022 bis 2024 anschaue, sehe ich, dass der Entdecker Jost Jahn mit dem Glück des Tüchtigen einen sehr günstigen Zeitpunkt für seine Entdeckung getroffen hat.



    Für das 60cm-Entdeckerteleskop sind 21 mag sicher noch gut machbar, aber man muss halt auch genau hinschauen - was wohl die eigentliche anerkennenswerte Leistung dieser Entdeckung ist.


    Grüße, Rolf

  • Dazu muß man auch sagen, daß es ca. 4 Stunden reine Belichtungszeit waren auf einige Hundert Einzelaufnahmen verteilt.

    Wäre nicht ein schwacher NEO in der Nähe gewesen, hätte ich den auch übersehen können.

  • Hallo Jost,


    Gratulation zur Entdeckung des Kometen P/2023 C1.

    Es freut mich, dass dir das gelungen ist; zumal man als Amateur

    kaum noch eine Chance hat was zu entdecken.

    Entdeckerglück spielt natürlich immer eine Rolle.


    Und da du dich schon Jahrzehnte für die Kleinkörper ( Kometen- Planetoiden- Meteore)

    interessiert und engagierst , hat das Entdeckerglück wirklich den richtigen getroffen.


    VG + CS

    Dieter

  • Zwischen Schlechtwetter und Sauwetter hat es kurz aufgeklart über meinem Haupte und da ist er, der Komet zwischen Iota und Rho1 Cnc... bzw. wäre er, wenn ich statt kleiner Linse einen erwachsenen Spiegel gehabt hätte...:



    Die Grenzgröße im Bild liegt bei 17,8 mag, der 66% dicke Mond nur 11° von der Stelle entfernt. Vom Nachweis des Kometen ist das natürlich weit entfernt, was mir schon vorher klar war. Ich fand es trotzdem interessant, die Stelle aufzusuchen.


    Hallo Jost, hast du Bilder für uns? Ihr habt doch sicher auch Folgebeobachtungen gemacht?

    Wenn ich mir die Lichtkurve anschaue, kann ich nur sagen: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort - klasse!


    Allgemeine Frage an alle: Wie lange lebt eigentlich so ein periodischer Komet mit 7,5 Jahren Umlaufzeit? Der müsste doch spätestens nach ein paar Dutzend oder Hundert Umläufen längst verdampft sein? Oder sind solche Kometen wie z.B. auch 9P/Tempel oder 116/P Wild erst vor kurzem eingefangen und in eine kurzperiodische Bahn gelenkt worden? Dann müsste es doch auch welche im Zwischenstadium geben, die ihre flüchtigen Bestandteile bereits verloren haben und als kleine Asteroiden rumkreisen? Gibt es Literatur dazu?

  • Hallo nochmal ich.


    Nein Folgebobachtungen mache ich nie, wenn der identfiziert und zugeordnet ist. Das können die Surveys nebenbei erledigen. Ich will ja nur neue Objekte finden. :)

  • wie schon in der Astroliste publiziert, am 9.4.2023 konnte ich den Kometen grenzwertig nachweisen. Zwei Wochen später, sogar bei Neumond, ist es dann nicht mehr gelungen.


    In einer hellen Mondnacht für ein 21m Objekt auch mit 40cm Öffnung ist das eine "kleine" Herausforderung. Auf den fünfminütigen Einzelbildern ist nicht der geringste Hauch einer Spur zu entdecken. Mit Astap habe ich dann 19 Aufnahmen a 5min auf den Kometen zentriert und im Ergebnis ist der Komet als winziges Rauschbällchen im Zentrum des gelben Quadrats zu erahnen, Wenn man nicht wüsste wo, wäre er wohl unentdeckbar. Aufnahme mit 16" SC bei f/8 auf IMX571M mit Lpro Filter.

  • Hallo Markus,


    beindruckende Aufnahme! Da sieht man mal, wie winzig der ist.

    Ich finde es ehrlich gesagt etwas mager, dass weder aus dem Entdeckerkreis, noch von den automatischen Surveys, keine Follow Up Aufnahmen gezeigt werden. Gibt es keine? Finde ich sie nur nicht? Schlummern sie unveröffentlicht auf irgendwelchen Festplatten? Um so wertvoller finde ich dieses Bild. Danke fürs zeigen.

  • Hallo Stathis,


    wirklich verwunderlich ist das nicht. Jost hat das Objekt erst einen Monat nachdem die Aufnahmen entstanden sind bei einer nachträglichen Analyse der Daten entdeckt. Zu dem Zeitpunkt war die Helligkeit bereits deutlich zurückgegangen und der Komet eigentlich nur noch größeren Teleskopen zugänglich. Das Problem ist ja: Das Ding bewegt sich, sprich je nach Brennweite darf die Belichtungszeit für ein Einzelbild auch nicht zu lang werden, sonst verschmiert er zu einer Strichspur. Klar, wenn man jetzt das VLT hernehmen würde, dann würde man ihn vermutlich sehen. Aber dazu ist er für die Fachwelt dann doch nicht interessant genug...


    Viele Grüße

    Caro

  • mit Hilfe der Tycho Software (hat Jost :) und der dort implementierten Methode des "Synthetic Tracking" ist es durchaus möglich auch lange Belichtungszeiten für sich unbekannt bewegende Objekte zusammen zu bekommen (unter immensem Rechenaufwand). Ebenso erlauben die CMOS Sensoren durch das geringe Ausleserauschen viele kurze Belichtungszeiten. Damit waren und sind die Bedingungen für Amateurentdeckungen in diesem Bereich gegeben, man braucht aber trotzdem viel Glück...


    CS, Markus

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