Servus beinand,
mit wurde die Ehre zuteil, zu der Festveranstaltung 60 Jahre ESO am 20.2.2013 (Rosenmontag) nach Garching an das Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik eingeladen zu werden. Die ESO wurde ja 1962 gegründet, wurde also leztes Jahr 60 Jahre alt. Zu diesem Anlass gab es in den verschiedenen Staaten, die der ESO angehören, jeweils Festveranstaltungen. Zu guter Letzt war also die ESO-Zentrale in Garching an der Reihe. Anwesend waren Vertreter aus der Politik, der Industrie, der Astronomie/Astrophysik sowie geladene Journalisten. Dass ich als Physiklehrkraft eines bayerischen Gymnasiums teilnehmen durfte (zusammen mit einem Kollegen), hatte mich natürlich sehr gefreut.
Eröffnet haben die Veranstaltung Prof. Dr. Michael Kramer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie Bonn (als Rheinländer am Rosenmontag!) und Prof. Dr. Paola Caselli, Direktorin des MPE in Garching. Anschließend wurden Fachvorträge von Xavier Barcons Jáuregui, dem ESO-Genraldirektor, Prof. Dr. Reinhard Genzel (Physiknobelpreisträger), Dr. Dominka Wylezalek und Prof. Dr. Thomas Westerhoff (Schott, Mainz) gehalten. So wurde z.B. erklärt, wie durch das Überlagern des Lichts aller Einzelteleskope des Very Large Telescopes (VLT) ein Teleskop mit 130 Metern Durchmesser virtuell erzeugt wird (nur nicht mit der Lichtmenge eines 130-Meter-Spiegels). Prof. Dr. Genzel berichtete natürlich von seinen Forschungsergebnissen über das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße und der Technik, wie es zu den Ergebnissen kam (z.B. Überlagerung der Daten aus unterschiedlichsten Wellenlängenbereichen). Prof. Dr. Thomas Westerhoff zeigte, wie Grundlagenforschung und Industrie sich gegenseitig bereichern und anregen, indem er die Geschichte des Zerodur(R) aufzeigte. Dieses Spezialglas ändert das Volumen auch bei starken Tempreaturveränderungen nicht und wurde zunächst von der ESO für das erste Teleskop auf La Silla bestellt. Aufgrund der Nachfrage von Seiten der ESO wurde das Zerodur(R) weiterentwickelt und stand nach Fertigstellung der ersten Teleskope kurz vor dem Aus, wäre nicht rechtzeitig wieder zur Nachfrage von Seiten der ESO für weitere, größere Teleskope gekommen. Heute wird Zerodur(R) für vielfältigste Anwendungen (vom Handydisplay über Backofentüren oder bei der Chipproduktion) verwendet und ist für die Firma Schott sehr erfolgreich und bringt der Firma regelmäßige Aufträge und Gewinne ein. Ohne die Grundlagenforschung der ESO hätte Schott dieses Marktsegment nicht bedienen können. Solche Beispiele sind immer wieder wichtig, wenn die Frage aufkommt, was einem Staat die Unterstützung von Grundlagenforschung wie der der ESO denn bringe. Dass die Industire teils sogar kurfristig davon profitieren kann, ist vielen vermutlich nicht bewusst.
Für mich persönlich ist allein die mögliche Langfristperspektive ausreichend als Argument, warum Grundlagenforschung wichtig und unterstützenswert ist. Und wenn es 100 Jahre und länger dauert. Wer weiß, viellicht können wir ja eines Tages die Dunkle Energie für uns nutzbar machen... (dieses natürlich völlig hypothetische Beispiel kommt nicht von mir, sondern wurde im Laufe einer Diskussion mit einem Augenzwinkern genannt). Und natürlich der Erkenntnisgewinn für uns als Menschheit an sich ist ein großer Wert. Wenn es aber um mehr als eine Milliarden Euro wie beim Extremely Large Telescope (ELT) geht, dann ist ein pekuniärer Mitnutzen für Wirtschaft und Industrie nicht unerheblich als Argument.
Vor der Mittagspause mit kleinem Buffet gab es noch eine Liveschalte zum Very Large Telecope (VLT) nach Chile.
Nach der Mittagspause ging es zunächst von Seiten des BMBF genau darum, warum solche Grundlagenforschung vom Staat finanziell unterstützt wird. Anschließend wurde uns vorgestellt, was das sich im Bau befindlich ELT an Auflösung erbringen wird – nämlich auch dank modernster Detektortechnik eine 6mal so hohe Winkelauflösung als es das James Webb Space Telescope erbringen kann. Schließlich kam es zu einem von Prof. Dr. Matthias Steinmetz (Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam) moderierten Gespräch (Podiumsgespräch) zwischen Dr. Rolf-Dieter Jungk (Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, München), Prof. Dr. Jochen Liske (Universität Hamburg), Dr. Wolfgang Vieser (ESO, Garching) und Dr. Fritz Merkle (OHB System AG, München) zum Thema Grundlagenforschung, Inovation und Gesellschaft. Letzten Endes waren alle vier Vertreter der gleichen Meinung und setzen sich für die Grundlagenforschung ein, aber jeder aus einem anderen Blickwinkel. Für die anwesenden Journalisten war das sicherlich (bzw. hoffentlich) interessant, sodass auch von dort dir Grundlagenforschung Akzeptanz erhält.
Zum Abschluss gab es Führungen in verschiedene Labore des MPE. Ich wählte die Infrarotastronomie aus und konnte mit jungen Forschern über die Weiterentwicklung der Detektoren und die aktuellsten Projekte zum Thema Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße diskutieren.
Hauptsprache des ESO Days war natürlich Englisch, da die Rednerliste international besetzt war, einzelne Teile, wie z.B. das moderierte Gespräch, fanden auch auf Deutsch statt.
Es war ein interessanter und sehr schöner Tag. Ich kann nur versuchen, in meiner Schule als Multiplikator für Projekte wie das ELT zu werben und die Begeisterung dafür bei meinen Schülerinnen und Schülern zu wecken. Solche Veranstaltungen sollten daher, finde ich zumindest, einem breiteren Publikum eröffnet werden (z.B. online für Interessierte – es waren auch an dem Tag Wissenschaftler online mit dabei). Für mich persönlich war insbesondere der Vortrag von Prof. Dr. Genzel spannend. Wie oft lernt man einen Nobelpreisträger für Physik live kennen. Ich habe aber davon abgesehen, ihn in der Mittagspause um ein gemeinsames Selfie zu bitten ;-).
Ich bedanke mich herzlichst bei der ESO für die Einladung und hoffe, euch auf diesem Weg hier alle ein Bisserl mit dorthin zu nehmen,
Christoph