Hallo Ihr Lieben.
Tschuldigung, der rein subjektive Bericht (kein Test !) ist etwas lang geraten. Ich hoffe, das Lesen lohnt sich trotzdem. Und der Bericht hat keineswegs eine Identitätskrise, irgendwo zwischen "Teleskope" und "Beobachtungsbericht". Viel mehr möchte ich mit den beschriebenen Beobachtungen illustrieren, was wie gut zu beobachten war. Für alle, die überlegen sich etwas anzuschaffen, und noch Informationen wünschen. Wetterbedingt ist dieser Teil allerdings arg kurz geraten.
Nachdem ich bandscheibenbedingt meinen 16" er kürzlich verkaufen musste, war ich also gezwungen "downzugraden" . Es wurde ein 12-Zoll Taurus Professional Dobson T300 in f/5, den ich fast neuwertig, aber gebraucht, vom Händler günstig kaufen konnte (offensichtlich nur einmal benutzt). Was den Rücken anbelangt: der Taurus ist wirklich um einiges leichter als der 16"er, vor allem nicht so sperrig. Das schwerste Teil, die Spiegelbox, wiegt keine 10 kg. Ein ausgesprochener Reisedobson ist er wahrscheinlich eher nicht, als Handgepäck im Flieger wird das wohl auch nichts, aber jetzt kann endlich Teleskop plus Familie gemeinsam in einem Auto in den Urlaub fahren. Und sogar etwas Gepäck kann noch mit
Aber von vorn: in einer stabilen Holzkiste verpackt kam er an. Der Dobson ist sehr schön verarbeitet, es gibt keine scharfe oder krumme Kanten oder Ecken, das Holz ist liebevoll wasserfest gemacht, alle Maße passen perfekt zueinander, es gibt nur pulverbeschichtetes Alu oder Edelstahl, da rostet oder gammelt nichts auch bei Nässe. Die Gleitlager sind etwas schwergängig, aber ein Hauch Ballistol hilft hier schnell ab und jetzt flutscht alles perfekt. Alle Schrauben sind mit Sprengringen gesichert, es gibt also keine verlierträchtigen Kleinteile. Insgesamt ist der Taurus so gut gearbeitet, dass man ihn auch gut als Schmuckstück ins Wohnzimmer stellen könnte. Der Aufbau geht zügig, auch ohne Anleitung hatte ich ihn in 5 Minuten da stehen. Die drei Standpunkte am Boden sind tatsächlich recht nahe beieinander, wenn man allzu hektisch die Höhe verstellt dann kann er schon mal kippeln. Aber mit etwas Übung lässt sich das leicht verhindern bzw. mit radialen Auslegern beheben. Obwohl ein Leichtgewicht, fühlt sich alles sehr stabil an. Das Justieren mit Cheshire und Laser ist in 3 Minuten erledigt und geht schön entspannt, mit von oben zugänglichen Schrauben an der Spiegelkiste.
Bisher konnte ich an allen meinen Teleskopen entspannt aufrecht stehen, bei ca. 1,5 m Einblickhöhe muss ich mich am Taurus jedoch schon arg verkrümmen, auch im Zenit. Beim Internetanbieter meines Vertrauens gab's als Mittel dagegen ein hübsches, stabil aussehendes Holztischen mit 40 cm Höhe, das sollte als "Unterbau" unter den Dobson dienen. Dazu unten mehr.
Tatsächlich war es erstaunlicherweise schon am nächsten Abend klar, also nichts wie raus auf den Acker. Auch im Dunkeln ist der Aufbau in weniger als 5 Minuten gemacht, und der Justierlaser-Punkt ist durch das Abbauen und Transportieren nur wenige Millimeter gewandert, so dass die Justage in 1 Minute erledigt ist. Während der Spiegel noch auskühlte, wurde schon mal rumgespielt. Über 30 Grad über dem Horizont lässt sich der Dobson wackelfrei justieren und einstellen, darunter neigt er zu leichten lateralen Schwingungen, die aber dank der Holzkonstruktion in 2-3 Sekunden abklingen. Fokussieren selbst noch bei 400X geht sehr gut, der Feintrieb am Crayford macht's möglich. Dann kam der Sterntest, und da zeigte sich Asti ohne Ende. Hübsch dreieckig, genau was kein Mensch sehen will. Und dann kam, was halt unbedingt kommen muss nach einem Teleskopkauf. Der Ostsee-Nebel zog in Minutenschnelle den Himmel dicht. Irgendwas ist halt immer. Das war also der halbe Beobachtungsabend. Zum Unterbau-Tischchen: tatsächlich war damit die Körperhaltung entspannt aufrecht, aber das Gewackel und Geschwanke schon bei moderatem Wind war nicht akzeptabel. Schon bei 100X wurde ich seekrank. Also bleibt das Tischchen jetzt zu Hause - die beste Ehefrau von allen hat das Ding schon gekapert und jetzt steht's im Wohnzimmer. Aber das war ja auch zu erwarten: ein hoher Schwerpunkt auf einem schwabbeligen Unterbau: viel blöder geht's kaum. Wenn ich mal was tauglicheres finde, lasse ich es Euch wissen. Und sitzen will ich nicht, das mache ich schon den ganzen Tag. Also kein Beobachtungs-Stuhl.
Der Hut ist von seiner Höhe her ausreichend, alle meine Okulare von 4,7 mm bis 32 mm Brennweite sehen kein direktes Streulicht, wenn ich von gegenüber Richtung Feldlinse mit der Taschenlampe rumfunzle. Trotzdem habe ich mir aus 1 mm Mylarfolie und Velour-Klebefolie eine Hut-Verlängerung mit 30 cm Höhe gebastelt, die diffuses Streulicht noch besser abhalten soll, genauso wie die Luftschlieren durch Atemluft und Körperwärme; schließlich ist der Hut bei mir auf Höhe des Gesichtes bzw. leicht darunter. Zusammen mit der Socke spart das evtl. sogar die Fangspiegelheizung, obwohl die Einzelteile dafür bereits auf dem Basteltisch liegen.
Über Weihnachten und später kamen dann die obligatorischen dichten Wochen, und ich hatte Zeit, mir tagsüber die Asti-Bescherung genauer anzuschauen, die mich so verschreckt hatte. In der Spiegelkiste sitzt ein massiver Spiegel, mit 37 mm Randdicke. Sooo schnell sollte der also keinen Asti zeigen. Aber die Spiegelkiste war völlig verdreht zusammengebaut, und die seitlichen Halteschrauben waren so zugeknallt, als wolle jemand den Saft aus dem Spiegel quetschen, und die oberen Halteklammern saßen auch recht fest auf. Also alles schnell zu behebende Probleme. Aus lauter Frustration über das miese Wetter wurde der Dobs in den nächsten Tagen dann 10-15 mal auf- und abgebaut und die Justage wiederholt. Alles ist sehr gut reproduzierbar, nach Neuaufbau ist die Justage fast perfekt erhalten und es reicht immer ein kurzes Nachjustieren mit dem Laser.
Etwas stutzig machte mich der völlig glatte, gewellte konische Spiegelrand und das gelbliche Spiegelmaterial. Das passt so gar nicht zu Supramax, aus dem der Spiegel bestehen sollte, eher z.B. zu Duran. Adam Salawa von Taurus klärt mich dann per Mail nach nur 1 Tag Wartezeit nach meiner Nachfrage auf: der Spiegel ist noch aus Suprax, da schon über 1 Jahr alt. Also passt das schon, fast gleichwertig was die thermische Ausdehnung anbelangt. Gegen einen BK7-Spiegel besitzt das Material nur etwa den halben thermischen Ausdehnungkoeffizienten.
Dann war es endlich mal wieder klar, und der vollständige ganze Beobachtungsabend konnte jetzt folgen. Sogar Leo stand heute schon knapp über dem Osthorizont: Leute, der Frühling kommt !!! Die Grenzgröße war ca. 5 mag freiäugig im UMi. Und siehe da: der Sterntest zeigte keinen Asti mehr, nur die Schatten der Halteklammern sind etwas massiv. Die Jupitermonde zeigten sind als kleine, gut definierte kreisförmige Scheibchen und Jupiter selber zeigte etliche Wolkendetails, obwohl das Seeing eher mäßig war. Auch Mars war eine klar definierte scharfe Scheibe, allerdings ohne Oberflächendetails erkennen zu lassen. Der Saturn war leider schon Im Horizontdunst abgetaucht. Sehr erfreulich: alle Planeten/Monde standen glasklar vor einem schwarzen Himmelshintergrund mit hartem Kontrast, obwohl die Luft leicht dunstig war. Die Hutverlängerung bringt's glaube ich. Genau heute stand auch Komet C/2022 E3 (ZTF) dicht südöstlich vom Mars, also wurde auch da ein Blick draufgeschmissen. Der nicht sehr ausgeprägte False Nucleus stand leicht außerzentrisch in der Koma (ohne Strukturen), ein gaaaanz leichter Schweifansatz war aber zu erkennen. Weiter ging die wilde Fahrt mit einem Blick auf M81 und M82. Wie zu erwarten, war bei M81 so gut wie nichts von den Ausläufern der Spiralarme zu sehen, da war ich halt vom 16'er verwöhnt. Naja, nur grob halb so viel Licht auf's Auge. M82 zeigte sogar einige dunkle Details vor der Spindel, aber merkwürdig flau. Als ich wieder hochschaute, wurde klar warum. Von Norden her zog mieser fieser Hochnebel rein, eine echte Spaßbremse. Also musste ich einen Beobachtungszahn zulegen. Als nächstes war M35 dran, mein absoluter Liebling unter den OHs. M35 stand als wunderbares Gesprenkel im Okular, immer noch mit hartem Kontrast. Wie Goldstaub auf schwarzem Samt. Auch NGC2158 knapp daneben präsentierte etwa ein Dutzend haarfeine, gut aufgelöste Sternchen vor dem deutlich dreieckigen Nebelhintergrund, der in windstillen Augenblicken eine gesprenkelte Textur annahm. Natürlich musste auch der Orionnebel M42 herhalten, etwas ungewohnt jetzt "nur noch" in grau, nicht mehr so schick in grün wie im 16'er. Naja, früher war halt alles besser. Trotzdem blitzten immer wieder etliche dunklere Filamente und Zonen durch, die dem Nebel eine dreidimensionalen Anstrich verliehen. Vom Running Man Sh2-279 dagegen keine Spur. Der Dunst machte jetzt fast alles platt, sogar Leo war abgesoffen. Ein letzter Blick ging Richtung Auriga zu M37: trotz inzwischen ungenießbarem Himmel stand die ganze gleißende Pracht im Okular mit sicher immer noch ca. 200 Einzelsternen, der knallig-gelbe HD39183, der sich so vordrängelt, verlieh der ganzen Show eine scheinbar dreidimensionale Ausdehnung. Fast wie Saurons Auge; naja fast. Aber dann war Sense, der Himmel komplett dicht. Hilfloses Rumrühren in der Gegend von Ha+Chi brachte nichts mehr zutage. Zeit abzubauen, was dank gesicherter Kleinteile und dem Zieharmonika-Gestänge in 3 Minuten erledigt war.
Alles in Allem: ein sehr gut gelungenes Teleskop, alle Teile extrem gut durchdacht und sauber realisiert, in besten Materialien. Da ist wirklich jeder Cent gut investiert.
Wer bis hierher noch nicht zusammengebrochen ist: danke fürs Durchhalten und Lesen.
Viele Grüße, Jürgen.
P.S. Das Foto zeigt die Hutverlängerung.