Ephemeridenrechnung: Mpgl u. Phasenwinkel

  • Hallo allerseits,


    wenn man die Zentralmeridiane oder die Positionen der Monde eines Planeten berechnet, hat man Gleichungen der Form


    Länge = Epoche + mittl. tägl. Bew * Anzahl d. Tage + Phasenwinkel - Mpgl. des Planeten


    Warum wird der Phasenwinkel addiert und die Mittelpunktsgleichung subtrahiert? Beim Phasenwinkel ist es vermutlich

    eine Koordinatentransformation von der Sichtlinie Planet - Sonne zur Sichtlinie Planet - Erde. Aber den Grund für die

    Subtraktion der Mittelpunktsgleichung verstehe ich nicht.


    Vielen Dank im Voraus


    Legende:

    Phasenwinkel: planetozentrische Elongation der Erde von der Sonne.

    Mpgl.: Korrektur von der Kreisbahn zur Ellipse.

    Quellen: J. Meeus: Astron. Algorithmen, G.D. Roth: Taschenbuch f. Planetenbeobachter


  • Ich versuch's mal zu erklären. Die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten um seine Polachse ist konstant. In der "mittleren täglichen Bewegung" steckt aber nicht nur diese Rotationsgeschwindigkeit drin, sondern auch die Dauer eines Umlaufs des Planeten um die Sonne. Die "mittlere tägliche Bewegung" beschreibt also die Rotation des Planeten, so wie wir sie von der Erde aus sehen, und nicht die wirkliche Rotationsgeschwindigkeit. Weil der Umlauf des Planeten um die Sonne aber nicht mit einer konstanten Geschwindigkeit erfolgt, ist eine Korrektur erforderlich.


    Gruß

    Michael

  • Man könnte es auch am Beispiel des Mondes erklären. In diesem Fall ist die "mittlere tägliche Bewegung" null (wegen gebundener Rotation), und "Epoche" und "Anzahl der Tage" sind irrelevant. Der Phasenwinkel wird abweichend definiert als der Mond-zentrische Winkel zwischen dem Erdmittelpunkt und dem Beobachtungsort auf der Erde. Wenn das jetzt schon alles wäre, dann liesse sich die Libration des Mondes durch eine Sinuskurve beschreiben (mit Periodendauer ca. 25 Stunden). Es ist aber keine Sinuskurve. Es fehlt noch der Einfluss, der durch die ungleichmässige Geschwindigkeit des Mondes auf seiner Bahn entsteht. Dadurch wird die Libration mal größer und mal kleiner.


    Gruß

    Michael

  • a) Ich konnte Deine Legende nicht lesen. Die Kolorierung ist dermaßen unglücklich gewählt, dass gelegentlicher Sonnenschein den Restkontrast auf meinem Bildschirm zunichte macht.

    b) Es macht Sinn, schon im Text darauf zu verweisen, dass Du Dich auf Formeln beziehst, wie sie in den von Dir in der Legende genannten Quellen definiert sind. Als ich den Text las, verstand ich zunächst nur Bahnhof, weil ich die Bücher nicht habe. Das fängt schon damit an, dass du in der Überschrift Mpgl. schreibst, eine Abkürzung, die niemand kennt und die selbst ausgeschrieben nur dann verständlich ist, wenn man dessen Definition kennt.


    Generell ist es üblich, dass für Ephemeriden und noch speziellere astrometrische Formeln der Aufbau folgendermaßen ist:

    Grundwert/Mittelwert +/- Korrekturglied 1 +/- Korrekturglied 2 + ...


    Ich kann Dir jetzt nur aus der allg. Mathematik zeigen, wie sowas zustande kommt.

    Die Schwingungsgleichung hat die allg. Form:

    y = f(x) = a*sin (2(pi)f * x + phi0)

    mit a als Amplitudenmaß, 2(pi)f als Maß der Kreisfrequenz und phi0 der Phasenwinkel für x = 0 (Startpunkt). Bildhaft läuft ein Punkt im Kreis, dessen Mittelpunkt in (0;0) und dessen Radius a ist, man zählt Winkel im Koordinatensystem von der x-Achse ausgehend gegen den Uhrzeigersinn. Bildhaft misst man den Schatten, den der Punkt auf die y-Achse wirft, mit der Lichtquelle in unendlicher Entfernung auf der x-Achse. Jetzt könnte man den ganzen Kreis noch verschieben, dann müsste man den Verschiebevektor in die Gleichung mit aufnehmen oder im Raum noch die Lage/Ausrichtung der Ebene, in der der Kreis liegt usw.


    Wenn du jetzt Sichtlinien zweier Punkte auf verschiedenen Kreislinien hast (Bildhaft: die Lichtquelle, die für den Schattenwurf zuständig ist, bewegt sich selbst ebenfalls auf einem Kreis), taucht diese Grundformel doppelt auf. Ist die Frequenz der Lichtquelle dermaßen langsam, dass einem nur Bruchteile der Kreisbewegung interessieren, nähere ich diesen Wert durch einen linearen Wert (Plus/Minus-Korrekturglied) einfach an.


    Der große Vorteil des Arbeitens mit linearen Korrekturgliedern ist, dass man diese tabellarisch auflisten kann und nach Stärke (in meinem Beispiel wäre das der Kreisdurchmesser der Lichtquelle) sortieren kann. Man muss nur so viele Korrekturglieder hinzunehmen, wie die gewünschte Genauigkeit es erfordert.


    Zurück zur Astrometrik: Im Grunde beschreibt man die Sichtlinien zu Planeten immer noch nach dem Prinzip der Epizyklentheorie, wo Kreise sich auf Kreisen bewegen. Das hat den großen Vorteil, dass die einzelnen Terme in der Gleichung additiv sind. Zu Zeiten als es noch keine Computer gab, war das die einzige Möglichkeit das zu händeln. Und selbst mit Computer ist das nicht anders, denn z.B. beim drei-Körper-Problem gibt es keine allg. analytische Lösung, das heißt man nähert sich der Lösung per Reihenbildung der Ausgangsformel an.

  • Zitat

    Ich versuch's mal zu erklären. Die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten um seine Polachse ist konstant. In der "mittleren täglichen Bewegung" steckt aber nicht nur diese Rotationsgeschwindigkeit drin, sondern auch die Dauer eines Umlaufs des Planeten um die Sonne. Die "mittlere tägliche Bewegung" beschreibt also die Rotation des Planeten, so wie wir sie von der Erde aus sehen, und nicht die wirkliche Rotationsgeschwindigkeit. Weil der Umlauf des Planeten um die Sonne aber nicht mit einer konstanten Geschwindigkeit erfolgt, ist eine Korrektur erforderlich.

    Du meinst siderisch => synodisch


    Bisher die plausibelste Erklärung, doch leider illustriert das nicht die Subtraktion der Mittelpunktsgleichung. Die Logik ist doch:


    $\nu$ = M + Mpgl.


    Also: Die wahre Anomalie ist gleich die mittlere Anomalie plus die Mittelpunktsgleichung. Sie wird addiert. Aber hier subtrahiert, also gibt es sie schon doppelt. Oh,je, ich denke, Kalle hat Recht. Ich muß das ausführlich erläutern und die korrespondierenden Passagen der Quellen explizit dokumentieren. Aber wozu hat das Forum einen guten Formeleditor und warum kann man auch nach einer halben Stunde seine Beiträge noch korrigieren...

  • E: mittlere Anomalie der Erde

    P: mittlere Anomalie des Planeten

    A: Mittelpunktsgleichung der Erde

    B: Mittelpunktsgleichung des Planeten

    V: Störungsterm


    $\begin{equation} \begin{split} V &= v_2 \sin\left(v_0 + v_1 d\right) \\ E &= E_0 + n_E d \\ P &= P_0 + n_p d \pm V \\ A &= a_1 \sin\left(E\right) + a_2 \sin\left(2 E\right) \\ B &= b_1 \sin\left(P\right) + b_2 \sin\left(2 P\right) \end{split} \end{equation} $


    R: Abstand der Erde von der Sonne

    r: Abstand des Planeten von der Sonne


    $\begin{equation} \begin{split} R &= R_0 + R_1 \cos\left(E\right) + R_2 \cos\left(2 E\right) \\ r &= r_0 + r_1 \cos\left(P\right) + r_2 \cos\left(2 P\right) \end{split} \end{equation} $


    K: Differenz der wahren Anomalien der Erde (E+A) und des Planeten (P+B)

    $\Delta$: Abstand Erde - Planet

    $\varphi$: Phasenwinkel


    $\begin{equation} \begin{split} K &= (E + A) - (P + B) \\ \Delta &= \sqrt{r^2 + R^2 - 2 r R \cos\left(K\right)} \\ \sin\left(\varphi\right) &= \frac{R}{\Delta} \sin\left(K\right) \end{split} \end{equation} $


    Die letzte Gleichung ist der Sinussatz, die vorletzte der Kosinussatz. Dann folgt


    $\begin{equation} \lambda = l_0 + n_0 d + \varphi - B \end{equation} $


    die Länge $\lambda$ gilt für einen Zentralmeridian oder Mond des Planeten. Das Verfahren ist für niedrige Genauigkeiten.


    So weit das Gleichungssystem. Bleibt immer noch die Frage, warum die Mittelpunktsgleichung B des Planeten P von der Länge $\lambda$ subtrahiert wird.

  • Quern,

    wenn ich das richtig verstehe, willst Du ja nicht die Position des Planeten, sondern die Position eines Punktes (dessen Mond, dessen Meridian) in Relation zu einem Planeten.

    Das ist ähnlich wie, wenn ich mit dem Auto von Hannover an Göttingen, Kassel vorbei nach Frankfurt fahrt, dort ankomme und gefragt werde, woher ich herkomme: Eine Rückrechnung, nämlich vorbei an Kassel, Göttingen von Hannover und nicht nur eine Wiederholung meiner zuvor errechneten Navianweisungen. (Das Beispiel mag hinken.)

  • wenn ich das richtig verstehe, willst Du ja nicht die Position des Planeten, sondern die Position eines Punktes (dessen Mond, dessen Meridian) in Relation zu einem Planeten.

    Nein, ich will wissen, warum die Mpgl. B von der mittleren Länge $\lambda$ abgezogen wird. Nicht mehr, nicht weniger. Mit deinem Beispiel kann ich nichts anfangen. Ich sehe schon, ich muß die obigen Gleichungen programmieren und die Ergebnisse mit oder ohne der Mpgl. anschauen und interpretieren. Ich will eine astronomische Begründung für diese Gleichung haben, denn ich benötige sie für mein Skript, an dem ich schreibe.

  • Quern,


    Der Mond in rot und der in grün haben zum Planeten genau die gleiche Stellung. Aber aus Sicht von blau erscheinen c und b in unterschiedlichen Winkel. Der Winkel b ist im Vergleich zu c um -a korrigiert.

  • Interessante Zeichnung. Fast dachte ich, das sei die Lösung, bis mir auffiel, daß a bei der Kreisbahn erhalten bleibt. Der Winkel müsste aber dann verschwinden. Also zeigst du den Effekt zwischen siderischer und synodischer Rotation.

  • Nein, ich will wissen, warum die Mpgl. B von der mittleren Länge $\lambda$ abgezogen wird. Nicht mehr, nicht weniger. Mit deinem Beispiel kann ich nichts anfangen. Ich sehe schon, ich muß die obigen Gleichungen programmieren und die Ergebnisse mit oder ohne der Mpgl. anschauen und interpretieren. Ich will eine astronomische Begründung für diese Gleichung haben, denn ich benötige sie für mein Skript, an dem ich schreibe.


    Quern

    Ich finde es eigentlich einleuchtend, so wie ich es oben beschrieben habe. Mit "mittlere tägliche Bewegung" ist die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten um seine Polachse gemeint, und zwar so wie wir den Planeten von der Erde aus sehen. Es ist also nicht die wahre Rotationsgeschwindigkeit. Die "mittlere tägliche Bewegung" setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Die wahre Rotationsgeschwindigkeit des Planeten, plus oder minus eine Umdrehung pro Umlauf um die Sonne. Dieser zweite Teil wird hier fälschlicherweise als eine Rotation mit gleichmässiger Drehgeschwindigkeit angenommen. Da es wegen der elliptischen Bahn aber keine gleichmässige Drehbewegung ist, muss dieser Fehler korrigiert werden. Und dafür brauchen wir den letzten Term.


    Gruß

    Michael


    P.S. Jetzt nimm doch mal an, dass der Planet eine gebundene Rotation hat. Wir sehen also immer (ungefähr) die gleiche Seite von ihm. Die "mittlere tägliche Bewegung" ist null. Wenn wir von der Sonne aus beobachten, dann ist auch der Phasenwinkel null. Die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten ist sehr konstant wegen Massenträgheit. Die Geschwindigleit des Planeten auf seiner elliptischen Bahn ist aber nicht konstant. Deshalb sehen wir nicht immer genau seine gleiche Seite, sondern die Länge pendelt während eines Umlaufs etwas hin und her. Und jetzt frage ich dich: Aus welchem anderen Term in deiner Gleichung soll diese hin- und her pendelnde Länge denn kommen, wenn nicht aus dem letzten Term?

  • Dieser zweite Teil wird hier fälschlicherweise als eine Rotation mit gleichmässiger Drehgeschwindigkeit angenommen. Da es wegen der elliptischen Bahn aber keine gleichmässige Drehbewegung ist, muss dieser Fehler korrigiert werden. Und dafür brauchen wir den letzten Term.

    siderisch => synodisch


    Jetzt kommen wir der Sache deutlich näher. Die Rotation wird schon als synodisch angenommen. Das ,,Unrunde'' von siderisch zu synodisch ist gemeint, salopp formuliert.

  • Jetzt nimm doch mal an, dass der Planet eine gebundene Rotation hat. Wir sehen also immer (ungefähr) die gleiche Seite von ihm. Die "mittlere tägliche Bewegung" ist null. Wenn wir von der Sonne aus beobachten, dann ist auch der Phasenwinkel null. Die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten ist sehr konstant wegen Massenträgheit. Die Geschwindigleit des Planeten auf seiner elliptischen Bahn ist aber nicht konstant. Deshalb sehen wir nicht immer genau seine gleiche Seite, sondern die Länge pendelt während eines Umlaufs etwas hin und her. Und jetzt frage ich dich: Aus welchem anderen Term in deiner Gleichung soll diese hin- und her pendelnde Länge denn kommen, wenn nicht aus dem letzten Term?

    Das ist genau die Antwort, die ich brauche. Mpgl. als Korrektur des Librationseffekts. Damit habe ich die Erklärung, die ich suchte. Das erklärt auch, wenn man mit der wahren Anomalie startet und dann mit einer Reihe von Koordinatentransformationen bis hin zu den planetozentrischen Koordinaten (Stichwort: Zentralmeridian) der Erde, die Mpgl. dann nicht abgezogen wird.


    Ich bedanke mich für eure Hilfe.

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