Wo Einstein irrte: Chowns "Quantenwelt"

  • Wo Einstein irrte[8D]
    Marcus Chown klärt auf über die Welt der Quanten in der gekrümmten Raumzeit[:p]:
    Wer die „Kurze Geschichte der Zeit“ von Stephen Hawking gelesen hat, mag sich möglicherweise gewundert haben, dass selbst der naturwissenschaftlich Unbegabte am Ende ein Gefühl hatte, wirklich einen Ahnung erfahren zu haben von etwas, was ihm bis dahin vollkommen verschlossen schien: die Welt der Zahlen und der Atome, der Lichtgeschwindigkeit, der Schwarzen Löchern und Supernovae. Wie das genau passiert war, wusste der Leser wahrscheinlich selbst nicht genau.
    Wenn Marcus Chown, Physiker und Wissenschaftsjournalist, in seinem neuen Buch über die Quantenwelt und die spezielle wie die allgemeine Relativitätstheorie plaudert, geht es einem streckenweise genauso. Plötzlich gleicht alles einem Hefekuchen, in dem sich die Rosinen fragen, wie sich wohl ihre Welt verändern wird, wenn sich der Kuchen im Ofen ausdehnt so wie das Universum, von dem wir wissen, dass es expandiert. Bläht sich alles nur ein bisschen, oder klappt alles nach kurzer Streckung blitzartig in sich zusammen und landet auf dem Küchenboden?
    Chown geht Schritt für Schritt vor, fängt bei Demokrits Idee vom kleinsten aller kleinen Teile an („a-tomos“ = unteilbar) und fragt sich und den Leser, wie viele Photonen wohl abprallen an der Fensterscheibe und wie viele hindurch gehen, so dass ein Spiegelbild entsteht. Und schon ist man dabei, sich Gedanken über Quanten zu machen, jene „unmöglichen Atome“, die machen was sie wollen und keiner weiß warum und vor allem: was als nächstes passiert. Zufall, Willkür, Chaos, Gleichzeitigkeit an verschiedenen Orten, Überlagerungen von Wellen, Interferenzen… Es gibt viele „Modelle“, aber kaum vernünftige Erklärungen für das, was Quanten offenbar tun und können. Sie laufen der klassischen Physik entgegen, denn ihr Verhalten ist nicht vorhersagbar. Das Verrückteste ist ihr offenbar telepatisches Verhalten: Die Lichtgeschwindigkeit gilt als mathematisch vielfach beweisbare absolute Geschwindigkeitsobergrenze jeder Materie; im Laborversuch aber gelangten gegenseitige Beeinflussungen getrennter Photonen-Paare in vierfacher Lichtgeschwindigkeit zum jeweils anderen… Hört da die Physik auf und fängt hier die Esoterik an?
    Albert Einstein wollte daher wenig oder gar nichts mit der Quantentheorie zu tun haben. Chown erklärt, warum – und wo sich Einstein irrte. Der zweite Teil des Buches widmet sich der Einsteinschen Relativitätstheorie, zuerst der speziellen (1905), dann der allgemeinen (1915), die eigentlich eine neue Gravitationstheorie ist. Hier geht es um isolierte Astronauten in Raketen, die mit 9,8m/s² (dem Wert der Erdanziehung) nach oben beschleunigt werden und Hammer und Federn fallen lassen, mit Laserpointern spielen und unmöglich bemerken können, dass sie sich nicht auf der Erde befinden, sondern im beschleunigten Flug ins Nirgendwo. Und doch wird der Laserstrahl, wenn man’s genau nimmt (und misst) gekrümmt: eine Sache, die Einstein vorhersagte wie viele andere Phänomene. Dennoch irrte auch er, der sich in seinem langweiligen Patentamtsjob die spannendsten Fragen stellte und auch als späterer Nobelpreisträger und Superstar der Physik weder Schwarze Löcher noch den Urknall akzeptieren konnte. Diese aber wurden gerade mit Hilfe seiner Relativitätstheorie nachgewiesen. Zusammengefunden haben beide Theorien bis heute nicht, wie man spätestens seit Hawkings Buch weiß. Dennoch: Spannend ist auch dieses Buch, von der ersten bis zur letzten Seite, und so geschrieben, dass auch den Nicht-Naturwissenschaftler eine Ahnung beschleicht von dem, was tatsächlich die Welt im Innersten zusammenhalten – könnte.
    (Marcus Chown "Warum Gott doch würfelt - Über 'schizophrene Atome' und andere Merkwürdigkeiten aus der Quantenwelt", dtv-premium 2005, 219 Seiten, 15 Euro)
    cs Matthias

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