Hawkings wissenschaftliche Leistungen

  • Hallo zusammen,


    In den letzten Tagen ist Hawkings Lebensleistung ausgiebig gewürdigt worden. Auch seine Tätigkeit als Wissenschaftspopularisator, die ihm großen kommerziellen Erfolg einbrachte, wurde vielfach hervorgehoben.


    Doch welches waren seine wichtigsten wissenschaftlichen Leistungen? Gibt es da etwas von bleibender Bedeutung? Schaut man sich im Internet um, dann entsteht der Eindruck, daß er viele weitreichende physikalische Ideen vorgebracht aber auch wieder zurückgezogen hat. Zum Beispiel hat er zunächst mit Roger Penrose zusammen bewiesen, daß der Kosmos eine Anfangssingularität gehabt haben muß, um später mit seinem "no-boundary proposal" zu zeigen, daß es keine Anfangssingularität gab.


    In den letzten Jahrzehnten hat er wohl eine starke Neigung zur Metaphysik entwickelt.


    Viele Grüße
    Johannes

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Atlas</i>
    <br />Hallo zusammen,




    Doch welches waren seine wichtigsten wissenschaftlichen Leistungen? Gibt es da etwas von bleibender Bedeutung?



    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hallo Johannes,


    ich denke auf dies Frage wird man momentan nicht so einfach eine Antwort bekommen,


    schau mal in diesen Blog Artikel:


    http://backreaction.blogspot.d…es-at-76-what-was-he.html


    die Zeitschrift Physical Review Letter hat übrigens die 55 Publikatonen von Stehpen Hawking freigeschaltet.


    beste Grüße



    Thomas

  • Die nach Hawking benannte Strahlung schwarzer Löcher, dürfte zu seinen größten Leistungen zählen. Und obwohl nicht messbar (jedenfalls nicht heute), gibt es kaum Zweifel. Denn die Vorhersage dieser Strahlung beruht auf der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantenfeldtheorie, die beide vielfach experimentell bestätigt sind.

  • Hallo,


    ich denke die am stärksten beachteten Arbeiten und die mit der weitreichendsten Auswirkung waren die, die sich mit den Konsequenzen der Allgemeinen Relativitätstheorie befasst haben:


    - der Nachweis, dass ausgehend von den Grundsätzen der ART, die Existenz des Universums in einer Singularität begonnen haben muss,
    - die Verbindung von ART und Quantenfeldtheorie mit der resultierenden "Hawking-Strahlung" schwarzer Löcher,
    - die Arbeiten zur Struktur der Raumzeit und zu den Gravitationswellen.


    Vieles was Hawking in seinen späten Jahren geschrieben und gesagt hat ist sicher von Bedeutung, aber wie ich meine von einer sich stark verändernden Weltsicht geprägt. Manchens scheint mir dabei durchaus hinterfragenswürdig, wenngleich seine Gedanken zum Großen Ganzen immer spannend und anregend waren, herausragend, wenn auch nicht im Sinne der Promotion der Wissenschaft waren seine Werke, die versucht haben, die Gegebenheiten der ART dem breiten Publikum verständlich zu machen. Diesen Ansatz haben bis dato nur wenige versucht und damit sich und uns die Chance vergeben, dass die Wissenschaft in der Wahrnehmung der Mehrheit der Bevölkerung NICHT nur ein Thema für die Physiker im Elfenbeinturm ist.


    CS
    Jörg

  • Hallo,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">In den letzten Jahrzehnten hat er wohl eine starke Neigung zur Metaphysik entwickelt.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Metaphysik? Nun, wenn man wie Stephen Hawking auf dem Weg zu den "letzten Fragen" ist, die vielleicht niemals beantwortet werden können ("ignorabimus"), bleibt nicht viel Spielraum bis zur Metaphysik. So what?
    Andererseits: Hawking ist seit 1986 Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Aber vielleicht war er nur zu höflich, abzulehnen.


    Btw. irritiert es mich viel eher, wenn eine deutsche Physikerin bei ihrer Vereidigung als Bundeskanzlerin den Eid mit der sog. religiösen Beteuerung abschließt.

  • Hallo zusammen,


    Daß schwarze Löcher nicht wirklich schwarz sind, sondern eine Strahlung aussenden, scheint wirklich die folgenreichste und fruchtbarste These Stephen Hawkings gewesen zu sein. Der popularisierenden Vorstellung zufolge tunnelt am Ereignishorizont gelegentlich ein virtuelles Teilchen mit negativer Energie in das schwarze Loch und wird darin real, während sein virtuelles Partnerteilchen weggeschleudert wird und dabei ebenfalls real wird. Doch Hawking selber warnt davor, diese Vorstellung wörtlich zu nehmen. In Wahrheit geht es wohl darum, daß das, was einem Beobachter als quantenmechanischer Vakuum-Zustand erscheint, in dem es keine Teilchen gibt, einem anderen, beschleunigten Beobachter als Nicht-Vakuum, das heißt als mit Teilchen besetzter Zustand erscheint. Wegen der Relativität der Zeit ist das Verhältnis von Vernichtungs- und Erschaffungsoperator nicht eindeutig definierbar. Weil der ART zufolge aber alle Beobachter gleichberechtigt sind, kann man sagen, daß das Gravitationsfeld eines schwarzen Loches Teilchen schafft.

    Empirisch überprüfbar ist die These nicht, da schwarze Löcher, wenn sie nicht sehr klein sind, über die kosmische Hintergrundstrahlung viel mehr Energie aufnehmen, als sie über die Hawking-Strahlung abgeben. Diese Überlegungen fallen also in denjenigen Bereich der Kosmologie, wo man Hypothesen nur noch durch Extrapolation von bekannter Physik aus gewinnt, und wo das Wahrheitskriterium für solche Hypothesen nicht mehr in Übereinstimmung mit der Beobachtung liegt, sondern nur noch in ihrer Konsistenz. In diesem Rahmen hat Hawking eine ganze Richtung theoretischer Forschung zur Entropie und Thermodynamik schwarzer Löcher initiiert.


    In der Diskussion um den Informationsverlust durch schwarze Löcher hat Hawking seine Meinung geändert. Zunächst dachte er, daß schwarze Löcher wirklich den Informationsgehalt der Dinge, die dort hineinfallen, vernichten, während er später annahm, daß die Informationen irgendwo erhalten bleiben – vielleicht in Baby Universen innerhalb der schwarzen Löcher. Obwohl mir die Baby Universen allzu spekulativ vorkommen, scheint mir Hawkings Abkehr von der These des Informationsverlustes sehr sinnvoll. Physik erklärt ja doch immer etwas aus etwas, und nicht etwas aus nichts (das ist Sache der Theologie), oder nichts aus etwas (das ist Zauberei, denn nur Zauberer können Dinge verschwinden lassen).


    Mit seiner Idee einer „Geschichte der Zeit“ kann ich mich gar nicht anfreunden. Soweit ich sehe, hat sie auch wenig Widerhall gefunden, obwohl sie im Zentrum von Hawkings populärwissenschaftlichen Büchern steht. Meiner Meinung nach ist diese These physikalisch unbegründet und philosophisch paradox. Nach Hawking war das Universum anfangs zeitlos; die Zeit ist erst im Laufe der Zeit entstanden! Hier liegt der Selbstwiderspruch wohl auf der Hand.


    Viele Grüße
    Johannes

  • Hallo zusammen,


    ich lese gerade zu meiner Überraschung, daß die Trauerfeier für Stephen Hawking heute in Cambridge in der Kirche "Great St. Mary's" stattgefunden hat, und daß die Urne in Westminster Abbey beigesetzt wird. Ich wußte gar nicht, daß Hawking der englischen Staatskirche nahe stand.


    Viele Grüße
    Johannes

  • Hi,


    ich denke das tat er auch nicht, ich vermute die Ursache eher in seiner Zugehörigkeit zur Universität und in deren Traditionen. Die Beisetzung in Westminster Abbey ist eher eine Ehrerweisung des Vereinigten Königreichs.


    Jörg

  • Nunja,
    Hawking schrieb in einem Buch: "Das Universum braucht keinen Gott". Er war bekennender Atheist.


    Fakt ist auch: Er war Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.
    Angesichts der Tatsache, dass er auch politisch aktiv war ... er unterstützte das Unabhängigkeitsreferendums Schottlands und weigerte sich aufgrund der israelischen Palästina-Politik an einer Konferenz 2013 in Israel teilzunehmen ... scheint er aber keine Probleme mit der "Kirche" gehabt zu haben. Sonst hätte er die Aufnahme in die Akademie abgelehnt.


    Dass er in Westminster Abbey begraben wird, scheint mir eine Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen zu sein. Seine Ruhestätte liegt in unmittelbarer Nähe zu Newton und Darwin.


    Die Aufarbeitung seiner Persönlichkeit werden sicher andere genauer betreiben. Insoweit ist das nur eine grobe persönliche Einschätzung meinerseits aufgrund allgemein zugänglicher Daten.

  • Hawking hat sich in seinen Büchern immer gegen die Vorstellung eines Schöpfergottes gewendet, die in der englischen Tradition immer sehr wichtig war, z.B. bei Newton und anfangs auch noch bei Darwin. Hawking war der Meinung, daß das Universums sich selbst hervorgebracht hat, durch Schwerkraft .... Was auch immer das heißen soll.


    Aber am Ende seiner "Kurzen Geschichte der Zeit" schreibt er, daß wir "the mind of God" kennen würden, wenn wir die "theory of everything" hätten. Das ist doppeldeutig, denn es kann heißen: Wenn wir die Theorie haben, wissen wir was Gott denkt; oder es kann heißen: Wenn wir die Theorie haben, wissen wir, was Gott denken würde, wenn es ihn gäbe - aber es gibt ihn nicht. Erst 25 Jahre nach Erscheinen des Buches hat er in einem Interview mit einer spanischen Zeitung erklärt, daß er die zweite Deutung meint.


    Wie ich den englischen Zeitungen entnehme, haben wohl seine Kinder die kirchliche Trauerfeier veranlaßt. Und die Church of England ist in solchen Dingen sehr undogmatisch.


    Viele Grüße
    Johannes

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