Ist das Universum elektroneutral?

  • Hallo Leute,


    ich möchte mal wissen, wie Ihr über die folgende Sache denkt.
    Ich habe mir mal die innere Struktur der Protonen und Neutronen zu Gemüte gezogen und dabei ist mir folgendes aufgefallen:
    Die elektrische Ladung des Protons bzw. die nicht vorhandene elektrische Ladung des Neutrons scheint soetwas wie ein Sekundäreffekt der Verbindung der drei Quarks zu sein.So, nun meine Fragen dazu:
    1. Ist es nicht sehr eigenartig, dass die elektrische Ladung des Protons genau den gleichen Betrag (|e|) hat wie das des Elektrons?
    Diese Frage führt zwangsläufig zu einer weiteren:
    2. Besteht vielleicht ein Zusammenhang zwischen der Bildung der Protonen und der Elektronen?
    Wenn ja, wie sieht der Mechanismus aus?
    Wenn nein, warum stehen uns dann nicht die Haare zu Berge?
    Könnte eine weit verbreitete elektrische Polarisation des Universums einen Effekt haben wie er von der vermeintlich existierenden Dunklen Energie (siehe threat nebenan) erzeugt wird?


    Gebt mal Eure Meinung zum besten.
    Gruß,
    Mirko


    edit: "elektrische" eingefügt. Polarisation war nicht eindeutig, da häufig über die Polatisation von Lichtwellen im Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern gesprochen wird.

  • Lieber Mirko,


    was hier zählt ist vorrangig Fachwissen: Elementarteilchenphysik, Quantenphysik, etc.
    Wenn das im Überfluss vorhanden ist, erst dann macht es Sinn seine persönliche Meinung zu äußern :) .


    LG Robert

  • Hallo Mirko,
    Elektronen sind Elementarteilchen wie die Quarks. Protonen sind sogenannte Nukleonen, die sich zusammensetzen aus drei Quarks. Mehr darüber zu lesen auf Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Quantenchromodynamik (Quantenchromodynamik und Quantenelektrodynamik). Die Farbladung der Quarks in den verschiedenen Kombinationen bestimmt die Ladung der Nukleonen, wie z.B. das positiv geladen Proton oder das neutrale Neutron.
    Daß das Elektron nun genau die entsprechende negative Ladung hat, kann man als ein Wunder unserer Natur bezeichnen. Man kann es aber auch so sehen: wäre es nicht so, würde sich auch keiner darüber wundern.


    Rein praktisch so ein Beispiel wäre ja Wasser, das spezifisch am schwersten ist bei +4 Grad Celsius. Warum das so ist weiß auch keiner. Und wäre es nicht so, hätten wir nur Eis auf der Erde.

  • Lieber Robert,
    da hast Du völlig recht.
    Mir kommt es jedoch weniger auf eine bloße Benennung von Fachgebieten an als auf eine Meinung, die sich jemand auf Basis von Kenntnissen in ebendiesen erarbeitet hat.
    LG Mirko


    Hallo HWS,
    danke für Deinen Beitrag.
    Meine Frage scheint offenbar den Eindruck erweckt zu haben, dass ich so rein garnichts von der Materie verstehe. Hm, ich wollte halt nur eine möglichst kurze und einfach zu verstehende Formulierung für die Frage finden...
    Sorry, aber die Sache als Wunder abzutun ist mir zu simpel. "Gott hat's so gewollt": Der Tod jeder Diskussion. Jemand anders?
    Das mit dem Wasser bei 4°C kann ich Dir gern erklären, wenn es Dich interessiert.
    Gruß,
    Mirko

  • Ja,ja Wunder und den "lieben Gott" lassen wir mal bei Seite. Das Stichwort war: sich wundern und führt zur Neugier.
    Diese menschliche Eigenschaft ist ausschlaggebend.
    Das über Wasser kann man nachlesen:


    "eine Dichte von rund 1000 kg/m³ (ursprünglich die Definition des Kilogramms), genauer: 999,975 kg/m³ bei 3,98 °C. Als Dichteanomalie bezeichnet man die auf der Wasserstoffbrückenbindung beruhende Eigenschaft, dass Wasser bei dieser Temperatur die höchste Dichte hat und beim Abkühlen unter diese Temperatur kontinuierlich und beim Gefrieren sogar sprunghaft an Volumen zunimmt, also an Dichte verliert, so dass Eis auf Wasser schwimmt"
    Man kann sich auch in die MolekularChemie hinein knieen.


    Der springende Punkt war, daß gewisse Phänomene in der Natur so sind, wie sie sind, nicht erklärbar. Und wären sie nicht so, würden wir nicht existieren.
    Gruß Hans

  • Hallo Mirko


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">1. Ist es nicht sehr eigenartig, dass die elektrische Ladung des Protons genau den gleichen Betrag (|e|) hat wie das des Elektrons?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Wenn man die Quantentheorie akzeptiert ist das dann weniger eigenartig, da die Ladung (und nicht nur die) demnach gequantelt ist mit der kleinsten Quantumladung +e bzw. -e

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">...Der springende Punkt war, daß gewisse Phänomene in der Natur so sind, wie sie sind...<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Die Modelle der Quantentheorie über den Aufbau der Materie (Fermionen -&gt; Quarks und aus Quarks bestehende Baryonen sowie Leptonen) sind immerhin deshalb so modelliert, weil wir es so beobachten. Gäbe es ein Experiment, dass diesen Modellen widerspricht, täte man sie sofort auf den Müllhaufen der überkommenen Physik-Theorien werfen. [:D]


    Ob die Natur tatsächlich so ist ... genau das wissen wir eigentlich nicht. Sonst bräuchten wir keine Forschung mehr.


    Welcher Zusammenhang zwischen Fermionen und Leptonen besteht, das ist noch Gegenstand der Forschung. Die bekannten Quarks und auch das Elektron entstehen durch Zerfall des X-Bosons bzw. des Anti-X-Boson. Allerdings landet man da bei Energien und Umgebungsbedingungen, die recht "unhandlich" sind. Das Stichwort heißt "Baryongenese" und entspricht der ersten Phase des Urknalls etwa 1E-43 Sekunden (nach der Planck-Ära) bei einer Temperatur von 1E+32°K. Da braucht man schon Beschleuniger wie beim CERN, bei denen per Teilchenkollision Antimaterie erzeugt werden kann.


    Die verwandte Frage, mit der sich die Physik diesbezüglich beschäftigt, lautet:: Warum besteht die Materie des Universum nahezu ausschließlich aus "Materie" und nicht aus "Anti-Materie"?


    Die Theorien, welche die Ladungsgleichheit von Proton und Elektron erklären könnten, findet man unter dem Stichwort "Leptoquarks" (Die Umwandlung von Leptonen in Quarks und umgekehrt). Die Verteilung der Ladung beim Zerfall von X- und Y-Bosonen sieht einer ganz gewöhnlichen chemischen Gleichung ziemlich ähnlich. Experimentell lässt sich das (noch) nicht überprüfen. Unterm Strich würde eine solche Theorie auch die Barygenese nochmals um eine zusätzliche Phase der sog. Leptogenese erweitern. Aber das ist alles noch mit Unsicherheit behaftet. Der Teilchenzoo wird damit nicht kleiner. [;)]


    In diesen Feldern bin ich nur ein interessierter Laie und heilfroh, wenn mir nicht alles "spanisch" vorkommt.

  • Hallo Mirko,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Ist es nicht sehr eigenartig, dass die elektrische Ladung des Protons genau den gleichen Betrag (|e|) hat wie das des Elektrons?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Ja, das ist sehr eigenartig. Das Standardmodell der Teilchenphysik gibt keine Erklärung dafür. Da muß man sich schon auf das experimentell nicht erreichbare Energieniveau einer Grand Unified Theory hinauf spekulieren. Dort kann man dann die Gültigkeit einer SU(5) Symmetriegruppe postulieren, in der jeweils 3 Quarks und ein Lepton ein Multiplett bilden. Dann läßt sich mit Symmetrieargumenten fordern, daß die Ladungen des Protons und des Elektrons (bzw. der jeweiligen Anti-Teilchen) genau gleich sein müssen, und wohl auch, daß der Universum im ganzen elektrisch neutral sein muß.


    Bei diesem Thema spielt auch das Prinzip der Erhaltung der elektrischen Ladung eine Rolle. Es könnte ja sein, daß einzelne Ladungen ihren Wert verändern, oder daß welche verschwinden, so daß ein ursprünglich neutrales Universum plötzlich elektrisch geladen wäre. Das ist aber anscheinend nicht der Fall. Die Erhaltung der elektrischen Ladung ist offenbar ein fundamentales Symmetrieprinzip, das von allen Arten von Wechselwirkungen respektiert wird. (DAs gilt sonst übrigens nur noch für die Erhaltung der Farbladung bei den WEchselwirkungen der Quarks.)


    Im Rahmen des Standardmodells bleiben auch die Baryonenzahl und die Leptonenzahl bei allen Wechselwirkungen erhalten. Die Vermutungen gehen aber dahin, daß es doch einen Protonzerfall geben könnte, z.B. so, daß das Proton (Baryon, +) zerfällt in ein Positron (Lepton, +) und ein Pion (Meson, neutral). Dabei bliebe die elektrische Ladung erhalten, aber wir haben ein Baryon weniger und ein Lepton mehr in der Welt. Die Grand Unified Theory würde das beschreiben. Aber auf den experimentellen Nachweis warten wir noch.


    Im Ganzen scheint hier „Symmetrie“ ein wichtiges Prinzip zu sein. Im Ursprung war der Kosmos hochgradig symmetrisch, d.h.einheitlich. Aber im Lauf seiner Expansionsgeschichte traten immer mehr Symmetriebrüche auf, d.h. die Einheitlichkeit ging verloren und immer mehr Verschiedenheit zwischen den Bereichen der physischen Realität trat ein, z.B. die Differenz der elektromagnetischen und der schwachen Wechselwirkung. Daß die Ladungen des Protons und des Elektrons genau gleich sind, wäre dann sozusagen ein Überbleibsel der ursprünglichen umfassenden Symmetrie des Kosmos. Vielleicht kann man es so sagen: Im Anfang war alles ganz einfach.


    Viele Grüße
    Johannes

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: HWS</i>
    <br />


    Der springende Punkt war, daß gewisse Phänomene in der Natur so sind, wie sie sind, nicht erklärbar. ...
    Gruß Hans
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Dies trifft den Nagel ziemlich auf den Kopf, keine Theorie - wie einfach oder auch kompliziert sie sein mag - kann die Neutralität von Materie erklären, sondern muss so beschaffen sein, dass sie sich mit der Beobachtung im Einklang befindet.


    beste Grüße


    Thomas

  • Hallo Kalle und Johannes,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Kalle66</i>
    <br />Welcher Zusammenhang zwischen Fermionen und Leptonen besteht...<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Freut mich sehr, dass es hier doch noch Leute gibt, die den Inhalt meiner Frage verstanden haben. [:D]
    Man kann also annehmen, dass ab einem bestimmten Dichte*Temperatur-Nieveau die elektrische Ladung zu etwas Anderem wird? Oder ähnlich einem chemischen Gleichgweicht mit einer anderen Kraft in direkter Wechselwirkung tritt?
    Hm... Jetzt hab ich mich wohl, ohne es zu merken, "hintenrum" an das herangedacht, was die Theoretiker als Vereinheitlichung der Kräfte bezeichnen, was?


    Oh interessant! Das Konzept der Symmetrie scheint tatsächlich ein überlegenswerter Aspekt des Phänomens zu sein.
    Vielen Dank für die interessanten Infos!


    Gruß,
    Mirko


    edit: Und vielen Dank für den Tipp mit den Leptoquarks! [:)]

  • Mirko,
    die uns bekannten Kräfte - so vermutet die Physik - sind ab bestimmter Bedingungen nicht mehr unterscheidbar. Mir fallen zwei Beispiele ein wie man sich das als Laie vorstellen kann.


    Beispiel eins: Phasenübergänge ... Wasser, gefroren bildet es Eis, du kannst daraus sogar Skulpturen machen ... in Dampfform aber nicht mehr. Der Dampf verhält sich wie ein Gas, während sich das Eis wie ein Festkörper verhält (fast). Ob Wasser in einem geschlossenen System jetzt als Eis oder als Dampf vorliegt, ist eine Frage der Ausgangsbedingungen (Druck, Temperatur oder Energie). Während Dampf sich in alle Richtungen gleich verhält (ein Zustand erhöhter Symmetrie), gilt das für Eis so nicht mehr, das übt nur dort Gewichtsdruck aus, wo es auch liegt (falls es vom Volumen her den umschließenden Raum nicht vollständig ausfüllt). Somit besteht beim Übergang von Dampf zu Wasser ein Symmetriebruch. Ähnliche Überlegungen kann man zu Luft anstellen, wo die einzelnen Bestandteile bei unterschiedlichen Tieftemperaturen flüssig werden und sich trennen lassen.


    Beispiel zwei: Der Inhalt eines Waren-Kartons. Ein Textilhändler interessiert sich für die Kollektion T-Shirts im Karton, der Spediteur aber nur noch um die Palette (mit ~20 Kartons) und die Schiffsreederei nur noch um den Container mit 100 Paletten drin. Ob T-Shirts oder Bananen, ist ihm egal. Aus dem Weltraum sieht der Astronaut auf der ISS nur noch das Schiff als Ganzes (als Pünktchen), wenn überhaupt.
    Somit alles nur eine Frage der Perspektive.

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