Hallo Klassiker-Freunde,
Kollege Winnie (Micha) brachte hier :
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=208225
einen Aspekt ein, über den ich mir auch schon oft Gedanken gemacht habe.
Es geht darum, wie weit die Restaurierung eines klassischen Instrumentes gehen darf/sollte !
Wie Winnie schon sehr richtig sagte, liegt Schönheit immer im Auge des Betrachters ! Von daher spielt bei diesem Thema natürlich auch die Subjektivität eine große Rolle.
Dennoch sollte es auch fachlich/sachliche Grundregeln geben, was eine Restaurierung leisten kann/soll bzw. "darf" oder besser nicht bewirken sollte.
Aus meiner Erfahrung kann ich folgendes berichten : bei meinen kleinen Amateur-Projekten handelt es sich zu 99% nicht um mein Eigentum. Insofern muss ich das machen, was der Auftraggeber will. Natürlich kann ich gerne beratend zur Seite stehen, nur letztendlich ist der "Kunde" König.
Allerdings habe ich ja auch die Freiheit, "nein" zu sagen[;)], auch wenn mir dann eine Arbeit durch die Lappen geht.
Würde z.B. jemand von mir verlangen, ich solle seinen Asegur OTA in Nato-Oliv lackieren, dann würde ich dies höflich ablehnen.
Meines Erachtens würden sowohl der historische Charakter, als auch der Wert eines solchen Stückes dadurch ad absurdum geführt werden.
Es muss aber gar nicht um so krasse Fälle gehen.
Ein Punkt, der immer wieder auftaucht, sind z.B. Behandlung von Messing-Oberflächen !
Hier habe ich ganz verschiedenen Sammler-Typen /Mentalitäten kennengelernt, die ich einmal wie folgt etwas schlagwort-artig beschreiben möchte ( das bitte nicht falsch verstehen; ich möchte damit niemanden in eine Schublade packen !
a) der Vorsichtige
hier kam einmal ein Herr zu mir, der alle Messingteile (obwohl z.T. schon fast schwarz oxydiert ), nur oberflächlich gereinigt haben wollte: im Wesentlichen ging es hier darum, nur schon leicht voluminöse Verkrustungen oder Schmutzanhaftungen schonend zu entfernen. Die eigentliche Patina sollte aber unbedingt erhalten bleiben.
Der Herr ist der Ansicht, dass nur so der historische Charme des Gerätes erhalten bliebe.
b) der Ästhet
einen guten Bekannten von mir würde ich so, durchaus wohlwollend, einschätzen wollen. Er legt Wert darauf, dass Messingteile wieder schön glänzen.
Dafür hat er aber auch eine durchaus nachvollziehbare Begründung : zum einen gefällt es ihm schlicht und einfach so besser; zum anderen stellt er seine Geräte z.T. aber auch aus. Dabei hat er schon die Erfahrung gemacht, dass viele Besucher eben einfach einen besseren Eindruck von einem "gepflegteren" Instrument haben, als von einem stark oxydierten Teil.
Bei diesem Sammlertypus gibt es noch viele weitere Differenzierungen.
Der besagte Herr wollte z.B. auch, dass die frisch polierten Messingteile DAUERHAFT glänzend bleiben ! So müssen die Messingoberflächen dann mit einem speziellen Lack behandelt werden, um einen nahe permanenten Korrosionsschutz zu erhalten.
Ich habe diesen Herrn aber bei manchen Geräten auch zu einer schonenderen Variante überreden können ( wie ich persönlich sie z.B. bevorzuge ), nämlich die Messingteile zwar wieder schön zu polieren, aber anschliessend UNBEHANDELT zu lassen ! So kann sich dann bereits nach relativ kurzer Zeit wieder eine natürliche Patina bilden und das wirkt m.E. dann wieder authentischer ! Aber auch das ist nur meine persönliche Meinung....
c) der Mutige
dieser Sammlertypus geht ziemlich forsch an die Dinge heran. Er möchte im Prinzip das berühmte "aus alte mach neu" Verfahren.
Aso z.B. Messingteile schön glänzend, alte Farbe am besten in schneeweiss und hochglänzend, schware Teile ebenfalls rigoros frisch und am besten hochglänzend.....
Naja...auch das ist eine Ansicht, die durch aus ein sehr "hübsches" Endresultat bringen mag - aber, ob da noch viel Authenzität bleibt ?
d) der Steampunker
und hier muss ich einmal durchaus wertend sagen, ER ist nicht mein Freund ![:D][;)][:I]
Hier werden klassische Instrumente in chrom- und messing-glänzende, schwülstig barockene Monster verwandelt. Dieser Sammler schwelgt in einem gleissenden Flimmer von Metall und Glas und macht aus einem authentischen Instrument eine mosshammernde Karikatur....nicht mein Fall...
Nun gut, es könnten hier noch soooo viele weitere Aspekte aufgezählt werden, aber ich will hier keine Romane erzählen....
Wie seht Ihr das Thema ? Wo fängt bei euch eine seriöse Restaurierung an, wo hört sie auf, wo beginnt der Kitsch und welche Restaurierung zerstört gar den Wert eines historischen Instrumentes ?
Sicher eien spannende, vielleicht auch polarisierende Diskussion, die wir aber hoffentlich im bewährten, friedlichen astrotreff-Stil führen können ?
Vielleicht interessiert das aber auch niemanden und dann kann ich mich nur für mein Geschwätz entschuldigen ![:D][:D]
Euer Michi
P.S. einen "berühmten" Fall möchte ich dann doch noch bringen, der damals zu einigen Diskussionen in Sammlerkreisen geführt hat. Sogar bis über den Teich hinüber bei den Kollegen von Cloudy Nights :
Der bekannte, schon mehrfach erwähnte, Zeiss E-Refraktor von Markus Ludes !
http://www.apm-telescopes.de/d…r-e-110-mm-f-1560-mm.html
Die Restaurierung dieses ( immer noch ) sehr schönen Gerätes hat damals sehr polarisiert. Dabei ging es eigentlich nur um den einen Punkt, das nahezu alle original Messingoberflächen verchromt wurden !
Es gab Sammler, die sagten : absolutes "NO GO" !
Es gab aber widerum auch Sammler, die das weniger störte..
Ich kenne einen Sammler, der ohne mit der Wimper zu zucken die mittlerweile geforderten 79.000€ auf den Tisch legen könnte ( im Laufe der letzten Jahre erfuhr das Gerät "seltsame" Preisschwankungen: ich habe es mal für ca. 28.000 € gesehen, dann gab es eine Zeit, wo es für 4x.000€ gelistet war und nun sind wir bei 79.000€ ? Er sagt aber, in diesem Zustand würde er das Gerät nie kaufen, denn durch die Verchromung sei es für ihn "vergewaltigt" und nicht mehr sammelwürdig !
Entschuldigend muss man aber auch sagen, dass z.T. aus rein tech nischen Gründen, vielleicht etwas "krass" wirkende Maßnahmen wirklich notwenig sind - nämlich z.B. dann, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die FUNKTIONALITÄT eines Gerätes, oder gewisser Geräteteile aufrecht zu erhalten.
Ein hypothetisches Beispiel : die Mesingoberfläche eines Okularauszugsrohres ist so stark korrosiv geschädigt, dass die Korrosion nur durch eine starke abrasive Behandlung beseitigt werden kann. Das hat aber zur Folge, dass der Durchmesser des Rohres so weit abnehmen kann, dass es eben nicht mehr schmatzend gleitet, sondern bereits anfängt zu klappern ! Somit wäre die 100%ige Funktionalität nicht mehr gegeben. Dann kann es durch aus ein bewährtes Verfahren sein, das fehlende "Fleisch" durch eine ggf. nur 20-40 µm starke Verchromung so aufzufüttern, dass die Funktionalität wieder gegeben ist !
So, genug geblubbert - jetzt seid Ihr dran, wenn Ihr mögt[;)][:D]
Edit : die leidige Rechtschreibung bzw. Flüchtigkeitsfehler beim Tippen ![;)]