Wie schnell dehnt sich das Universum aus?

  • Hey,
    habe irgendwo mal gelesen, dass sich die Galaxien, die nicht allzuweit von uns entfernt sind mit ca. 75km/s von uns entfernen. Wie sieht es aber mit solchen aus die weit weg sind? Wie schnell bewegen sich diese von uns weg, wenn sich der Raum ausdehnt?
    Beggo

  • Hallo Beggo,


    die Hubble-Konstante ist genannt. Die andere Frage, die man sich stellen muß ist: "Wie schnell bezogen auf was?"
    M31, der Andromedanebel, zum Beispiel bewegt sich auf uns zu. Dazu kommt aber die Bewegung der gesamten lokalen Gruppe in Richtung des Virgohaufen. Wie du siehst kann man deine Frage ohne Bezugssystem nicht wirklich beantworten.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Lokale_Gruppe ganz unten ist diese Problematik beschrieben.
    Siehe auch hier: http://www.3sat.de/page/?sourc…eltraum/151581/index.html


    Gruß Dirk

  • Moin Beggo,
    die sogenannte Raumexpansion hat eine Expansionsrate, Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Hubble-Konstante


    In einem ersten Schritt besagt diese, dass die Raumausdehnung mit zunehmender Entfernung linear zunimmt, sprich bei doppelter Entfernung dann auch doppelt so groß ist. Da wir aber gleichzeitig bei zunehmender Entfernung in die Vergangenheit schauen, muss man sich fragen, ob die Expansionsrate auch in der Vergangenheit gleich groß war, denn nur dann gilt der lineare Zusammenhang. Die Hubble-Konstante ist definiert als "zeitliche Ableitung a'(t0) geteilt durch a(t0) (a ist der kosm. Skalenfaktor zum heutigen Alter des Universums t0). Der Skalenfaktor stellt die Anfangsbedingungen für die sog. Friedmann-Gleichungen her. Im Grunde ist der Skalenfaktor eine Funktion über die Zeit seit dem Urknall. Die Funktion ist insb. davon abhängig, ob man eine "flache" oder topologisch andere Raumgeometrie annimmt, wieviel Masse/Energie das Universum hat und wie groß der Einfluss der sog. Dunklen Energie in den Friedmann-Gleichungen ist.


    Die eigentliche "beschleunigte Expansion" misst man, indem die 2. Ableitung des Skalenfaktors zum Skalenfaktor in Bezug stellt: a''(t)/a(t). (Das ist also nicht der Hubble-Paramter!)


    Lange Rede, kurzer Sinn ... für große Entfernungen muss man etwas komplizierter Rechnen und über die zeitliche Funktion des Hubble-Werts intergrieren, für "lokale Umgebungen" reicht die Hubble-Konstante H(0) mit ca. 74 km/s/Mpc In Worten: 74 Kilometer wächst die Kantenlänge eines Würfels mit 1 Megaparsec in jeder Sekunde. Ein Mpc ist gleich 3,2 Mio Lichtjahre. Schon ab 100 Mio Lichtjahren Entfernung kommen da Werte raus (~2300 km/s), die um Größenordnungen größer sind, als jede tatsächliche Eigenbewegung von Sternen bzw. Galaxien. In einem Galaxienhaufen bewegen sich Galaxien mit max. ~1000 km/s aufeinander zu bzw. voneinander weg, d.h. im Umkehrschluss, dass sie ca. 20 Mio Lichtjahre umfassen, darüber wächst das Universum schneller an, als der gravitative Zusammenhalt eines solchen Haufens.


    Gruß
    Ich hoffe, ich bring es jetzt korrekt rüber.

  • Hi "Beggo", <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">habe irgendwo mal gelesen, dass sich die Galaxien, die nicht allzuweit von uns entfernt sind mit ca. 75km/s von uns entfernen.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">In dem Satz stecken drei Fehler drin.


    Einmal- 75km/s*Mpc- es fehlt bei dir das Mpc. Steht für Megaparsec. Ein Parsec ist die Entfernung von ca. 3,26 Lichtjahren, ein Megaparsec entspricht damit also einer Distanz von 3,26 Millionen Lichtjahren.


    Und die Ausdehnung ist dann so zu verstehen- pro Sekunde kommen zu diesem einem Mpc 75km hinzu. Nimm als Vergleich ein langes Gummiband, mach in 1m Abstand Markierungen drauf und dehne es dann so, das pro Sekunde der Abstand zwischen zwei Markierungen um 1mm zunimmt. Der Abstand zwischen der ersten und der dritten Markierung nimmt dann pro Sekunde bereits um 2mm zu- genauso passiert das auch in unserem Universum.


    Der zweite Fehler- die Galaxien bewegen sich nicht von uns weg, der freie Raum dazwischen wird gedehnt und dadurch erhöht sich der Abstand der Galaxien zueinander. Siehe Gummiband- du bewegst keine der Markierungen auf dem Band, durch das Dehnen werden aber die Abstände dazwischen trotzdem größer. Du kannst auch Ameisen anstelle der Markierungen hinsetzen- still sitzend entfernen sie sich voneinander, läuft eine langsam auf eine andere zu dann entspricht das der Eigenbewegung (siehe Andromeda)


    Der dritte Fehler wäre der Teil mit "nicht zu weit von uns entfernt". Der ganze von uns beobachtbare Raum dehnt sich aus- weiter entfernte Galaxien entfernen sich damit scheinbar schneller als näher liegende.


    Im Nahbereich überwiegen aber die Eigenbewegungen. Andromeda ist mit 2,6MLj ja nur ca. 2/3 Mpc entfernt und nähert sich mit rund 114km/s unserer Milchstraße.


    Gruß
    Stefan

  • ... danke für die tiefgehenden Antworten.
    Ich dachte halt, wie schnell sich WEIT entfernten Galaxien bezogen auf UNS entfernen. Gummiband hin oder her .... der Abstand nimmt mit der Zeit zu (Andromeda und andere nicht eingerechnet), also dachte ich, dass man folglich auch eine Geschwindigkeit angeben kann.
    Gruß
    Beggo

  • Hi "Beggo", <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">... also dachte ich, dass man folglich auch eine Geschwindigkeit angeben kann<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Kannst du doch, aber du musst die Entfernung mit einrechen.


    Nimm eine Galaxie in 100Mpc Entfernung von uns- die würde sich demzufolge mit ca. 100x76km/s=7600km/s von uns entfernen. Eine Galaxie in 200Mpc Entfernung entsprechend doppelt so schnell.


    Gruß
    Stefan

  • Die entferntest entdeckte Galaxie ist 13,3 Milliarden Lichtjahre entfernt.
    Sie bewegt sich folglich mit ca. 300000km/s von uns weg - habe ich richtig gerechnet?
    Beggo

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: stefan-h</i>
    Der zweite Fehler- die Galaxien bewegen sich nicht von uns weg, der freie Raum dazwischen wird gedehnt und dadurch erhöht sich der Abstand der Galaxien zueinander.
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    wie erklärt man sich aber z.b., daß der Raum in den Atomen nicht gedehnt wird - bzw das keine Auswirkung hat? Oder der Raum innerhalb unseres Sonnensystems?

  • Hi, <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Sie bewegt sich folglich mit ca. 300000km/s von uns weg <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Nachgerechnet hab ich jetzt nicht aber der Abstand wird um diesen Wert größer. Also nicht gleichzusetzen mit einer Bewegungsgeschwindigkeit vergleichbar Eigengeschwindigkeit Andromeda zu Milschstraße.
    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">ie erklärt man sich aber z.b., daß der Raum in den Atomen nicht gedehnt wird<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">Für die Ausdehnung in den freien Räumen zwischen den Galaxien(gruppen/haufen) ist ja unter anderem die dunkle Energie verantwortlich.


    Auf die winzigen Abstände innerhalb eines Atoms wirken hier die sonst hierfür bekannten Kräfte deutlich stärker. Gilt wohl auch für das Sonnensystem oder unsere Milchstraße.


    Gruß
    Stefan

  • moin Astrops,
    die Frage ist, ob die Raumausdehnung eine "Kraft" ausübt. Dann würde diese Kraft sich mit den bekannten Kräften (z.B. Gravitation bei Planetenbahnen, aber auch atomare Kräfte in Molekülen etc.) überlagern. Soweit mir bekannt ist, übt erst die Änderung der Raumausdehnungsrate eine Kraft aus. Dies führt zu Theorien wie dem "Big Rip", wo die Raumausdehnung am Ende des Universums dermaßen beschleunigt stattfinden soll, dass es alle bekannten Bindungskräfte von Teilchen überwindet und somit alles "zerrissen" wird. Zudem führt die hohe Expansion dann zu einer "Vereinzelung" der zerrissenen Einzelteilchen, so dass jedes in seinem eigenem Horizont (nix kann sich ja schneller als Licht bewegen) allein ist und nicht mehr mit anderen Teilchen interagieren kann.


    Gruß

  • Hi Kalle, kommt drauf an, die Raumausdehnung bewirkt dann eine Gezeitenkraft, wenn die 2. Ableitung des Skalenfaktors (hast du weiter oben schon erwähnt) &lt;&gt; 0 ist. Sie ist allerdings im strukturierten Universum mit Galaxien, Sternsystemen, Atomen, nicht nur lokal vernachlässigbar, sondern nicht vorhanden, weil hier wegen der überkritischen Dichte keine Expansion stattfindet. Nur im homogenen Fluid ist die Gezeitenbeschleunigung unabhängig vom Abstand und somit auch lokal existent.


    Beschleunigte Expansion hat man schon, wenn die gravitativ abstoßende Vakuumenergie konstant ist, die Dunkle Energie also eine Kosmologische Konstante ist. Davon geht man derzeit aus. Erst wenn die DE über alle Grenzen zunimmt, kommt es zum Big Rip und dann zerreißen tatsächlich Atome.
    Grüße, Günter

  • Ich bin da vielleicht noch auf einem alten Stand:


    - Gravitation ist keine Kraft im Newtonschen Sinne, sondern Veränderung der Raumzeit


    - demzufolge ist der Begriff Geschwindigkeit in diesem Zusammenhang eigentlich keine sinnvolle Größe, zumal durch Raumzeit Ausdehnungen Geschwindigkeiten über c vorgegaukelt werden


    Alles schwierig, ich habe schon zig Bücher über die allgemeine Relativitätstheorie gelesen, aber richtig verstehen, naja...

  • Ich will's mal versuchen, bitte aber den user 'Jemand' nötigenfalls korrigierend einzugreifen.


    Nach Einstein ist die Gravitation tatsächlich nicht als Kraft zu verstehen, sondern als Eigenschaft der gekrümmten Raumzeit.
    Wir stellen uns 2 Körper vor, die in einem bestimmten Abstand im Raum schweben. Wenn keine Kräfte auf sie wirken und die Raumzeit flach ist (also keine Gravitation wirkt), dann halten sie gleichen Abstand und zeitlich verfolgt verlaufen ihre Bahnen parallel. Es müssen in flacher Raumzeit also Kräfte auf sie wirken, damit sich ihr Abstand ändert und ihre Bahnen nicht mehr parallel verlaufen.

    Nicht so mit Gravitation und gekrümmter Raumzeit. Der Abstand der beiden Körper ändert sich, sie bewegen sich (ohne daß irgendeine Kraft auf sie wirkt) voneinander weg (Expansion-) oder aufeinander zu (Kontraktion des Universums). Ihre Bahnen verlaufen demnach zueinander gebogen. Das ist die geometrische Bedeutung der Gravitation. Sie läßt sich auf dem Globus veranschaulichen. Die Bahnen zweier benachbarter Punkte, die sich vom Äquator aus in Richtung Nordpol bewegen, verlaufen zueinander gebogen. Die Bahnen zweier weit entfernter Galaxien verlaufen voneinander weggebogen. Das alles folgt aus den Einstein'schen Feldgleichungen.


    Noch zur Geschwindigkeit. In flacher Raumzeit läßt sich eine Geschwindigkeit zweier Objekte relativ zueinander unabhängig von deren Abstand definieren, was ja unmittelbar einleuchtet. Das gilt in gekrümmter Raumzeit nur lokal, weil lokal keine Expansion stattfindet. Für große Distanzen ist dagegen eine Relativgeschwindigkeit nicht eindeutig definierbar.


    Ich hoffe, das hilft die ein bißchen weiter, Andreas. Gute Erklärungen in aller Kürze findest du bei einstein-online. Ich denke, das bringt als Einstieg mehr, als "zig Bücher über die allgemeine Relativitätstheorie" zu lesen.


    Gruß, Günter

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