Perfekt unterkorrigierter Newton-Spiegel
Die Strehl-Diskussion beim Kauf von Newton-Spiegeln steht oft in krassem Widerspruch zur Praxis
der Beobachtung.Bei Hans Rohr konnte man bereits bei der Erstausgabe im Jahre 1948 nachlesen,
daß unterkorrigierte Spiegel besser sind, als perfekte auf 0.9999 Strehl figurierte. An dieser Wahr-
heit hat sich auch im Zeitalter von Duran-Sital-Pyrex-Zerodur-Subrax usw. wenig geändert, weil sich
auch heute noch die Seite der Spiegel-Oberfläche stärker abkühlt, als seine Rückseite und deshalb
die optische Spiegelfläche in Richtung Hyperbel zieht, was man durch eine leichte Unterkorrektur
zu verhindern sucht. Jetzt soll die gleiche Temperatur-Differenz die "Fast-Parabel" in die perfekte
Parabel "hineinziehen".
Die Unterkorrektur wirkt sich bei einem Test in Autokollimation als Fehler aus, der sich in den
bekannten Werten wie Peak to valley, RMS und Strehl ausdrückt, weil in Autokollimation exakt auf
Null gemessen wird und jede Abweichung sofort als Fehler registriert und dokumentiert wird. Durch
die Meßlogig im Labor, die nur 100% Parabel systembedingt als perfekt ausweist widerspricht die
Praxis im Labor der Praxis am Himmel. Wird also der perfekt unterkorrigierte Spiegel strehlseitig
als der schlechtere Spiegel dargestellt. Wer also, wie ich, Spiegel für die "Belegschaft" prüft,
stolpert im Falle unterkorrigierter Spiegel dauernd über den Erklärungs-Notstand zwischen dem
0.9999 Strehl-Spiegel, also den scheinbar perfekten Spiegel einerseits und dem unterkorrigierten
Spiegel, der für die erste Beobachtungsnachthälfte bei fallenden Temperaturen (siehe auch Hans
Rohr) der bessere Spiegel sein könnte. Obwohl dieser Sachverhalt hinreichend bekannt ist, bleibt
der perfekt unterkorrigierte Spiege oft nur der Spiegel zweiter Wahl, also gegen alle Erfahrungen
aus der Praxis. Ein solcher perfekter und unterkorrigierter Spiegel soll deshalb hier deswegen
gewürdigt werden, weil der Verfasser immer wieder Aufklärung leisten muß, weshalb unterkorrigierte
Spiegel im Labor-Test scheinbar schlechter abschneiden, in der Praxis jedoch mindestens eben-
bürtig, ja sogar die besseren Spiegel sind.
Der Spiegel stammt aus einer Serie von sechs 12.5 Zöller f/5 von ICS mit einer Parabelkorrektur von
ca. 94%
01 Sternscheibchen intra/extrafokal
Die Sternscheibchen zeigen unwesentliche Unterschiede der beiden defokussierten
Sternscheibchen. So sollte es ohnehin sein am Stern. Im Labor habe ich über die
Autokollimations-Messung doppelte Genauigkeit.
02 Die Unterkorrektur im Foucault-Test
Neben einem zonenfreien Spiegel sieht man von der 0.707 Zone bis zur Mitte eine geringfügig
ansteigende Fläche, ebenso einen Anstieg zum Rand hin. Man schaut also wie auf die
überdimensionierte "Landschaft" des Spiegels. Eine Entsprechung findet dieser Test bei Bild 10,
dem Interferogramm. Dort hat man das Profil, wenn man von 12.00 Uhr auf die mittleren Linien
blickt.
03 Die Flächenglattheit
Bereits im Focault-Test konnte man keine Zonen ausmachen. Der PhaseKontrast-Test ist noch
härter, aber auch er zeigt eine wunderbar glatte Fläche.
04 Unterkorrektur im Ronchi-Gramm
Auch ein Ronchigramm, grundsätzlich intrafokal bei 10 lp/mm hergestellt, ist eine höchst
aufschlußreiche Angelegenheit. Die störungsfreien hellen, breiten Linien drücken eine glatte Fläche
aus. Die dazwischenliegenden Beugungslinien verlaufen ebenfalls äußerst gleichmäßig und
störungsfrei und beide haben die Tendenz, sich zur Mitte hin leicht zu verjüngen bzw. zu verengen,
was signifikant für eine Unterkorrektur ist und damit der eindeutigste Nachweis.
05 Der Spalt-Test mit einem "1.25 mm Okular"
Sehr verschieden fallen die Abbildungen aus, wenn ich mir mit einem 2.5 mm Vixen-Okular meinen
Lichtspalt anschaue. Neben mehr oder weniger Streulicht läßt die kontrastreiche Abbildung dieses
Lichtspaltes ganz genau erkennen, zu welcher Leistung eine Optik bzw. ein Newton-Spiegel später
am Himmel fähig ist. Auch Kurt Schrecklings Spiegel hat diesen Test mit einsamer Bravour
bestanden. Dieser Test kommt der Praxis-Situation am nähesten, weil ich die Struktur des
Lichtspaltes genau genug kenne und auf den nachfolgenden Bildern eingehend bestimmt habe. Kann man bei diesem Test visuell noch die mü-
Struktur erkennen bis hinunter auf 0.001 mm, dann hat man es mit einem
besonders guten Newton-Spiegel zu tun. Streulicht erkennt man bei
diesem Test sofort, das macht als Zohnenfehler entweder die Kanten
unscharf oder hellt den Bildhintergrund auf. Besonders bei den SC-
Systemen habe ich bei diesem Test große Mühe, den 0.03 mm Abstand der
beiden "Nasen" zu erkennen. Damit läßt sich sehr schnell eine gute
Optik von einer Spitzen-Optik unterscheiden. Auch der Einfluß der
Flächen-Glattheit des Kollimations-Spiegels darf nicht vernachlässigt
werden. Im Wechsel mit einem Zeiss-Planspiegel aus der Werkstatt von
Jena konnte ich verblüfft feststellen, daß die Flächenglattheit meines
eigenen Planspiegels signifikant höher was, als beim Zeiss-Spiegel
und dadurch den Kontrast bei meinem LOMO-Newton-Spiegel signifikant
"herunter-zog", also unschärfere Spaltbilder ablieferte.
06 Beispiel 1
07 Beispiel 2
08 Die Rotations-Symmetrie zeigen keinen Astigmatismus
Mit dem Interferometer läßt sich vorhandener Astigmatismus sehr schnell darstellen. Bereits
falsche Lagerung eines Spiegel wird bei diesem Test sofort angezeigt. Auch davon könnte Kurt
Schreckling berichten.
09 Die Parabel aus dem Krümmungsmittelpunkt
Bild 9 und 10 bilden ein Gegensatz-Paar um die Unterkorrektur plausibel zu machen. Ein
Kugelspiegel hätte parallele gerade Streifen. Beim Parabolisieren jedoch wird die Kugel in der Mitte
vertieft, sodaß die Streifen nach unten abweichen würden. Nun wird aber bereits beim Foucault-Test
das Testbild "fokussiert" also gemittelt, ein Vorgang, der in der Praxis am Himmel grundsätzlich
gleich ist: Man wählt den Punkt der engsten Strahlenbündel-Einschnürung als Fokal-Ebene, weil
dort das Bild am "schärfsten" ist. Also wird ein Interferogramm in gleicher Weise "fokussiert",
sodaß diese typische Welle entsteht, die ihr Maximum bei 0.707 des Durchmessers hat und die
Rand-Mitte-Rand-Punkte auf einer Linie liegen, die exakt durch die Mitte der Spiegelfläche geht.
Spiegel größerer Öffnung haben einen analogen Parabol-Schatten, wenn man die Parabel im
Krümmungsmittelpunkt betrachtet. Auch für Bild Nr. 2 trifft dieser Sachverhalt auch für die
Unterkorrektur im umgekehrten Sinne zu. Aus dem Krümmungsmittelpunkt gesehen ist die Sphäre
erheblich überkorrigiert, also die Streifenabweichung wellenförmig nach oben, während die gleiche
Situation aus der Sicht der Kompensation durch einen Planspiegel nunmehr unterkorrigiert ist und
sich die Wellenform demzufolge umkehrt.
10 Das Interferogramm (532 nm grün) bei ca. 94%-tiger Parabelkorrektur
Sehr viel deutlicher zeigt sich bei 532 nm die Abweichung der Interferenzlinien und zeigt damit
eindeutig die Unterkorrektur an, in diesem Fall ca. 94%. Die Strehl-Fetischisten vergessen jedoch
gnadenlos, daß das Temperaturverhalten diesen Spiegel regelmäßig in der ersten Nachthälfte in
Richtung 100% Parabel hineinzieht, nicht weil der Spiegel aus Floatglas oder Plattenglas wäre,
sondern weil bei jeder Temperatur-Differenz auch Pyrex oder Zerodur seine Oberflächenform ändert.
Der Verfasser hat bei der Herstellung eines Planspiegels diesen gegen einen bekannt genauen
LOMO-Planspiegel senkrecht in Kontakt geprüft. Der Prüfling aus Duran war etwa eine
Streifenbreite konvex, was zu einer Durchbiegung der Streifen führte und die Messung der
Regelmäßigkeit erschwerte. Mit einem Föhn einige Sekunden in einem Abstand von 1 Meter auf die
Rückseite des ca. 40 mm dicken Spiegelträgers geblasen, verformte sich dieser Spiegel so, daß
die Durchbiegung verschwand, und es entstanden schöne parallele Streifen. Auch die eigene
Handwärme, über zwei Planplatten im Abstand von 20 cm gehalten, reicht aus, um die
Interferenz-Streifen zu verbiegen. Den Versuch hat mir einstens Alois gezeigt. Was also bereits im
Labor locker passiert, passiert regelmäßg am Himmel. Vielleicht fällt uns dazu noch ein
schlüssiger Versuchsaufbau ein, um diesen Sachverhalt genauer zu quantifizieren.
11 Unterkorrigierte Spiegel und ihre quantitativen Werte
Um mir eine Zuordnung zu ersparen, wie sie sich aus dem Interferogramm-Bild die
Parabel-Korrektur ergibt, (man kann sich dies recht gut durch den Anstieg des 0.707 Maximums
vorstellen), eine Liste, wie die quantitativen Werte zur jeweiligen Unterkorrektur passen. Sehr
schnell wird ein zu stark unterkorrigierter Spiegel zur "Gurke" Wenn also Karl Thurner berichtet,
daß ein Spiegelschleifer aus Frankreich eine Unterkorrektur von 80% Parabel für günstig hält, dann
würde für diesen Fall ein PV wave von 0.69 Lambda, ein RMS wave von 0.2 Lambda und ein Strehl
von 0.18 herauskommen bei einem 250/1000 Newtonspiegel. Unakzeptabel ! Selbst eine 92%-ige
Parabel wäre noch nicht beugungsbegrenzt, unter Laborbedingungen gemessen. Und die
0.95-Strehl-Experten hätten damit ihre liebe Not. Die einzige Chance, die man hätte, wäre die
Kompensation mit einer Kompensations-Linse, mit der man auch eine 80%-ige Parabel auf Null
testen könnte. Darauf muß man aber dann hinweisen. Es gab Spiegel, die wurden so getestet.
Messen kann man damit die Regelmäßigkeit des Parabel-Verlaufes, aber nicht den exakten
Nullpunkt, der nur über einen hochgenauen Planspiegel über alle Tests gemessen werden kann.
Jedoch lassen sich mit der Kompensation mühelos alle Kegelschnitte von der Ellypse bis zur
Hyperbel problemlos vermessen, was bei RC-Systemen wichtig wird.
Wer also bei einem unterkorrigierten, aber sonst fehlerfreien Spiegel am Strehl herum-mäkelt, sollte
sich die im Bericht angeschnittene Problematik gründlich vor Augen führen, bevor er einem Irrtum
aufsitzt. Ein ganz anderer Sachverhalt entsteht, wenn ein Interferogramm durch den bekannten
Koma-Effekt gestört wird, wie er aus dem Testaufbau erzeugt wird. Koma entsteht bei der Parabel
immer außerhalb der Achse und taucht bei den fotografierten Interferogrammen in vierfacher
Erscheinungs-Form auf: (solange nicht noch Astigmatismus dazukommt)
a) durch konisches Zusammenlaufen der Streifen
b) durch ansteigende Streifenabstände
c) durch tonnen/kissen-förmige Verformung der Streifen
d) durch s-förmige Verformung der Streifen
In Hans Rohr kann man nachlesen, daß in den 40-er Jahren des letzten Jahrhunderts einige Spiegel
von Herschel nachgemessen werden konnten - allesamt recht mittelmäßige Spiegel, heute
"Gurken" genannt. Wie konnte damit der große Herschel so bedeutende Entdeckungen machen?
Schade, daß ich einen dieser Herschel-Spiegel nie vermessen darf - ich würde doch glatt dessen
optische Qualität ins Verhältnis setzen zu den astronomischen Leistungen seines berühmten
Besitzers.
Wolfgang Rohr