Astrophysiker als Taxifahrer?

  • Hallo zusammen, insbesondere auch ein Hallo an die werten Kollegen Astrophysiker hier!


    Mir wurde im Chat aufgetragen, doch endlich mal diesen Thread zu erstellen, damit wir eine Datenbasis für die immer wieder aufkommende Diskussion zu den Berufsaussichten mit Astrophysik-Abschluss haben.


    Also, folgender Aufruf: Wer ist oder _kennt sicher_ (nicht "das lese ich immer!") einen oder mehrere Astrophysiker die hauptberuflich entweder


    a) Taxi fahren


    b) Pommes verkaufen



    Ich möchte hier noch betonen dass das absolut _nicht_ die Berufe Taxifahrer oder Pommesverkäufer geringwerten soll, es ist lediglich ein Thread zu einer oft gehörten Ansicht, mit der ich mich persönlich aber _nicht_ identifiziere!


    Im weiteren Verlauf des Threads, und damit hier tatsächlich etwas sinnvolles entsteht, können wir auch gerne über reale Berufsperspektiven für Studieneinsteiger in unserem Fach diskutieren, ich denke das ist in der Tat von Interesse für viele!


    Viele Grüsse,
    DK

  • Ich hätte da mal 'ne generelle Frage (angesichts 25% genereller und 50% Jugend-Arbeitslosigkeit in machen EU-Ländern, wie z.B. Spanien):
    welcher Jugendliche hat denn eigentlich noch irgendwelche Zukunftsaussichten, solange die "Alten" nicht auf einen Teil ihrer Rente verzichten ?
    ... sozusagen ein neuer Generationenvertrag ?
    Sarkastische Gruesse
    Rudi

  • Als ich anfing, Physik zu studieren, hörte ich immer diesen:
    "
    Was sagt ein arbeitsloser Physiker zu einem Physiker, der Arbeit hat?
    Einmal Pommes mit Ketchup, bitte!
    "
    Unter anderem von einem Freund, der auf Lehramt studierte. Lehrer wurden wie wahnsinnig gesucht.
    Naja, bis ich fertig war wurden Physiker händeringend gesucht, während die Lehrerschwemme Neuanstellungen richtig schwierig machte.


    Ich glaube, diese Idee mit Pommesphysikern geht auf die frühen Neunziger zurück, wo der Markt eher schlecht war. Heutzutage kann m.E. jeder Astrophysiker gut unterkommen, wenn er nicht gerade ein klischeehafter Fachidiot ist. Die Zeiten, wo Naturwissenschaftler keinen Job bekommen konnten, sind vorbei.


    Ich kenne keinen Astrophysiker als Pommesverkäufer. Ich kenne (im Netz) einen, der in wenigen Jahren stinkreich an der Wallstreet geworden ist. Und in Echt ein paar Mathematiker, die bei deutschen Banken reich geworden sind, aber das zählt wohl nicht.

  • Der wissenschaftlich erfolgreichste mir namentlich bekannte tragische Taxifahrer ist natürlich Douglas Prasher. OK, kein Astrophysiker, sondern ein Biochemiker. Der erste, der das Reportergen GFP klonierte. Das war ein absoluter Durchbruch, und auf seiner Arbeit beruhen 3 Nobelpreise. Er hatte Schwierigkeiten, Drittmittelprojekte an Land zu ziehen. Er fuhr jahrelang Taxi (Toyota) im schönen Kalifornien. Auch noch zum Zeitpunkt der Nobelparty von 2008. Da wurde er von den Preisträgern auf deren Kosten eingeladen . 2 von ihnen hatten das alles entscheidende Konstrukt von Prasher erhalten (und er tauchte auch korrekt prominent auf deren Autorenzeilen auf). Einer der Preisträger äußerte öffentlich Verwunderung, dass er und nicht Prasher ausgezeichnet wurde, und im Vorfeld war er hoch gewettet.


    Inzwischen hat der Gute übrigens wieder einen Job an einer Uni.
    Übrigens kenne ich durchaus diverse Naturwissenschaftler, auch gute, denen im Leben Ähnliches widerfahren ist, und zwar mit weniger spektakulärem Ausgang.


    Hartwig

  • Hallo zusammen,


    "Jemand" hat recht, das mit den Pommesphysikern geht auf die Zeit der späten 80er bis Mitte der 90er Jahre zurück. Meine Studienzeit war genau in diesem Rahmen (89 bis 95), und mir fällt jetzt auf Anhieb kein Studienkollege ein, der damals wirklich einen Job als Physiker bekommen hätte. Viele hatten später (nach der Diplomarbeit, teilweise sogar noch nach der Doktorarbeit) auf Lehramt umgesattelt oder kamen direkt als Seiteneinsteiger an die Schulen, wahrscheinlich noch mehr sind im IT Bereich gelandet. Oder in völlig fachfremden Berufen. Ich kenne auch ein paar, die wirklich gar nichts gefunden hatten (noch nicht mal eine Stelle als Pommesverkäufer, weil überqualifiziert) und arbeitlos wurden. Als dann später wieder Physiker gesucht wurden, da wurden natürlich die eingestellt, die frisch vom Studium kamen. Und nicht jene, die bereits seit einigen Jahren arbeitslos waren. Die blieben oft arbeitlos, einige bis heute.


    Wolfgang

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: DK279</i>
    Im weiteren Verlauf des Threads, und damit hier tatsächlich etwas sinnvolles entsteht, können wir auch gerne über reale Berufsperspektiven für Studieneinsteiger in unserem Fach diskutieren, ich denke das ist in der Tat von Interesse für viele!<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Hi,


    eine Kollegin von mir mit AP-Hintergrund ist jetzt als Software-Testerin tätig, Spezialgebiet Security-Test. Also sowas wie eine Hackerin, aber auf der guten Seite.


    Zumindest etwas technischer, als bei den Pommes- oder Taxi-Physikern. [:D]


    Viele Grüße,


    Ursus

  • Astrophysiker und Taxi fahren scheint eine moralisch unangenehme Kombination.[xx(]
    Astrophysiker und Raumschiff fahren klingt doch da viel besser. [:D]
    Was für einen Unterschied so ein Wörtchen doch machen kann.[:)]
    Viele Grüße
    Jörg

  • Noch eine Anmerkung: in einer Astrophysikvorlesung damals kam auch die Frage auf, was man denn als Astrophysiker denn beruflich machen könne. Der Prof war der Meinung, solche Leute seien in Unternehmensberatungen und im Finanzsektor begehrt, weil sie gelernt haben, aus wenigen "verrauschten" Daten gute Hypothesen abzuleiten.


    Wie dem auch sei, nach meiner Erfahrung sind viele Physiker nicht im öffentlichen Forschungsbetrieb in ihrer mal gewählten Spezialisierung tätig, sondern mehr oder weniger fachfremd in Industrie und Dienstleistung. Wenn ich also sage, dass heutzutage Naturwissenschaftler (insb. Physiker) gute Chancen auf einen Job haben, dann meine ich damit durchaus auch Jobs als Finanzexperte, Unternehmensberater, Lehrer, Manager, Bundeskanzler und dergleichen.

  • Mal ein ein paar Datenpunkte von mir. Ich bin mit drei Freunden (von denen zwei auch Astronomie machen wollten) 1991 zum Physikstudium angetreten. Unsere Zeit war von Jobwirren gekennzeichnet, weil sich gerade auf dem Arbeitsmarkt eine Flaute abzuzeichnen begann. Dennoch haben wir alle unsere Nischen gefunden.


    Waehrend ich als "Instrument Scientist" in der astronomischen Instrumentierung gelandet bin und damit genau da, wo ich hin wollte, haben meine drei Kumpels waehrend des Studiums ein groesseres Gefallen an theoretischer Teilchenphysik gefunden.


    Einer von ihnen ist heute Lehrer, die anderen beiden arbeiten in der Industrie und verdienen dort nicht schlecht. Die Faehigkeiten, sich durch ein Problem durchzubeissen, analytisch zu denken und sich rasch in neue Sachverhalte einarbeiten zu koennen, haben sich hier bei der Jobsuche ausgezahlt.


    Im Physikstudium ist die Staerke die Breitbandigkeit der Ausbildung. Das merke ich auch immer wieder in der Instrumentenentwicklung, wenn ich im Team mit Ingenieuren zusammenarbeite. Die Breitbandigkeit hat mir schon oft geholfen, Problemloesungen zu finden, die die Ingenieure so nicht gefunden haetten. Und mit diesen Anregungen koennen dann die Ingenieure in Tiefen vordringen, die ich mangels Spezialisierung nicht beherrsche. Zusammen ergaenzen wir uns gut.

  • Also die Leute aus unserem Institut die gerade fertig sind mit Diplom oder Promotion scheinen keine größeren Schwierigkeiten zu haben Arbeit zu finden. Auch ist bei uns an der Fakultät einmal im Jahr Jobbörse, wo sich Unternehemen direkt vorstellen. Am Besten scheinen mir zur Zeit die Chancen für Leute mit Ausbildung im Bereich Optik oder Theoretische Physik zu sein. Aber auch in der Festkörperphysik siehts ganz gut aus.


    Man sollte natürlich auch ein Auge auf fachfremde Berufe werfen und flexibel sein. Wer in Hinterniedertupfingen wohnt, wird dort vielleicht keinen Job als Physiker bekommen.


    Ich auf jeden Fall machen mir keine großen Sorgen, dass ich in 2 Jahren keinen Job haben werde [:)]


    Grüße

  • Mich würde mal interessieren, wie die Unterschiede zwischen Astrophysik und "normalen" Physikstudium sind.


    Findet man mit dem einen Studiengang besser einen Job als mit dem anderen?


    Oder läuft es hinterher auf ganz verschiedene Berufe/Berufsfelder heraus, je nachdem was man jetzt geworden ist?


    Ich höre zwar oft, dass Physiker zur Zeit begehrt sind und manchmal sogar eher genommen werden, als die, die extra für den speziellen Beruf studiert haben, aber ich würd das gerne mal genauer wissen. Am besten von denen, die genau betroffen sind.


    Da ich die Tage, bis ich mein Abitur in den Hände halte so langsam an meinen Fingern abzählen kann, wäre das sehr interessant für mich.



    Viele Grüße,
    Marian

  • Hallo Marian,


    es gibt keinen Unterschied zwischen "normalem Physikstudium" und Astrophysik, zumindest nicht in Deutschland. Astronomie kann man hierzulande nicht direkt studieren. Astrophysiker sind immer voll ausgebildete Physiker, die Astronomie ist einfach nur ein Spezialgebiet innerhalb der Physik genau wie Laserphysik oder Festkörperphysik. Für Astrophysiker gilt daher auf dem Stellenmarkt genau das gleiche wie für jemanden, der sich eins der anderen Spezialgebiete ausgesucht hat - für die Arbeitgeber zählen die Fähigkeit Probleme logisch anzugehen und systematisch zu lösen und all die anderen Grundprinzipien der Arbeitsweise, die ein Physiker sich im Laufe seines Studiums aneignet. Ob der Bewerber diese Fähigkeiten in seiner universitären Laufbahn nun auf stellare Flares, das Higgs-Boson oder Stringtheorie angewendet hat, ist dabei herzlich egal. Das siehst du auch daran, daß noch nach der Diplom/Masterarbeit oder einige Leute komplett die Fachrichtung wechseln und trotzdem hervorragende Doktorarbeiten abliefern.


    Viele Grüße
    caro

  • Dieses Thema macht mir richtig Mut und bestätigt mich, dass ich alle Bewerbungsgespräche abgesagt habe, da ich mich dazu entschieden habe doch die Schule weiter zu machen mit dem Ziel Physik und Mathe zu studieren, wenn die Noten stimmen sollten. Wobei ich zwischen Abbi und Studium noch ein Jahr ins Ausland gehen will um der englischen Sprache herr zu werden und ich dann in Zukunft wegen der Jobsuche nicht so auf Deutschland fokussiert bin.

  • Hallo,


    ich weis nicht ob das zählt aber ich kenne einen Kernphysiker der jahrelang bei einer Versicherung jobte und da irgendwas programmieren musste.


    Dank Atomausstieg hat er jetzt wieder einen richtigen Job, AKW stilllegen klappt mit Leiharbeitern dann wohl doch nicht so gut.


    Mein Vater ist auch Kernphysiker, hatte beruflich aber vor allem mit Herstellung und Vertrieb von Strahlenmesstechnik zu tun und war damit vergleichsweise nah am Geschehen.


    Insgesamt könnte dem Beruf des Physikers, ob nun Kern- oder Astro- etwas mehr gesellschaftliche Anerkennung nicht schaden finde ich.


    Grüße, Dirk

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