First Light für KMOS am VLT

  • oder: 24-armiger Riese erforscht die Jugendjahre der Galaxien[:)]


    <b>Am Very Large Telescope der ESO am Paranal-Observatorium in Chile haben erfolgreiche Tests von KMOS stattgefunden, einem leistungsfähigen neuen Infrarot-Instrument, das die räumlich aufgelöste Beobachtung von bis zu 24 Himmelsobjekten gleichzeitig ermöglicht. Die resultierenden Informationen über die Struktur der beobachteten Objekte werden entscheidend zu unserem Verständnis des Wachstums und der Entwicklung von Galaxien im frühen Universum beitragen. Dank KMOS können solche Beobachtungen nun viel schneller als bisher durchgeführt werden. Das Instrument wurde von einem Konsortium aus Instituten und Universitäten in Großbritannien und Deutschland in enger Zusammenarbeit mit der ESO gebaut. </b>


    Der K-band Multi-Object Spectrograph (KMOS) am ersten Hauptteleskop des Very Large Telescope (VLT) am Paranal-Observatorium der ESO in Chile hat erfolgreich seine ersten Beobachtungen absolviert. Während der vergangenen vier Monate seit August 2012 wurde das 2,5 Tonnen schwere Instrument von Europa nach Chile transportiert, wieder zusammengebaut, getestet und am Teleskop installiert. Die nun durchgeführten Testmessungen stellen den Höhepunkt jahrelanger Planungen und Konstruktionstätigkeiten durch Teams in Großbritannien, Deutschland und bei der ESO dar. Nach X-Shooter (eso0920) ist KMOS das zweite Instrument der zweiten Generation am VLT der ESO.


    „KMOS wird die Instrumentierung des VLT um faszinierende neue Fähigkeiten ergänzen. Der erfolgreiche Test zeigt, wie groß das Engagement des gesamten Teams aus Ingenieuren und Wissenschaftlern war. Wir freuen uns bereits auf die wissenschaftlichen Entdeckungen mit KMOS, die sicherlich folgen werden, sobald die Testphase abgeschlossen ist und das Instrument seinen regulären Betrieb aufnimmt," erklärt Ray Sharples (University of Durham, Großbritannien), einer der leitenden Wissenschaftler im KMOS-Projekt.


    Für die erfolgreiche Untersuchung der frühen Lebensabschnitte von Galaxien benötigen die Wissenschaftler Dreierlei: Beobachtungen im Infrarotlicht [1], Beobachtungen möglichst vieler Objekte und räumlich aufgelöste Informationen über die Eigenschaften jedes einzelnen Objekts [2]. Während es bisher meist nur möglich war, entweder viele Objekte gleichzeitig oder ein einzelnes räumlich aufgelöst zu beobachten, liefert KMOS nun alles auf einen Schlag. Dauerte früher die detaillierte Untersuchung einer großen Stichprobe von Objekten manchmal Jahre, so erhalten die Astronomen mit KMOS nun durch die gleichzeitige Untersuchung vieler Objekte die gleichen Daten bereits nach einigen Monaten.



    KMOS am Nasmyth-Fokus von Antu am Very Large Telescope. Foto: ESO/G. Lombardi


    Die Roboterarme von KMOS können unabhängig voneinander positioniert werden und so gleichzeitig das Licht von 24 fernen Galaxien oder anderen Objekten einfangen. Jeder Arm platziert eine Matrix von 14 x 14 Pixeln exakt auf dem gewünschten Objekt. Jeder einzelne dieser 196 Pixel empfängt dann das Licht eines spezifischen Teils der untersuchten Galaxie, das anschließend in seine Spektralfarben aufgespalten wird. Diese schwachen Signale werden dann von empfindlichen Infrarotdetektoren registriert. Das außerordentliche komplexe Instrument besitzt insgesamt über eintausend optische Oberflächen, die mit großer Präzision hergestellt und justiert werden mussten [3].


    „Ich erinnere mich noch gut, wie besorgt ich vor acht Jahren bei Projektbeginn wegen der Komplexität von KMOS war. Heute aber sehe ich, dass KMOS erfolgreich beobachtet und einfach hervorragend funktioniert", sagt Jeff Pirard, der bei der ESO für das Instrument verantwortlich ist. „Die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern und Ingenieuren vom KMOS-Team war mir immer eine Freude.“


    KMOS wurde von einem Konsortium aus Instituten und in enger Zusammenarbeit mit der ESO entwickelt und gebaut. Zu dem Konsortium gehören: Das Centre for Advanced Instrumentation, Department of Physics, Durham University, Durham (Großbritannien), die Universitätssternwarte München, das UK Astronomy Technology Centre des Science and Technology Facilities Council, Royal Observatory, Edinburgh (Großbritannien), das Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching und das Sub-Department of Astrophysics, University of Oxford (Großbritannien).


    „Ich freue mich über die fantastischen Möglichkeiten zur Untersuchung ferner Galaxien, die uns KMOS bietet. Mit der Fähigkeit, 24 Objekte gleichzeitig zu beobachten, werden wir viel größere und bessere Stichproben als je zuvor studieren können. Die Zusammenarbeit zwischen allen Partnerinstituten und der ESO könnte gar nicht besser funktioniert haben. Ich bin allen an der Entwicklung und am Bau von KMOS Beteiligten überaus dankbar", schließt Ralf Bender von der Universitätssternwarte München und dem Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik, leitender Wissenschaftler im KMOS-Projekt.
    Endnoten


    [1] Die Ausdehnung des Universums führt dazu, dass das Licht der Galaxien zu längeren Wellenlängen rotverschoben wird. Das bedeutet, dass ein großer Teil des Lichts ferner Galaxien nicht mehr im sichtbaren, sondern im infraroten Spektralbereich beobachtbar ist. Daher sind Infrarotinstrumente entscheidend zur Untersuchung der Entwicklung von Galaxien.


    [2] Diese Technik nennt man Integralfeldspektroskopie. Sie ermöglicht die gleichzeitige Untersuchung verschiedener Teilbereiche eines Objekts. Mit ihrer Hilfe können Astronomen zum Beispiel untersuchen, wie eine Galaxie rotiert, und daraus ihre Masse bestimmen. Ebenso können die chemische Zusammensetzung und noch eine Reihe weiterer Eigenschaften von verschiedenen Teilen der Galaxie untersucht werden.


    3] Ein großer Teil der komplexen Mechanik von KMOS muss bei einer Temperatur von -140°C betrieben werden. Das führt zu großen ingenieurtechnischen Anforderungen.


    Mehr Infos und weitere Bilder auf den deutschen Seiten des ESO Science Outreach Network (ESON) unter: http://www.eso.org/public/germany/news/eso1251

  • Hallo Caro,


    danke fuer den Artikel. Komisches Gefuehl, im Astrotreff auf einmal von unserer Arbeitsgruppe zu lesen. Selbst war ich mit KMOS nicht stark involviert, aber ich sah unseren Beitrag (die IFU-Systeme) zusammenwachsen.


    Fuer den Interessierten hier noch ein paar Informationen:


    (i) Was ist Integralfieldspektroskopie bzw. was ist eine IFU ?


    IFU bedeutet "Integral Field Unit", und die Integralfieldspektroskopie ist ein Verfahren, bei dem ein Objekt mit Ortsaufloesung spektroskopiert werden kann. Normalerweise gibt es die Beobachtungsmethode "Imaging" und "Spectroscopy", also Abbilden oder Spektroskopie.


    Beim Abbilden bekommt man die Helligkeitsinformation eines Objektes in Ortsaufloesung, bei Verwendung von Filtern auch grobe spektrale Informationen (die "Farbe").


    Bei der Spektroskopie wird das Bild auf dem Detektor in einer Richtung begrenzt, in der dann durch das dispergierende Element (Prisma oder Gitter) das Spektrum abgebildet wird. Folglich verliert man entweder die volle Ortsinformation oder man bekommt nur die eindimensionale Ortsinformation entlang des Spaltes.


    Bei der IFS wird das Bild eines Objekts im Teleskopfokus gerastert und jedes Rasterelement separat in den Spektrografen geleitet. Hierdurch bekommt man dreidimensionale Daten: x, y, lambda. Man spricht auch von einem Datenwuerfel.


    Technisch kann man diese Bildzerlegung entweder mit einem Linsenraster hinbekommen. Das Bild ist auf dem Linsenraster, im Fokus jeder Mikrolinse entsteht ein winziges Abbild der Teleskoppupille. Dieses Abbild kann entweder direkt als "Spalt" in den Spektrografen gehen ("Tiger"-Prinzip, benannt nach dem ersten Spektrografen dieser Art), oder das Licht in jedem Fokus durch eine optische Glasfaser abfangen. Die Fasern werden dann in einem "Pseudospalt" geordnet. Der Detektor "sieht" dann beispielsweise 1000 Spektren uebereinander geordnet, aber jedes Spektrum ist einem Bildelement zugeordnet.


    Bei KMOS wurde ein alternativer Weg gewaehlt, da Fasern gewisse Nachteile haben. Hier wird das Objekt auf einen gerasterten Spiegel abgebildet und in Streifen zerlegt. Durch weitere Spiegel werden diese Streifen entlang eines Spaltes angeordnet, und die Rasterung in der anderen Raumdimension entsteht durch die Detektorpixel. Dieses Verfahren ist sehr effizient und auch fuer Infrarotsysteme geeignet, wo alles auf kryogenische Temperaturen heruntergekuehlt werden muss. Ein solches System heisst "Image-Slicer".


    Eine nette Abbildung und weitere Infos gibt es hier:


    http://www.dur.ac.uk/cfai/spec…ntegralfieldspectroscopy/


    (ii) Diamantbearbeitung


    Das Problem bei Image-Slicern ist die schiere Anzahl an optischen Oberflaechen, die sehr klein sind und exakt zueinander justiert werden muessen. Ein einziges KMOS-Feld hat 14 Raster, die auf 14 Pupillenspiegel und 14 Spaltspiegel treffen. Also 42 optische Elemente. Dazu kommen noch Voroptiken, und das ganze dann 24-mal. Die Elemente stehen auf engstem Raum und sind winzig. Jeden Spiegel in eine justierbare Zelle zu packen erscheint illusorisch.


    Deshalb wurden die Komponenten aus einem Stueck gefertigt. Sie bestehen wie die Mechanik drumherum aus Aluminium, sodass sich beim Herunterkuehlen keine differentiellen Ausdehnungen einstellen. Die Bearbeitung erfolgt mit einem Diamanten(*) auf einer CNC-Maschine, die im Prinzip mit einer Drehbank oder Fraese verglichen werden kann. Eine solche Maschine ist aber dank ihrer Bauweise (beispielsweise Spindeln auf Luftlagern) wesentlich genauer. Formen lassen sich auf Nanometer genau herstellen, wobei der groesste Restfehler durch den Abdruck des Werkzeuges entsteht. Typische Oberflaechengenauigkeiten sind 3-5 nm rms.


    Ein paar Bilder unserer Maschinen und der genauso wichtigen Metrologie (Oberflaechenvermessung) gibt es hier:


    http://www.dur.ac.uk/cfai/facilities/



    (*) Edit: Der "Diamant" ist ein Diamantwerkzeug, das wenige Mikrometer gross ist und eine definierte Form hat. Der Materialwert des Industriediamanten ist gegenueber den Kosten der Formgebung vernachlaessigbar. Da ist also kein "fetter Klunker" auf der Maschine.

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