Planetarischer Einzelgänger ausfindig gemacht?

  • <b>Astronomen haben mit dem Very Large Telescope der ESO und dem Canada-France-Hawaii Telescope einen Himmelskörper beobachtet, bei dem es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Planeten handelt, der ohne einen Mutterstern durch das Weltall vagabundiert. Von allen Kandidaten für solche frei beweglichen Planeten ist er damit bei weitem der interessanteste und mit einer Entfernung von etwa 100 Lichtjahren auch der unserem Sonnensystem am nächsten gelegene. Diese vergleichsweise geringe Distanz in Kombination mit der Abwesenheit eines hellen Sterns in unmittelbarer Nähe hat es den Wissenschaftlern ermöglicht, die Atmosphäre des Objekts detailliert zu untersuchen. Das bietet einen Vorgeschmack auf direkte Untersuchungen von Planeten um andere Sterne, wie sie zukünftige Generationen von Instrumenten leisten können sollen. </b>


    Frei bewegliche Planeten sind Himmelskörper mit der Masse normaler Planeten, die sich aber vollkommen ungebunden an einen Stern durch das Weltall bewegen. Mögliche Kandidaten für solche Objekte waren bereits zuvor entdeckt worden [1], aber solange ihr Alter nicht bekannt ist, können Astronomen nicht eindeutig feststellen, ob es sich dabei tatsächlich um Planeten oder um sogenannte Braune Zwerge handelt – Sterne, die zu klein geraten sind, um dauerhaft in ihrem Inneren Kernfusion zu betreiben, was letztlich die Energiequelle für das Leuchten eines jeden Sterns darstellt.


    Jetzt haben Astronomen mit dem Canada France Hawaii Telescope einen Himmelskörper entdeckt, der die Bezeichnung CFBDSIR2149 erhalten hat [2]. Er scheint zu einer Ansammlung nahegelegener junger Sterne zu gehören, die unter dem Namen AB Doradus-Bewegungshaufen bekannt ist. Dank der Leistungsfähigkeit des Very Large Telescope der ESO waren die Forscher anschließend in der Lage, auch seiner Natur und seinen Eigenschaften auf den Grund zu gehen [3].



    Künstlerische Darstellung des vagabundierenden Planeten CFBDSIR J214947.2-040308.9. Grafik: ESO/L. Calçada/P. Delorme/Nick Risinger (skysurvey.org)/R. Saito/VVV Consortium


    Der AB Doradus-Bewegungshaufen ist die unserem Sonnensystem am nächsten gelegene derartige Sterngruppe. Die darin enthaltenen Sterne bewegen sich gemeinsam mit in etwa derselben Geschwindigkeit und in dieselbe Richtung durch das Weltall. Man geht daher davon aus, dass sie auch gemeinsam entstanden sind. Unter der Annahme, dass CFBDSIR2149 zu diesem Bewegungshaufen gehört und demnach ein relativ junger Himmelskörper ist, lassen sich Rückschlüsse auf weitere Eigenschaften ziehen, wie etwa seine Oberflächentemperatur, seine Masse und die Zusammensetzung seiner Atmosphäre [4]. Allerdings besteht nach wie vor eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass die Ähnlichkeit von CFBDSIR2149 mit den Mitgliedern der Gruppe nur zufällig ist.


    Die Verbindung von CFBDSIR2149 zu der Sterngruppe liefert den entscheidenden Hinweis auf das Alter dieses Objekts [5]. Dies wäre der erste Himmelskörper mit einer planetenartigen Masse in einem solchen Bewegungshaufen. Die Verknüpfung mit dieser speziellen Gruppe macht CFBDSIR2149 außerdem zu dem bislang interessantesten Kandidaten für einen solchen freifliegenden Planeten überhaupt.


    „Zu versuchen Planeten um andere Sterne direkt zu beobachten, ist so als ob man ein Glühwürmchen einen Zentimeter neben einem hellen und weit entfernten Autoscheinwerfer sehen möchte”, erläutert Philippe Delorme vom Institut de planétologie et d’astrophysique in Grenoble an der französischen CNRS/Université Joseph Fourier, der Erstautor der neuen Studie. „Bei diesem uns nahen, frei herumvagabundierenden Himmelsobjekt können wir sozusagen das Glühwürmchen detailliert untersuchen, ohne dass das blendende Licht des Scheinwerfers dabei stört.”


    Frei bewegliche Objekte wie CFBDSIR2149 sind entweder wie normale Planeten entstanden und dann aber aus ihrem Heimatsystem herausgeschleudert worden, oder aber sie entstehen als Einzelkörper, so wie die kleinsten Sterne oder Braune Zwerge. Unabhängig davon, welches dieser beiden Szenarien zutrifft, sind sie aber hochinteressante Studienobjekte: entweder als Planeten ohne Sterne oder als die kleinstmöglichen Himmelskörper am unteren Ende der Skala, die von den massereichsten Sternen bis hinunter zu den kleinsten Braunen Zwergen reicht.


    „Derart kleine Himmelskörper wie dieser sind sehr wichtig, denn sie helfen uns zu verstehen inwieweit Planeten aus ihren Heimatsystemen herausgeschleudert werden oder eben wie leicht die kleinsten Einzelobjekte werden, die in Sternentstehungsgebieten entstehen”, ergänzt Delorme. „Wenn es sich bei diesem kleinen Körper tatsächlich um einen Planeten handelt, der aus dem Planetensystem herausgekickt wurde, in dem er geboren wurde, lässt das natürlich vor unseren Augen das Bild von lauter solchen Planeten-Waisen entstehen, die ziellos durch das Weltall treiben.”


    Von solchen Welten könnte es viele geben – möglicherweise genauso viele wie normale Sterne [6]. Kann man CFBSIR2149 allerdings nicht dem AB Doradus-Bewegungshaufen zuordnen, sind seine Natur und seine Eigenschaften allerdings wesentlich unsicherer. Er könnte dann auch ein kleiner Brauner Zwerg sein. Beide Szenarien stehen aber dennoch für bedeutende Fragen hinsichtlich dessen wie sich Sterne und Planeten bilden und verhalten.


    „Weitergehende Untersuchungen werden endgültig klären, ob CFBSIR2149 nun ein frei beweglicher Planet ist”, schließt Delorme. „Er könnte dann als Testfall für das Verständnis der Physik ähnlicher Exoplaneten herhalten, wie sie in Zukunft mit abbildenden Hochkontrast-Systemen entdeckt werden könnten – zum Beispiel mit dem SPHERE-Instrument, das demnächst am VLT installiert wird.”
    Endnoten


    [1] In der Vergangenheit wurde bereits eine Vielzahl ähnlicher Kandidaten für frei bewegliche Planeten entdeckt, siehe entsprechende Pressemitteilungen und Fachartikel zum Beispiel vom Science Magazine, Nature und der Royal Astronomical Society. Die ersten solchen Objekte sind bereits seit den 90er Jahren bekannt, als die Atronomen feststellten, dass es schwierig ist, die genaue Massengrenze zwischen einem Braunen Zwerg und einem Planeten zu bestimmen. Neuere Studien haben mittlerweile ergeben, dass es in unserer Milchstraße große Mengen dieser Kleinkörper geben dürfte - möglicherweise fast doppelt so viele wie normale Hauptreihensterne.


    [2] Das Objekt wurde im Rahmen einer Erweiterung des Canada-France Brown Dwarfs Survey (CFBDS) auf den Infrarotbereich entdeckt, einem Durchmusterungsprojekt zur Suche nach kühlen Braunen Zwergen. Die Langfasssung der Bezeichnung lautet CFBDSIR J214947.2-040308.9.


    [3] Die Wissenschaftler beobachteten CFBSIR2149 sowohl mit der Kamera WIRCam am Canada France Hawaii Telescope auf Hawaii als auch mit dem SOFI-Instrument am New Technology Telescope der ESO in Chile. Die jeweiligen Bilder wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen und ermöglichten so die Bestimmung der Eigenbewegung des Objekts am Himmel, die daraufhin mit den Werten der Mitglieder des AB Doradus-Bewegungshaufens verglichen werden konnte. Die detaillierte Untersuchung der Atmosphäre des Himmelskörpers wurde mit dem X-Shooter-Spektrografen am Very Large Telescope der ESO am Paranal-Observatorium durchgeführt.


    [4] Durch die Verknüpfung mit dem AB Doradus-Bewegungshaufen ergäbe sich für CFBSIR2149 eine Masse im Bereich des vier- bis siebenfachen der Jupitermasse und eine Effektivtemperatur von etwa 430°C. Sein Alter würde mit 50 bis 120 Millionen Jahren dem des Bewegungshaufens entsprechen.


    [5] Die statistische Analyse der jährlichen Eigenbewegung des Objekts am Himmel ergab eine Wahrscheinlichkeit von 87% dafür, dass es zum AB Doradus-Bewegungshaufen gehört, und eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 95% dafür, dass es jung genug ist, um eine planetenartige Masse zu haben. Insgesamt ist daher sehr viel wahrscheinlicher, dass es sich anstelle eines zu klein geratenen Sterns um einen frei beweglichen Planeten handelt. In sehr jungen Sternhaufen hat man zwar noch weitere Kandidaten für frei bewegliche Planeten gefunden. Diese lassen sich aufgrund ihrer größeren Entfernung aber nicht so eingehend untersuchen.


    [6] Frei bewegliche Himmelskörper können ihre Existenz auch durch den sogenannten Mikrogravitationslinseneffekt verraten: Laufen sie von der Erde aus gesehen vor einem Stern vorbei, dann wird das Licht des Sterns abgelenkt und verzerrt, so dass man den Stern kurzzeitig heller leuchten sieht. Mikrogravitationslinsen-Durchmusterungsprogramme wie das OGLE-Projekt könnten auf diese Weise bereits einen frei beweglichen Planeten entdeckt haben.


    Mehr Infos, weitere Bilder und ein Video gibt es auf den deutschen Seiten des ESO Science Outreach Network (ESON) unter: http://www.eso.org/public/germany/news/eso1245

  • Hallo Caro,


    das ist ja eine schöne Ergänzung zu unserer letzten Diskussion zu dunklen Planeten (guckst Du hier: http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=142207).
    Demnach wäre jetzt optisch ein solcher Planetenkandidat mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, sofern er zu dem Haufen zu rechnen ist. Gibt es denn schon Aussagen über seine Atmosphärenzusammensetzung, ich konnte auf dem Link hierzu nichts finden. Bin mal gespannt, ob das wieder als "Schwester der Erde" durch die Medien geistert.


    Ein Kandidat mehr, ab Erfüllung welcher Kriterien gälte er denn allgemein als nachgewiesen?


    Viele Grüße,
    Lars



    (Falls das nicht hierher gehört, bitte verschieben)

  • Hallo Lars,


    tatsächlich war die Diskussion im anderen Thread für mich fast schon ein wenig gemein, denn diese Meldung fiel heute ja nicht vom Himmel, sondern wurde in den letzten Wochen vorbereitet. Ich wußte seit Seite 3, da kommt was zu dem Thema, aber ich mußte schweigen [B)]


    Ein spektrum hat man ja, darauf sind auch ziemlich deutlich die typischen Absorptionsbanden bestimmter Moleküle zu sehen (unter http://www.eso.org/public/arch…pers/eso1245/eso1245a.pdf findest du den Original-Fachartikel, da kannst du es dir auch ansehen). Damit daraus absolute Elementhäufigkeiten abzuleiten tut man sich aber noch ziemlich schwer. Die Modellatmosphären für so kühle Objekte sind noch nicht perfekt.


    (==&gt;)Nico: Der Spektraltyp ist T7, aber da sich das im Verlauf der Abkühlung eines jungen Objektes ändert, ist eine Massenzuordnung noch nicht eindeutig. Erst wenn man das Alter wirklich festnageln kann, dann weiß man es genau.


    Ich gehe scharf davon aus, daß man sich nun darauf konzentrieren wird zu versuchen, die Parallaxe von dem Ding zu bestimmen und so an eine unabhängig bestimmte Entfernung zu kommen. Daran könnte man dann die Helligkeitsmessungen eichen und alles weitere ergäbe sich.


    Viele Grüße
    Caro

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