Hallo zusammen,
in letzter Zeit lese ich hier immer mal wieder Kommentare, dass
ein Sterntest nach erfolgreicher Parabolisierung mit einem Strehl
von 0.99wasweissichwieviel im Grunde überflüssig ist und das Ding
nun so schnell wie nur irgendwie möglich in die Vakuumkammer muss.
Ich bin da ganz und gar anderer Meinung! Mir ist schon klar, dass
ich da wohl etwas alleine dastehe, aber ich möchte diese Meinung
zumindest kurz begründen.
1. Es ist einfach eine schöne alte ATM-Tradition den Sterntest zu
machen! Die Verbundenheit mit dem Spiegel steigt noch weiter, man
ist zum ersten mal "zusammen" draussen und trotzt "gemeinsam" den
Elementen. Der selbst geschliffene Spiegel spielt mit und zeigt
wesentlich mehr als man jemals erwartet hätte. "Wow, und das ohne
Coating, einfach unglaublich!"
Klar, furchtbar kitschig, aber genau so war es bei mir bisher aber
auch jedes Mal wieder!
2. Wir alle machen Fehler. Manchmal machen wir sogar ziemlich blöde
Fehler. Frag mal die Glasquäler, die den Hauptspiegel für Hubble
geschliffen haben. Vermutlich haben sie einen der besten Spiegel des
vergangenen Jahrhunderts hergestellt, leider passte er aber
nicht so richtig zu dem geplanten Teleskop - echt peinlich!
Mit Sterntest währe das nicht passiert! Ok, das ist alles ein
ziemliches Laberpalaver. Jetzt kommt das Gruselkabinett:
-> feste Lichtquelle mit bewegliche Lichtquelle verwechselt...
-> Fehler bei der Herstellung der Coudermaske...
-> Zonenzentren der Coudermaske falsch berechnet...
-> vergessen, dass der verbesserte Tester nur 0.5mm pro Umdrehung vorschiebt...
-> Messuhr zeigt reproduzierbar falsche Werte...
-> irgendwo mm mit Zoll verwechselt...
-> fehlerhafte oder veraltete Programmversion zur Auswertung verwendet...
-> Fehler bei der Messung der Brennweite des Spiegels...
-> Brennweite mit Kurvenradius verwechselt...
-> Brennweite des Spiegels hat sich beim Polieren noch stark verändert...
-> versteckte Zonen, die beim Foucault-Test unentdeckt blieben...
-> Astigmatismus...
Jeder dieser Fehler (und besonders jeder der anderen, an die ich
jetzt noch gar nicht gedacht habe) kann sehr leicht mal passieren.
Die meisten dieser Fehler passieren sogar tatsächlich immer mal
wieder und bleiben dann meist lange unentdeckt. Jeder einzelne dieser
Fehler macht aber auch den Unterschied zwischen einem hochpräziesen
optischen Bauteil und einem netten Stück für den nächsten Polterabend aus!
3. Es wird immer wieder argumentiert, dass der Sterntest in Wirklichkeit
für einen unerfahrenen Amateur nicht zu interpretieren ist. Dazu sage
ich, dass meine Oma diesen Test interpretieren kann, wenn ich ihr kurz
erklähre, wie Astigmatismus oder eine Verdopplung der Asphäre aussieht.
Man will mit diesem Sterntest des unbelegten Spiegels doch meist wirklich
nicht auf das letzte Strehlchen testen, sondern feststellen ob irgendwo
ein grober systematischer Fehler vorliegt.
Tja, ist leider länger geworden als ich dachte, aber sei es drum
ciao, Heiner